- Obwohl dies eine Frage sein mag, über die die Politiker noch fünf oder zehn Jahre streiten werden, politisch gesehen steht der schwarze Mann bereits weit über den gebildeten weißen Frauen des Landes. Die Frauen, die die Nation repräsentieren, haben in den letzten dreißig Jahren ihr äußerstes getan, um dem Neger die Freiheit zu verschaffen; und solange er auf der untersten Stufe der Daseins-Skala stand, waren wir bereit, seine Forderungen durchzusetzen; aber jetzt, da sich das himmlische Tor zu den Bürgerrechten langsam in den Angeln bewegt, ist ernsthaft die Frage zu stellen, ob wir nicht besser abseits gestanden hätten als zuzusehen-, wie »Sambo« als erster das Königreich betritt. Da die Selbsterhaltung das erste Naturgesetz ist, wäre es vielleicht weiser gewesen, unsere Lampen zu putzen und am Brennen zu halten, um dann, wenn sich das Verfassungstor öffnet, auf den starken Arm des schwarzen Soldaten in seiner blauen Uniform gestützt, Seite an Seite mit ihm hindurchzuschreiten und so die Öffnung so breit zu machen, daß keine privilegierte Klasse sie jemals wieder würde schließen können, auch nicht vor dem bescheidensten Bürger der Republik.
»Dies ist die Stunde des Negers.« Sind wir sicher, daß er, wenn er sich erst hinter seinen unveräußerlichen Rechten verschanzt hat, keine zusätzliche Macht sein wird, die uns am Boden hält? Hat man nicht »schwarze männliche Bürger« sagen hören, daß sie daran zweifelten, ob es weise sei, das Wahlrecht auf die Frauen auszudehnen? Warum sollten die afrikanischen Männer gerechter und großzügiger sein als ihre angelsächsischen Vergleichspartner? Wenn den zwei Millionen schwarzen Frauen im Süden das Recht auf die eigene Person, auf Eigentum, Lohn und Kind nicht gesichert wird, ist ihre Emanzipation nur eine andere Form der Sklaverei, In der Tat, es ist besser, die Sklavin eines gebildeten weißen Mannes zu sein als die eines niederen und ungebildeten schwarzen...[1]
Diesen Brief an den Herausgeber des New York Standard vom 26. Dez. 1865 verfaßte Elizabeth Cady Stanton. Sein unbestreitbar rassistischer Ton läßt vermuten, daß Stantons Verständnis für die Beziehung zwischen dem Kampf um die Befreiung der Schwarzen und dem für das Frauenrecht bestenfalls oberflächlich war. Anscheinend war sie entschlossen, den weiteren Fortschritt der Schwarzen - auch den von »Sambo« - zu verhindern, wenn er bedeutete, daß die weißen Frauen nicht direkt Nutzen aus diesem Fortschritt ziehen konnten.
Die opportunistische und leider auch rassistische Argumentationslinie in Stantons Brief an den Standard weckt ernsthafte Zweifel an dem Vorschlag, die Sache der Frauen mit der Sache der Schwarzen zu verschmelzen, der auf dem ersten Frauenrechtstreffen nach dem Bürgerkrieg unterbreitet wurde. Auf dieser Frauenrechtsversammlung, die im Mai 1866 in New York City stattfand, beschlossen die Delegierten, eine Vereinigung für gleiche Rechte aufzubauen, die den Kampf der Schwarzen und den für das Frauenwahlrecht in einer einzigen Kampagne vereinigen sollte. Ohne Zweifel erkannten viele Delegierte die dringende Notwendigkeit der Einheit - einer Einheit, die für die Schwarzen und für die Frauen von gegenseitigem Vorteil wäre. Susan B. Anthony bestand z. B. darauf, es sei notwendig, »... unsere Plattform der Frauenrechte zu erweitern und sie als das zu benennen, was sie dem Geiste nach schon immer gewesen ist: eine Plattform der Menschenrechte.«[2] Im Verlauf der Tagung wurde jedoch der Einfluß des Rassismus offenbar. In einem der Hauptvorträge argumentierte der allgemein bekannte Henry Ward Beecher, daß die weißen einheimischen gebildeten Frauen wesentlich legitimere Ansprüche auf das Stimmrecht hätten, als die Schwarzen und die Einwanderer, die er in einer offen abwertenden Weise so schilderte:
- Nehmen Sie nun diese große Armee edler und kultivierter Frauen auf der einen Seite und auf der anderen Seite diese sich erhebende Masse emanzipierter Afrikaner und allen voran die große Emigrantenherde von der Grünen Insel: Ist unsere Regierung stark genug sicherzustellen, daß die Afrikaner und die Iren das Wahlrecht erhalten? Sie ist es. Wir werden es ihnen geben. Und wird unsere ganze Kraft etwa zu Ende sein, wenn wir das getan haben? Und sollen wir nun den schönsten und besten Teil unserer Gesellschaft, diejenigen, denen wir unsere Zivilisation verdanken, unsere Lehrerinnen, unsere Gefährtinnen, jene, die wir in Schwierigkeiten am ehesten um Rat angehen, diejenigen, denen wir alles anvertrauen, was uns teuer ist - die Wohlfahrt unserer Kinder, unseren Haushalt, unser Eigentum, unseren Namen und unser Ansehen, und auch, was noch tiefer liegt, unser innerstes Selbst, das ein Mann nur einem Menschen enthüllt - sollen wir sie beiseite nehmen und sagen: »Sie sind trotz allem nicht befugt zu wählen, wo der Ire wählt und wo der Afrikaner wählt?« ... ich sage ... es ist wichtiger, die Frauen wählen zu lassen, als den schwarzen Mann...[3]
Beechers Bemerkungen enthüllen den tiefen ideologischen Zusammenhang zwischen Rassismus, Klassenlage und männlicher Suprematie, denn die weißen Frauen, die er preist, beschreibt er in der Sprache der herrschenden sexistischen Stereotypen.
Auf der ersten Jahresversammlung der »Vereinigung für gleiche Rechte« im Mai 1867 betete Elizabeth Cady Stanton die Ansicht von Henry Ward Beecher eifrig nach, es sei weit wichtiger, daß die weißen Frauen (d. h. die weißen angelsächsischen Frauen) das Wahlrecht bekämen als der schwarze Mann.
- Mit dem schwarzen Mann tritt kein neues Element in die Staatsführung ein, aber in der Bildung und der Erlesenheit der Frauen haben wir eine Kraft, durch die sich die sächsische Rasse zu einem höheren und edleren Leben entwickeln und so durch das Gesetz der Anziehungskraft auch alle anderen Rassen auf eine höhere Ebene heben wird, als sie jemals durch die politische Isolierung der Geschlechter erreicht werden könnte.[4]
Das Hauptthema auf diesem Kongreß war die bevorstehende Verleihung des Wahlrechts an die schwarzen Männer und die Frage, ob diejenigen, die das Frauenstimmrecht forderten, bereit waren, das Stimmrecht für Schwarze auch dann zu unterstützen, wenn es den Frauen nicht gleichzeitig gelingen sollte, ihrerseits das Wahlrecht zu bekommen. Elizabeth Cady Stanton und andere, die glaubten, die Emanzipation habe die Schwarzen den weißen Frauen »gleich« gemacht und das Stimmrecht werde den schwarzen Mann nun über die Frau erheben, widersetzten sich seinem Stimmrecht. Es gab aber auch solche, die erkannten, daß die Abschaffung der Sklaverei allein die ökonomische Unterdrückung der Schwarzen noch nicht beseitigt hatte und daß diese deshalb besonders und dringend der politischen Macht bedurften. Abby Kelly Foster widersprach Stantons Logik und stellte die folgende Frage:
- Besitzen wir überhaupt den wahren Begriff von Gerechtigkeit, sind wir nicht tot für das Gefühl von Menschlichkeit, wenn wir den Wunsch haben können, seine Sicherheit vor gegenwärtigem Leid und zukünftiger Versklavung so lange aufzuschieben, bis die Frau ihr politisches Recht erhalten hat?[5]
Bei Ausbruch des Bürgerkrieges hatte Elizabeth Cady Stanton ihre feministischen Mitarbeiterinnen beschworen, während der Kriegsjahre ihre ganze Kraft für die Kampagne gegen die Sklaverei einzusetzen. Später wollte sie beweisen, die Fürsprecherinnen des Frauenrechts hätten einen strategischen Fehler begangen, als sie sich der Sache des Abolitionismus untergeordnet hätten. In Anspielung auf die »sechs Jahre, da (die Frauen) ihre eigenen Forderungen zugunsten der Sklaven im Süden zurückgestellt hatten«,[6] gesteht sie in ihren Reminiscenees ein, daß sie für ihr patriotisches Engagement in republikanischen Kreisen sehr gelobt worden seien. »Nachdem aber die Sklaven emanzipiert waren«, klagt sie,
- ... und diese Frauen verlangten, daß sie beim Wiederaufbau der Republik als Bürgerinnen und gleich vor dem Gesetz anerkannt wurden, da verflüchtigten sich all diese vortrefflichen Tugenden wie der Tau unter der Morgensonne.[7]
Für Elizabeth Cady Stanton war die Lehre, die die Frauen,(d. h. die weißen Frauen) aus den Bürgerkriegserfahrungen zu ziehen hatten, daß Frauen »sich niemals dafür hergeben sollten, bei den Bestrebungen des Mannes behilflich zu sein und sein Geschlecht über ihr eigenes zu erheben.«[8]
Stantons Analyse der am Ende des Krieges herrschenden Verhältnisse enthält ein starkes Element politischer Naivität, was zur Folge hatte, daß sie mehr den je zuvor für die rassistische Ideologie empfänglich war. Kaum hatte die Unionsarmee ihre föderierten Gegner überwunden, verlangten sie und ihre Mitstreiterinnen von der Republikanischen Partei den Lohn für ihre Bemühungen während des Krieges. Dieser Lohn war das Frauenwahlrecht - als ob sie einen Handel abgeschlossen hätten, als ob die Verfechterinnen des Frauenrechts für den Sieg über die Sklaverei in dem Bewußtsein gekämpft hätten, der Preis dafür werde das Wahlrecht sein.
Natürlich setzten sich die Republikaner nach dem Sieg der Union nicht für das Frauenwahlrecht ein. Aber nicht etwa, weil sie Männer waren, sondern weil sie als Politiker gehalten waren, die vorherrschenden ökonomischen Interessen ihrer Zeit zu vertreten. Insoweit die militärische Auseinandersetzung zwischen dem Norden und dem Süden ein Krieg zum Sturz der südlichen Sklavenhalterklasse war, war er ein Krieg, der wesentlich im Interesse der Bourgeoisie des Nordens geführt wurde, und das waren die jungen enthusiastischen industriellen Kapitalisten, die in der Republikanischen Partei ihr Sprachrohr hatten. Die Kapitalisten des Nordens strebten die ökonomische Kontrolle über die gesamte Nation an. Ihr Kampf gegen die südlichen Slavokraten bedeutete deshalb aber noch lange nicht, daß sie die Befreiung der Schwarzen oder die der Frauen als Menschen unterstützten.
In der Nachkriegszeit stand weder das Frauenwahlrecht auf der Tagesordnung der Republikanischen Partei, noch waren die unveräußerlichen Rechte der schwarzen Bevölkerung für diese siegreichen Politiker wirklich von Interesse. Daß sie die Notwendigkeit einsahen, das Wahlrecht auf die gerade emanzipierten schwarzen Männer im Süden auszudehnen, hieß nicht, daß sie die schwarzen Männer weißen Frauen vorgezogen hätten. Das Stimmrecht für schwarze Männer - wie es in dem Vierzehnten und Fünfzehnten Zusatzartikel zur Verfassung auf Antrag der Republikaner festgelegt wurde - war ein taktischer Zug, um in der chaotischen Nachkriegszeit im Süden die politische Hegemonie der Republikanischen Partei zu sichern. Charles Summer, der Sprecher der Republikaner im Senat, war ein leidenschaftlicher Fürsprecher des Frauenwahlrechts gewesen, bis die Nachkriegszeit einen plötzlichen Wandel in seiner Haltung brachte. Die Forderung nach Ausdehnung des Wahlrechts auf die Frauen sei, behauptete er nun, »nicht opportun«.[9] Mit anderen Worten: »... die Republikaner wollten unter keinen Umständen Gefahr laufen, daß etwas den Gewinn von zwei Millionen schwarzer Stimmen für ihre Partei beeinträchtigte.«[10]
Die orthodoxen Republikaner setzten der Nachkriegsforderung nach dem Frauenwahlrecht den Slogan »Dies ist die Stunde des Negers« entgegen. Damit meinten sie in Wirklichkeit: »Dies ist die Stunde von zwei Millionen Stimmen mehr für unsere Partei.« Elizabeth Cady Stanton und ihre Anhängerinnen glaubten jedoch, dies sei »die Stunde des Mannes« und daß sich die Republikaner anschickten, dem schwarzen Mann alle Privilegien männlicher Vorherrschaft zu gewähren. Als sie 1867 auf dem »Kongreß für gleiche Rechte« von einer schwarzen Delegierten gefragt wurde, ob sie für das Stimmrecht für die schwarzen Männer sei, solange die Frauen nicht wählen durften, antwortete sie:
- ... ich sage nein; ich würde ihm meine Rechte nicht anvertrauen; erniedrigt und unterdrückt wie er ist, würde er despotischer sein ... als unsere sächsischen Herren es je waren ...[11]
Der Grundsatz der Einheit, nach dem die »Vereinigung für gleiche Rechte« gegründet worden war, war zweifellos nicht zu kritisieren. Daß Frederick Douglass bereit war, zusammen mit Elizabeth Cady Stanton als Vizepräsident zu amtieren - Lucretia Mott wurde als Präsidentin der Vereinigung gewählt - beweist die Ernsthaftigkeit des Ringens um Einheit. Trotzdem hat es den Anschein, als hätten Stanton und einige ihrer Mitstreiterinnen die Organisation als ein Mittel aufgefaßt, um sicherzustellen, daß der schwarze Mann das Stimmrecht so lange nicht erhielt, als bis es auch die Frauen in Empfang nehmen konnten. Als die »Vereinigung für gleiche Rechte« beschloß, für den Vierzehnten Zusatzartikel zu werben - er begrenzte den Anteil der Abgeordneten im Kongreß entsprechend der Zahl der männlichen Bürger, denen das Wahlrecht bei Bundeswahlen noch verweigert wurde - fühlten sich diese weißen Frauen unendlich betrogen. Als die Vereinigung dann noch für die Unterstützung des Fünfzehnten Zusatzartikels stimmte - er verbot, daß aufgrund von Rasse, Hautfarbe und früherer Leibeigenschaft Bürgern das Wahlrecht verwehrt wurde - kulminierten die inneren Reibereien in einem offenen und lauten ideologischen Kampf. Eleanor Flexner gibt folgende Schilderung:
- Sie und Miss Anthony waren maßlos entrüstet. Letztere schwor: »Ich werde eher diesen meinen rechten Arm abschneiden, als für das Stimmrecht des Negers zu arbeiten oder es zu fordern, ohne daß das Stimmrecht der Frauen eingeschlossen ist.« Mrs. Stanton machte abfällige Bemerkungen über »Sambo« und darüber, daß »Afrikaner, Chinesen und alle möglichen ignoranten Ausländer, sowie sie nur den Fuß auf unseren Boden setzen«, wählen dürften. Sie warnte davor, daß die Fürsprache der Republikaner für das Wahlrecht von Männern »einen Antagonismus zwischen schwarzen Männern und allen Frauen schafft, der in fürchterlichen Übergriffen gegen Frauen vor allem in den Südstaaten gipfeln wird«.[12]
Ob die Kritik am Vierzehnten und Fünfzehnten Zusatzartikel, wie sie von den Führerinnen der Frauenrechtsbewegung vorgebracht wurde, berechtigt war oder nicht, ist noch immer umstritten. Eins aber scheint klar zu sein: Die Verteidigung ihrer eigenen Interessen als weiße Mittelschichtsfrauen - in einer oft egoistischen und elitären Weise - enthüllt, wie schwach und oberflächlich ihre Beziehungen zur Nachkriegskampagne für die Gleichheit der Schwarzen waren.
Zugegeben, die zwei Zusatzartikel schlossen die Frauen von dem neuen Prozeß der Wahlrechtsverleihung aus und wurden deshalb von ihnen als das genau Gegenteil ihrer politischen Ziele verstanden. Zugegeben, in ihren Augen war ihr Anspruch auf das Stimmrecht ebenso unabweisbar wie der der schwarzen Männer. Indem sie jedoch ihre Opposition mit Privilegien begründeten, die aus der Überlegenheit der Weißen abgeleitet waren, offenbarten sie, wie wehrlos sie - trotz jahrelangen Engagements in fortschrittlichen Bewegungen - dem verderblichen ideologischen Einfluß des Rassismus gegenüber waren.
Für Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony bedeutete der Sieg der Union die tatsächliche Emanzipation der Millionen von Schwarzen, die vorher die Opfer der Sklaverei gewesen waren,. In ihren Augen hob die Abschaffung des Sklavensystems die Schwarzen innerhalb der US-Gesellschaft auf eine Ebene, die sie fast in jeder Hinsicht mit den weißen Mittelschichtsfrauen vergleichbar machte.
- ... (Durch) das Gesetz über die Emanzipation und die Verfassung besaßen der Neger und die Frau nun die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte, außer dem Wahlrecht für beide.[13]
Die Annahme, die Emanzipation habe die früheren Sklaven den weißen Frauen gleichgestellt so daß beide Gruppen in gleicher Weise zur Vervollständigung ihres sozialen Status nur noch das Wahlrecht brauchten - ignoriert, wie außerordentlich unsicher die gerade erlangte »Freiheit« der schwarzen Bevölkerung in der Zeit nach dem Bürgerkrieg war. Die Ketten waren zwar gesprengt, aber die Schwarzen litten immer noch unter der wirtschaftlichen Ausbeutung und waren von der terroristischen Gewalt rassistischer Banden bedroht, die in dieser Intensität noch nicht einmal während der Sklaverei erreicht worden war. Nach Ansicht von Frederick Douglass war die Abschaffung der Sklaverei nur dem Namen nach erfolgt. Das tägliche Leben der Schwarzen im Süden roch noch immer nach Sklaverei. Und es gab nur einen Weg, so argumentierte Douglass, diesen neuen »freien« Status der Schwarzen im Süden zu festigen und zu sichern: »Die Sklaverei ist so lange nicht abgeschafft, wie der schwarze Mann kein Wahlrecht hat.«[14] Das ist der Grund, warum er darauf beharrte, daß dem Wahlrecht der Schwarzen in dieser besonderen historischen Situation strategische Priorität vor dem Frauenwahlrecht zukam. Für Frederick Douglass war das Wahlrecht eine Waffe, mit deren Hilfe der unvollendete Prozeß der Abschaffung der Sklaverei vollendet werden konnte. Wenn er behauptete, daß das Frauenwahlrecht im Augenblick weniger wichtig war als die Ausdehnung des Stimmrechts auf die Schwarzen, wollte er keineswegs die Überlegenheit des schwarzen Mannes beschwören. Obwohl Douglass keineswegs von männlich-suprematistischen Vorstellungen ganz frei war und auch die polemische Form seiner Theorie, daß das Wahlrecht der Schwarzen Priorität habe, nicht im geringsten frauenfeindlich.
Frederick Douglass führte an, daß es den Schwarzen im Süden ohne das Stimmrecht nicht gelingen würde, auch nur den geringsten wirtschaftlichen Fortschritt zu machen.
- Ohne das Bürgerrecht der Wahl wird der Neger praktisch immer ein Sklave bleiben. Das persönliche Besitzrecht über ihn wurde zwar abgeschafft; wenn wir aber die Südstaaten ohne diese Maßnahme wiederaufbauen (d. h. ohne das Wahlrecht), werden wir ein Besitzrecht über die Schwarzen durch die Gesellschaft, in der sie leben, errichten.[15]
Die Notwendigkeit, die weiterbestehende wirtschaftliche Unterdrückung in der Nachkriegsepoche zu eliminieren, war nicht der einzige Grund, warum für die Schwarzen die Forderung nach dem Wahlrecht so besonders dringend war. Die ungeheuerlichen Gewalttaten durch den Mob, der von denen angefeuert wurde, die ihren Profit aus der Arbeit der früheren Sklaven zu ziehen trachteten, würden ohne Zweifel kein Ende finden, so dachten viele, bis die Schwarzen politische Macht erreicht hätten. In einer der ersten Debatten zwischen Frederick Douglass und den Verfechterinnen des Frauenstimmrechts innerhalb der Vereinigung für gleiche Rechte bestand Douglass auf dem Vorrang des Wahlrechts für Schwarze, denn »für uns bedeutet das Fehlen des Wahlrechts New Orleans, bedeutet es Memphis, bedeutet es den Mob von New York.«[16]
Die Ausschreitungen in Memphis und New Orleans fanden im Mai und im Juli 1866 statt weniger als ein Jahr vor der Auseinandersetzung zwischen Douglass und den weißen Frauen. Vor einem Komitee des US-Kongresses machte eine gerade befreite Frau, ein Opfer der Gewalttätigkeiten von Memphis, diese Zeugenaussage:
- Ich mußte zusehen, wie sie meinen Mann töteten ... sie haben ihn in den Kopf geschossen, während er krank zu Hause war ... es waren zwischen zwanzig und dreißig Männer, die zu unserem Haus kamen ... sie zwangen ihn, aufzustehen und zur Tür zu gehen ... sie fragten ihn, ob er Soldat gewesen sei, ... Dann trat einer zurück, ... setzte eine Pistole an seinen Kopf und schoß dreimal; ... als mein Mann hinfiel, scharrte er ein bißchen mit den Füßen und es schien, als wenn er versuchte, zurück ins Haus zu kommen; dann sagten sie zu ihm, wenn er sich nicht beeilte zu sterben, würden sie ihn noch einmal erschießen.[17]
Sowohl in Memphis als auch in New Orleans wurden Schwarze und auch einige weiße Radikale ermordet und verwundet. Während der beiden Massaker brannten die Banden Schulen, Kirchen und die Wohnungen der Schwarzen nieder und vergewaltigten einzeln und zu mehreren die schwarzen Frauen, die ihnen über den Weg liefen. Diesen beiden Ausschreitungen gingen schon die Gewalttätigkeiten von New York im Jahre 1863 voraus, die von den Befürwortern der Sklaverei und den Gegnern der Militärpflicht angestiftet worden waren und ungefähr eintausend Menschen das Leben kosteten.[18]
Angesichts der weitverbreiteten Gewalt und des Terrors, unter dem die schwarze Bevölkerung des Südens zu leiden hatte, war es nur logisch und zwingend, daß Frederick Douglass daran festhielt, daß die Schwarzen die politische Macht des Wahlrechts dringender brauchten als die weißen Frauen der Mittelschicht. Die früheren Sklaven kämpften immer noch ums Überleben, und in Douglass' Augen konnte nur das Wahlrecht ihren Sieg gewährleisten. Im Vergleich dazu konnten die weißen Mittelstandsfrauen, deren Interessen Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony vertraten, nicht behaupten, daß ihr Leben physisch auf dem Spiel stand. Sie befanden sich nicht, wie die schwarzen Männer und Frauen im Süden, in einem tatsächlichen Befreiungskrieg. Und für die Schwarzen in den Südstaaten bedeutete der Sieg der Union in der Tat nicht, daß der Gewalt des Krieges endgültig Einhalt geboten wäre. Dazu W. E. B. DuBois:
- Es ist immer schwer, einen Krieg zu beenden, und doppelt schwer, einen Bürgerkrieg zu beenden. Es ist nicht zu umgehen, daß Menschen, die lange auf Gewalttätigkeit und Mord abgerichtet wurden, dieses Verhalten auch im Frieden, im bürgerlichen Leben beibehalten, was dann zu Kriminalität und Unordnung und sozialen Erhebungen führt.[19]
Nach DuBois hatten viele Beobachter der Nachkriegssituation das Gefühl, daß »die Südstaatler ihren Haß auf die Föderierte Regierung anscheinend auf die farbige Bevölkerung übertragen hatten«.[20]
- Von Alabama, Mississippi und Louisiana hieß es 1866: »Das Leben eines Negers ist dort nicht viel wert. Ich habe gesehen, wie einer ins Bein geschossen wurde, als er auf einem Maultier ritt, weil es in den Augen des Verbrechers umständlicher war, ihn aufzufordern, von dem Maultier herunterzusteigen, als auf ihn zu schießen.«[21]
Was die schwarze Bevölkerung im Nachkriegssüden betraf, befand sie sich fortgesetzt im Notstand. Frederick Douglass' Forderung nach dem Stimmrecht für die Schwarzen beruhte auf seiner Überzeugung, daß das Wahlrecht eine Notstandsmaßnahme war. So naiv seine Einschätzung von der potentiellen Macht des Wahlrechts im Rahmen der Republikanischen Partei auch gewesen sein mag, so war doch die Frage des Wahlrechts der Schwarzen für ihn kein politisches Spiel. Für Douglass war das Wahlrecht kein Mittel, um die Hegemonie der Republikanischen Partei im Süden zu sichern. Für ihn war es in erster Linie eine Maßnahme, um zu überleben - ein Mittel, das Überleben der Masse seines Volkes zu garantieren.
In der Zeit nach dem Bürgerkrieg neigten die führenden Persönlichkeiten der Frauenrechtsbewegung dazu, im Wahlrecht schon das eigentliche Ziel zu sehen. Schon 1866 schien es, als sei jeder, der sich für das Frauenwahlrecht einsetzte, so rassistisch auch seine Motive sein mochten, ein willkommener Mitstreiter in der Frauenkampagne. Selbst für Susan B. Anthony lag kein offener Widerspruch in der Tatsache, daß das Frauenwahlrecht durch einen Kongreßabgeordneten befürwortet wurde, der sich selbst zur Vorherrschaft der Weißen bekannte. Zur großen Bestürzung von Frederick Douglass lobte Anthony öffentlich den Kongreßabgeordneten James Brooks, den früheren Herausgeber einer für die Sklaverei eintretenden Zeitung.[22] Obwohl seine Unterstützung des Frauenwahlrechts eindeutig ein taktischer Zug gegen das von den Republikanern geförderte Stimmrecht für die Schwarzen war, wurde Brooks von Susan B. Anthony und ihren Kolleginnen enthusiastisch gefeiert.
Die Demokratische Partei, die die Interessen der vormaligen Sklavenhalterklasse vertrat, versuchte, die Verleihung des Stimmrechts an den schwarzen männlichen Teil der Bevölkerung des Südens zu verhindern. Viele Demokratische Führer kalkulierten deshalb die Forderung nach dem Frauenwahlrecht als Maßnahme gegen ihre Republikanischen Gegner ein. Zweckmäßigkeit war die Losung dieser Demokraten, deren Interesse an der Gleichheit der Frauen von der gleichen Unredlichkeit durchtränkt war, wie das der Republikaner bei ihrer offensiven Unterstützung für das Wahlrecht der männlichen Schwarzen. Wenn Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony die politische Situation in der Zeit nach dem Bürgerkrieg etwas sorgfältiger analysiert hätten, hätten sie sich in ihrer Wahlrechtskampagne vielleicht nicht ganz so bereitwillig mit dem berüchtigten George Francis Train zusammengetan. »Die Frauen zuerst, die Neger zuletzt, das ist mein Programm«[23] war die Losung dieses unverfrorenen rassistischen Demokraten. Als Stanton und Anthony während ihrer Kampagne 1867 Train in Kansas trafen, bot er ihnen an, die gesamten Kosten einer ausgedehnten Vortragsreise für sich selbst und für die beiden Frauen zu tragen. »Die meisten unserer Freunde hielten das für einen schweren Fehler«, schrieb Elizabeth Cady Stanton,
- ...aber das Ergebnis gab ihnen unrecht. Herr Train war damals von höchster Vollkommenheit - ein Gentleman in Kleidung und Benehmen, er rauchte nicht, kaute keinen Kaugummi, trank nicht und schlug sich nicht den Bauch voll. Er war ein eindrucksvoller Redner und Darsteller ...[24]
George Francis Train wurde aber auch als »hirnrissiger Harlequin und Halbverrückter«[25] beschrieben, wie Stanton in ihren Reminiscences eingesteht.
- Er ist so arm an Prinzipien wie an Verstand ... Er mag Übung darin haben, eine Zuhörerschaft zu fesseln, aber das könnte auch ein Känguruh, ein Gorilla oder ein Flußpferd.[26]
Das war auch die Meinung von William Lloyd Garrison, dessen Einschätzung von Persönlichkeiten wie Lucy Stone und Henry Blackwell geteilt wurde. Stanton und Anthony aber suchten Unterstützung um jeden Preis, und da Train bereit war, ihnen zu helfen, nahmen sie ihn mit offenen Armen auf. Mit seiner finanziellen Unterstützung gründeten sie eine Zeitschrift, die auf sein Drängen Revolution genannt wurde. Das Blatt stand unter dem Motto - darauf bestand er ebenfalls: »Den Männern ihre Rechte und nicht mehr; den Frauen ihre Rechte und nicht weniger.«[27]
Als die Vereinigung für gleiche Rechte 1869 ihre Versammlung abhielt, war der Vierzehnte Zusatzartikel - der besagte, daß nur männliche Bürger ohne weitere Bedingungen zur Wahl zugelassen waren - bereits angenommen. Der Fünfzehnte Zusatzartikel - der die Verweigerung des Stimmrechts aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe oder früherer Leibeigenschaft (aber nicht des Geschlechtes!) verbot - stand kurz davor, Gesetz zu werden. Auf der Tagesordnung dieser Versammlung der ERA (Equal Rights Association) stand die Bestätigung des Fünfzehnten Zusatzartikels. Da die führenden Verfechter des Frauenwahlrechts diesen Punkt leidenschaftlich bekämpften, war klar, daß ein offener Bruch unvermeidbar war. Obwohl die Delegierten erkannten, daß dies vermutlich die letzte Versammlung der Vereinigung sein würde, richtete Frederick Douglass einen letzten Appell an seine weißen Schwestern:
- Wenn Frauen, weil sie Frauen sind, aus ihren Wohnungen weggeschleift und an Straßenlaternen aufgehängt werden; wenn ihre Kinder aus ihren Armen gerissen und mit dem Kopf aufs Straßenpflaster geschmettert werden, wenn sie bei jeder Gelegenheit die Opfer von Beschimpfung und Gewalttätigkeit sind; wenn sie der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, daß ihnen das Haus überm Kopf angezündet wird; wenn ihren Kindern der Schulbesuch verboten wird, dann werden sie ebenso dringend das Wahlrecht benötigen.[28]
So plump und polemisch diese Argumentationsweise auch gewesen sein mag, so lag doch auch eine unmißverständliche Klarheit in ihr. Die lebendige, bildhafte Schilderung demonstrierte, daß die früheren Sklaven unter einer Unterdrückung litten, die sich in Art und Br-utalität völlig von der Lage der weißen Frauen der Mittelschicht unterschied.
Als Frederick Douglass sich für die Bestätigung des Fünfzehnten Zusatzartikels durch die ERA aussprach, verlangte er von seinen Unterstützern nicht, die Forderung nach dem Frauenwahlrecht ganz und gar fallen zu lassen. Im Gegenteil, die Resolution, die er vorlegte, forderte die sofortige Ratifizierung der ». . . Ausdehnung des Stimmrechts auf jede Klasse, die bislang vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, als den krönenden Höhepunkt des Triumphs unserer ganzen Idee.«[29] Frederick Douglass sah in der Abstimmung für den Fünfzehnten Zusatzartikel den »Gipfel der einen Hälfte unserer Forderungen«[30] und den Grund zur Verstärkung »unserer Anstrengungen, weitere Zusatzartikel zu erreichen, um die gleichen heiligen Rechte ohne Rücksicht auf das Geschlecht zu gewährleisten.[31]
Zwei Jahre früher hätte Sojourner Truth der Haltung von Frederick Douglass womöglich widersprochen. Auf der Versammlung der ERA
im Jahre 1867 hatte sie die Ratifizierung des Vierzehnten Zusatzartikels bekämpft, da er ja den schwarzen Frauen das Wahlrecht verweigerte.
- Darüber, daß die farbigen Männer ihre Rechte bekommen, wird viel Aufhebens gemacht, aber es fällt nicht ein Wort über die farbigen Frauen; und wenn die farbigen Männer ihre Rechte bekommen und die farbigen Frauen nicht, dann werden die farbigen Männer sich als Herren über die Frauen aufspielen, und es wird genau so schlecht sein wie zuvor.[32]
Bis zum letzten Treffen der Vereinigung für gleiche Rechte 1869 hatte Sojourner Truth den gefährlichen Rassismus erkannt, der den feministischen Widerstand gegen das Stimmrecht der schwarzen Männer durchzog. Frederick Douglass zufolge war der Standpunkt der Unterstützer von Stanton und Anthony der, daß kein Neger das Wahlrecht vor den Frauen erhalten sollte.[33] Sojourner Truth meinte dazu: »Nimm als Köder für die Angel des Wahlrechts eine Frau, und du wirst mit Sicherheit einen schwarzen Mann fangen.«[34] Damit warnte sie zum wiederholten Mal vor dem bedrohlichen Einfluß rassistischer Ideologie.
Frederick Douglass' Appell zur Einheit hinsichtlich der Ratifizierung des Fünfzehnten Zusatzartikels wurde auch von Frances E. W. Harper unterstützt. Diese hervorragende schwarze Dichterin und führende Vertreterin des Frauenwahlrechts bestand darauf, daß die Verleihung des Wahlrechts an die schwarzen Männer für ihr ganzes Volk viel zu lebensnotwendig war, als daß sie in einem so kritischen Augenblick riskiert werden durfte. »Als es um die Rassenfrage ging, trat für sie das geringere Problem des Geschlechtes in den Hintergrund.«[35] »In ihrer Rede auf dem letzten Kongreß der Vereinigung für gleiche Rechte appellierte Harper an ihre weißen Schwestern, den Befreiungskampf ihres Volkes zu unterstützen.
Frances E. W. Harper und Sojourner Truth waren den Frauen gegenüber, die sich von Frederick Douglass' Appell zur Einheit nicht hatten überzeugen lassen, in der Minderheit. Elizabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony gehörten zu denen, die erfolgreich für die Auflösung der Vereinigung plädierten. Kurz danach gründeten sie die Nationale Vereinigung für das Frauenwahlrecht. Die Unterstützer der Ratifizierung des Fünfzehnten Zusatzartikels in der ERA, Lucy Stone und ihr Ehemann sowie Julia Ward Howe, dagegen taten sich zur Gründung der Amerikanischen Frauenwahlrechtsvereinigung zusammen.
Die Auflösung der Vereinigung für gleiche Rechte beendete das unsichere, wenngleich von der Anlage her starke Bündnis zwischen dem Befreiungskampf der Schwarzen und dem der Frauen. Um feministischen Führerinnen wie Stanton und Anthony gegenüber fair zu bleiben, muß gesagt werden, daß die ehemaligen Abolitionisten in der ERA keineswegs die strahlenden Fürsprecher der geschlechtlichen Gleichheit waren. Tatsächlich waren einige der führenden männlichen Persönlichkeiten der Vereinigung geradezu unversöhnliche Verteidiger der männlichen Vorherrschaft. Der schwarze Führer George Downing stellte die provozierende Behauptung auf, daß die Herrschaft des Mannes über die Frau nichts Geringeres als Gottes Wille sei.[36] Downings Sexismus war zwar unter keinen Umständen entschuldbar, aber die rassistische Erwiderung von Elizabeth Cady Stanton war nicht weniger ungerechtfertigt:
- Wenn Herr Downing die Frage an mich richtet: Sind Sie damit einverstanden, daß der farbige Mann das Wahlrecht vor den Frauen bekommt, sage ich nein; ich würde ihm meine Rechte nicht anvertrauen, erniedrigt und selbst unterdrückt, wie er ist, würde er noch despotischer mit der Regierungsgewalt umgehen, als es unsere sächsischen Herren jemals taten. Wenn die Frauen schon noch von Männern vertreten werden müssen, dann sage ich, laßt nur die edelsten Vertreter der Männlichkeit an die Spitze des Staates.[37]
Obwohl die schwarzen Männer in der ERA durchaus keine ganz saubere Weste hinsichtlich der Gleichberechtigung der Frauen für sich in Anspruch nehmen konnten, berechtigten Bemerkungen wie die von Downing noch lange nicht zu dem Schluß, die schwarzen Männer würden generell den Frauen gegenüber despotischer sein als ihre weißen Gegenstücke. Ferner ist die Tatsache, daß schwarze Männer ebenfalls eine sexistische Haltung an den Tag legen konnten, noch kein vernünftiger Grund, den Fortschritt des Kampfes zur Befreiung der Schwarzen insgesamt aufhalten zu wollen.
Sogar Frederick Douglass legte hin und wieder ein unkritisches Verhältnis zu den vorherrschenden Stereotypen und Klischees über Frauen an den Tag. Seine gelegentlich sexistischen Bemerkungen waren aber nie so unterdrückerisch, daß sie den Wert seines Beitrages im Kampf um das Frauenrecht insgesamt hätten herabsetzen können. Es gibt keinen Historiker, der nicht Frederick Douglass als den führenden männlichen Fürsprecher der Frauenemanzipation im gesamten neunzehnten Jahrhundert einschätzte. Wenn Douglass wegen seines Verhaltens in der Kontroverse um den Vierzehnten und Fünfzehnten Zusatzartikel ernsthafte Kritik verdient hat, so nicht wegen seiner Unterstützung des Wahlrechts für die schwarzen Männer, sondern eher für sein anscheinend bedingungsloses Vertrauen in die Macht des Wahlrechts im Rahmen der Republikanischen Partei.
Natürlich brauchten die Schwarzen das Wahlrecht, auch wenn das herrschende politische Klima die Frauen - schwarze wie weiße - an der gleichzeitigen Erringung des Wahlrechts hinderte. Und das Jahrzehnt des »Radikalen Wiederaufbaus« im Süden, das auf dem neugewonnenen Stimmrecht der Schwarzen beruhte, war eine Ära nie wieder erreichten Fortschritts - sowohl für die früheren Sklaven als auch für die armen Weißen. Die Republikanische Partei widersetzte sich allerdings den revolutionären Forderungen der schwarzen Bevölkerung im Süden aus Prinzip. Nachdem die Kapitalisten aus dem Norden im Süden erst ihre Hegemonie errichtet hatten, beteiligte sich die Republikanische Partei, die die Interessen des Kapitals vertrat, an dem systematischen Beschneiden des Wahlrechts der Schwarzen im Süden. Obgleich Frederick Douglass der glänzendste Verfechter der Befreiung der Schwarzen im neunzehnten Jahrhundert war, durchschaute er nie ganz die Loyalität gegenüber dem Kapital in der Republikanischen Partei, für die der Rassismus nicht weniger nützlich werden sollte als anfangs der Kampf um das Stimmrecht der Schwarzen. Die wahre Tragik der Kontroverse um das Stimmrecht der Schwarzen innerhalb der Vereinigung für gleiche Rechte ist, daß Douglass' Vorstellung vorn Stimmrecht als einem Allheilmittel für das schwarze Volk der rassistischen Verhärtung des feministischen Standpunktes zum Frauenstimmrecht Vorschub geleistet haben könnte.