Die elegante Dame

Jede Frau, die elegant sein wollte - und Eleganz war beim weiblichen Bürgertum erstrebenswert - trug, was die Mode an Neuem mit sich brachte. Der Zeitintervall, in dem sich damals das äußere Erscheinungsbild der Mode wandelte, betrug ungefähr zehn Jahre. Die modebewußte Dame orientierte sich am »Journal des Luxus und der Moden«, einem vielgelesenen Modejournal, das in bunten Zeichnungen und Artikeln den jeweils neuesten Trend meldete. Für die Schriftstellerinnen war dies aber nicht die einzige Quelle. Von ihren Reisen in die damaligen Modezentren London und Paris brachten sie den »letzten Schrei« mit nach Hause. Insgesamt vier Moderichtungen machten die Schriftstellerinnen seit ihrer Jugend mit.

1. Künstlichkeit

In ihrer Jugend, zwischen 1760 und 1780, prägte massive Künstlichkeit das Aussehen der Mädchen:

»Ein ungeheurer, mit Drahtgestellen und Roßhaar unterbauter, mit großen Massen von Federn, Blumen, Bändern gekrönter Haarturm setzte über meinem Haupte meiner Länge wenigstens eine Elle zu; die weißen, kaum mehr als zolldik-ken Stelzchen unter den mit goldgestickten Schleifen gezierten Ballschuhen suchten dagegen am Ende meiner kleinen Person dieses Mißverhältnis auszugleichen; obschon sie die Höhe des Kopfputzes bei weitem nicht erreichen konnten, waren sie doch hoch genug, um mich fast nur mit den Fußspitzen den Boden berühren zu lassen. Ein aus dicht aneinandergefügten Fischbeinstäbchen zusammengesetzer Harnisch, fest und steif genug, um einer Flintenkugel zu widerstehen, trieb gewaltsam Arme und Schultern zurück, die Brust heraus und schnürte über den Hüften die Taille zur Wespenform ein. Das Vernünftigste von diesem jede freie Bewegung hemmenden Korsett war ein ziemlich starker eiserner Bügel, der den Druck desselben von der Brust abhielt. Und nun der Reifrock! Und über diesem der mit Falbeln und allerhand unbeschreiblichen Kinderlitzchen fast bis ans Knie hinauf garnierte seidne Rock und über diesem noch das mit einer langen Schleppe versehene Kleid vom nämlichen Stoff; dieses ging vorn so weit auseinander und war zu beiden Seiten ebenso garniert wie der Rock; Hals und Brust wurden freier getragen, als man es jetzt schicklich finden würde, ein großer Strauß von künstlichen Blumen vollendete den Putz. Die Ärmel reichten bis an den Ellbogen und waren bis zu den Schultern hinauf mit Blonden und Band reich garniert«
(Johanna Schopenhauer, Jugenderinnerungen, 165).

Johanna Schopenhauer beschrieb derart anschaulich die Kleidung ihrer Jugend. Leider ist von ihr aus dieser Zeit kein Portrait oder Bild vorhanden. Das Jugendbild von Therese Forster-Huber zeigt jedoch die Mode, wie sie Johanna Schopenhauer beschrieb (Abb. 37).
Therese trägt die Haare aus dem Gesicht gebürstet und aufgesteckt. Eine Schleife krönt den Haarturm. Die Frisur allein schon verleiht ihr ein strenges und erwachsenes Aussehen, das lediglich durch die kindliche Schleife etwas gebrochen wird. Ihr Oberkörper ist bis zur Taille fest eingeschnürt. Das Mieder preßt ihn zusammen und drückt die Brust nach oben. Rüschen zieren die halblangen Ärmel und den weiten Halsausschnitt, der sie ebenfalls reif und erwachsen erscheinen läßt. Die wenig mädchenhafte kleine Gestalt wirkt puppenhaft steif und gekünstelt.

Auf Charlotte von Kalbs Jugendportrait (Abb. 38) fällt der enorme Kopfputz ins Auge, der etwa die Ausmaße hat wie der von Johanna Schopenhauer beschriebene.
Charlotte trägt ihre Haare streng aus dem Gesicht gebürstet, gesichtshoch aufgetürmt und mit künstlichen Blumen verziert. Sie ist, soweit es der Schulter- und Brustansatz nahelegt, ebenso gekleidet wie Therese Heyne. Der weite Halsausschnitt, die strenge Frisur machen die 1 jährige künstlich und erwachsen. Auch sie ist in ein Mieder eingeschnürt, weshalb sie so puppenhaft steif auf einem Stuhl sitzt.

Die Schnürbrust
Die von Johanna Schopenhauer als »Harnisch« disqualifizierte Schnürbrust war jahrzehntelang ein unentbehrliches Requisit weiblicher Mode. Die Frauen waren überzeugt von ihrer Nützlichkeit:

»Die Schnürbrust hält den Leib ohne Anstrengung in einer geraden Stellung, sie schützt ihn im Winter gegen Erkältung, und ohne sie wird der schlanke Wuchs nicht gebildet, der doch nach dem Urtheile der Männer ein wesentliches Stück der Schönheit ausmacht« (Journal VI, 2/1791; 52).

Das von diesen Frauen angestrebte Schönheitsideal war eine schmale, zierliche Figur, oder, wie sie selbst sagten, »eine zerbrechliche Wespengestalt« (Journal VI, 2/1791; 53).
Um diesem Ideal gerecht zu werden, schnürten sie den Oberkörper derart ein, daß sie nicht mehr in der Lage waren, ihn zu beugen und etwas zu Boden Gefallenes wieder aufzuheben.
In den achtziger Jahren entfachten Mediziner, die von einer gesundheitlichen Schädigung vor allem des ungeborenen Kindes durch eingeschnürte Oberkörper überzeugt waren, eine Diskussion um Für und Wider des Schnürleibs. Eine Kritikerin des Schnürleibs erinnerte sich an ihre Kindheit, als sie diesen tragen mußte:

»Noch mit Schaudern erinnere ich mich einer Schnürbrust die ich in meiner frühen Jugend getragen, welche freylich in ihrer Art nicht von der besten Sorte war. Aber was half es? Es gieng damit wie mit hundert anderen Dingen in der Welt; alle Jahre bekam ich einen dergleichen neuen Panzer; der Schneider hatte ihn einmal gebracht, er war bezahlt, und ich mußte ihn tragen bis das Jahr um war« (Journal VI, 2/1791; 58).

Wie von Johanna Schopenhauer beschrieben, war dieser »Panzer« mit starken Fischbeinstäben versehen; über der Brust war ein Eisenband eingenäht. Dies alles hielt den Körper der Frau in dieser schmalen und zerbrechlich wirkenden Form.
Auf Abb. 39 ist zu sehen, was sich unter den auf den Portraits sichtbaren Kleidern verbarg: - der Schnürleib, der den Oberkörper bis zur Hüfte einzwängte und die Brust nach oben drückte. Die Zeichnung macht deutlich, wie sehr sich die Körperproportionen durch den Schnürleib veränderten, wie schmal durch künstlichen Zwang der Oberkörper bis zur Taille werden konnte.
Das Unterhemd mit den halblangen und weiten Ärmeln wurde unter dem Schnürleib getragen. Der Unterrock fiel unterhalb des Schnürleibs weit und locker.

Der Unterbau
Abb. 40 zeigt, was sich unter dem Unterrock noch versteckte: ein hölzernes Gestell, das, um die Hüften gebunden, für überdimensionale Seitenbreite sorgte. Der optische Eindruck der zerbrechlich erscheinenden schmalen Taille wurde durch diese künstlich aufgebaute Hüftbreite um ein Wesentliches verstärkt.

Auf Abb. 41 ist rechts hinten Fromet Mendelssohn, die Mutter Dorothea Veit-Schlegels, zu sehen. Sie ist nach der eben herrschenden Mode gekleidet: Der Oberkörper ist bis zur Taille schmal, weil eingeschnürt, die Hüften sind durch den hölzernen Unterbau breit. Auf dem Bild tritt sie gerade zur Türe herein und bringt den um den Tisch gruppierten Männern drei Kaffeetassen auf einem Tablett. Hinter dem Tisch steht Lessing, am Tisch sitzen rechts Lavater und links Moses Mendelssohn, ihr Mann.

Vornehme Blässe
Nicht nur Haare und Kleidung richteten sich nach wechselnden Moden, sondern auch das Make-Up. Gefragt war damals eine blasse Hautfarbe, die zu Johanna Schopenhauers Jugendzeiten, wie sie sich erinnerte, mit sogenannten Muschen, kleinen schwarzen Schönheitspflästerchen, belebt wurde:

»Diese aus schwarzem, sogenanntem englischen Pflaster geschlagenen, winzig kleinen vollen und halben Monde, Sternchen und Herzchen sollten, mit Auswahl und Geschmack im Gesicht angebracht, die Reize desselben erhöhen, den Ausdruck des Mienenspiels beleben. Eine Reihe kleinster, bis etwas größeren steigender Monde im äußern Augenwinkel diente dazu, die Augen größer erscheinen zu lassen und ihren Glanz zu erhöhen; ein paar Sternchen im Mundwinkel sollten dem Lächeln etwas bezaubernd Schalkhaftes geben, eine am rechten Orte auf den Wangen angebrachte Musche in etwas größerem Format, Sonnen, Täubchen, Liebesgötterchen sogar. Diese hießen vorzugsweise Assassins, vermutlich wegen ihrer mörderischen Wirkung auf die Herzen« (Jugenderinnerungen, 167).

Die modebewußten Frauen achteten darauf, sich möglichst wenig an der frischen Luft aufzuhalten, um sich ihre blasse Hautfarbe zu erhalten. Auch mit Hüten schützten sie ihre Haut vor der Sonne. Zusätzlich benutzten diese Frauen weiße Schminke, die allerdings mit gesundheitsschädlichen Stoffen vermischt war, wie Blei und Quecksilber. Ein Rezept für »weiße unschädliche Schminke« lautete:

»Man sucht die schönsten und weißesten Stücke von dem Talk, einer Art Speckstein, aus, und pulvert sie in einem erwärmten messingenen Mörser, und siebt sie durch ein seidenes Sieb, oder beutelt das Pulver durch dichte Leinwand durch. Hierauf begießt man das Pulver in einer verstopften gläsernen Flasche mit destillirten Essig, schüttelt es damit gut durch, und läßt es einige Wochen lang stehen, wobei jedoch täglich alles einigemal gut umgeschüttelt werden muß. Nun läßt man das Pulver setzen, und gießt den Weinessig behutsam ab. Man gießt dann auf das Pulver reines Wasser, schüttelt es damit durch, läßt es setzen, und gießt das Wasser wieder ab, und auf diese Art wäscht man es 6 bis 8 mal mit frischem Wasser aus: wenn es nun gehörig weiß ist, so läßt man es trocknen, und zerreibt es in einem achatnen Mörser und bewahrt es auf. Sollte der gepulverte Talg zu stark glänzen, so glüht man ihn in einem Tiegel aus. Man wendet diese weiße Schminke eben so an wie den Carmin, indem man den Finger oder ein Stückchen Papier gleichförmig mit Pommade bestreicht, und dann einen oder einen halben Gran des Pulvers damit aufnimmt. Es wischt sich selbst bei dem Schwitzen nicht ab« (Trommsdorf, 177).

2. Freiheit

Ein Wandel in der Frauenmode hin zu etwas mehr Körperfreiheit setzte sich in den achtziger Jahren durch. Die Schnürbrust wurde abgelöst vom Korsett oder Leibchen. Eine Verfechterin der neuen Mode schrieb im »Journal des Luxus und in der Moden«:

»Da unsere Sitten, und die Art uns zu kleiden, schlechterdings etwas verlangen, das den Leib auf eine anständige Art zusammenhält, so glaube ich ist das Beste was wir wählen können, eine leichte Art von Corsets oder Leibchen, wo nur alle 2 oder 3 Finger breit ein fein geschabtes Fischbein steht, und welche unten durch eingesezte Zwickel den Hüften gehörigen Raum giebt« (Journal VI, 2/1791; 61).

Dieses Kleidungsstück kam aus England. Es war:

»von feinem weißem Gurte, hinten im Rücken, in den Seiten, und vorn mit etlichen schwachen Stäben Fischbein und Leder besezt« (a. a. O.).

Das Leibchen war also nur eine gemäßigte Variation der Schnürbrust. Es preßte, allerdings nicht mehr so stark, noch immer den Oberkörper der Frau zusammen. Das Gefühl, sich in einem »Harnisch« oder »Panzer« zu befinden, war jedoch nun verschwunden. Die Frauen gewannen damit etwas an Bewegungsfreiheit. Allerdings galt es den Frauen nach wie vor als modern, ihrem Körper durch äußeren Zwang eine bestimmte Form zu geben.
Zur selben Zeit wurde auch der an den Hüften ausgebuchtete Reifrock unmodern. Johanna Schopenhauer brachte von ihrer Reise nach England und Frankreich 1787 bis 1788 die neue Mode mit:

»Meine Erscheinung nach der Reise führte im Kreise meiner Landsmänninnen eine große Revolution herbei. Sämtliche Poschen und Reifröcke sanken in ihr voriges Nichts zusammen, denn gleich am ersten Tag meiner Ankunft in Paris waren die meinigen als eine unerträgliche Antiquität, und mode d'avant hier, dem herrschenden Geschmacke zum Opfer gefallen. Die Frisur war von den lästigen Unterlagen befreit, und alle Damen ließen nach meinem Beispiel zwischen den tief ins Gesicht gezogenen, bis auf die Schultern herabhängenden, wohlpomadisierten und gepuderten Locken nur Mund, Augen und Nase sichtbar werden« (Jugenderinnerungen, 252).

 

Das Porträt von Charlotte von Kalb (Abb. 42) zeigt die 24jährige nach dieser neuen Mode gekleidet. Im Vergleich mit ihrem Jugendportrait (Abb. 38) wird deutlich: Den Oberkörper zwängt das Korsett nicht mehr so ein wie früher. Die aufgeputzte Steifheit und Puppenhaftigkeit sind nun verschwunden. Charlotte wirkt befreit und sinnlich, umgeben von lockeren und luftigen Stoffen. Auch die Haare trägt sie nun nicht mehr streng gebürstet und fest aufgesteckt, sondern offen und nur leicht gerafft. Die Locken fallen bis auf die Schultern. Charlottes Blick wirkt verträumt und sehnsuchtsvoll, ganz im Gegensatz zum puppenhaften Wesen des Jugendportraits. Eine sichtbare Veränderung von Steifheit zur Sensibilität, vom Zwang zur Freiheit hat stattgefunden.
Das Portrait von Lotte von Lengefeld (Abb. 43) ist in den achtziger Jahren entstanden. Auch bei ihr wird die locker fallende Haarpracht lediglich von einem Band festgehalten. Der Unterschied zur vorangegangenen, strengen und künstlichen Frisurenmode ist also ganz offensichtlich.

A la Sauvage
Der Begriff, mit dem die neue Frisur bezeichnet wurde, nämlich »Chevelure à la Sauvage« paßt so ganz zu dem Bild von Lotte Schiller (Abb. 44). Lottes Locken fallen wild und ungebändigt auf ihre Schultern. Dieses Portrait zeigt eine selbstbewußte und von Zwängen befreit erscheinende junge Frau.
Auf Abb. 45 trägt Lotte Schiller ein Kleid, das das Modejournal die »deutsche Tracht« nannte (Journal VII, 9/1792; 25). Es liegt nicht mehr allzu eng am Oberkörper an. Der Rock fällt weit und locker ab der Taille, die durch ein breites, helleres Band betont wurde. Auffallend auch die langen Ärmel. Den weiten Brust- und Halsausschnitt bedeckt sie mit einer Art Bluse.

3. Natürlichkeit

Ab Mitte der neunziger Jahre wandelte die Mode sich von neuem. Die ,,Chemise« mit »englischer Taille« wurde modern. Diese Kleidungsform orientierte sich an der antiken Tunika: Der Rock wurde enger und endete in einer Schleppe, die Taille stieg bis unter die Brust. Bertuchs Modejournal beschrieb diese neue Mode so:

»Die Chemise ist von weißem Linon, mit einem Busenstreifen von Spitzen, und wird ohne Halstuch getragen« (Journal X, 1/1795; 44).

Die neue Mode trug die Frau so,

»daß der Unterrock hart über die Hüften, der zweyte Rock aber eine Hand breit über jenen weiter herauf unter die Brust gebunden wird, und dieß also bey schlank gewachsenen Figuren, wo die Natur dem Unter- und Oberrocke diesen nöthigen Zwischenraum giebt, das schön Abfließende der Form macht« (Journal X, 3/1795; 146).

Diese Art der Frauenkleidung symbolisierte in den Augen der damaligen Zeitgenossen eine Hinwendung zur Natürlichkeit, zu natürlichen Körperformen. Im »Journal des Luxus und der Moden« war darüber zu lesen:

»Die zierlichste und geschmackvollste Kleidung wäre demnach die, welche die natürlichen Formen mit Decenz errathen läßt, und dem Auge keinen Zwang, keine Fesseln verräth« (Journal XIII, 7/1798; 395).

Freiheit von den Zwängen des Schnürleibs beinhaltete schon die vorangegangene Mode. Jetzt waren auch die fischbeinverstärkten Taillenleibchen passe. Natürlichkeit war gefragt. Was darunter zu verstehen war, geht aus einer weiteren Beschreibung der Tunika hervor:

»Um sie den Formen des Körpers so sehr als möglich anzuschmiegen, umschlingt man sie mit einem Bande, einem Gürtel, einer Schärpe, dort wo es ihn am mindesten zwängt. Dieser Ort ist natürlich die Zone unmittelbar über der Magenhöhle« (a. a. O.).

Doch ganz so natürlich und im Einklang mit dem Körperbau, wie das Modejournal vorgab, war auch diese Mode nicht. Ein Korsett, das früher nur den Oberkörper einzwängte, wurde noch immer getragen. Auch die neue Mode mit den jugendlich schmalen Hüften kam nicht ohne dieses Hilfsmittel aus. So trug die Frau unter der »Chemise« weiterhin ein mit Fischbein verstärktes Korsett, das nun allerdings nicht mehr die Rippen zusammenpreßte, sondern über die Hüften reichte und diese einschnürte. Um die Brust hochzudrücken, hatte das Korsett am oberen Ende gepolsterte tassenförmige Ausbuchtungen.

Die Unterhose
Unter der Tunika trug die Frau entweder den traditionellen Unterrock oder sogenannte »Pantalons« an dessen Stelle. Abb. 46 zeigt solche Unterhosen der modischen Dame. In der Regel reichte diese Unterhose bis zum Knie oder bis zur Wade. Sie war im Schritt offen und wurde in der Taille mit Bändern verknüpft. Die Nachforschungen der englischen Historikerin Phillis Cunnington ergaben, daß in England die Unterhose von Frauen erst im 19. Jahrhundert getragen wurde. Cunnington stellt diese Tatsache als Revolution in der Frauenmode dar, denn vorher wurden Unterhosen in England jahrhundertelang nur von Männern getragen. In Frankreich war die Unterhose seit ihrer Einführung aus Italien seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Mode gekommen. Da die deutsche Mode im 18. Jahrhundert sich mehr an Frankreich orientierte, ist anzunehmen, daß auch deutsche Frauen Ende des 18. Jahrhunderts solche Unterhosen trugen.

Bequemes Schuhwerk
Auch die Schuhe wurden »natürlicher« und bequemer. Nach der Abkehr vom Stöckelschuh, den die Schriftstellerinnen in ihrer Jugend trugen, wurden »griechische Schuhe« Mode,

»die den Fuß sehr gut kleiden, und wegen des breiten Absatzes sehr sicher und bequem zum Gehen sind« (Journal IV, 11/1789; 497).

Dieser Schuh war flach, hatte einen kleinen, sehr breiten Absatz und wurde wie eine Römersandale bis zum Knöchel mit Bändern gebunden. Eine andere Schuhform hatte einen etwas höheren Absatz war »von hellblauem Atlas« und lief nach vorne spitz zu. Eine Rosette diente als Verzierung (Journal IX, 5/1794; 244).

Blühende Gesichtsfarbe
Wie die Kleidung änderte sich nun auch das Make-Up in Richtung Natürlichkeit. Auf die bisherige weiße Schminke kam nun noch das Rouge, die rote Schminke. »Carminroth« konnte ebenso wie alle anderen Schminken selbst zu Hause zubereitet werden. Denn auch dafür gab es ein Rezept:

»Wenn man sich des Carmins als Schminke bedienen will, so verfertiget man sich eine Pommade aus frisch ausgewaschenen Schweinefett und weißen Wachs, man taucht den Finger oder ein zusammen gedrehtes Papierchen hinein, und nimmt dann so viel Carmin als einen Stecknadelkopfgroß, und reibt es gut untereinander, und trägt es auf (Trommsdorf, 197).

Dieses Wangenrouge verlieh blühendes, natürliches und gesundes Aussehen.

Doppelte Eleganz
In der Jenaer Hausgemeinschaft wetteiferten Caroline Böhmer-Schlegel und Dorothea Veit in Sachen Mode. Beide waren in jener Zeit nach dem neuesten Trend gekleidet: Caroline (Abb. 47) trägt ein Kleid mit griechischer Taille, die durch ein Band unter der Brust verstärkt wird. Ein Shawl, ebenfalls ein Requisit der neuen Mode, verdeckt jedoch den größten Teil des Kleides. Die Frisur ist ä la Sauvage: die Haare werden oben gebunden und fallen in Locken bis auf die Schultern. Ebenso wie Caroline trägt Dorothea (Abb. 48) ein schmales Halstuch. Ihr Kleid, ebenfalls der neue Tunika-Schnitt, wirkt jedoch bescheidener im Faltenwurf, aber dennoch recht elegant. Ihre Haare, ebenfalls durch ein Band gehalten, sind kürzer und weniger füllig. Auch die Haarfarbe war eine modische Neuerung. In ihrer Jugend puderten die Frauen ihre Haare weiß oder blond. Seit der »Chevelure ä la Sauvage« behielten die Haare ihre  natürliche Farbe, wurden lediglich mit  wohlriechendem Pulver behandelt und pomadisiert. Die Haarfülle dieser Frisuren war jedoch meistens nicht ganz echt. So schrieb Dorothea Veit eine Bitte an Rahel Levin:

»Kaufen Sie für mich, erstlich einen Strich von Haaren vorzubinden, damit man sich nicht zu wickeln braucht (die Probe meiner Haare liegt hierbei)« (Ende 1801; Wieneke. 350).

Die Frisur wurde also durch künstliche Haarteile ergänzt.

 

4. Lieblichkeit

Der nächste Wandel der Mode, etwa 1804, war von der Kleidung her weniger einschneidend. Die Kleidersäume rutschten bis zum Knöchel. Die Taille blieb unterhalb der Brust. Die Ärmel der Kleider wurden länger und oft zu Puffärmeln. Caroline von Humboldt trägt auf Abb. 49 diese Mode.

  

Die neue Frisurenmode legte die Haare eng um den Kopf und steckte sie teilweise auf. An den Seiten fielen nur noch vereinzelt Löckchen. Johanna Schopenhauer war in etwa so frisiert (Abb. 50). Hinten sind die Haare hoch aufgesteckt, vorne und an der Seite fallen Löckchen. Der Ausschnitt des Kleides, das Johanna trägt, ist weiter als der von Caroline von Humboldts Kleid. Das Dekollete schmückt eine Perlenkette. Die langen Ärmel des Kleides zieren Epauletten aus Spitze.
Abb. 51 zeigt das Gesicht von Caroline von Beulwitz-Wolzogen, wie es von kleinen Löckchen umrahmt wird. Das übrige Haar ist aufgesteckt und wird von einer Art Stirnband aus Perlen gehalten. Die Unterschiede der Frisuren fallen ins Auge: ä la Sauvage war nun passe - aufgesteckte Lieblichkeit war statt Wildheit und Leidenschaft gefragt.

Gegen die Kälte
An kühleren Tagen dienten die hochmodernen Cashmereshawls als Mantelersatz. Außerdem behalfen sich die Frauen bei Kälte mit dem Überrock, der über der Tunika getragen wurde. Caroline Böhmer-Schlegel schrieb über einen solchen:

»Ich komme eben von einem langen Spaziergang nach Hause nachdem ich auch zu diesen Herbstfahrten ausgerüstet bin, denn wie ich von Weimar zurückkam, fand ich richtig einen vortreflichen Überrock vom feinsten Casimir fumee de Londres. Die Richtern und Londern, die mich Tags drauf besuchten, brachten ähnliche aus Wien mit, wo es der Lodern sehr gefallen hat« (an Luise Gotter, Jena. 17. 10. 1802; Schmidt II, 345).

Dennoch scheinen Überrock und Shawls eine zu leichte Bekleidung gewesen zu sein; leichte und schwerere Erkältungen waren an der Tagesordnung. Denn bis Anfang des 19. Jahrhunderts, als sie wieder in Mode kamen, trugen diese Frauen auch im Winter keine richtigen Mäntel. Daß sie schließlich doch wieder als winterliche Bekleidung gebraucht wurden, belegt eine Anfrage von Therese Forster-Huber aus dem Jahr 1813:

»Wie stoisch Sie sind, werden Sie doch ungefehr erfahren ob man in München so einen großen Mantel von schwarzen wattirten Tafft fertig und wie theuer kauft. Ich mögte Luise einen schaffen und habe nicht zeit ihn, wie den meinen selbst zu machen« (an Unbekannt, Günzburg, 13.2. 1813; I).

5. Das Ideal: ewige Jugend

Die Mode jener Zeit, ob mit starker oder schwacher Einschnürung von Brust und Taille - pries ein Schönheitsideal an, das in erster Linie die Frauen sehr schlank sehen wollte. Deshalb hatten die meisten Frauen Probleme mit der Figur. Friederike Brun schrieb ihrer Freundin:

»Eine Schlafmützige Gleichmuth in der ich vegetire macht daß ich sehr stark werde welches mir ein wahres Greuel ist - ich wollte mich mager hungern, allein das griff meine Nerven an u[nd] ich ward nun aufgetrieben - ich habe mich also in das Geschik der Münters ergeben und eße bis ich satt bin - allein ich habe doch einen Wiederwillen wider mich selbst dabei u[nd] kann mich unmöglich in dieser ierdischen Schwerfälligkeit mehr als eine poetische Person ansehn« (an Caroline von Humboldt, Kopenhagen, 31. 5. 1811; Foerst-Crato, 37).

Außerdem gab es für die Frauen einen Zwang zur Jugendlichkeit. Das Älterwerden wurde von vielen als ärgerliche Erscheinung registriert. Dorothea Veit-Schlegel notierte in ihrem Tagebuch:

»Ist man über die vierzig, so ist es ganz gleichgültig, was man anzieht oder wie man es anzieht; nur müssen wir uns dann hüten, nichts jugendliches anzulegen, sondern bloß auf den Anstand und Bequemlichkeit sehen. Eine alte Frau kann nicht genug in allem ihrem Thun und Lassen Ruhe und bequemes Betragen annehmen; jede Bewegung, die Gefallenwollen verräth, ist lächerlich; eigentlich muss man schon früher, als nothwendig ist, die Rolle der Alten übernehmen, damit man sie hernach weiss« (1811; Raich II, 125).

Als sie dies schrieb, war sie 48 Jahre alt. Aus derselben Zeit existiert ein von ihrem Sohn Philipp gezeichnetes Portrait von ihr (Abb. 52). Es zeigt sie, vor allem im Vergleich mit dem Portrait aus dem Jahr 1798 (Abb. 48), tatsächlich als äußerlich alte Frau, obwohl nur 13 Jahre zwischen beiden Portraits liegen. Daß sie dies selbst kritisch registrierte, zeigt der Brief an einen Bekannten, in dem sie ihn auf ihr stark verändertes Aussehen vorsorglich hinwies:

»[. . .] nur daß die Zeit, anstatt mit ihren leisen Flügeln über mich hinzuschweben, etwas mit breiten Elephantenfüssen über mich weggetrampelt zu sein scheint. Erschrecken Sie also gar nicht zu sehr, wenn Sie mich wiedersehen, und machen Sie mir ein hübsches, freundliches Gesicht« (an Sulpiz Boisseree, Wien, 8. 12. 1813; Raichll, 223)

Charlotte von Kalb fühlte sich bereits mit 36 Jahren alt. Therese Forster-Huber äußerte Entsprechendes mit 46 Jahren.

Abhilfe durch Kosmetik
Kein Wunder, daß die Frauen alles taten, um ihr jugendliches Aussehen mit Waschungen und Hautcremes möglichst zu erhalten. Das Rezept »Zur Verschönerung des Teint und Verhütung von Runzeln« lautete:

»Man nehme Regenwasser oder gutes Flußwasser ein Maaß, oder mehr, setze es in einem neuen Topf aufs Feuer, werfe ein Paar Hände voll Gerste hinein, bedecke den Topf und lasse alles so lange sieden, bis die Gerste platzt. Dann läßt man es erkalten, und seihet es durch dichte Leinewand. Auf jedes Pfund dieser Flüssigkeit nimmt man nun zwanzig Gran trocknen zerriebenen Balsam von Tolu peruvianischen Balsam, und schüttelt es in einer verstopften Flasche so lange, bis sich der Balsam ganz damit vereiniget hat. Man wäscht sich mit diesem Absud des Morgens und des Abends« (Trommsdorf, 166).

Kompensation durch Mode
Für jede Gelegenheit gab es die passende Kleidung: etwa das schlichte Hauskleid für den Alltag, oder das Gesellschaftskleid für den Festtag. Für den »Courtag«, den Tag, an dem die Frauen am Hof des ansässigen Fürsten zu Gast waren, machten sie besonders aufwendige Toilette. Die Kleidung, die sie dann trugen, wurde von einer festen Etikette bestimmt. Bei einer Einladung zum Tee beispielsweise wurde das Erscheinen in Kleidern ohne Schleppe verlangt. Bei größeren festlichen Anlässen trug die modische Dame:

»Hofrobben, Samtschleppen, Goldfransen etc. etc.« (Friederike Brun an Caroline von Humboldt, Kopenhagen, 18. 3. 1813; Foerst-Crato, 97.

Das Verhältnis, das die Frauen zu ihrer äußeren Erscheinung hatten, war eindeutig: Alle waren, bis zu einem gewissen Alter, bestrebt, sich modisch zu kleiden. Und abgesehen von den Modetrends waren alle Frauen stets um gefälliges Aussehen bemüht. Ganz wie Ulrike Prokop das Verhältnis der Frauen des 20. Jahrhunderts zur Mode beschreibt, verhielt es sich auch schon am Ende des 18. Jahrhunderts bei den Schriftstellerinnen: Die   Unzufriedenheit,   die ungestillten Sehnsüchte des Alltags wurden in immer wechselnden Moden kompensiert. Die Anpassung an modische Veränderungen bedeutete eine Unterbrechung der Routine, der Monotonie, in der die Frauen lebten und die sie deutlich spürten (Prokop, 125).
Caroline Böhmer schrieb aus dem kleinen Städtchen Clausthal an ihre Schwester in Göttingen, die ihr ab und zu modische Neuigkeiten besorgte:

»Laß Dichs nicht anfechten, wenn man Dich um Deiner Sorgfalt für meinen Puz auslacht. Laß Dich nicht hinreißen zu denken, für die Docktorsfrau war alles gut genug, sondern sez Dich an meine Stelle. Ich puze mich nicht für das Schlaraf-fenvolk aus den Gebirgen, ich putz mich blos für mich selbst und - Böhmer - mir ists nicht genug, jenen Sand in die Augen zu streun, sondern unerkant in eleganten Verdienst will ich wirklich seyn waß ich scheine, und wenn denn einmal ein Fremder in den Zirkel tritt, sollen seine geschmackvollem Augen gezwungen werden zu sagen, das ist mehr denn Clausthal!« (an Lotte Michaelis, Clausthal 1.3. 1785; Schmidt I, 119).

Nicht zuletzt hatte der Aufwand, der für das Aussehen verwendet wurde, die Funktion, Männern zu gefallen. Dorothea Veit-Schlegel teilte die Frauen in ihrem Verhältnis zur Mode in zwei Gruppen ein:

»Ich kenne zwei hübsche Frauen, die sich beide sehr schön kleiden, aber auf die verschiedenste Weise. Die eine bekümmert sich eigentlich nicht um die Mode, sondern trägt nur das Edelste und Kostbarste, und weil sie nichts trägt, als was ihr angemessen ist, so steht ihr alles, was sie trägt, obgleich es nicht allein gegen, sondern vielmehr über die Mode ist; man macht ihr daher alles nach, weil man es in der Mode glaubt, und es kleidet doch andre ganz hässlich. Die andere ist nicht allein sehr bemüht, das zur Mode zu machen, was sie trägt, sie nimmt auch die Moden mit vielem Eifer und Feuer an und bildet sich recht treuherzig jedesmal ein, das zu sein, wovon sie das Costum trägt, und macht mit dem grössten Ernst die Capriolen und Gesichter dazu: Französin im Caraco, Engländerin mit Hut und Schnürleib, Türkin mit dem Turban, Griechin mit der Tunika u. s. w.« (Tagebuch 1801; Raich I, 92).

Teure Eleganz
Modeneuigkeiten zu tragen, war nebenbei auch eine Frage des Geldes. Welche Abhängigkeit davon bestand, zeigt der Brief der ehemals Luxus gewohnten Dorothea Veit, in dem sie das Anerbieten Rahel Levins mit bitterem Spott zurückwies, ihr aus Paris etwas mitzubringen:

»bonnets? rouge? Odeurs? O Liebe hätten Sie die kleine klägliche Umgebung gesehen in die ich mich gerade befand als ich diese Anerbietungen las, Sie hätten gewis mit mir gelacht! Der Tausend! wißen Sie denn ganz und gar nicht wie man arm ist?« (Ende 1801; Wieneke, 350).

Nicht nur in Paris oder London, auch in Berlin gab es elegante Accessoirs zu kaufen. Caroline Böhmer-Schlegel bat ihren Mann August Wilhelm Schlegel, der sich gerade in Berlin aufhielt, um eine Gefälligkeit für ihre Freundin:

»Luisen wirst Du eine Gefälligkeit erzeigen können, wenn Du bald von einer eleganten Freundin Dir ein Umschlagetuch für sie aussuchen lassest, etwas bey Link und Schulz von gedruckten Nesseltuch oder seidnen Bast nach der neuesten Mode, den Preis jedoch nicht höher als 5 rh. [Reichstaler], die sie mir erstatten wollen« (Braunschweig, 2. 3. 1801; Schmidt II, 55).

Als die Freundin schließlich das Tuch erhalten hatte, wurde Caroline ganz neidisch und schwatzte es ihr ab. Sie berichtete darüber ihrem Mann:

»Höre, das Tuch ist so überirdisch, daß ich es noch an mich gebracht habe mit Luisens guten Willen, ich habe ihr einen grünen englischen Castorhut, den ich geschenkt bekam in Haarburg, dafür gegeben und ihr versprochen, daß Du ihr eine Kleinigkeit mitbringen solst, was ich Dir schon noch angeben werde« (Braunschweig, 20.4. 1801; Schmidt II, 106).

Und sie bestellte etwa einen Monat später:

»ein bouquet weißer Blumen, wie sie auf eine Mütze passen« (Jena, 18. 5. 1801; Schmidt II, 149).

Diese Bestellung widerrief sie nach einigen Tagen:

»Wenn Du die bestellten Sachen noch nicht eingekauft hast, so bitte ich um Erlaubniß, das Bouquet für Luise in ein paar weißseidne schöne Frauenstrümpfe für sie [zu] verwandeln. Ich denke ihr dann dazu ein paar solche Schuh zu geben, wie ich Dich um welche bat, denn ich habe wirklich dergleichen, sie sind mir nur zu gros, und ich habe sie noch nie getragen. Sie braucht beydes sehr nöthig. Wir wünschen auch, daß Du Dich nach dem Preise von weißem Crepflor erkundigen möchtest durch Mad. Meyer, um, wenn er wohlfeil dort ist, vielleicht noch eine Bestellung zu machen. Willst Du das wohl artigst nicht vergessen« (Mai 1801; Schmidt II, 149).