»SCHRIEB OFT, VON MÄGDE ARBEIT MÜDE« ist ein Zitat aus einem Brief der Schriftstellerin Therese Forster-Huber. Es steht nicht umsonst als Titel über dieser Arbeit. Kaum besser nämlich läßt sich die Vielseitigkeit der Schriftstellerinnen Ende des 18. Jahrhunderts charakterisieren. Noch nicht in den schreibenden Beruf völlig hineingewachsen (das sollte erst mehr als ein Jahrhundert später Frauen gestattet sein), konnten sie auch nicht den weiblichen Alltag hinter sich lassen. Eher umgekehrt: Alltag aus der Sicht jener Frauen spielte sich ab zwischen Küche und Kindern, Geselligkeit und Ehemann. Kaum blieb da Zeit zum Schreiben. Welche Frau sich dazu berufen fühlte, mußte um jede freie Minute kämpfen. Zeit war kostbar. Was bedeutete es, Ende des 18. Jahrhunderts Schriftstellerin zu sein? Und andererseits: Wie sah damals die Arbeit als Magd und Köchin aus?
Es war ein Leben mit vielen Gesichtern. Parallel, gleichzeitig und überschneidend sollten diese Frauen sowohl Managerinnen des Hauswesens als auch intelligente Sekretärinnen des gebildeten Ehepartners, dienende Mägde als auch repräsentative Damen, liebevolle Freundinnen und konkurrenzfähige Rivalinnen, fürsorgliche Mütter und selbstbewußte Kämpferinnen, aber auch anspruchsvolle Liebende und anlehnungsbedürftige Mädchen sein.
So mußten sie in ihrem Alltag vereinen, was heute als unvereinbar gilt: Beruf, Haushalt und Familie, intellektuelles Schaffen und wiederkehrende Alltäglichkeiten flossen ineinander.
Repräsentantinnen dieser Untersuchung sind elf Schriftstellerinnen, die zwischen 1760 und 1770 geboren wurden und im deutschsprachigen Raum lebten. Auf den nächsten Seiten sollen sie zunächst einmal persönlich vorgestellt werden.
Anschließend werden die Lebenszusammenhänge dieser Frauen Schicht für Schicht aufgerollt: Es entsteht ein Lebensmosaik mit allen Facetten, die das Leben jener Schriftstellerinnen ausmachten. Was diese Frauen bekannt und berühmt gemacht hat, steht an erster Stelle: das Schreiben. Die Hauswirtschaft, die Stellung und Tätigkeit der Schriftstellerinnen im Hauswesen, wird als nächstes dargestellt. »Die Liebende« ist der dritte Stein im Lebensmosaik: Hier wird geschildert, welche Gefühle und Bedürfnisse die Schriftstellerinnen zu ihren Lebenspartnern entwickelten und welche Konsequenzen sich daraus ergaben.
Um die Bedingungen weiblicher Biologie geht es anschließend: um historische Veränderungen im Verhältnis der Frauen zu Schwangerschaften und Geburten, wie sie das Lebensmosaik der Schriftstellerinnen zeigt. Daraus ergibt sich die Funktion, die sie als Mütter einnahmen: von zärtlicher Fürsorge bis zur strengen Erziehung der Töchter und Söhne. Mit dem Verhältnis der Schriftstellerinnen zur Politik und ihrer Art, daran teilzunehmen, befaßt sich das nächste Kapitel. »Frauen unter sich« behandelt schließlich das Miteinander-Umgehen der Schriftstellerinnen, die sich größtenteils persönlich kannten. Dabei sind neben positiven Aspekten die durchaus vorhandenen negativen nicht unter den Tisch gefallen.
Letzter Stein des Lebensmosaiks ist die äußere Erscheinung der Frauen. Die Darstellung der damaligen Moden nimmt dabei breiten Raum ein. Um eine distanzierte und reflektierende Betrachtung des gesamten dargestellten Lebensmosaiks geht es im letzten Teil des Buches. Hier finden sich neben Aussagen über die Methode, nach der ich bei meiner Arbeit vorgegangen bin, eine notwendige Quellendiskussion. Abschließend habe ich meine grundsätzlichen Gedanken über die Geschichte der Frau eingebracht: Erkenntnisse über die Geschichte weiblicher Produktivität, Überlegungen zu Zäsuren in der Frauengeschichte und zur Dynamik von Freiheit und Fesseln, die sich Frauen erkämpften oder auferlegten.
Was mich dazu veranlaßt hat, mich mit diesen Schriftstellerinnen zu befassen, war zunächst einmal die Neugierde: Wie verbrachten sie ihren Alltag? Und weiter: War ihr Alltag mit dem heutigen Frauenalltag vergleichbar?
Dann reizte mich die Herausforderung, die das unerforschte Thema weiblicher Lebenszusammenhänge in der Geschichte mit sich brachte. Dieses »Abenteuer« war gleichzeitig ein Versuch, den Frauenalltag von seiner Tristesse zu befreien, ihn in den Scheinwerfer der Wissenschaft zu stellen und ihm damit den wirklichen Wert zukommen zu lassen, der ihm in der Geschichtsschreibung gebührt.
Dem gesamten dargestellten Lebensmosaik der elf Schriftstellerinnen habe ich ganz bewußt den Begriff »Lebenszusammenhänge« übergeordnet. Er vermag viel mehr und präziser als der Begriff »Alltagsgeschichte« eine Rekonstruktion einzuordnen, die sich auf einen bestimmten Personenkreis und eine eingegrenzte Zeit bezieht. Wichtig für eine möglichst große Authentizität war, die Schriftstellerinnen selbst mit Ausschnitten aus ihren Briefen zu Wort kommen zu lassen. In ihren eigenen Worten sollen sie damit ihre Situation, ihre Gefühle und Ängste, aber auch ihre Freude und ihren Humor zum Ausdruck bringen können. Manche Briefstellen sind im Original wiedergegeben, mit all den »Fehlern« und Eigenheiten der Schreiberinnen. Den Nachteil, daß dadurch manche Stellen etwas schwer zu lesen und zu verstehen sind, wollte ich um den Vorteil größtmöglicher Originalität willen in Kauf nehmen.
Ich nenne die Schriftstellerinnen chronologisch zunächst mit ihrem Geburtsnamen, später mit dem durch die Eheschließung angenommenen Familiennamen des Ehemannes. Geschiedene oder verwitwete Frauen, die ein zweites oder ein drittes Mal geheiratet haben, werden mit dem Nachnamen aller Ehemänner genannt. Caroline von Beulwitz-Wolzogen, geborene von Lengefeld ist also Caroline von Lengefeld bis zur Eheschließung, Caroline von Beulwitz bis zur zweiten Heirat und Caroline von Beulwitz-Wolzogen nach der zweiten Eheschließung.
Ich wünsche mir, daß das Wissen um weibliche Lebenszusammenhänge in der Geschichte Augen zu öffnen hilft dafür, daß alle Bedingungen, unter denen wir Frauen leben, gewachsen, geworden und gestaltet sind. Nichts ist »Natur« oder »Wesen« der Frau. Unsere Lebenszusammenhänge sind aus bestimmten Gründen, unter bestimmten Umständen, in verschiedenen Entwicklungsstufen so geworden. Sie sind gewachsen, haben sich verändert und werden somit auch nicht in der heutigen Erscheinungsform bleiben. Sie werden sich ändern. Die Frage nach der Zukunft kann allerdings die Geschichte nicht beantworten.