Frauen unter sich

Das Verhältnis der Schriftstellerinnen zu anderen Frauen war geprägt von Ablehnung und negativen Gefühlen. Beispiel dafür gibt eine Brief-steile von Caroline von Beulwitz, als sie über das Zusammensein mit ihrer Mutter und deren Freundin Charlotte von Stein schrieb:

»Die Gesellschaft der zwei Frauen ist doch sehr leer, und ans Entwickeln und Verfolgen von Ideen ist mit ihnen nicht zu denken, die ihren drehen sich ganz um den Kreis des gewöhnlichen Lebens herum, und alle Kleinigkeiten machen sie wichtig, daß mir die Zeit sehr lang dabei wird. Kenntnisse haben sie auch nicht in der Deutlichkeit, sie mittheilen zu können. Das Gewebe von Coquetterie, Rivalität und Armseligkeit in ihrer weimarischen Gesellschaft, das mir aus ihren Erzählungen deutlich wird, gibt mir eine unangenehme Aussicht auf meinen dortigen Aufenthalt - sie werden mich damit ennuyieren [langweilen], eben weil ich keine Partei nehme. Wenn ich nicht manchmal etwas Vernünftiges von Goethe oder Herder zu hören bekomme, so verspreche ich mir Langeweile, oder liegt es in meiner Seele?« (an Friedrich Schiller, Rudolstadt, 28. 10. 1789; Fielitz II, 73).

Ihre Schwester Lotte bezeichnete die Eigenschaften, die sie bei »gewöhnlichen« Frauen entdeckt zu haben glaubte, näher:

»Die meisten sind so arm, so eng, hängen soviel an Armseligkeiten, und sind so klein, daß es mich drücken könnte, ihnen nahe zu sein« (an Friedrich Schiller, Rudolstadt, 30. 11. 1789; Fielitz II, 153).

Aus dem großen Kreis ihrer Geschlechtsgenossinnen fühlten sich die Schriftstellerinnen herausgehoben. Wogegen sie sich untereinander, als gebildete Frauen, für ebenbürtig hielten - wenn nicht Neid und Konkurrenz sie trennten.

1. Freundschaft

Dorothea Veit-Schlegel hatte eine von tiefempfundenen Gefühlen geprägte Freundschaft mit Elisabeth Paulus, der sie gestand:

»Wie danke ich dir geliebte liebende Seele daß du mir deine Empfindungen für mich mittheilst! Ja ich fühle es und widerhohle es mit Freuden du bist meine erwählte gefundene Schwester, und so wie du, so fühl auch ich daß wir im Geiste unzertrennlich sind. [. . .] Außer Friedrichs Schwester Charlotte Ernst, habe ich nie eine Frau geliebt wie dich -, Charlotte ist eine vortreffliche höchst verehrens-würdige Frau, ich wollte du kenntest sie; sie würde dich gewiß auch recht lieben können; aber freilich so verliebt in dich wie ich bin, würde sie vielleicht nicht seyn! Ja recht eigentlich verliebt, ich kann mich oft nach diesen Augen sehnen, nach dem Ton deiner Rede, wie ein Verliebter, eine wahre Begierde habe ich nach dir; wenn ich dich einmal wieder sehe, so magst du nur froh seyn daß ich so viel Zähne verloren habe, ich glaube ich müßte dich beißen« (Köln, 26. 10. 1804; K).

Das Fest des Wiedersehens mit der Freundin malte sich Dorothea überschwenglich aus:

»Meine Gesundheit ist jetzt besser als sie seit Jahren war, und ich brauche dieselben Mittel, und kein anderes als die du brauchst, nemlich Wein, und nichts als Wein! [. . .] Wie werden wir uns niedlich ausnehmen liebe Elisabeth wenn wir uns wieder sehen werden bei einem runden Tischchen eine jede ihr Glas und ihre Flasche Wein vor sich! Aber dein Rumpfnäschen beneide ich dir, denn wenn es nun (wie doch gewiß geschehen wird) zu Kupfer Nasen bei uns kömt dann ist meine ehrwürdige Adlernase ein wahres Scandal, und der deinigen wird man kaum etwas ansehen -« (Köln, 30. 6. 1806; K).

Die echten Freundschaften unter den Frauen hielten oft ein Leben lang, etwa jene zwischen Caroline Böhmer-Schlegel-Schelling und Luise Gotter oder zwischen Caroline von Beulwitz-Wolzogen, ihrer Schwester Lotte Schiller und Caroline von Humboldt. Vor allem die beiden letztgenannten Carolinen verband ein besonders inniges, liebevolles Verhältnis. Sehnsüchtig beschrieb Caroline von Humboldt eine Begegnung mit der Freundin:

»An ihrem heiligen Herzen wird das meine wieder reger werden, hoffender und vermögender die Zukunft zu fassen. [. . .] Einzig weh und süß war das Gefühl, mit dem ich sie wieder in meine Arme schloß, an ihren Blicken hing« (an Wilhelm von Humboldt, Erfurt, 20. 12. 1790; Sydow I, 339).

Doch auch innerhalb dieser tiefen Freundschaften fand oftmals ein drastischer Wechsel zwischen Zu- und Abneigung statt. Die Freundschaft zwischen Caroline Böhmer-Schlegel-Schelling und Therese Forster-Huber war von dieser Ambivalenz gekennzeichnet. Caroline empfand dieses Auf und Ab besonders stark:

»Auf ihre Freundschaft hab ich nie gerechnet - es giebt keine unter Weibern - ich zweifle selbst daran, daß sie mir recht aufrichtig gut ist - doch muß sie mich achten, und das thut das nehmliche - ich bin eine Art von Nebenbuhlerin, ohne meine Rechte geltend zu machen - das ist heilsam - und ich liebe sie, weil sie mir merkwürdig ist, und es bleiben wird, wenn sie mir auch nicht mehr neu ist« (an Wilhelm Meyer, Göttingen, 6. 12. 1791; Schmidt I, 242).

Drei Jahre später, nachdem sie im Zusammenleben mit Therese in Mainz reichlich Erfahrungen gesammelt hatte, gewannen Abneigung und Kritik die Oberhand. In einem Brief an ihren Freund Meyer zieht sie gekränkt Bilanz:

»Ein paar Tage, nachdem ich Sie gesehn hatte, kam ein Brief von Theresen an, ein Manifest der Selbstherrscherin der Reußen an die Republik Pohlen. Sie berichtet mir, daß sie nun seit 12 Jahren an der Existenz meines Herzens gezweifelt, und mir ein bloßes Kunstgefühl zugetraut hätte - das soll ihr Unrecht gegen mich erklären. Haben Sie darum gewußt? Mir komt das wie ein rechter Kunstgedanke vor. Auch wären wir Rivalinnen gewesen von Kindsbeinen an. Es will hervorleuchten, als hätte sie mich mehr für die ihrige gehalten, als ich jemals selbst mich dafür hielt, und weiß der Himmel, daß es nie Einfluß auf meine Beurtheilung und meine Liebe hatte« (Lucka, 9. 12. 1793; Schmidt 1, 315).

Aus den innigen Gefühlen der anfänglichen Freundschaft schälte sich eine größer werdende Abneigung gegen Therese heraus. Nach dem Empfang einer ihrer Briefe schrieb Caroline an Freund Meyer:

»Therese hat mich mit Rath überschüttet. Du kanst ruhig meinetwegen seyn - Von dem Einfluß dieses Sternes bin ich entzaubert -« (Gotha, 20. 2. 1794; Schmidt I, 320).

In den Briefen Thereses an Caroline standen außer den erwähnten wohlgemeinten Ratschlägen auch Vorwürfe wie:

»Anfangs schokirte mich Deine Gegenwart in Gotha, die mir Marianne schrieb, eh Dein Brief von Dez. kam, ich war unzufrieden; Deine Gründe befriedigen mich völlig, überhaupt Dein ganzer Brief; daß mein unendlich zerfleischtes Herz Dich hart findet und Dir jetzt nur mit einer kindlichen Weichheit antworten kann, wirst Du verstehen« (Neuchätel, 25. 2. 1794; Schmidt I, 324).

Bezeichnend für die Treue, die in einer langen Freundschaft gehalten wurde, war, wie Caroline trotz aller Distanz Therese gegen die Vorwürfe Meyers verteidigte:

»Schäme Dich, mir so von Theresen zu sprechen, und wiße, daß Deine diesmaligen Voraussezungen grundfalsch sind. [. . .] Du magst ein Recht haben Theresen zu verabscheuen, so gut wie ich: gleichgültig gegen sie geworden zu seyn, in so fern man das gegen jemand seyn kan, in dem man ein so großes Genie zum Guten erkennt - allein Du hast bey weiten nicht Recht in allem, was Du ihr zutraust, und sobald es so unartige Dinge sind, solst Du mir nichts von ihr sagen. [. . .] Wenn ich Dich sprechen könte, lieber Freund, Du würdest einsehen, daß ich diese große Schwachheit meines Lebens abgelegt habe - aber ich kan das Gefühl nicht ablegen, welches es mir unmöglich macht, Haß und Bitterkeit an die Stelle derselben zu sezen. Therese hat mir so unendlich viel Böses gethan, wovon ich fast täglich neue Spuren entdecke, daß es niederträchtig seyn würde sie zu lieben -ich wüßte auch nicht, wie ich das anfangen sollte - eben so wenig als wie zu glauben, daß sie zu nichts von dem mehr fähig sey, wozu sie gebohren war« (Gotha, 7.6. 1794; Schmidt I, 340).

Nach einer Auseinandersetzung über die Schuld an Georg Forsters einsamen Tod in Frankreich brach Caroline schließlich die Verbindung mit Therese ganz ab. Über eine andere Freundin ließ sie sich aber über die ehemalige Freundin informieren. Das Band der Freundschaft riß also nicht ganz ab.

2. Streit

Das spannungsreichste Verhältnis war jedoch das zwischen Caroline Böhmer-Schlegel und Dorothea Veit. Während der Anfangszeit der Jenaer Hausgemeinschaft, in der beide mit ihren Lebensgefährten lebten, schrieb Dorothea:

»Mit Caroline bin ich sehr zufrieden, ich stehe mit ihr aufs beste, und das ist nicht so etwas leichtes; denn sie schmeichelt nicht ein einziges Mal und thut dergleichen nie aus reiner Gefälligkeit, ich musste also von ihrer Seite eine etwas scharfe Prüfung ausstehen, eh' sie mir gut ward, freundlich war sie aber von Anfang an« (an Rahel Levin, Jena, 18. 11. 1799; Raich I, 21).

Dorothea war nach ihrer Scheidung mit Friedrich Schlegel von Berlin nach Jena gekommen. Dort fand sie in dieser Hausgemeinschaft, in der sie ein Zimmer im Erdgeschoß des Hauses bewohnte, eine festgefügte Ordnung der Menschen vor, die sich gut kannten und gewissermaßen aufeinander eingespielt waren: Caroline und August Wilhelm arbeiteten viel miteinander, und die Geselligkeit hatte in diesem Haus ebenfalls ihren festen Platz. Dorothea fühlte sich offensichtlich unsicher, war sie doch als Berliner Jüdin und als geschiedene Frau gesellschaftlich nicht gerade eine gute Partie. Caroline störte sich jedoch daran überhaupt nicht; sie wußte, was es hieß, von der Gesellschaft ausgestoßen worden zu sein, und nahm Dorothea bereitwillig auf. Doch Dorothea war dies nicht genug. Ein halbes Jahr später mischte sich in die Vorbehalte, die sie Caroline gegenüber hegte, schon mehr Kritik. Offensichtlich nahm Caroline Friedrich, den Lebensgefährten Dorotheas, nicht so ernst, wie Dorothea und er selbst es wünschten. Caroline war zu dieser Zeit ernsthaft krank, und Dorothea hielt ihre Meinung aus Rücksicht zurück, wie sie an Friedrich Schleiermacher schrieb:

»Lieber Freund, ich weiß nicht ob Sie mich lieber haben würden, wenn Sie Zeuge wären wie diplomatisch ich mich hier durchwinde, denn Carolinens JCranckheit verbietet alles dreiste Reden. Ich selbst mag mich nicht so leiden. Dem Friedrich bin ich nicht genug grob, ob er mir gleich einen guten Theil Vornehmheit nicht absprechen kann. Aber gröber kann und darf ich jezt nicht seyn, eigentlich habe ich selbst mich über keine Art von Unbill zu beschweren, im Gegentheil, ich habe Carolinen recht viel zu verdanken, sie war die erste, die mich öffentlich anerkannte; und wenn es auch nur der Muth seyn sollte, so werde ich ihn ihr doch nie vergeßen. Auch gebe ich ihr bey weitem nicht so viel Absicht schuld, als Friedrich ihr zur Last legt, vielmehr erkenne ich erst jezt, daß sie ganz unbesonnen, und höchst egoistisch, aber wie ein unverständiges Kind blos für die Gegenwart bedacht ist, sie ist gar keines weiten Plans fähig. Friedrich begegnet sie aber höchst unwürdig, und ist durchaus nicht im Stande ihn zu begreifen, sie ist ganz übermüthig gegen ihn, und dies ist der Punkt worüber ich keinen Scherz verstehe! Sie wünscht meine Gesellschaft um mit ihr das Bad zu besuchen, sie wird nach Franken ins Bockliter Bad, es wäre auch für mich heilsam; aber wie kann ich mit Friedrichs Familie zusammen bleiben, bey dieser Gelegenheit werde ich ihr dann meine Meynung nicht verbergen« (Jena, 4. 4. 1800; Wieneke, 318).

Friedrich, Dorothea, Caroline und ihre Tochter Auguste reisten, trotz aller Mißstimmung und Spötteleien, im Sommer 1800 nach Bad Bocklet. Dort spitzten sich die Ereignisse dann zu, nachdem Friedrich Schelling dazugestoßen war, den Friedrich und folglich auch Dorothea als beruflichen Konkurrenten betrachtete, der zudem auch noch erfolgreicher war. Der Stein des Anstoßes war Auguste. Sie erkrankte und starb im Juli 1800 in Bad Bocklet an der Ruhr. Friedrich und Dorothea machten Schelling für ihren Tod verantwortlich, indem sie ihm vorwarfen, er hätte nicht rechtzeitig und auch nicht den richtigen Arzt gerufen und außerdem selbst sich in die Behandlung der Kranken eingemischt. Im Streit um diese Frage brach die Jenaer Hausgemeinschaft auseinander und wurde aufgelöst. Nachdem Caroline ihren Kummer um den Verlust der Tochter überwunden hatte, schrieb sie an Schelling über die Reaktion August Wilhelm Schlegels;

»Über die Veit denkt Wilhelm nun nach und nach fast wie wir - ich habe ihm auch gesagt, daß sie so über das Innre unsers Hauses geschwatzt und gelogen hat, was er als einen sehr schlechten Dienst gegen sich selber anerkannte« (Braunschweig, Oktober 1800; Schmidt II, 6).

Caroline, die nicht nach Jena zurückgekehrt war, sondern sich einstweilen in Braunschweig niedergelassen hatte, nahm Dorothea übel, daß sie die Spekulationen über Augustes Tod verbreitete. Außerdem bemerkte Caroline nach ihrer Rückkehr nach Jena, daß im Haushalt einiges fehlte, was Dorothea sich für ihre neue Wohnung ausgeliehen hatte. Voller Wut schrieb Caroline an August Wilhelm:

»übrigens hat es sich so zugetragen, wie ich vermuthen muste - die Veit hat nichts von sich hören lassen. Sie hat nicht einmal geschickt, ob mir etwa noch einiges fehle (und immer entdeck ich neue deficits). Das ist unstreitig unverschämt, aber mir eben recht. Ich fahre fort über sie zu schweigen, indeß sie unstreitig redet, aber niemals und unter keinen Umständen kann man mir es nun zumuthen, daß ich sie wiedersehe« (Jena, 15. 5. 1801; Schmidt II, 138).

3. Haßgefühle

Carolines Gekränktheit über die leichtfertige Dorothea steigerte sich bis zum Haß, als sie eines Tages schrieb:

»Wenn sie nur jemand todschlagen wollte, ehe ich stürbe« (an August Wilhelm Schlegel, Jena, 23. 11. 1801; Schmidt II, 215).

Dorothea stand Caroline jedoch in nichts nach. Noch Jahre später schrieb sie über die ehemalige Schwägerin in gehässigem Ton an ihre Freundin Elisabeth Paulus, die damals wie Caroline Würzburger Professorengattin war und mit Caroline Umgang hatte:

»Daß die Schelling sich einen Doktor Köhler angeschafft hat, hörte ich schon hier von den Studenten, ich wollte es aber immer nicht recht glauben und hielt es eben für Geschwätz. Es soll ein ganz unbedeutender Mensch von Seiten des Geistes seyn. wie ich hörte ist es ein hübscher junger Kerl, der Geld verdient. Das ist ja ganz rasend! Bey dieser Gelegenheit fällt mir ein, was Wilhelm [Schlegel] damals sagte, als sich ihr Verhältniß mit Schelling manifestirte: ,0', sagte er im größten Grimm, sie ist noch nicht am Ende, ihr nächster Liebhaber läuft noch im Husaren Habitchen herum! - Das wäre ein Spas wenn sie Schelling untreu würde! - Aber durch dieses neue Verhältniß wird es mir nun klar, warum Schelling grade jetzt bissiger und zänkischer ist als jemals, daran hat sie ganz allein schuld; sie muß ihn nun beschäftigung genug geben, theils damit er ihr nicht mit überflüßi-ger Liebe beschwerlich fällt, theils damit er nicht Achtung auf sie giebt. So machte sie es grade damals Wilhelm, der sich gewiß niemals mit der Litteratur Zeitung in so häßliche Streitigkeiten eingelassen haben würde (Obgleich er längst willens war nichts mehr zu recensiren, aber er hätte ganz still sich zurückgezogen) wenn sie ihn nicht auf tausend Arten dazu verhetzte und so hatte er die Hände voll zu thun, und konnte sich nicht um sie so viel kümmern, auch mußte unterdessen er so für Schelling focht, der sich während der Zeit mit ihr über den armen Schelm noch lustig machte, mußte die Uebersetzung des Shakespear liegen bleiben, wozu er sie immer in der Nähe brauchte, welches ihr dann sehr ungelegen war. Du wirst dich erinnern daß der ganze Streit wegen Recension des Schellings herkam, und wirst mir also um desto eher glauben. Die ganze Streitschrift die damals unter Schellings Namen gegen die Litteratur-Zeitung erschien, ist von Wilhelm; damit erreichte sie den doppelten Endzweck erstlich Wilhelm zu beschäftigen, zweitens ihn mit Schelling zu verbinden und gewissermaßen mit Friedrich zu entzweyen, welches ihr aber dank seynes Friedrichs großmüthigen Charakter, und meiner Friedfertigkeit, nicht gelang. - Wie sehr muß sie sich aber noch verschlimmert haben? Sie tobt und wüthet ja jetzt als ob sie ewig betrunken wäre. Vor einigen Tagen kam ein Student aus Würzburg, ein junger Arzt und Anhänger Schellings hier durch, da er Schlegel wollte kennen lernen, und nicht wußte daß er verreißt sei, so kam er zu mir; ich sprach mit ihm von ailerley; frug nach dir, da ich aber hörte, daß er dich nicht viel gesehen hatte und ich bedachte daß er ein junger Arzt als wahrscheinlich ein Anfänger Schellings sey, so fragte ich weiter gar nicht nach der Madame Schelling; was hätte ich auch nach sie zu fragen? Den andern Tag erfuhr ich durch einen Bekannten, der junge Mann sey sehr froh gewesen, daß ich nicht mit ihm von der Schelling gesprochen, würde er dadurch in der größten Verlegenheit gerathen seyn. weil sie ganz öffentlich so sehr auf mich schimpft. - Wie ist es möglich so selbstvergessen zu seyn? wie kann sie sich selber so tief herabwürdigen daß sie in Gegenwart von Studenten Übels von einer Person spricht, die diesen Studenten ja sehr gleichgültig seyn muß; es ist ja ein bloßer Zufall wenn einer von diesen Leuten mich nur zu sehen bekömmt -Aber was hat sie dadurch gewonnen? Ohne daß es mich die geringste Anstrengung gekostet, hat jener junge Mann nun eine weit bessere Meynung von mir als von ihr; ich habe also immer größern Vortheil je mehr sie schimpft. [. . .] Bertram empfiehlt sich dir; er ist ein eifriger Katholik, und studirt Tag und Nacht auf einen recht  kräftigen  Exorcismus,  um wenn er nach Würzburg kömmt den Teufel, oder die Legion Teufel aus Madame Luzifer [das ist Caroline] zu bannen, daß sie recht mit Gestank aus ihr fahren, die Herde den unsauberen Geist aufzunehmen wird gewiß nicht weit seyn, dazu werden sich eine Menge der andächtigen Zuhörer Schellings wohl sattsam qualifizieren; durch dieses Wunder hofft Bertram dich von der Wahrheit des Katholischen Glaubens zu überzeugen, und doch in den Schoos der alleinseligmachenden Kirche zu führen. Einstweilen ist er erbötig dir alle Mittel welche die Katholische Kirche gegen alle Anfechtungen des Bösen habe, zuzuschicken. Als da sind: Gertrudis Zettelchen gegen alles böse Ungeziefer, Gesegnete: Räucherwerk gegen allerhand Unrath, Gesegneten Krautwisch gegen Donnerwetter. Das kräftigste unter allen ist das sogenannte Teufels-Geißelchen, das die besondre Eigenschaft hat den Satanas wenn er sich auch in den schönsten Engel verkleidet habe, sobald er davon berührt werde in seiner ursprünglichen Mißgestalt zu zeigen mit Klauen, Hörnern, Schwanz etc. Dies Büchelchen in einem eleganten Theezirkel, heimlich der Madame Luzifer unter den Aüerwerthesten geschoben, müßte von erfreulicher Würkung seyn. Sind auch in Würzburg die Kamine weit genug zu einer möglichst schnellen Retirade? -« (Köln, Pfingsten 1805; K).

Doch die ehemalige Schwägerin war nicht die einzige Frau, die Dorothea mit Haßgefühlen verfolgte. Sophie Mereau gehörte auch dazu. Sophie, Clemens Brentano, Friedrich und Dorothea waren einander kurze Zeit freundschaftlich verbunden. Bis der Dichter Clemens dem Dichter Friedrich zum Konkurrenten wurde, und die Schriftstellerin Sophie zur Rivalin der Schriftstellerin Dorothea. An Elisabeth Paulus schrieb Dorothea:

»Von Brentanos hören wir und sehen nichts, das ist mir eins von den guten Dingen hier, das man von dergleichen] Affen nichts erfährt; hier bekümmern sich die leute mehr um die Reliquien der Heil: drey Könige als um Clemens Brentano. Das Sophiechen nicht glücklich mit ihm seyn würde war voraus zu sehen; ich bin auch im Stillen überzeugt irgend eine geheime Notwendigkeit hat sie zu dieser komischen Heyrath gezwungen. [. . .] Ich habe dieser Tage den Roman der Sophie Brentano gelesen. Das interefianteste darin war mir die Art wie sie das Verhältniß ;nit Friedrich erwähnt, und in welchem Lieht sie es sehr zierlich zu setzen weiß, ich weis nicht ob sie selber es durch diese rosenfarbne Brille betrachtet, oder ob sie andern blos diese Brille aufsetzen möchte. Es ist in Eduard und Amande, der Antonio bei welchem ich glaube das sie bestimmt f[riedrich] vor Augen hatte. Uebrigens weis ich von dem Buche nichts zu sagen, mir ist der Hochmuth dieser höchst subjektiven Darstellung fatal und kömt mir sündlich und frevelhaft vor« (Köln, 20. 9. 1804; K).

Der Grund für die »komische Heirat« Sophies mit Clemens war tatsächlich, wie Dorothea leicht boshaft angedeutet hatte, eine Schwangerschaft.

4. Klatsch und Intrigen

Mit Intrigen und Klatsch umspannen sich die Schriftstellerinnen gegenseitig, je nach literarischer Couleur und dem entsprechenden Freundeskreis. Die streitbare Dorothea schnitt man im Schillerschen Freundeskreis:

»Der Lucinden-Schlegel war - mit seiner Schönen kann man zwar nicht sagen, doch seiner Schönen hier [das ist Dorothea]. Er ist wüthend über Körner und uns gewesen, daß wir keine Notiz von ihnen genommen haben, und hat sich bitter über uns gegen Senfft beklagt. Die ganze Coterie, gesteh ich, ist mir ein Gräuel, und ich bezeuge nur dem gern Achtung, für den ich Achtung fühle« (Minna Körner an Lotte Schiller, Loschwitz, 30. 5. 1802; Urlichs II, 38).

Literarische Fehden wirkten sich aufs Privatleben weiter Kreise aus. Obwohl die Romantiker untereinander auch noch zerstritten waren, warf man sie im anderen literarischen Lager, nämlich im Schillerschen Freundes- und Verwandtenkreis, alle in einen Topf. Caroline von Beulwitz-Wolzogen über Friedrich Schlegel und Dorothea:

»Die Schlegelsche Pastete ist angekommen [in Paris]. Schlabrendorf, an den sie Briefe hatten, wollte sie mir bringen; ich habe mich aber sehr für die Ehre bedankt. Mehrere Leute haben die Bekanntschaft schon ausgeschlagen. Im Grund thun sie wohl hier zu bleiben, wo sie Niemand kennt und sie auch weiter Niemand inkommodieren [belästigen]« (an Lotte Schiller, Paris, 28.7. 1802; Urlichs II, 77).

Friedrich Schiller nannte Caroline Böhmer-Schlegel-Schelling abschätzig »Dame Luzifer«. Selbst als Caroline Jena und die literarischen Streitigkeiten von Romantik contra Klassik hinter sich gelassen hatte, wurde sie von Gehässigkeiten des Schillerschen Freundeskreises verfolgt. Henriette von Hoven, selbst damals Würzburger Professorengattin, gehörte zu denjenigen, die Caroline Ausschweifungen und Verschwendung, Einmischung in die Angelegenheiten anderer und üble Nachrede unterstellten. Henriette schrieb einen langen Brief an Lotte Schiller, in dem sie ihre Erfahrungen mit Caroline schilderte:

»Die Nachrichten, die ich über die berühmte Dame erhalten hatte, der Eindruck, den ihr persönliches Betragen auf mich machte, waren nicht geeignet, mir Muth zu machen und ihren Umgang zu wünschen; im Gegentheil, es fiel mir schwer, wenn ich mich mit ihr in einem Hause dachte, und darum weigerte ich mich, unsere freie Wohnung [im selben Haus wie Caroline] zu beziehen. Hoven tröstete mich damit, daß mit dem Teufel gut auszukommen sei, wenn man ihn kenne. Die Eltern von Schilling?], die seit meiner frühen Jugend viel Liebe für mich hatten, verhelfen mir nicht <Jaß sie befürchteten, dieser böse Dämon möchte meinen Frieden stören. Ich nahm mir nun vor, recht klug, gefällig und höflich zu sein und mich übrigens entfernt zu halten. Ich gestehe, daß es mich Ueberwindung kostete, die äußeren Zeichen der Achtung zu beobachten; ich zwang mich um Hovens, um ihres Mjnnes willen. Schon in Ludwigsburg hatte sie angefangen, nach Hoven ihr Netz auszuwerfen; als er hier ankam, gab sie sich alle Mühe, ihm gefällig zu sein; sie schmeichelte, lispelte, that gelehrt, süß, verschämt, putzte sich, hüpfte um ihn her, wollte für ihn sorgen, kurz, sie bot alle Künste auf. Meine Ankunft war ihr höchst fatal, ob sie sich gleich freundlich gegen mich zeigte. Sie fing bald an, mich bearbeiten zu wollen und meine Gefälligkeit zu mißbrauchen: Mein höflicher Widerstand machte sie nur dreister. Sie versuchte, mit ihrer Gelehrsamkeit zu imponiren, ich bemerkte es nicht. Sie putzte sich wie ein fünfzehnjähriges Mädchen und zeigte mir diese Herrlichkeiten mit gravitätischem Schritte; ich that, als sähe ich es nicht und zog immer wieder mein gewöhnliches Kleid an. Sie ließ sich austragen, ausfahren, ich sollte sie begleiten; ich entschuldigte mich. Sie legte Spitzen, Zeuge, allerlei Dinge vor mir aus und setzte mit bestimmtem Tone dazu, daß ich solches kaufen und - haben müßte. Ich erwiederte kalt, daß ich keine Lust hätte. Sie tadelte meine häusliche Einrichtung, ich lächelte dazu; sie spottete über dieses und jenes, ich hörte es nicht, zog mich aber natürlich immer mehr von ihr zurück. Demungeachtet hofmeisterte, corri-girte sie unaufhörlich, borgte Verschiedenes aus meiner Haushaltung, als wären die Sachen nur für sie da. Als ich wegen künftigen Gesellschaften allerlei anschaffen sollte und mit dürren Worten erklärte, daß wir nie Gesellschaften geben würden, ward sie wüthend, lief davon, schalt mich träge, geizig. — Ich verfolgte ruhig meinen Lebensplan und achtete nicht auf ihr glänzendes Beispiel. Weder die Menge der prächtigen Kleider, die Trumeaus [hohe Wandspiegel] zu 100 Talern, die Fußteppiche, kostbaren Ofenschirme, türkischen Sitze, noch die Bedienung änderten das Mindeste in meiner häuslichen Einrichtung. Dafür erhielt ich freilich einen Ehrentitel - die schwäbische Küchenmagd. [. . .] Was haben denn Sie an ihr gesündigt? Sie und Schiller stehen gar nicht in Gnaden. Ueberhaupt scheint es mir, daß Niemand einen eigentlichen Werth bei ihr hat, als ihr eigenes Ich, sogar ihr unterthäniger Gemahl nicht, ob sie gleich höchst zärtlich thut, ihm die Hände tausendmal leckt, und, wie Hoven sagt, mit ihm grünäugelt. Er ist ein unglücklicher Mensch. Sie wird ihm überall seine Existenz verkümmern. Es ist sehr zu beklagen, daß sie so mächtigen Einfluß auf ihn hat, ob sie ihn gleich oft mißhandelt und despotisirt und dann wieder auf der Erde kriecht. Die Augen werden ihm noch schrecklich aufgehen« (Würzburg, 4. 4. 1804; Urlichs II, 271).

Elisabeth Paulus, von Dorothea Veit-Schlegel bestens über Caroline informiert, hatte bereits einen Monat vorher an Lotte Schiller ähnliche Haßtiraden über Caroline geschrieben:

»Von dem Uebel, wie Schiller zu Hufeland sagte, sind wir so ziemlich befreit. Diese bösartige Natur hat durch eben so boshafte als dumm erfundene Lügen über mich die Hoven abhalten wollen mit mir umzugehen; als sie sah, daß ihr dieß nicht gelang, so wurde sie gegen die Hoven impertinent, und nun sehen wir sie gar nicht mehr. Auch Schelling hat bei dieser Gelegenheit bewiesen, daß er ein folgsamer Ehemann ist und daß die bösen Einflüsse dieser Madame Luzifer kräftig auf ihn wirken. Es ist recht gut, daß unsere Wohnung durch eine Kirche von der ihrigen getrennt ist, wo nach katholischer Sitte kräftig geräuchert wird« (Wurzburg, 11.3. 1804; Urlichs III, 187).

Ein bißchen Licht in das Dunkel gegenseitiger Anschuldigungen und Unterstellungen bringt der Brief der Professorengattin Niethammer an Lotte Schiller, die alle Beteiligten aus der gemeinsamen Jenaer Zeit kannte und etwas weniger emotional über die ganze Angelegenheit urteilte, die als »Würzburger Frauenkrieg« schon einen Historiker beschäftigte (vgl. Schmidt II, 646):

»Die alten Jenenser schließen sich sehr an uns an, vorzüglich Paulus, ob es Neigung oder Noth ist, untersuche ich nicht; so lange ich mich gut dabei befinde, frage ich nicht, nach welchem Motiv sie handeln. Sie kennen sie, wissen, daß sie sehr liebenswürdig sein kann, und so zeigte sie sich jetzo mir, wirkt also dadurch angenehm auf mich und meine Laune. Vertrauen kann man nicht zu ihr fassen, weil ihr nichts wichtig und lieb ist als ihr eignes Ich; sie lebt hier aber ganz anders als in Jena, viel geselliger, weiblicher; auch ihn bringt sie dadurch mehr unter die Menschen, was gut für seine Gesundheit ist. Uebrigens ist er auch der alte Paulus noch, der so heimlich seinen Weg geht, der aber mit allen Leuten gut auskommt, außer mit Schelling: an dieser Fehde mußte er mit Theil nehmen, denn die Weiber schürten so lange, bis es lichterloh brannte; Paulus hätte sich gewiß durchgedrückt, so ruhten sie aber nicht eher mit hin und her sagen, bis denn jeder Theil daran nehmen mußte. Die Schelling, wie sie her kam, war noch mit der Paulus gespannt, raisonnierte also über die Paulus ganz abscheulich, weil sie glaubte, sich damit rein zu waschen; sie mochte aber raisonnieren so viel sie wollte, so konnte sie weder den Königstein [Carolines Gefängnisaufenthalt] noch Mainz [ihr Aufenthalt während der Mainzer Republik bei Therese und vor allem dem Jakobiner Georg Forster] wegwaschen, da wußten die Würzburger sehr gut, was für eine Rolle sie dort gespielt hatte. Dieß wurde der Paulus aus Freundschaft oder Klatschsucht wieder gesagt; sie gieng aber doch zur Schelling um des äußern Anstands wegen, und diese Dame ließ sich dann auch artig finden, daß sie beide den alten Groll vergessend sich aufs Neue aneinander anschloßen. So formirten denn die Madam Schelling, Paulus, Hoven, Hufeland eine hübsche Quadrille, bis die Schelling ihre Herrschsucht wieder lebendig werden und wirken ließ. Das war nun freilich hart für die Damen, die alle selbst sehr klug sind; das Reich zerfiel also zum zweiten Mal und steht nun in öffentlicher Fehde gegeneinander. Wie ich hierher kam, wurde ich mit nichts als mit Grobheiten, Anmaßungen und Lügen, die die Schelling alle sollte begangen haben, unterhalten, am meisten ist aber die Hoven wüthend auf sie; die wird nicht fertig, von der Heldendame zu reden, so daß ich wirklich dieses unerschöpflichen Themas wegen wenig noch von ihr weiß, als daß sie sehr von der Frau Luzifern muß gemißhandelt worden sein, und darinnen wohl auch der Grund mit liegt, daß es ihr hier nicht gefällt. Diese ist sehr unzufrieden mit Würzburg, freilich mag sie in Ludwigsburg eine angenehmere Lage gehabt haben, um deßwillen sie die hiesige nicht lieb gewinnen könne; nur ist daran das arme Würzburg unschuldig« (Würzburg, 25. 10. 1804; Urlichs III, 181).