- »Verflucht sei Cannan!« rief der Priester der Hebräer. »Ein Diener der Diener soll er unter seinen Brüdern sein.« . . . Sind die Neger keine Diener? Ergo! Auf solche biblische Mythen wurde der Anachronismus der Sklaverei in Amerika gestützt, und gleichzeitig machte diese Erniedrigung einst die Hausbediensteten zu den Aristokraten unter den Farbigen . . .
. . . Als die Emanzipation kam ... war es für den Neger nicht mehr verlockend, Hausbediensteter zu sein. Der Pfad der Erlösung führte für die befreite Menge nicht mehr länger durch die Küchentür, mit der weiten Halle und dem mit Säulen bestandenem Hof dahinter. Er lag, wie bald jeder Neger erkannte und erkennt, in der Flucht vor dem Hausdienst.[1]
Nach einem Vierteljahrhundert »Freiheit« arbeitete noch immer ein großer Anteil schwarzer Frauen auf den Feldern. Diejenigen, die Einlaß in das »große Haus« gefunden hatten, fanden die Türen zu anderen Möglichkeiten versiegelt und verschlossen, es sei denn, sie hätten es z. B. vorgezogen, zu Hause für mehrere weiße Familien Wäsche zu waschen anstatt mehrere Hausarbeiten für eine einzige weiße Familie zu verrichten. Nur einem winzigen Anteil von schwarzen Frauen war es gelungen, den Feldern, den Küchen und den Waschhäusern zu entfliehen. Nach der Volkszählung von 1890 gab es 2,7 Millionen schwarze Mädchen und Frauen über zehn Jahren. Über eine Million von ihnen arbeitete für Lohn: 38,7 Prozent in der Landwirtschaft, 30,8 Prozent als Bedienstete in den Haushalten; 15,6 Prozent in Wäschereien und geringfügige 2,8 Prozent in einer Fabrik.[2] Die wenigen, die in der Industrie einen Arbeitsplatz fanden, verrichteten dort in der Regel die schmutzigste und die am schlechtesten bezahlte Arbeit. Dabei hatten sie noch nicht einmal einen wirklichen Durchbruch geschafft, denn ihre versklavten Mütter hatten auch schon in den Baumwollspinnereien, in den Zuckerraffinerien und sogar in den Bergwerken des Südens gearbeitet. Für die schwarzen Frauen mußte es 1890 so erscheinen, als liege die Freiheit weiter entfernt als am Ende des Bürgerkrieges.
Wie in der Sklaverei wurden die Frauen, die in der Landwirtschaft arbeiteten - als arme Pächter, als Pachtbauern oder Landarbeiter - nicht weniger unterdrückt als die Männer, mit denen sie den ganzen Tag Seite an Seite schufteten. Sie waren oft gezwungen, mit den Landbesitzern »Verträge« abzuschließen, die die Vorkriegsverhältnisse wiederherstellen sollten. Die Terminierung des Vertragsendes war oft nur eine bloße Formalität, da die Grundbesitzer geltend machen konnten, daß die Arbeiter ihnen mehr als den Gegenwert der vorgeschriebenen Arbeitsperiode schuldeten. Nach der Emanzipation fand sich die Masse der Schwarzen - Männer wie Frauen - in einem Zustand unbegrenzter Dienstverpflichtung durch Verschuldung wieder. Die Pächter, die angeblich die Produkte ihrer Arbeit besaßen, waren nicht besser dran als die rechtlosen Landarbeiter. Diejenigen, die direkt nach der Emanzipation Land »pachteten", besaßen kaum Geld, um die Pacht zu bezahlen oder andere Bedarfsartikel zu kaufen, bevor sie die erste Ernte einbringen konnten. Da die Zinsen bis zu 30 Prozent betrugen, pfändeten die Grundbesitzer und Kaufleute ihre Ernten.
- Solche Zinsen konnten die Bauern natürlich nicht bezahlen und waren am Ende des ersten Jahres verschuldet - das zweite Jahr versuchten sie es noch einmal, aber da waren die alten Schulden und die neuen Zinsen zu zahlen, und auf diese Weise hat das »Hypothekensystem« alles so total in den Griff bekommen, daß es unmöglich scheint, es jemals wieder abzuschütteln. [3]
Das Sträflingsverleihsystem zwang die Schwarzen, dieselben alten Rollen zu spielen, wie sie schon die Sklaverei für sie zugeschnitten hatte. Unter dem geringsten Vorwand wurden Männer und Frauen gleichermaßen verhaftet und in Gefängnisse gesteckt - um dann von den Behörden als Sträflingsarbeiter verliehen zu werden. Hatten die Sklavenhalter in der Grausamkeit, mit der sie ihren »wertvollen« Besitz an Menschen ausbeuteten, noch Grenzen gekannt, so hatten die Pflanzer der Nachkriegszeit, die die Sträflinge für relativ kurze Fristen mieteten, derartige Rücksichten nicht nötig. »In vielen Fällen mußten kranke Sträflinge so hart arbeiten, daß sie in ihrer Furche tot zusammenbrachen.«[4]
Das System der Verdingung von Sträflingen an Unternehmer unterschied nach dem Vorbild der Sklaverei nicht zwischen männlichen und weiblichen Arbeitskräften. Männer und Frauen mußten oft in dem gleichen Schuppen hausen und wurden während des Arbeitstages zusammen in dasselbe Joch gespannt. In einer Resolution, die 1883 von der »Versammlung der Neger des Staates Texas« angenommen wurde, »wurde die Praxis, männliche und weibliche Sträflinge zusammen in ein Joch zu spannen oder zusammenzuketten, streng verurteilt« s. Auf der Gründungsversammlung der Afro-amerikanischen Liga 1890 war einer der sieben Punkte, die zur Bildung dieser Organisation führten, »das abscheuliche und unmoralische Strafsystem im Süden, seine Kettenkolonnen, seine Sträflingsvermietung, und die unterschiedslose Vermischung von Männern und Frauen.«[6]
Wie W. E. B. DuBois beobachtete, veranlaßte der mögliche Profit aus dem Sträflingsvermietungssystem viele Plantagenbesitzer, sich ausschließlich auf Sträflingsarbeit zu verlegen - einige beschäftigten Arbeitskolonnen von Hunderten schwarzer Sträflinge.[7] Ein Ergebnis war, daß sowohl die Arbeitgeber wie auch die staatlichen Behörden ein zwingendes wirtschaftliches Interesse am Ansteigen der Gefängnisbelegschaften entwickelten. »Seit 1876«, weist DuBois nach, »wurden Neger beim geringsten Anlaß verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen oder zu so hohen Geldstrafen verurteilt, daß sie gezwungen waren, diese abzuarbeiten.«[8]
Diese Perversion des Strafrechtssystems unterdrückte die ehemaligen Sklaven als Gesamtheit. Die Frauen aber waren den brutalen Angriffen dieser Rechtssprechung besonders stark ausgesetzt. Der sexuelle Mißbrauch, den sie während der Sklaverei regelmäßig zu erleiden hatten, hatte durch die Emanzipation kein Ende gefunden. Faktisch wurden farbige Frauen immer noch »als die legitime Beute des weißen Mannes angesehen . . .[9] - und wenn sie sich gegen die sexuellen Angriffe weißer Männer zur Wehr setzten, wurden sie oft ins Gefängnis geworfen und wurden so noch mehr zu Opfern eines Systems, das »die Wiederholung der Sklaverei in einer anderen Form war.«[10] In der Zeit nach der Sklaverei waren die meisten schwarzen Frauen, die nicht auf dem Feld arbeiteten, gezwungen, Hausbedienstete zu werden. Ihre Lage, die nicht weniger mißlich war als die ihrer Schwestern, der Pächterin oder der Sträflingsarbeiterin, trug die sattsam bekannten Merkmale der Sklaverei. Tatsächlich war ja die Sklaverei selbst als eine »häusliche Einrichtung« und die Sklaven als harmlose »Hausdiener« bezeichnet worden. In den Augen der früheren Sklavenhalter muß die »Hausbedienstetentätigkeit« ein höflicher Ausdruck für eine verachtenswerte Arbeit gewesen sein, die keinen halben Schritt von der Sklaverei entfernt war. Während schwarze Frauen als Köchin, Kindermädchen, Zimmermädchen und als Mädchen für alles arbeiteten, lehnten die weißen Frauen im Süden diese Arbeiten einhellig ab. Wenn außerhalb der Südstaaten weiße Frauen als Hausangestellte arbeiteten, waren sie im allgemeinen europäische Einwanderinnen, die wie ihre ehemals versklavten Schwestern gezwungen waren, jede Arbeit, die sie irgend nur finden konnten, anzunehmen.
Die berufliche Gleichsetzung der schwarzen Frau mit dem Dienstmädchen war jedoch nicht bloß ein Nachgeschmack der Sklaverei, der im Laufe der Zeit verschwinden würde. Fast ein Jahrhundert lang sollten sie sich der Arbeit als Dienstboten nicht nennenswert entziehen können. Die Geschichte eines Dienstmädchens in Georgia, die 1912 von einer New Yorker Journalistin aufgezeichnet wurde,[11] beleuchtet die wirtschaftliche Lage der schwarzen Frau sowohl in den vorhergegangenen Jahrzehnten als auch in all den folgenden Jahren. Mehr als zwei Drittel der schwarzen Frauen in ihrer Stadt waren gezwungen, sich als Köchin, Kindermädchen, Waschfrau, Zimmermädchen, Näherin und Hausmeisterin anzubieten. Sie fanden sich in Bedingungen wieder, die ». . . gerade so schlimm, wenn nicht schlimmer als während der Sklaverei waren«.[12]
Über dreißig Jahre hatte diese Schwarze unfreiwillig in den Haushalten gelebt, in denen sie angestellt war. Sie arbeitete mehr als vierzehn Stunden am Tag, und in der Regel war ihr nur einmal alle vierzehn Tage ein Nachmittagsbesuch bei ihrer eigenen Familie erlaubt. Nach ihren eigenen Worten war sie mit »Leib und Seele die Sklavin« [13] ihrer Herrschaft. Sie wurde immer mit dem ersten Namen gerufen, niemals Frau Soundso, und nicht selten bezeichnete man sie als »Nigger", mit anderen Worten, als Sklavin.[14]
Einer der erniedrigendsten Aspekte der Dienstbotentätigkeit im Süden - und ein weiterer Beweis für ihre Affinität zur Sklaverei - war die nur zeitweilige Aufhebung der Jim-Crow Gesetze (der Rassentrennung, d. Ü.), solange die schwarze Dienerin sich in Gegenwart weißer Personen befand.
- ... Ich bin mit den weißen Kindern in der Straßenbahn oder mit dem Zug gefahren, und . . . ich konnte sitzen, wo ich wollte, hinten oder vorn. Wenn ein weißer Mann zufällig einen anderen weißen Mann fragte: »Was macht der Nigger hier?« und ihm gesagt wurde: »Oh, sie ist das Kindermädchen dieser Kinder vor ihr, dann war sofort Ruhe. Alles war in Ordnung, solange ich in dem Teil der Straßenbahn, der für den weißen Mann reserviert war, oder im Wagen des weißen Mannes als Dienerin - als Sklavin - zugegen war; aber wenn ich mich nicht als Bedienstete gezeigt und keine weißen Kinder bei mir gehabt hätte, wäre ich sofort auf die »Nigger«-Plätze oder in den »Wagen für Farbige« verwiesen worden.[15]
Seit dem Wiederaufbau bis heute betrachten die schwarzen weiblichen Hausangestellten den sexuellen Mißbrauch durch »den Hausherrn« als eine der Hauptgefahren ihres Berufs. Immer wieder wurden sie mit dem Arbeitsplatz erpreßt und gezwungen, zwischen sexueller Unterwerfung oder bitterster Armut für sich selbst und ihre Familien zu wählen. Die Frau aus Georgia verlor einen ihrer Arbeitsplätze, wo sie wohnte, weil »ich mich weigerte, mich von dem Ehemann der Herrin küssen zu lassen«.[16]
- » . . Bald nachdem ich als Köchin eingestellt worden war, kam er zu mir hoch, schlang seine Arme um mich und war schon dabei, mich zu küssen, als ich von ihm wissen wollte, was er vorhabe und ihn von mir wegstieß. Ich war damals jung und frisch verheiratet und kannte bis dahin nicht, was seitdem eine Last für mein Herz und Gemüt ist: daß in diesem Teil des Landes die Tugend einer farbigen Frau keinen Schutz genießt. «[17]
Wie in der Sklaverei mußte der schwarze Mann, der gegen diese Behandlung seiner Schwester, seiner Tochter oder seiner Frau protestierte, immer damit rechnen, daß er dafür bestraft wurde.
- Als mein Ehemann zu dem Mann ging, der mich beleidigt hatte, verfluchte der ihn und schlug ihn und - ließ ihn verhaften! Die Polizei verurteilte meinen Ehemann zu 25 Dollar Strafe.[18]
Nachdem sie unter Eid vor Gericht ausgesagt hatte, »sah der alte Richter hoch und sagte: Dieses Gericht wird niemals das Wort eines Niggers gegen das Wort eines weißen Mannes annehmen.«[19]
Als 1919 die Vorstandsmitglieder aus dem Süden in der »Nationalen Vereinigung der farbigen Frauen« die sie betreffenden Mißstände auflisteten, standen an erster Stelle dieser Liste die Arbeitsbedingungen der Dienstmädchen. Sie hatten guten Grund, gegen das zu protestieren, was sie höflich als »Auslieferung an moralische Versuchung«[20] am Arbeitsplatz umschrieben. Zweifellos hätte die Hausangestellte aus Georgia dem Protest der Vereinigung ihre uneingeschränkte Zustimmung gegeben. Sie formulierte dies so:
- Ich glaube, fast alle weißen Männer nehmen sich unangemessene Freiheiten gegenüber ihren weiblichen farbigen Bediensteten heraus oder haben vor, das zu tun - nicht nur die Väter, sondern in vielen Fällen auch die Söhne. Diejenigen Dienerinnen, die gegen diese Vertraulichkeiten rebellieren, müssen entweder gehen oder haben eine überaus harte Zeit, wenn sie bleiben.[21]
Seit der Sklaverei hat die schutzlose Stellung der im Haushalt Beschäftigten immer dazu beigetragen, die in der Luft schwebenden Mythen über die »Amoralität« der schwarzen Frauen zu nähren. In dieser klassischen »catch-22«-Situation wird die Hausarbeit als erniedrigend angesehen, weil sie verhältnismäßig oft von schwarzen Frauen verrichtet wird, die dafür wiederum als »blöde« und als »promiskuös« gelten. Aber ihre angebliche Blödheit und Promiskuität sind Mythen, die immer wieder durch die erniedrigende Arbeit bestätigt wurden, die sie gezwungenermaßen tun mußten. W. E. B. DuBois schrieb, jeder »anständige« weiße Mann hätte eher seiner Tochter die Kehle durchgeschnitten, als ihr zu erlauben, eine Arbeit als Hausangestellte anzunehmen.[22]
Als die Schwarzen anfingen, nach Norden auszuwandern, entdeckten die Männer wie auch die Frauen, daß ihre weißen Dienstherren außerhalb der Südstaaten keine grundsätzlich andere Haltung zu dem Arbeitskräftepotential der freigelassenen Sklaven hatten als ihre früheren Besitzer. Anscheinend glaubten auch sie, daß »Neger Diener und Diener Neger sind«.[23] Nach der Volkszählung von 1890 war Delaware der einzige Staat außerhalb des Südens, in dem die Mehrheit der Schwarzen als Landarbeiter und Pachtbauern und nicht als Hausbedienstete arbeitete.[24] In zweiunddreißig von achtundvierzig Staaten war die Dienstbotentätigkeit die hauptsächliche Beschäftigung für Männer ebenso wie für Frauen. In sieben von zehn dieser Staaten arbeiteten mehr Schwarze als Dienstboten als in allen anderen Beschäftigungszweigen zusammen.« Der Bericht zur Volkszählung war ein Beleg dafür, daß Neger Diener und Diener Neger sind.
Isabel Eatons grundlegender Aufsatz über die Dienstbotentätigkeit, 1899 in DuBois' Studie The Philadelphia Negro veröffentlicht, weist nach, daß 60 Prozent aller schwarzen Arbeiter im Staate Pennsylvania mit irgendeiner Form von Hausarbeit beschäftigt waren.« Die Lage der Frauen war noch schlimmer, denn bis auf neun Prozent waren die schwarzen Arbeiterinnen - also 14 297 von 15 704 - als Dienstmädchen angestellt. Als sie nach Norden gingen, um der alten Sklaverei zu entgehen, hatten sie entdecken müssen, daß ihnen dort keine anderen Arbeitsplätze offenstanden. Im Verlauf ihrer wissenschaftlichen Untersuchung interviewte Eaton verschiedene Frauen, die vorher Schullehrerinnen gewesen, aber aufgrund von »Vorurteilen« entlassen worden waren. Aus dem Klassenraum vertrieben, mußten sie in Wäschereien und Küchen arbeiten.
Von den fünfundzwanzig von Eaton befragten Dienstherrinnen zog nur eine weiße Dienstboten den schwarzen vor. Eine Frau begründete das so:
- Ich glaube, daß die Farbigen sehr verleumdet werden, was Ehrlichkeit, Sauberkeit und Vertrauenswürdigkeit angeht; meine Erfahrung mit ihnen ist, daß sie in jeder Hinsicht sauber und von Grund auf ehrlich sind, ich kann sie tatsächlich nicht genug loben.[30]
Der Rassismus äußert sich auf vielerlei Art. Die Dienstherren, die den Schwarzen zu schmeicheln glaubten, wenn sie angaben, daß sie sie den Weißen vorzögen, meinten in Wirklichkeit ihre eigentliche Bestimmung, nämlich die, Dienstboten zu sein - oder Sklaven, um es beim Namen zu nennen. Eine andere Dienstherrin beschreibt ihre Köchin als ». . . sehr fleißig und sorgfältig - arbeitsam. Sie ist eine gute, treue Kreatur und sehr dankbar«.[31] Selbstverständlich ist der »gute« Diener immer treu, vertrauenswürdig und dankbar. Die amerikanische Literatur und die Massenmedien in diesem Land liefern zahlreiche Stereotypen von der schwarzen Frau als der treuen und geduldigen Dienerin. Die Dilseys (à la Faulkner), die Berenices (in Member of the Wedding) und die durch die Reklame bekanntgewordene Tante Jernimas sind Standardcharaktere der US-Kultur. So gestand auch die eine Frau, die weiße Dienstmädchen den schwarzen vorzog, in dem Interview mit Eaton, daß sie in Wirklichkeit auch schwarze Aushilfen beschäftigt »...weil sie eher nach Dienstboten aussehen.«[32]
Die tautologische Definition der Schwarzen als Diener ist in der Tat eins der Hauptrequisiten rassistischer Ideologie.
Rassismus und Sexismus fallen häufig zusammen, und die Lebensbedingungen der weißen weiblichen Arbeitskräfte waren oft abhängig von der unterdrückten Lage der schwarzen Frauen. So waren die Löhne, die die weißen Dienstmädchen bekamen, immer durch die rassistischen Kriterien bedingt, nach denen die Löhne der schwarzen Dienstmädchen errechnet wurden. Die Einwanderinnen, die gezwungen waren, als Hausbedienstete zu arbeiten, verdienten wenig mehr als ihre schwarzen Kolleginnen. Was die Verdienstmöglichkeiten betraf, waren sie ihren schwarzen Schwestern weit näher als ihren weißen Brüdern, die für ihren Lebensunterhalt arbeiteten.[33]
Weiße Frauen gaben sich niemals eher für die Dienstbotentätigkeit her, als bis sie wirklich nichts anderes mehr fanden; die schwarzen Frauen dagegen waren bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auf diese Beschäftigungen festgenagelt. Noch in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts gab es in New York und in anderen großen Städten Märkte an den Straßenecken eine moderne Version der Sklavenmärkte - die die weißen Frauen einluden, sich aus der Menge der Arbeit suchenden schwarzen Frauen eine herauszupicken.
- Jeden Morgen, bei Regen wie bei Sonnenschein, standen Gruppen von Frauen mit ihren braunen Papiertaschen oder billigen Koffern an den Straßenecken von Bronx und Brooklyn und warteten auf das Glück, ein bißchen Arbeit zu bekommen ... Waren sie erst auf dem »Sklavenmarkt« gedungen, mußten diese Frauen oft nach einem knochenbrecherischen Tagewerk feststellen, daß sie länger als abgemacht gearbeitet hatten und daß sie weniger Geld als versprochen bekamen; statt Bargeld mußten sie Kleidung annehmen und wurden jenseits des menschlich Erträglichen ausgebeutet. Nur die unabweisbare Geldnot brachte sie dazu, sich dieser Routine täglich zu unterwerfen.[34]
New York konnte sich rühmen, zweihundert solcher »Sklavenmärkte« zu besitzen. Viele davon lagen in der Bronx, wo »an fast jeder Ecke oberhalb der 167. Straße« eine Sammelstelle für arbeitsuchende schwarze Frauen war.[35] 1938 veröffentlichte The Nation einen Artikel unter dem Titel »Unsere feudalen Hausfrauen«, worin berichtet wurde, daß sie bis zu zweiundsiebzig Stunden in der Woche arbeiteten und die niedrigsten Löhne aller Berufszweige erhielten.[36]
In der Hausarbeit, dem am wenigsten befriedigenden Beruf, war auch die gewerkschaftliche Organisierung am schwierigsten durchzusetzen. Schon 1881 waren allerdings Dienstmädchen unter den Frauen, die sich den »Rittern der Arbeit« (Knights of Labor) anschlossen, nachdem diese das Verbot der weiblichen Mitgliedschaft aufgehoben hatten.[37] Aber viele Jahrzehnte später noch, als die Gewerkschaften die Bediensteten zu vereinigen suchten, hatten sie gegen die gleichen Hindernisse zu kämpfen wie ihre Vorgänger. Dora Jones gründete und leitete die New Yorker Gewerkschaft der Dienstboten in den dreißiger Jahren. 1939 - fünf Jahre nach ihrer Gründung - waren von 100 000 Bediensteten in diesem Staat nur 350 geworben. Bei den enormen Schwierigkeiten, die Bediensteten zu organisieren, war dies trotzdem keine geringe Leistung.
Weiße Frauen - die Feministinnen eingeschlossen - haben es nicht verstanden, die Kämpfe der Dienstboten historisch zu würdigen. Sie gaben sich nur äußerst selten zu der Sisyphusarbeit her, die Arbeitsbedingungen in den Haushalten zu verbessern. Das bequeme Auslassen der Dienstbotenprobleme aus den Programmen der »bürgerlichen« Feministinnen von gestern und heute hat sich oft - wenigstens seitens der wohlhabenderen Frauen - als verschleierte Rechtfertigung des eigenen ausbeuterischen Verhältnisses zu ihren Dienstmädchen herausgestellt. 1902 beschreibt die Autorin eines Artikels mit dem Titel »Neunstundentag für Dienstboten« ein Gespräch mit einer feministischen Freundin, die sie gebeten hatte, eine Petition dafür zu unterschreiben, daß Verkäuferinnen Stühle von ihren Arbeitgebern bekamen.
- »Diese Mädchen«, sagte sie, »müssen zehn Stunden lang am Tag auf den Füßen stehen, und es bricht mir das Herz, wenn ich ihre müden Gesichter sehe.«
»Frau Jones", sagte ich, »wie viele Stunden steht Ihr Mädchen täglich auf den Füßen?«
»Warum, ich weiß es nicht«, keuchte sie, »vermutlich fünf oder sechs.«
»Wann steht sie auf?« »Um sechs.«
»Und um welche Zeit macht sie abends Schluß?« »Oh, um acht im allgemeinen, glaube ich.«
»Das macht vierzehn Stunden . . « ... Sie kann sich oft bei ihrer Arbeit setzen.
»Bei welcher Arbeit? Beim Waschen? Bügeln? Fegen? Bettenmachen? Kochen? Spülen? ... Sie sitzt vielleicht zwei Stunden bei den Mahlzeiten und wenn sie das Gemüse zubereitet, und an vier Tagen in der Woche hat sie eine freie Stunde am Nachmittag. Danach ist Ihr Mädchen wenigstens elf Stunden am Tag auf den Füßen, eine Menge Treppensteigen einbegriffen. Meiner Meinung nach ist sie weit bedauernswerter als die Verkäuferinnen.«
Meine Besucherin erhob sich mit roten Wangen und blitzenden Augen.
»Mein Mädchen hat nach jedem Mittagessen Sonntag«, sagte sie.
»Ja, aber eine Verkäuferin hat den ganzen Tag Sonntag. Bitte gehen Sie doch nicht, bevor ich die Petition unterschrieben habe. Niemand wird dankbarer sein als ich, wenn die Verkäuferinnen eine Sitzgelegenheit bekommen ...[39]
Diese Feministin setzte die Unterdrückung selbst fort, gegen die sie protestierte. Ihr widersprüchliches Verhalten jedoch und ihre erhebliche Unempfindlichkeit sind nicht unerklärlich, denn Personen, die als Diener arbeiten, werden in der Regel nicht als ganze Menschen angesehen. Der Dynamik des Herr-und-Knecht-(Herrin-und-Dienerin)Verhältnisses wohnt, so Hegel, das stete Bemühen inne, das Bewußtsein des Knechtes auszulöschen. Die Verkäuferin, von der in dem Gespräch die Rede war, war eine Lohnarbeiterin - ein Mensch, der wenigstens noch einen geringen Teil an Unabhängigkeit gegenüber dem Dienstherren und der eigenen Arbeit hatte. Das Dienstmädchen hingegen arbeitete nur zu dem Zweck, die Bedürfnisse ihrer Herrin zu befriedigen. Da sie ihre Dienerin wahrscheinlich nur als eine Verlängerung ihrer selbst betrachtete, konnte sich die Feministin ihrer eigenen Rolle als Unterdrückerin schwerlich bewußt werden.
Angelina Grimke hatte in ihrem Appell an die christlichen Frauen im Süden erklärt, daß die weißen Frauen, die der Institution der Sklaverei nicht den Kampf ansagten, für diese Unmenschlichkeit schwere Verantwortung trügen. In gleicher Weise legte die Gewerkschaft der Dienstboten die Rolle der mittelständischen Hausfrauen bei der Unterdrückung der schwarzen Bediensteten offen.
- Die Hausfrau wird als der schlimmste Dienstherr im Land verurteilt ... Die Hausfrauen der Vereinigten Staaten lassen ihre eineinhalb Millionen Angestellten in der Woche durchschnittlich zweiundsiebzig Stunden arbeiten und bezahlen ihnen ... was sie nach dem Kolonialwarenhändler, dem Metzger ...(etc.) gerade noch aus ihrer Haushaltskasse herausquetschen können.«[40]
Die verzweifelte wirtschaftliche Lage der schwarzen Frauen - sie verrichteten die schlimmsten aller Arbeiten und wurden abgrundtief verachtet - zeigte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges keine Anzeichen der Veränderung. Am Vorabend des Krieges waren nach den Angaben der Volkszählung von 1940 59,8 Prozent der arbeitenden schwarzen Frauen Hausangestellte und weitere 10,4 arbeiteten in den übrigen Dienstleistungsbereichen.[41] Da ungefähr 16 Prozent immer noch auf den Feldern arbeiteten, hatte es knapp eine von zehn schwarzen Arbeiterinnen geschafft, dem alten Würgegriff der Sklaverei zu entkommen. Selbst diejenigen, denen es gelungen war, in der Industrie unterzukommen und beruflich qualifiziert zu arbeiten, hatten wenig Grund, stolz zu sein, denn sie waren in der Regel in den am schlechtesten bezahlten Bereichen beschäftigt. Als die Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren und die weibliche Arbeitskraft die Kriegswirtschaft am Laufen hielt, verabschiedeten sich über vierhunderttausend schwarze Frauen von der Dienstbotentätigkeit. Auf dem Höhepunkt des Krieges hatte sich ihre Zahl in der Industrie mehr als verdoppelt. Und trotzdem - diese Einschränkung muß gemacht werden - waren noch 1960 mindestens ein Drittel der schwarzen Arbeiterinnen an dieselben alten Haushaltsarbeitsplätze gekettet, und ein weiteres Fünftel arbeitete in den übrigen Dienstleistungsbereichen.[42]
In einem aufpeitschend kritischen Aufsatz mit dein Titel »Der Hausbedienstete« belegte W. E. B. DuBois, daß die Emanzipation eine abstrakte Vorstellung bleibe, solange die Hausarbeit für die Schwarzen die Regel ist. ». . . Der Neger« beharrte DuBois, »wird nicht eher die Freiheit erreichen, als bis dieses verhaßte Kennzeichen der Sklaverei und des Mittelalters auf weniger als zehn Prozent reduziert ist.«[43] Die Veränderungen, die durch den zweiten Weltkrieg veranlaßt worden waren, sind nur die Andeutung eines Fortschritts. Nach acht langen Jahrzehnten der »Emanzipation« waren die Zeichen der Freiheit noch immer so vage und weit entfernte Schattenbilder, daß man sich strecken und angestrengt schielen mußte, um etwas von ihnen zu erspähen.