Vergesellschaftung der Hausarbeit

Perspektive der Arbeiterklasse

 Die unzähligen Tätigkeiten wie kochen, spülen, waschen, Betten machen, kehren, einkaufen und und und, die zusammengefaßt als »Hausarbeit« bekannt sind, verbrauchen genau genommen drei- bis viertausend Stunden einer durchschnittlichen Hausfrau im Jahr.[1] So aufregend diese Statistik auch sein mag, sie enthält nicht einmal die konstante, noch zu quantifizierende Aufmerksamkeit, die eine Mutter ihren Kindern widmen muß. Wie die mütterlichen Pflichten schon immer als selbstverständlich betrachtet wurden, so gab auch ihre endlose Plackerei als Hausfrau in der Familie selten Anlaß für eine ausdrückliche Würdigung. Hausarbeit ist letztendlich unsichtbar: »Niemand bemerkt sie, es sei denn, sie wird nicht gemacht - wir bemerken das ungemachte Bett, aber nicht den geputzten und gebohnerten Fußboden.«[2] Unsichtbar, eine ständige Wiederholung, ermüdend, unproduktiv, nicht kreativ - das sind die Begriffe, mit denen die Natur der Hausarbeit am besten erfaßt wird.
Das mit der gegenwärtigen Frauenbewegung verbundene neue Bewußtsein hat eine zunehmende Zahl von Frauen ermuntert, von ihren Männern Erleichterung bei dieser Mühsal zu fordern. Schon haben Männer begonnen, ihren Partnerinnen im Haushalt zu helfen, einige widmen der Hausarbeit sogar den gleichen Anteil an Zeit. Aber wie viele dieser Männer haben sich von der Auffassung frei gemacht, daß Hausarbeit »Frauenarbeit« ist? Wie viele von ihnen bezeichnen ihre Säuberungsaktionen nicht als bloßes »Helfen« bei der Arbeit ihrer Partnerin?
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Wenn es überhaupt möglich wäre, die Vorstellung von der Hausarbeit als Frauenarbeit zu liquidieren und gleichzeitig zu gleichen Teilen auf Männer und Frauen aufzuteilen, wäre das schon eine befriedigende Lösung? Würde Hausarbeit, aus der exklusiven Fixierung auf das weibliche Geschlecht befreit, aufhören, unterdrückerisch zu sein? Während die Frauen womöglich freudig die Ankunft des »Hausmannes« feierten, würde die Lösung der Hausarbeit von nur einem Geschlecht ihren unterdrückenden Charakter noch nicht wirklich verändern. Schließlich sollten weder Frauen noch Männer die kostbaren Stunden ihres Lebens auf eine Arbeit verschwenden müssen, die weder anregend, noch kreativ oder produktiv ist.
Eines der bestgehüteten Geheimnisse der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft ist die Möglichkeit - und zwar die reale Möglichkeit der radikalen Transformation der Hausarbeit. Ein wesentlicher Teil der Aufgaben einer Hausfrau im Haushalt kann tatsächlich von der industriemäßigen Wirtschaft übernommen werden. Mit anderen Worten, Hausarbeit braucht nicht länger als notwendige und in ihrem privaten Charakter unveränderliche Arbeit angesehen werden. Teams von ausgebildeten und gut bezahlten Arbeitern, die von Wohnung zu Wohnung ziehend technologisch entwickelte Reinigungsmaschinen bedienen, könnten schnell und effizient all das ausführen, was die heutige Hausfrau mühsam und primitiv verrichtet. Woher kommt diese Mauer des Schweigens, die diese Möglichkeit einer radikalen Umwandlung der Natur der Hausarbeit umgibt. Sie kommt aus der kapitalistischen Wirtschaft, die von ihrer Struktur her der Industrialisierung der Hausarbeit entgegensteht. Vergesellschaftete Hausarbeit verlangt umfangreiche staatliche Subventionen, um sie für die Familien der Arbeiterklasse, deren Bedürfnisse nach solchen Diensten am offensichtlichsten sind, zugänglich zu machen. Da hier wenig an Profit zu erzielen wäre, ist die industrialisierte Hausarbeit - wie alle unprofitablen Unternehmen kein Thema für die kapitalistische Ökonomie. Trotzdem bedeutet die rapide Zunahme des Potentials an weiblichen Arbeitskräften, daß es für mehr und mehr Frauen immer schwieriger wird, sich im Sinne des traditionellen Standards als Hausfrau hervorzutun. Anders ausgedrückt, die Industrialisierung der Hausarbeit wird zusammen mit der Vergesellschaftung der Hausarbeit zu einem objektiven Bedürfnis. Hausarbeit in der Form der privaten Verantwortlichkeit der Frauen, und als »Frauenarbeit« unter primitiven technischen Bedingungen verrichtet, würde schließlich als historisch überholt erscheinen.
Obwohl die Hausarbeit, wie wir sie heute kennen, mit der Zeit zu einem geschichtlichen Überbleibsel werden mag, verknüpft sich im heutigen gesellschaftlichen Bewußtsein die »ewig unwandelbare Natur des Weibes« weiterhin mit Bildern von Besen und Schaufel, Scheuerlappen und Eimer, Schürze und Herd, Töpfen und Pfannen. Und es ist wahr, daß die Arbeit der Frauen von einer historischen Epoche in die nächste im allgemeinen mit dem Heim verbunden war. Die weibliche Hausarbeit war jedoch nicht immer, was sie heute ist, denn wie alle gesellschaftlichen Erscheinungen ist auch die Hausarbeit ein veränderliches Ergebnis menschlicher Geschichte. Wie die ökonomischen Systeme aufstiegen und verschwanden, so haben sich auch Umfang und Qualität der Hausarbeit radikal verändert.
Wie schon Friedrich Engels in seinem klassischen Werk Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates [3] ausführte, existierte die geschlechtliche Ungleichheit, so wie wir sie heute kennen, vor der Herausbildung des Eigentums nicht. In der frühen Phase der Menschheitsgeschichte war die geschlechtsmäßige Teilung der Arbeit innerhalb des wirtschaftlichen Produktionssystems komplementär im Sinne von antihierarchisch. In Gesellschaften, in denen die Männer für das Jagen wilder Tiere verantwortlich waren, die Frauen hingegen für das Sammeln von wilden Gemüsen und Früchten, verrichteten beide Geschlechter für das Überleben der Gemeinschaft gleich notwendige Aufgaben.
Da in jenen Zeiten die Gemeinschaft im Grunde eine erweiterte Familie war, bedeutete die zentrale Rolle der Frauen in häuslichen Angelegenheiten, daß sie folglich auch als produktive Mitglieder der Gemeinschaft gewertet und respektiert wurden.
Anschaulich wurde für mich die zentrale Bedeutung der häuslichen Aufgaben der Frauen in den vorkapitalistischen Kulturen durch eine persönliche Erfahrung während einer Fahrt mit dem Jeep, die ich 1973 durch die Massai-Steppe unternahm. Auf einer einsamen unbefestigten Straße in Tansania beobachtete ich sechs Massaifrauen, wie sie es auf unbegreifliche Weise fertigbrachten, eine riesige Platte auf ihrem Kopf zu balancieren. Wie mir meine tansanischen Freunde erklärten, trugen diese Frauen wahrscheinlich das Dach eines Hauses zu einem neuen Dorf, das sie gerade aufbauten. Bei den Massai, erfuhr ich, waren die Frauen für alle häuslichen Angelegenheiten verantwortlich, also auch für die oft wieder neu aufzubauenden Häuser ihres nomadisierenden Volkes. - Hausarbeit - soweit es die Massaifrauen betrifft beinhaltet nicht nur Kochen, Saubermachen, Kinderpflege, Nähen usw., sondern auch z. B. den Hausbau. So wichtig die Pflichten ihrer Männer bei der Viehzucht sein mögen, die »Hausarbeit« der Frauen ist nicht weniger produktiv und nicht weniger essentiell als der wirtschaftliche Beitrag der Massaimänner.
Innerhalb der vorkapitalistischen Nomaden-Wirtschaft der Massai sind die häuslichen Arbeiten der Frauen für die Wirtschaftsformation ebenso essentiell wie die Viehzucht-Arbeiten der Männer. Als Produzenten haben sie einen gleich hohen sozialen Status. In den fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften aber führt die dienstleistungsorientierte häusliche Arbeit der Hausfrauen, die selten greifbare Beweise ihrer Arbeit hervorbringen, im allgemeinen zu einer Verminderung des sozialen Status der Frauen. Alles in allem ist die Ehefrau in der bürgerlichen Ideologie schlicht die lebenslange Dienerin ihres Ehemannes.
Die bürgerliche Vorstellung von der Frau als einer ewigen Dienerin des Mannes hat selbst eine aufschlußreiche Geschichte. In der relativ kurzen Geschichte der Vereinigten Staaten ist das abgeschlossene Bild von der »Hausfrau« kaum älter als ein Jahrhundert. Die Hausarbeit war während der Kolonialzeit von der heutigen täglichen Arbeit der Hausfrauen in den Vereinigten Staaten völlig verschieden.

  • Die Arbeit einer Frau begann bei Sonnenaufgang und wurde beim Feuerschein so lange fortgesetzt, bis sie ihre Augen nicht mehr offenhalten konnte. Zwei Jahrhunderte lang wurde fast alles, was eine Familie brauchte oder aß, unter ihrer Anleitung zu Hause produziert. Sie spann und färbte das Garn, aus dem sie Stoff webte, den sie schnitt und mit der Hand zu Kleidung zusammenstichelte. Vieles von dem, was die Familie aß, zog sie selbst und konservierte genug, um über die Wintermonate zu kommen. Sie machte Butter, Käse, Brot, Kerzen und Seife und stopfte die Socken der Familie.[4]

In der agrarischen Wirtschaft des vorindustriellen Nordamerika war eine Frau, die Hausarbeiten verrichtete, Spinnerin, Weberin, Näherin ebenso wie Bäckerin, Butter-, Kerzen- und Seifenmacherin. Und so weiter, und so weiter, und so weiter. Um die Wahrheit zu sagen,

  • . . . ließ ihr die Belastung durch die häusliche Produktion sehr wenig Zeit für die Aufgaben, die wir heute als Hausarbeit anerkennen würden. Nach allem, was man hört, waren im Vergleich zu heutigen Maßstäben die Frauen vor der industriellen Revolution schlampige Haushälterinnen. Anstelle des täglichen oder wöchentlichen Putzens gab es den Frühjahrsputz. Die Mahlzeiten waren einfach und ohne Abwechslung; die Kleidung wurde selten gewechselt-, die Haushaltswäsche ließ man anwachsen, und einmal im Monat wurde Wäsche gewaschen oder gar, wie in rnanchen Haushalten, nur alle drei Monate. Und da natürlich zu jeder Wäsche viele Kübel Wasser geschleppt und erhitzt werden mußten, wurden höhere Ansprüche an Sauberkeit leicht beiseite geschoben.[5]

Die Frauen der Kolonialzeit waren keine »Putzfrauen« oder »Haushälterinnen", sondern eher fingerfertige, ausgebildete Arbeiterinnen innerhalb der Hauswirtschaft. Sie stellten nicht nur die meisten Produkte für den Famdienbedarf selbst her, sondern waren auch die Hüterinnen der Gesundheit ihrer Familien und Gemeinden.

  • Es lag in der Verantwortlichkeit (der Frau der Kolonialzeit), wilde Kräuter zu sammeln und zu trocknen, die als . - - Medizin gebraucht wurden; sie war Arzt, Krankenschwester und Hebamme für die eigene Familie und die Gemeinde.[6]

Das United States Practical Receipt Book - ein verbreitetes koloniales Rezeptbuch - enthielt sowohl Kochrezepte wie auch Rezepte für Haushaltschemikalien und Arzneien. Um z. B. die Scherpilzflechte zu heilen, »beschaffe etwas Blutkraut . . ., zu Streifen geschnitten in Essig legen, danach die angegriffenen Flächen mit der Flüssigkeit waschen.«[7]
Die ökonomische Bedeutung der häuslichen Funktionen der Frauen wurde im kolonialen Amerika sichtbar durch Tätigkeiten außerhalb des Heimes ergänzt. Für eine Frau war es durchaus üblich, z. B. Schankwirtin zu sein.

  • Frauen betrieben außerdem Sägewerke und Getreidemühlen, sie flochten Stühle und schreinerten Möbel, sie leiteten Schlachthäuser, bedruckten Baumwolle und andere Stoffe, verfertigten Spitze, besaßen und führten Textil- und Bekleidungsgeschäfte. Sie arbeiteten in Tabakgeschäften, in Apotheken (wo sie ihre selbst zubereiteten Mixturen verkauften) und in Kaufhäusern, die alles, von der Stecknadel bis zur Fleischwaage führten. Frauen schliffen Brillengläser, machten Netze und Seile, schnitten und nähten Lederwaren, machten die Kratzen zum Krempeln der Wolle und waren sogar Anstreicher. Oft waren sie die Leichenbestatter der Stadt ...[8]

Die postrevolutionäre Woge der Industrialisierung führte zu einer starken Zunahme der Fabriken im nordöstlichen Teil des Landes. Die Textilfabriken in Neu-England waren die erfolgreichen Pioniere des Fabrikwesens. Da Spinnen und Weben traditionelle häusliche Gewerbe gewesen waren, waren Frauen auch die ersten Arbeitskräfte, die von den Fabrikbesitzern angeworben wurden, um an den neuen mechanischen WebstüWen zu arbeiten. Bedenkt man den späteren Ausschluß der Frauen aus der industriellen Produktion im allgemeinen, so erscheint es wie eine der größten Ironien der Wirtschaftsgeschichte dieses Landes, daß die ersten Industriearbeiter Frauen waren.
Mit fortschreitender Industrialisierung verlagerte sich die Produktion aus dem Heim in die Fabrik, und die Hausarbeit der Frauen wurde systematisch ausgehöhlt. Die Frauen waren die Verlierer in doppeltem Sinn: Da ihre traditionelle Arbeit von den hervorsprießenden Fabriken usurpiert wurde, wurde die gesamte Wirtschaft vom Heim abgezogen, wodurch viele Frauen sich ihrer ökonomischen Funktionen beraubt sahen. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts lieferten die Fabriken Textilien, Kerzen und Seife. Sogar bei der'Butter, dem Brot und anderen Nahrungsmitteln begann die Massenproduktion.

  • Gegen Ende des Jahrhunderts stärkte und kochte kaum noch jemand seine Wäsche irn Kessel. In den Städten kauften die Frauen ihr Brot und zumindest Unterwäsche außerhalb, schickten die Kinder in die Schule und vermutlich auch einige Kleidungsstücke in die Wäscherei und besprachen untereinander die Vorzüge der Dosennahrung. . . . Der Strom der Industrialisierung war weitergeflossen und hatte den Webstuhl auf dem Dachboden und den Seifenkessel im Schuppen zurückgelassen.[9]

Je mehr sich der Kapitalismus festigte, desto größer wurde die Kluft zwischen der neuen Wirtschaftswelt und der alten Hauswirtschaft. Die Verlagerung der Produktionsstätten durch die Ausbreitung des Fabrikwesens war zweifellos eine drastische Veränderung. Noch radikaler aber war die allgemeine Neubewertung der Produktion, die durch das Fabriksystem hervorgerufen wurde. Während der Wert der hausgemachten Güter hauptsächlich darin bestand, daß sie die Grundbedürfnisse der Familie befriedigten, lag die Bedeutung der fabrikmäßig hergestellten Waren überwiegend in ihrem Tauschwert, in ihrer Fähigkeit, die Bedürfnisse der Fabrikbesitzer nach Profit zu befriedigen. Diese Neubewertung der wirtschaftlichen Produktion offenbarte - über die örtliche Trennung von Heim und Fabrik hinaus - eine fundamentale strukturelle Trennung zwischen der auf Hauswirtschaft aufgebauten Ökonomie und der profitorientierten ökonomie des Kapitalismus. Da die Hausarbeit keinen Profit erzeugt, wurde die Hausarbeit im Vergleich zur kapitalistischen Lohnarbeit naturgemäß als eine minderwertigere Form der Arbeit bestimmt.
Ein bedeutendes ideologisches Nebenprodukt dieser radikalen Transformation war die Herausbildung der »Hausfrau«. Die neue ideologische Eingrenzung der Frau als Hüterin des abgewerteten häuslichen Lebens begann. Als Ideologie jedoch stand diese neue Bestimmung des Platzes der Frau in krassem Widerspruch zu der gewaltigen Zahl der Einwanderinnen, die die Reihen der Arbeiterklasse im Nordosten aufblähten. Diese weißen Einwanderinnen waren an erster Stelle Lohnarbeiterinnen und erst an zweiter Hausfrauen. Und es gab noch Millionen weiterer Frauen, die sich außerhalb ihrer Wohnungen als unfreiwillige Produzenten in der Sklavenwirtschaft des Südens plagten. Zur Wirklichkeit der US-Gesellschaft im neunzehnten Jahrundert gehörten auch die weißen Frauen, die für einen Hungerlohn ihre Tage bei der Arbeit an den Maschinen in den Fabriken verbrachten, ebenso wie die schwarzen Frauen, die unter dem Zwang der Sklaverei arbeiteten. Die »Hausfrau« spiegelte nur einen Teil der Wirklichkeit wider, denn sie war im wesentlichen ein Symbol des wirtschaftlichen Wohlstandes des sich herausbildenden Bürgertums.
Obwohl die »Hausfrau« allein in den gesellschaftlichen Verhältnissen der Bourgeoisie und des Mittelstandes verwurzelt war, erklärte die Ideologie des neunzehnten Jahrhunderts die Hausfrau und Mutter zum allgemeingültigen Modell der Weiblichkeit. Da die allgemeine Propaganda die Berufung aller Frauen als ein Aufgehen in ihren häuslichen Funktionen darstellte, wurden die Frauen, die gezwungen waren, für Lohn zu arbeiten, wie Gäste in der männlichen Welt der öffentlichen Wirtschaft behandelt. Da sie sich außerhalb ihrer »natürlichen« Sphäre beitsbedingungen, die unter der gultigen Norm lagen, und entschieden zu werden. Der Preis, den sie zahl ten, waren lange Arbeitsstunden, Arbeitsbedingungen, die unter der gültigen Norm lagen und entschieden ungerechte Löhne. Ihre Ausbeutung war sogar stärker als die, unter der ihre männlichen Veroeichspartner litten. Unnötig zu bemerken, daß der Sexismus sich als eine Quelle unerhörter Superprofite für die Kapitalisten erwies.
Die strukturelle Trennung der öffentlichen Wirtschaft von der häuslichen Privatwirtschaft wurde durch die gleichbleibende Primitivität der Hausarbeit noch weiter verstärkt. Abgesehen von der Zunahme von Haushaltsgeräten blieb die Hausarbeit von dem technologischen Fortschritt, den der Kapitalismus mit sich brachte, in ihrer Qualität unberührt. Die Hausarbeit der durchschnittlichen Hausfrau verbraucht immer noch Tausende von Stunden im Jahr. 1903 schlug Charlotte Perkins Gilman eine Definition der Hausarbeit vor, die die Urnwälzungen widerspiegelt, die Struktur und Inhalt der Hausarbeit in den Vereinigten Staaten verändert haben:

  • ... Der Ausdruck »Hausarbeit« bezeichnet nicht eine spezifische Art von Arbeit, sondern einen bestimmten Grad der Arbeit, ein Entwicklungsstadium, durch das alle Arten gehen. Alle Gewerbe waren einst »häuslich«, d. h. sie wurden zu Hause und im Interesse der Familie betrieben. Alle Gewerbe haben sich seit jenen fernen Zeiten zu höheren Stufen entwickelt, außer einigen wenigen, die niemals ihre erste Stufe verlassen haben.[10]

»Das Heim«, behauptet Gilman, »hat sich im Verhältnis zu anderen Institutionen nicht entwickelt.« Die Hauswirtschaft offenbart

  • ... die Überlebensfähigkeit primitiver Arbeitsformen in einer modernen Industriegesellschaft und die Beschränkung der Frauen auf diese Arbeitsforrnen und den begrenzten Umkreis, in dem sie wirksam werden können.[11]

Die Hausarbeit, meint Gilman, beeinträchtigt die Menschenwürde der Frau:

  • Sie ist mehr als genug weiblich, wie der Mann mehr als genug männlich ist, aber sie ist nicht so sehr ein Mensch wie der Mann. Das häusliche Leben entwickelt unser Menschsein nicht, denn alle wichtigen Stränge des menschlichen Fortschritts liegen außerhalb.[12]

Die Richtigkeit von Gilmans Behauptungen wird durch die historischen Erfahrungen der schwarzen Frauen in den Vereinigten Staaten bestätigt. In der gesamten Ge;chichte dieses Landes hat die Mehrheit der schwarzen Frauen außerhalb ihrer Wohnungen gearbeitet. Während der Sklaverei schufteten die Frauen Seite an Seite mit ihren Männern auf den Tabakund Baurnwollfeldern, und als die Industrie irn Süden Einzug hielt, konnte man sie in den Tabakfabriken, in den Zukkerraffinerien und sogar in den Sägewerken und in den Arbeitskolonnen, die die Schienen der Eisenbahnlinien festhärnrnerten, finden. Bei der Arbeit waren die Sklavinnen ihren Männern gleich. Weil sie die harte geschlechtliche Gleichheit der Arbeit zu erleiden hatten, konnten sie zu Hause in den Sklavenvierteln auch eine größere geschlechtliche Gleichheit genießen, als es ihren weißen Schwestern, den »Hausfrauen«, möglich war.
Eine Folge dieser Arbeit außer Haus war - für die »freien« Frauen nicht weniger als für die Sklavinnen - daß die Hausarbeit niemals einen zentralen Stellenwert im Leben der schwarzen Frauen einnehmen konnte. Im großen und ganzen entgingen sie dem psychischen Schaden, den der industrielle Kapitalismus den weißen Mittelstands-Hausfrauen zugefügt hat mit ihren angeblichen Tugenden der weiblichen Schwäche und fraulichen Unterwürfigkeit. Die schwarzen Frauen konnten schwerlich nach Schwäche streben; sie mußten stark sein, denn ihre Familien und Gemeinden brauchten ihre Stärke, um zu überleben. Beweise dieser angesammelten Kräfte, die die schwarzen Frauen durch Arbeit, Arbeit und nochmal Arbeit hervorgebracht haben, findet man im Leben der vielen herausragenden Frauen, die als leitende Persönlichkeiten der schwarzen Gemeinschaft bekannt geworden sind. Harriet Tubman, Sojouiner Truth, Ida B. Wells und Rosa Parks sind so wenig Ausnahmen in der schwarzen Frauenwelt, wie sie typisch dafür sind.
Die schwarzen Frauen haben jedoch für die Stärke, die sie er-langt haben, und für ihre relative Freiheit einen hohen Preis gezahlt. Obwohl sie selten »Nur-Hausfrauen« waren, haben sie doch immer ihre Hausarbeit gemacht. So haben sie die doppelte Last von Lohnarbeit und Hausarbeit getragen - eine doppelte Last, die von der Arbeiterin die Ausdauer eines Sisyphus erfordert. W. E. B. DuBois stellte 1920 fest:

  • . ... einige wenige Frauen sind frei geboren, und einige erreichen die Freiheit nur nach Beleidigungen und Ehebruch; aber unseren schwarzen Frauen wurde die Freiheit verachtungsvoll hingeworfen. Mit dieser Freiheit erwerben sie sich eine unbezweifelbare Unabhängigkeit, und so teuer der Preis, den sie dafür zahlen, auch ist, am Ende wird sich jeder Fluch und jeder Seufzer gelohnt haben.[13]

Die schwarzen Frauen haben wie ihre Männer gearbeitet, bis sie nicht mehr konnten, Wie ihre Männer haben sie die Verantwortung für den Unterhalt ihrer Familie getragen. Die unorthodoxen weiblichen Tugenden des Selbstbewußtseins und Selbstvertrauens - die an den schwarzen Frauen oft gelobt, aber noch mehr gerügt wurden - sind Widerspiegelungen ihrer Arbeit und ihrer Kämpfe außer Haus. Und doch haben sie wie ihre weißen Schwestern, die »Hausfrauen«, gekocht und saubergemacht und unzählige Kinder aufgezogen. Aber ungleich den weißen Hausfrauen, die gelernt hatten, sich in ihrem Bedürfnis nach ökonomischer Sicherheit auf ihre Männer zu stützen, haben die schwarzen Ehefrauen und Mütter, die in der Regel auch Arbeiterinnen waren, selten die Zeit und die Energie gehabt, zu Expertinnen in häuslichen Angelegenheiten zu werden. Wie ihre weißen Schwestern aus der Arbeiterklasse, die ebenfalls die doppelte Last der Arbeit für den Lebensunterhalt und der Versorgung von Ehemann und Kindern tragen, bedürfen die schwarzen Frauen schon seit langer, langer Zeit der Erleichterung von diesem drückenden Schicksal.
Für die schwarzen Frauen heute und für alle ihre Schwestern aus der Arbeiterklasse enthält die Vorstellung, daß die Last der Hausarbeit und Kinderversorgung von ihren Schultern genommen und der Gesellschaft zugewiesen werden kann, eines der radikalsten Geheimnisse der Frauenbewegung. Die Kinderversorgung und die Essensversorgung sollten vergesellschaftet, die Hausarbeit sollte industrialisiert werden und alle diese Dienste sollten ohne weiteres der Arbeiterklasse zugänglich sein.
Die Tatsache, daß die Möglichkeiten der Vergesellschaftung von Hausarbeit in der öffentlichen Diskussion eine geringe oder gar keine Rolle spielen, ist ein schlagendes Beispiel für die blindmachenden Kräfte der bürgerlichen Ideologie. Es ist noch nicht einmal so, daß der häuslichen Rolle der Frau überhaupt keine Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre. Im Gegenteil, die gegenwärtige Frauenbewegung hat die Hausarbeit als einen wesentlichen Bestandteil der Unterdrückung der Frauen herausgestellt. In einer Reihe von kapitalistischen Ländern gibt es sogar eine Bewegung, deren wesentliches Interesse der Lage der Hausfrauen gilt. Zu der Schlußfolgerung gekommen, daß die Hausarbeit erniedrigend und unterdrückend ist, weil sie unbezahlte Arbeit ist, hat diese Bewegung die Forderung nach Lohn für Hausarbeit erhoben. Eine wöchentliche staatliche Lohnzahlung, wird behauptet, sei der Schlüssel, den Status der Hausfrauen und die gesellschaftliche Stellung der Frauen überhaupt zu verbessern.
Die Bewegung »Lohn für Hausarbeit« hat ihren Ursprung in Italien, wo die ersten Demonstrationen dieser Art 1974 stattfanden. Auf einer Kundgebung in Mestre erklärte eine der Rednerinnen:

  • Die Hälfte der Weltbevölkerung ist unbezahlt - das ist der größte Klassenwiderspruch von allen! Und dies ist der Kampf um Lohn für Hausarbeit. Es ist die strategische Forderung; zu diesem Zeitpunkt ist sie die revolutionärste Forderung für die gesamte Arbeiterklasse. Wenn wir gewinnen, gewinnt die Klasse, wenn wir verlieren, verliert die Klasse.[14]

In der Strategie dieser Bewegung ist der Lohn der Schlüssel zur Emanzipation der Hausfrauen, und die Forderung selbst wird als der Brennpunkt der Frauenbewegung überhaupt herausgestellt. Ja, der Hausfrauenkampf um Lohn wird sogar als ein Kernpunkt der gesamten Arbeiterbewegung hingestellt.
Die theoretischen Ursprünge der Bewegung »Lohn für Hausarbeit« können in einem Aufsatz von Mariorosa Dalla Costa mit dem Titel »Die Frauen und der Umsturz des Staates«[15] nachgelesen werden. Dalla Costa spricht sich dort für eine Neubestimmung der Hausarbeit aus, die darauf fußt, daß der private Charkater der Haushalts-Dienste faktisch eine Illusion ist. Die Hausfrau, behauptet sie, dient nur scheinbar den privaten Bedürfnissen des Mannes und der Kinder, denn die wahren Nutznießer ihrer Dienste sind der derzeitige Arbeitgeber ihres Mannes und die zukünftigen Arbeitgeber ihrer Kinder.

  • (Die Frau) ist in ihrem Heim eingesperrt und gezwungen, Arbeit zu leisten, die als ungelernte Arbeit gilt, die Arbeit des Gebärens, der Aufzucht, der Disziplinierung und der Bedienung der Arbeiter für die Produktion. Ihre Funktion bleibt in dem Kreislauf der Produktion unsichtbar, weil nur das Produkt ihrer Arbeit, der Arbeiter, sichtbar ist.[16]

Die Forderung, daß Hausfrauen entlohnt werden sollten, gründet auf der Annahme, daß die von ihnen produzierten Waren ebenso wichtig und wertvoll sind wie die Waren, die ihre Ehemänner am Arbeitsplatz produzieren. Die Bewegung »Lohn für Hausarbeit« hat sich Dalla Costas Logik zu eigen gemacht, nach der die Hausfrauen die Produzenten der Arbeitskraft sind, die die Familienmitglieder auf dem kapitalistischen Markt verkaufen.
Dalla Costa war nicht die erste Theoretikerin, die eine solche Interpretation der Unterdrückung der Frauen vorlegte. Sowohl Mary Inmans In Woman's Defense (1940)[17] als auch Margaret Benstons [18]The Political Economy of Women's Liberation (1969) geben eine Definition der Hausarbeit, nach der die »Hausfrauen« eine spezielle Klasse von Arbeitern bilden, die vom Kapitalismus ausgebeutet werden. Daß die Gebärfähigkeit der Frauen, das Aufziehen der Kinder und die Haushaltsführung es den anderen Familienmitgliedern möglich machen, arbeiten zu gehen - um ihre Arbeitskraft gegen Lohn einzutauschen - kann kaum geleugnet werden. Folgt aber daraus schon automatisch, daß die Frauen im allgemeinen und ohne Rücksicht auf ihre Rasse und Klassenzugehörigkeit wirklich in ihren häuslichen Funktionen aufgehen? Folgt daraus automatisch, daß die Hausfrau innerhalb des kapitalistischen Produktionsprozesses tatsächlich eine verborgene Arbeiterin ist?
Wenn die industrielle Revolution zur strukturellen Trennung der privaten Hauswirtschaft von der öffentlichen Wirtschaft führte, so kann die Hausarbeit nicht als ein integraler Bestandteil der kapitalistischen Produktion bezeichnet werden. Ihr Bezug zur Produktion ist eher der einer Vorbedingung. Der Unternehmer ist nicht im geringsten daran interessiert, wie die Arbeitskraft produziert und erhalten wird, er ist nur an ihrer Verfügbarkeit und an ihrer Fähigkeit, Profit zu erzeugen, interessiert. Mit anderen Worten, der kapitalistische Produktionsprozeß setzt schon die Existenz von ausbeutbaren Arbeitern voraus.,

  • Die Wiederherstellung der Arbeitskraft (des Arbeiters) ist kein Teil der gesellschaftlichen Produktion, sondern eine Voraussetzung von ihr. Sie geschieht außerhalb des Arbeitsprozesses. Ihre Funktion ist die Aufrechterhaltung der menschlichen Existenz, was der höchste Zweck der Produktion in allen Gesellschaf ten ist.[19]

In der südafrikanischen Gesellschaft, wo der Rassismus die ökonomische Ausbeutung bis an ihre brutalsten Grenzen geführt hat, verrät die kapitalistische Wirtschaft ihre strukturelle Trennung vorn häuslichen Leben auf eine in ihrer Brutalität aufschlußreiche Art. Die Sozial-Konstrukteure der Apartheid haben entschieden, daß die Arbeit der Schwarzen höhere Profite abwirft, wenn das Familienleben ganz wegfällt. Die schwarzen Männer werden als Arbeitseinheiten angesehen, deren produktives Potential sie für die kapitalistische Klasse wertvoll macht. Ihre Frauen und Kinder aber

  • ... sind überflüssige Anhängsel - unproduktiv, die Frauen sind nichts weiter als ein Zusatz zu der Zeugungsfähigkeit der männlichen schwarzen Arbeitseinheiten.[20]

Diese Charakterisierung der Afrikanerinnen als »überflüssige Anhängsel« ist kaum als Metapher zu verstehen. Nach südafrikanischem Gesetz sind schwarze Frauen ohne Arbeit in den Gebieten der Weißen nicht aufenthaltsberechtigt (in 87 Prozent des Landes!), nicht einmal in den Städten, in denen ihre Männer leben und arbeiten. Das Familienleben der Schwarzen in den Industriezentren Südafrikas wird von den Unterstützern der Apartheid als überflüssig und unprofitabel betrachtet. Aber auch als Bedrohung.

  • Die Behörden erkennen die Heimat-schaffende Rolle der Frauen und fürchten, daß ihre Gegenwart in den Städten zur Bildung einer stabilen schwarzen Bevölkerung führen könnte.[21]

Die Ansiedelung afrikanischer Familien in den Industriestädten wird als eine Bedrohung angesehen, weil das Familienleben eine Basis für erhöhten Widerstand gegen die Apartheid werden könnte. Dies ist zweifellos ein Grund, warum viele Frauen, die für die weißen Gebiete eine Aufenthaltserlaubnis haben, angewiesen sind, in nach Geschlechtern getrennten Wohnheimen zu leben. Verheiratete wie auch ledige Frauen müssen letzten Endes in diesen Projekten leben. In diesen Wohnheimen ist das Familienleben streng verboten - Ehemänner und Ehefrauen dürfen sich nicht gegenseitig besuchen, und die Kinder dürfen weder bei der Mutter noch beim Vater zu Besuch kommen.[22]
Diese tiefgreifende Beeinträchtigung der schwarzen Frauen in Südafrika hat schon seinen Tribut gefordert, denn nur 28,2 Prozent von ihnen heiraten überhaupt.[23] Aus den Gründen ökonomischer Zweckmäßigkeit und politischer Sicherheit zersetzt die Apartheid - offenbar in der Absicht, sie zu zerstören - die ureigensten häuslichen Strukturen der Schwarzen. So demonstriert der südafrikanische Kapitalismus am extremsten, bis zu welchem Ausmaß die kapitalistische Wirtschaft tatsächlich von der Hausarbeit abhängig ist.
Die vorsätzliche Zerstörung des Familienlebens der Schwarzen in Südafrika könnte von der Regierung nicht durchgesetzt werden, wenn es wirklich zuträfe, daß die Dienste, die die Frauen zu Hause verrichten, eine wesentliche Grundlage der Lohnarbeit im Kapitalismus sind. Daß auf das Familienleben verzichtet werden kann, wie es die Version des südafrikanischen Kapitalismus deutlich macht, ist eine Folge der Trennung der privaten Hauswirtschaft vom öffentlichen Produktionsprozeß in der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist sinnlos zu behaupten, daß gerade aufgrund der inneren Logik des Kapitalismus die Frauen für Hausarbeit Lohn erhalten müßten.
Angenommen, die der Forderung nach Lohn zugrundeliegende Theorie wäre hoffnungslos zerbrochen, wäre es nicht trotzdem politisch wünschenswert, darauf zu bestehen, daß die Hausfrauen bezahlt werden? Könnte man nicht einen moralischen Imperativ für das Recht der Frauen heraufbeschwören, für ihre Arbeitsstunden im Haushalt Bezahlung zu verlangen? Die Vorstellung einer Lohnzahlung für Hausfrauen hört sich sicher für viele Frauen recht reizvoll an. Der Reiz wäre allerdin gs nur von kurzer Dauer. Denn wie viele Frauen wären tatsächlich bereit, sich mit den nervtötenden, niemals endenden Hausarbeiten nur um des Lohnes willen zu versöhnen? Würde der Lohn die Tatsache verändern, die Lenin beschreibt?

  • Die Frau ... wird erdrückt, erstickt, abgestumpft, erniedrigt von der Kleinarbeit der Rauswirtschaft, die sie an die Küche und an das Kinderzimmer fesselt und sie ihre Schaffenskraft durch eine geradezu barbarisch unproduktive, kleinliche, entnervende, abstumpfende, niederdrückende Arbeit vergeuden läßt.[24]

Es scheint eher, daß die staatlichen Lohnzahlungen für Hausfrauen diese Haussklaverei auch weiterhin legitimieren würden.
Wäre nicht eine stillschweigende Kritik an der Bewegung »Lohn für Hausarbeit« darin zu sehen, daß die von Sozialunterstützung lebenden Frauen selten eine Entschädigung für das Führen des Haushalts verlangt haben? Nicht »Lohn für Hausarbeit« sondern eher »ein garantiertes jährliches Mindesteinkommen für alle« ist die unmittelbare Alternative zum entmenschlichenden Wohlfahrtssystem, die sie am häufigsten nennen. Was sie jedoch auf lange Sicht haben wollen, das sind Arbeitsplätze und eine erschwingliche öffentliche Kinderversorgung. Das garantierte Mindesteinkommen hätte deshalb seine Funktion als eine Art Arbeitslosenversicherung, bis mehr Arbeitsplätze mit angemessenen Löhnen zusammen mit einem subventionierten Systeni der Kinderversorgung geschaffen wären.
Das Problematische an der »Lohn für Hausarbeit«-Strategie wird auch durch die Erfahrungen einer anderen Gruppe von Frauen belegt. Putzfrauen, Hausangestellte und Dienstmädchen - diese Frauen wissen besser als irgend jemand sonst, was es heißt, für Hausarbeit Lohn zu bekommen. Ihr tragisches Schicksal ist in dem Film von Ousmane Sembene LaNoire de... [25] ganz hervorragend eingefangen. Die Hauptfigur ist eine junge Senegalesin, die nach langer Arbeitssuche Erzieherin bei einer in Dakar lebenden französischen Familie wird. Als die Familie nach Frankreich zurückkehrt, geht sie voller Begeisterung mit. In Frankreich jedoch wird sie sich bewußt, daß sie nicht nur für die Kinder verantwortlich ist, sondern auch fürs Kochen, Saubermachen, Waschen und die übrigen Hausarbeiten. Es dauert nicht lange, bis ihre ursprüngliche Begeisterung in eine Depression mündet, in eine Depression, die so tief geht, daß sie den Lohn zurückweist, den ihre Herrschaft ihr anbietet. Der Lohn kann ihre sklavengleiche Situation nicht kompensieren. Da ihr das Geld fehlt, um nach Senegal zurückkehren zu können, zieht sie der Aussicht auf endloses Kochen, Fegen, Staubwischen, Schrubben und und und den Selbstmord vor.
In den Vereinigten Staaten haben die farbigen Frauen - und besonders die schwarzen ungezählte Jahrzehnte hindurch Lohn für Hausarbeit bekommen. Als 1910 die Hälfte der schwarzen Frauen außerhalb ihrer Wohnungen arbeiteten, war ein Drittel von ihnen als Hausbedienstete angestellt. Bis 1920 waren über die Hälfte Hausbedienstete, und 1930 war das Verhältnis auf drei zu fünf angestiegen.[26]
Eine der Folgen der großen Verlagerung weiblicher Arbeitsplätze während des 2. Weltkrieges war die sehr begrüßenswerte Abnahme der Anzahl der schwarzen Bediensteten. Dennoch war 1960 ein Drittel aller werktätigen schwarzen Frauen immer noch auf diese traditionellen Berufe beschränkt .[27] Erst als Büroarbeiten für schwarze Frauen zugänglich wurden, ging der Anteil der schwarzen Frauen im häuslichen Dienstleistungssektor deutlich nach unten. Heute bewegt sich der zahlenmäßige Anteil um 13 Prozent.[28]
Die entnervenden häuslichen Pflichten der Frauen sind als solche eindeutige Beweise für die Macht des Sexismus. Hinzu kam der Rassismus, aufgrund dessen viele schwarze Frauen nicht nur die eigene Hausarbeit, sondern auch die anderer Frauen verrichten mußten. Und oft war die Hausangestellte durch die Anforderungen der Arbeit im Haushalt einer weißen Frau gezwungen, ihr eigenes Heim und sogar ihre Kinder zu vernachlässigen. Als bezahlte Haushälterinnen mußten sie als Ersatz für die Ehefrau und Mutter in Millionen weißer Haushalte herhalten.
Während ihrer mehr als fünfzigjährigen Organisationsbemühungen haben die Hausangestellten versucht, ihre Arbeit neu zu definieren, indem sie die Rolle des HausfrauenErsatzes ablehnten. Die Hausarbeiten sind unendlich und unbestimmt. Die Hausangestellten haben an erster Stelle eine klare Beschreibung der Arbeiten gefordert, die von ihnen verlangt wurden. Der Name selbst, den sich die heute größte Gewerkschaft der Bediensteten gegeben hat - »Haushaltstechniker von Amerika« - betont ihre Weigerung, als Ersatzhausfrauen, deren Arbeit nichts weiter als »Nur-Hausarbeit« ist, zu dienen. So lange die Hausangestellten irn Schatten der Hausfrauen stehen, so lange werden sie weiterhin Löhne erhalten, die dem »Haushaltsgeld« einer Hausfrau näher stehen als dem Lohn eines Arbeiters. Nach einer Erhebung des »Nationalen Komitees der Beschäftigten in den Privathaushalten« verdiente 1976 eine durchschnittliche Vollzeithaushaltstechnikerin nur 2732 Dollarjährlich, zwei Drittel von ihnen lagen unter 2000 Dollar.'9 Obwohl einige Jahre zuvor zum Schutz der Hausangestellten ein Mindestlohngesetz verabschiedet worden war, erhielten 1976 immer noch erstaunliche 40 Prozent Löhne, die erheblich unter der vorgeschriebenen Grenze lagen. Die Bewegung »Lohn für Hausarbeit« nimmt an, daß die Frauen, wenn sie für ihr Hausfrauendasein bezahlt würden, einen höheren Status genössen. Die uralten Kämpfe der bezahlten Hausangestellten, deren Lage elender ist als die irgendeiner anderen Gruppe von Arbeitern im Kapitalismus, erzählt uns dazu eine andere Geschichte.
Über 50 Prozent der Frauen in den Vereinigten Staaten arbeiten heute für ihren Lebensunterhalt und stellen dadurch 41 Prozent der Arbeitskräfte des Landes. Und unzählige Frauen können heute keinen zumutbaren Arbeitsplatz finden. Wie der Rassismus ist auch der Sexismus einer der tieferen Gründe für die hohe Rate der weiblichen Arbeitslosen. Viele Frauen sind »Nur-Hausfrauen«, weil sie in Wirklichkeit arbeitslos sind. Könnte deshalb die Rolle der »Nur-Hausfrau« nicht am wirksamsten durch die Forderung nach Arbeitsplätzen für Frauen auf der Ebene der Gleichberechtigung mit den Männern und der Durchsetzung sozialer Leistungen (wie der Kinder- und Jugendpflege z. B.) und Arbeitsvergünstigungen (wie z. B. Mutterschaftsurlaub) bekämpft werden, damit mehr Frauen außerhalb ihres Haushaltes arbeiten können?
Die Bewegung »Lohn für Hausarbeit« entmutigt die Frauen, Arbeitsplätze außer Haus zu suchen, indem sie argumentiert, »die Sklaverei am Fließband ist noch keine Befreiung von der Sklaverei am Küchenherd«.[30] Indessen beharren die Sprecherinnen der Bewegung darauf, daß sie keineswegs die fortgesetzte Einkerkerung der Frauen in ihren isolierten Wohnungen verteidigen wollen. Sie behaupten, die Tatsache, daß sie die Arbeit auf dem kapitalistischen Markt per se ablehnten, bedeute nicht, daß sie den Frauen auf Dauer die Verpflichtung zur Hausarbeit zuweisen wollten. Eine amerikanische Vertreterin dieser Bewegung äußerte sich hierzu so:

  • ... wir sind nicht daran interessiert, unsere Arbeit für das Kapital effizienter und produktiver zu machen. Wir sind daran interessiert, unsere Arbeit zu reduzieren und letzten Endes überhaupt zu verweigern. Aber so lange wir zu Hause für nichts arbeiten, kümmert sich niemand darum, wie lange oder wie hart wir arbeiten. Denn das Kapital führt entwickelte Technologie nur ein, um nach den Lohnforderungen der Arbeiterklasse die Produktionskosten zu senken. Nur wenn wir unsere Arbeit etwas kosten lassen (d. h. wenn wir sie unökonomisch machen), wird das Kapital die zur Reduzierung notwendige Technologie »entdecken«. Gegenwärtig müssen wir oft arbeiten gehen, um uns mit dieser zweiten Schicht die Spülmaschine leisten zu können, die uns unsere Hausarbeit erleichtern soll.[31]

Wenn einmal die Frauen das Recht, für ihre Hausarbeit bezahlt zu werden, bekommen haben, dann können sie auch die Forderung nach höheren Löhnen erheben und so die Kapitalisten zwingen, die Industrialisierung der Hausarbeit vorzunehmen. Ist das nun eine konkrete Strategie zur Befreiung der Frauen oder ein unrealisierbarer Traum?
Wie sollen denn die Frauen ihren Anfangskampf um Löhne führen? Dalla Costa befürwortet den Hausfrauenstreik:

  • Wir müssen das Zuhause ablehnen, weil wir uns mit anderen Frauen vereinigen wollen, um gegen alle Umstände zu kämpfen, die voraussetzen, daß die Frauen zu Hause bleiben werden ... Das Zuhause aufzugeben ist schon eine Form des Kampfes, da die sozialen Dienste, die wir dort leisten, unter diesen Bedingungen nicht mehr ausgeführt würden.[32]

Wenn aber die Frauen ihr Zuhause verlassen, wohin sollen sie gehen? Wie werden sie sich mit den anderen Frauen vereinigen? Werden sie wirklich aus keinem anderen Grund ihr Zuhause verlassen, als um gegen die Hausarbeit zu protestieren? Ist es nicht weit realistischer, die Frauen aufzurufen, ihr »Zuhause zu verlassen«, um einen Arbeitsplatz außer Haus zu suchen - oder sich wenigstens an einer massiven Kampagne für zumutbare Arbeitsplätze für Frauen zu beteiligen? Zugegeben, die Arbeit im Kapitalismus ist eine brutalisierende Arbeit. Zugegeben, sie ist unschöpferisch und entfremdend. Trotz alledem bleibt es eine Tatsache, daß die Frauen sich am Arbeitsplatz mit ihren Schwestern vereinigen können - und sogar auch mit ihren Brüdern - um ausgehend von der Produktion den Kapitalismus herauszufordern. Als Arbeiterinnen, als militante Aktivistinnen in der Arbeiterbewegung können Frauen die reale Kraft entwickeln, gegen die Hauptstütze und die Schatzkammer des Sexismus zu kämpfen - gegen das monopolkapitalistische System.
Weder taugt die Strategie des »Lohn für Hausarbeit« als langfristige Lösung des Problems der Frauenunterdrückung, noch spricht sie die begründete Unzufriedenheit der heutigen Hausfrauen wirklich aus. Neuere soziologische Studien haben ergeben, daß die Hausfrauen heute von ihrem Leben mehr frustriert sind als je zuvor. Als Ann Oakley für ihr Buch The Sociology of Housework«[33] Interviews machte, entdeckte sie, daß sogar die Hausfrauen, die anfänglich in der Hausarbeit keine Last zu sehen schienen, im Laufe des Gesprächs ihre tiefe Unzufriedenheit zum Ausdruck brachten. Die folgenden Äußerungen stammen von einer Frau, die auch noch einen Arbeitsplatz in der Fabrik hatte:

  • Mögen Sie Hausarbeit?
    Mir macht es nichts aus Ich glaube, mir macht die Hausarbeit deshalb nichts aus, weil ich sie nicht den ganzen Tag lang mache. Ich gehe zur Arbeit und mache Hausarbeit nur halbtags. Wenn ich es den ganzen Tag machen würde, gefiele es mir nicht. Frauenarbeit ist nie zu Ende, eine Frau ist immer auf Achse sogar wenn du ins Bett gehen willst, hast du vorher immer noch irgendetwas zu tun - Aschenbecher leeren, ein paar Tassen spülen. Du bist immer noch bei der Arbeit. Es ist jeden Tag dasselbe; du kannst nicht einfach sagen: »Heute mache ich es nicht!", denn du mußt es einfach tun - wie mit dem Essen machen: Es muß gemacht werden, weil, wenn du es nicht tust, haben die Kinder nichts zu essen ... Ich glaube, du gewöhnst dich so daran, daß du es automatisch machst ... Ich bin bei der Arbeit glücklicher als zu Hause.
    Was ist Ihrer Meinung nach das Schlimmste daran, Hausfrau zu sein?
    Ich glaube, es gibt Tage, an denen du das Gefühl hast, du mußt jetzt aufstehen und immer dasselbe machen - das ist langweilig. Du fährst immer im alten Gleis. Fragst du eine Hausfrau, würde sie - wenn sie ehrlich ist - sagen, daß sie sich oft wie ein Packesel fühlt jede denkt, wenn sie morgens aufsteht, »oh nein, ich muß heute wieder dasselbe machen, bis ich abends ins Bett gehe«. Man macht immer die gleichen Sachen, da kommst du nicht raus.[34]

Ob die Löhne diese Langeweile vertreiben würden? Diese Frau würde sicherlich mit nein antworten. Eine Vollzeithausfrau meinte zu Oakley über den Zwangscharakter der Hausarbeit:

  • Ich finde, das Schlimmste daran ist, daß man die Hausarbeit machen muß, weil man ja zu Hause ist. Obwohl ich ja schließlich die Wahl hätte, sie einfach nicht zu machen, habe ich nicht wirklich das Gefühl, daß ich sie liegen lassen könnte, weil ich spüre, eigentlich soll ich sie machen.[35]

Aller Wahrscheinlichkeit nach würde Lohn für diese Arbeit die Besessenheit dieser Frau nur noch verschlimmern. Oakley kam zu dem Schluß, daß die Hausarbeit, besonders als Vollzeitbeschäftigung, die weibliche Persönlichkeit so vollkommen durchdringt, daß die Hausfrau ununterscheidbar von ihrer Arbeit wird.

  • In einer wichtigen Hinsicht lassen sich die Hausfrau und ihre Arbeit nicht trennen, d. h. sie selbst ist ihre Arbeit. Folglich ist die Unterscheidung zwischen subjektiven und objektiven Bestandteilen ihrer Situation von vornherein besonders schwierig.[36]

Die psychologische Folge ist häufig eine tragisch verkrümmte Persönlichkeit, die von Minderwertigkeitsgefühlen heimgesucht wird. Die psychische Befreiung kann kaum erreicht werden, indem man der Hausfrau einfach einen Lohn zahlt.
Andere soziologische Arbeiten haben festgestellt, daß die heutigen Hausfrauen unter den akuten Folgen von Enttäuschungen leiden. Als Myra Ferree [37] in einer Arbeitersiedlung in der Nähe von Boston über hundert Frauen interviewte, »haben fast soviel Hausfrauen wie Frauen, die arbeiten gingen, gesagt, daß sie mit ihrem Leben unzufrieden seien«. Unnötig zu bemerken, daß die meisten Arbeiterinnen nicht gerade innerlich befriedigende Berufe hatten. Sie waren Kellnerin, Fabrikarbeiterin, Schreibkraft, Verkäuferin im Supermarkt, im Warenhaus usw. Sie hatten jedoch die Möglichkeit, die Isolation ihrer Wohnung zu verlassen, »auszugehen und andere Leute zu sehen«, was ihnen ebenso wichtig war wie das Geldverdienen. Würden die Hausfrauen, die das Gefühl hatten, »verrückt zu werden, wenn sie zu Hause bleiben«, die Vorstellung gut finden, dafür bezahlt zu werden, daß sie sich selbst verrückt machen? Eine Frau klagte, »den ganzen Tag zu Hause sein, das ist, als wäre man im Gefängnis«. Würde Lohn die Wände dieses Gefängnisses niederreißen? Der einzig realistische Fluchtweg aus diesem Gefängnis ist die Suche nach Arbeit außer Haus.
Jede einzelne der mehr als 50 Prozent der amerikanischen Frauen, die heute werktätig sind, ist ein starkes Argument für die Eliminierung der Last der Hausarbeit. Faktisch haben unternehmungslustige Kapitalisten das historisch neue Bedürfnis der Frauen, sich von der Rolle der Hausfrauen zu emanzipieren, längst begonnen auszubeuten. Endlose profitheischende Imbißketten wie McDonald's oder Kentucky Fried Chicken sind Beweise dafür, daß je mehr Frauen arbeiten gehen, um so weniger täglich gekocht wird. Wie widerwärtig und wie wenig nahrhaft das Essen dort auch sein mag, wie sehr die Arbeiter dort auch ausgebeutet werden, diese Schnellimbisse signalisieren das näherkommende Ende des Hausfrauendaseins. Was gebraucht wird, das sind natürlich neue soziale Einrichtungen, die einen gut Teil der Pflichten der alten Hausfrau übernehmen. Das ist die Herausforderung, die von den zunehmenden Reihen der Frauen in der Arbeiterklasse ausgeht. Die Forderung nach einer umfassenden und subventionierten Kinderpflege ist eine direkte Folge der zunehmenden Zahl arbeitender Mütter. Und je mehr Frauen sich für die Forderung nach mehr Arbeitsplätzen organisieren - nach Arbeitsplätzen auf der Ebene der vollen Gleichberechtigung mit den Männern - um so ernsthafter werden die Fragen nach der Zukunft der Hausfrauenpflichten der Frauen gestellt werden. Es mag durchaus wahr sein, daß »die Sklaverei am Fließband« noch nicht selbst »die Befreiung von der Sklaverei am Küchenherd« ist, aber das Fließband ist zweifellos der stärkste Antrieb für die Frauen, auf die Eliminierung ihrer uralten häuslichen Sklaverei zu dringen.
Die Abschaffung der Hausarbeit als private Verantwortlichkeit der einzelnen Frauen ist ein klares strategisches Ziel der Frauenbefreiung. Aber die Vergesellschaftung der Hausarbeit einschließlich der Essenszubereitung und Kinderpflege - setzt das Ende der Herrschaft der Profitsucht über die Ökonomie voraus. Die einzig sichtbaren Schritte zu einer Beendigung der Haus-Sklaverei sind tatsächlich in den sozialistischen Ländern getan worden. Die Arbeiterinnen haben deshalb ein spezifisches und vitales Interesse am Kampf für den Sozialismus. Mehr noch, im Kapitalismus enthalten die Kämpfe um Arbeitsplätze für Frauen auf der Grundlage der Gleichberechtigung, zusammen mit der Forderung nach Einrichtungen der öffentlichen subventionierten Kinderpflege, ein explosives revolutionäres Potential. Diese Strategie stellt die Gültigkeit des Monopolkapitalismus in Frage und deutet letztlich in die Richtung des Sozialismus.