Die Telematik — demokratische Informationsgesellschaft oder Herrschaft der Banalität

Einleitung

Erstens wird man in Italien von den Auswirkungen der Telematik und den Problemen der Informationsgesellschaft im vollen Sinne dieser Begriffe erst in den neunziger Jahren reden können. Das bedeutet, daß der Versuch, gesellschaftliche und politische Implikationen der Telematik zu behandeln, Länder wie die USA und Japan einbeziehen muß, in denen diese sehr viel weiter entwickelt ist als bei uns. Zweitens sei klargestellt, daß ich mich, wenn ich die Telematik als genau definierten und eingegrenzten Gegenstand anspreche, auf drei miteinander verbundene Phänomene beziehe, die (unter technologischen und funktionalen Gesichtspunkten) als der wesentliche Kern der Informationsgesellschaft anzusehen sind: die Verfassung, Verbreitung und die immer vielfältigeren Funktionen der elektronischen Datenbanken verschiedenster Art; die Verfassung der integrierten Kommunikationsnetze im Welt- wie im nationalen Maßstab, die sich auf Satelliten (für die Telekommunikation wie für Radioübertragungen) und auf (sowohl hinsichtlich des Schaltsystems, das generell auf Alphazahlen umgestellt wird, als auch hinsichtlich des Trägersystems, bei dem die herkömmlichen Koaxialkabel durch Glasfaserkabel ersetzt werden) transformierte herkömmliche Telefonnetze stützt; die Verbreitung interaktiver Kommunikationsformen (die die herkömmlichen Formen unidirektiona-ler Kommunikation allmählich ersetzen werden). Diese eng miteinander verflochtenen Phänomene werden sozusagen als das telematische Herz der Informationsgesellschaft fungieren und bilden ein System im wahren Sinne des Wortes. Die für dieses charakterischen Aktiviäten, die Existenzgrundlage einer ziemlich langen Reihe von Unternehmungen sind, werden jede Sphäre der sozialen Interaktion durchdringen: von der Produktion bis zur Organisation der Büros, von der öffentlichen Verwaltung bis zum Konsum, von den Prozessen des Wissenserwerbs bis zum Genuß der »Freizeit«. Jemand hat — bis jetzt — gut 64 Typen von telematischen Diensten gezählt, wenn auch in den an dieser Transformation interessierten Ländern bislang nur wenige tatsächlich eine praktische Rolle spielen, vor allem die Bildschirmzeitung (Teletext, Videotext) und das Bildschirmtextsystem (Viewdata).
Der Begriff der Informationsgesellschaft muß im übrigen präzisiert werden. Er bezeichnet den Übergang zu einem Typus von Gesellschaften, die man aufgrund der in ihnen vorherrschenden Arbeitsprozesse und der für sie charakteristischen Klassenzusammensetzungen auch als postindustrielle bezeichnet. Es handelt sich um die am weitesten entwickelten Industrieländer des kapitalistischen Westens, in denen nunmehr die Produktion von Waren vorzuherrschen beginnt, die sich bei jedem Umschlag ein größeres Informationsquantum einverleiben; derart erscheint die gesamte Produktion auch als Produktion von Informationsmehrwert, als Produktion von Information, vor allem als Informationserzeugung und -Übertragung. Ein immer größerer Prozentsatz der aktiven Bevölkerung besteht aus Informationsarbeitern. Der Anteil der aktiven Bevölkerung, der auf dem Höhepunkt der Entwicklung der Industriegesellschaften von in der Industrie Beschäftigten gestellt wurde, wird durch einen gleich großen und sich perspektivisch immer weiter ausdehnenden Anteil von Informationsbeschäftigten ersetzt. Zu ihnen gehören vor allem die Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, die in allen entwickelten Ländern bereits den größten Teil der aktiven Bevölkerung ausmachen. Die Organisation der Dienstleistungen ist schon heute den tiefgreifendsten Veränderungen unterworfen; in der Informationsgesellschaft indes wird die Ausbreitung der Telematik die gesamte Organisation der Produktion und des Konsums nicht weniger radikal verändern.
Ich beziehe mich mit den folgenden Überlegungen auf Begriffe, Untersuchungsstile und Bewertungsperspektiven vor allem aus der Tradition der kritischen Theorie der Gesellschaft und insbesondere des Marxismus. Ich führe die telematische Transformation auf die Umstände zurück, in denen ich die historisch-sozialen und historisch-politischen Determinanten des Prozesses sehe, wobei ich jedoch versuche, bei der Einschätzung der Tendenzen und Implikationen den Gefahren eines technologischen Determinismus zu entgehen, der mir den Blick der Beobachter weithin zu verstellen scheint, sei es nun den der enthusiastischen Anhänger der Informationsgesellschaft, sei es den ihrer pessimistischen, mehr oder weniger an »apokalyptischen« Bildern orientierten Kritiker. Meine Überlegungen sind um vier Themen zentriert: Um den Wandel des technologischen Szenarios des entwickelten Westens als den Antrieb der telematischen Tranformation. Dabei behandele ich vor allem die Durchdringung der gesamten Organisation des ökonomischen, produktiven und sozialen Lebens durch die telematischen (informatischen, elektronischen und kommunikativen) Infratechnologien, wobei ich auf die Wirkungen eingehe, die sich in der Reorganisation der tragenden Sektoren der Weltwirtschaft, in der internationalen Arbeitsteilung, in den neuen, in ihr vorherrschenden Hierarchien bereits abzeichnen. Dann beschäftige ich mich mit den Auswirkungen der telematischen Transformation auf die Klassenzusammensetzung der spätkapitalistischen Gesellschaften wie auch auf deren »vitale Bereiche« (Arbeit, Kultur, Lebens- und Konsumstile usw.). Sodann gehe ich auf die Auswirkungen der Telematik auf die Informationssysteme und die Kommunikationsmittel im engeren (kulturelle Medien und Industrien) ein. Schließlich behandele ich die Auswirkungen dieser Transformationen auf die soziale Kommunikation im allgemeinen und insbesondere auf die politischen Handlungsbedingungen.

Telematik und Weltwirtschaft

Einige Theoretiker des »Kapitalismus der Multis« sind der Ansicht, streng genommen könne man erst seit ein paar Jahrzehnten von der Formierung einer Weltwirtschaft reden. Sie berufen sich dabei auf die Herausbildung bestimmter Märkte, die, sei es aufgrund der Dimension der wirtschaftlichen Subjekte, die die Produktion bestimmter Güter dirigieren, sei es wegen der Konsumregionen, für die sie bestimmt sind, sei es schließlich wegen der Güter selbst, einen einzigen internationalen, die Welt umfassenden Raum konstituieren. Die auf diesen Märkten vorherrschenden Produktionseinheiten sind multinational organisiert; die Produkte sind aufgrund ihrer Beschaffenheit von vornherein für eine Vielzahl verschiedener nationaler Märkte bestimmt; die Märkte, für die diese Güter produziert werden, sind also ebenfalls transnational. Im Grunde kann man erst seit der Herausbildung dieses neuen Kerns der kapitalistischen Wirtschafts-Welt von einer Weltwirtschaft reden. Zu den wichtigsten Folgen dieses neuen Phänomens gehört die Erschütterung der überkommenen Begriffe, auf denen die Theorie des internationalen Handels aufgebaut hat, die bisher das Verständnis des Prozesses der Internationalisierung der kapitalistischen Wirtschaft gesteuert hat: das gilt vor allem für die Begriffe, die sich auf die Verhältnisse zwischen kapitalistischer Weltwirtschaft und nationalen Kapitalismen, zwischen Weltmarkt und nationalen Märkten, zwischen zentralen, peripheren und semi-peripheren Ländern der Weltwirtschaft beziehen.
In einem internationalen, von großen multinationalen Konglomeraten dominierten ökonomischen System — wie wir es zur Zeit vorfinden — stellen die telematischen Infrastrukturen den großen multinationalen Unternehmen unerhörte Möglichkeiten der Kalkulation zur Verfügung. Zum ersten Mal können sie die Produktion im Weltmaßstab planen und dabei die Dynamik der Kapital-, Rohstoff-, Arbeits- und Warenmärkte in realer Zeit kontrollieren. Das hat außerordentliche Auswirkungen und führt zu einer unerhörten Beschleunigung dieser multinationalen Transformationsprozesse des kapitalistischen Weltsystems, denn dies ermöglicht eine beispiellose Konzentration, Zentralisation und Internationalisierung des Kapitals.
Seit etwa zwanzig Jahren sind die Industriesektoren der Informatik, der Unterhaltunsgselektronik und der Telekommunikation durch größere Beschäftigungszuwachsraten und durch beschleunigte, stetigere Wachstumsrhythmen charakterisiert. Es handelt sich um Industrien, die sich immer stärker mit der Rüstungs- und der Raumfahrtindustrie verquicken. In ihnen überwiegt die Produktion von Geräten und Fabrikaten, die direkt für den internationalen Markt bestimmt sind. Es handelt sich um Sektoren, in denen die großen multinationalen Unternehmen absolut vorherrschend sind. Deren Ziel ist die maßgebliche Kontrolle der Innovations- und Entwicklungsforschung. Nimmt man dazu die außerordentlichen Möglichkeiten dieser Unternehmen, auf die anderen Produktionssektoren sowie auf die gesamte Skala der Dienstleistungsunternehmen Einfluß zu nehmen (sie beruhen auf der wachsenden Fähigkeit der informatischen und thematischen Infrastrukturen, die Produktionssysteme und die Reproduktionsapparate der entwickelteren Gesellschaften zu durchdringen), so erhält man eine ziemlich genaue Vorstellung von der Rolle, die diese Phänomene bei der Umorientierung der »Schaltstellen« der kapitalistischen Ökonomie auf ein neues Paradigma der Beziehungen zwischen Entwicklung und Unterentwicklung, zwischen Zentrum und Peripherie der Weltwirtschaft spielen werden.
Die spätkapitalistischen Ökonomien, die sich gerade in Informations-ökonomien verwandeln, gehen nunmehr dazu über, ihre Vorherrschaft über die unterentwickelten wie auch über die halbentwickelten, peripheren und semi-peripheren Länder immer mehr vom Kapital- und Industriegüterexport auf den Export von Technologie, Know How und von Waren mit hohem Informationsgehalt zu verlagern. Sie erscheinen immer mehr als »quaternäre« Ökonomien und als »postindustrielle« Gesellschaften, denen gegenüber sich, im Vergleich mit der Vergangenheit, sehr viel deutlichere und krassere Formen der Abhängigkeit derjenigen Ökonomien herausbilden, die diesen Entwicklungsstand noch nicht erreicht haben. Es entsteht eine neue internationale Arbeitsteilung, die sich dahin auswirkt, daß für die Mehrzahl der abhängigen Länder der Weg in die Informationsgesellschaft wahrscheinlich für immer verstellt sein wird. Die Ungleichheit der Entwicklung nimmt unerhörte Formen an und führt zu unüberwindlichen Polarisierungen hinsichtlich der Verteilung des general in-tellect im Weltmaßstab.
Dieser Prozeß hat auch enorme Auswirkungen auf die halbentwickelten Länder; er beeinflußt ferner die Neuanordnung der Hierarchien zwischen den verschiedenen Entwicklungsniveaus im Bereich der entwickelten kapitalistischen Ökonomien selbst. Bestimmte, in ihrer Entwicklung verspätete, d.h. gegenüber den stärkeren kapitalistischen Ökonomien nicht konkurrenzfähige Industriegesellschaften werden wahrscheinlich für immer von der Produktion von Gütern in den Bereichen ausgeschlossen, in denen Unternehmen transnationalen Zuschnitts dominieren und die Produkte direkt für den Weltmarkt erzeugt werden. Sie werden, gemessen an den zuvor erreichten Entwicklungsniveaus und an den Positionen, die sie gegenwärtig in der internationalen Arbeitsteilung einnehmen, zurückgedrängt werden. Dies scheint das Schicksal etwa der italienischen Wirtschaft zu sein, denn diese hat schon seit den sechziger Jahren wichtige Anschlüsse auf den Gebieten Energieversorgung, Elektronikindustrie sowie Intensivierung und Modernisierung des Verhältnisses von Forschung und Entwicklung verpaßt. Ein ähnliches Schicksal könnte aber auch europäischen Ländern zuteil werden, die zwar sehr viel weiter entwickelt sind als Italien, deren Produktion und deren Markt aber ähnliche Dimensionen haben. Durch die Zunahme der Produktion von direkt für den internationalen Markt bestimmten Waren und die Konzentration dieser Produktion bei überaus starken multinationalen Unternehmen werden die Vorteile derjenigen Ökonomien enorm verstärkt, die, wie im Fall der USA, diese Prozesse in einem großen inneren Markt abstützen können, oder die — wie im Fall Japans — außerordentliche Vorteile dadurch errungen haben, daß sie den eigenen Produktionsapparat rechtzeitig spezialisiert und den eigenen inneren Markt auf eine Multinationalisierung hingelenkt haben, die ihre Impulse aus den Sektoren erhält, die den neuen Entwicklungsschub antreiben.
Diese Tatsachen scheinen es auszuschließen, daß selbst relativ entwickelte, aber hinsichtlich der Umwandlung und Spezialisierung ihrer Produktion zurückhängende oder nur mit schwächeren inneren Märkten ausgestattete kapitalistische Ökonomien an dem neuen Entwicklungsschub teilhaben. Es ist andererseits auch unwahrscheinlich, daß eine verspätete Spezialisierung der Produktion der öffentlichen Forderung gerecht und den staatlich-interventionistischen Bemühungen zu dem Erfolg verhelfen wird, wie er in einigen Fällen in der Vergangenheit bei der verspäteten kapitalistischen Entwicklung bestimmter industrieller Ökonomien noch möglich war. Es war die Erfahrung der Industriegesellschaften gewesen, daß sich die Industrialisierung von den zuerst »gestarteten« Ländern aus im Wege der Nachahmung in andere Ökonomien ausbreitete, vor allem dank der Rolle des Staates (Protektionismus, Aufbau recht umfangreicher öffentlicher Wirtschaftssektoren, verschiedene andere Formen der staatlichen Unterstützung beim Start in die Industriegesellschaft). Dieser ging zum Protektionismus und zur gezielten Stärkung des inneren Marktes über, wobei es ihm gelang, Verspätungen selbst dort aufzufangen, wo äußerst ungleiche ökonomische Entwicklungen zugrundelagen, denn die nationale Wirtschaft hatte genügend große Ausmaße, um fremde Kapitale durch die Ressourcen des eigenen Marktes zu ersetzen oder auch bestimmte Industrieproduktionen nachzuahmen.
Angesichts der gegenwärtigen Dynamik der Weltwirtschaft scheint diese Möglichkeit für eine wachsende Zahl europäischer Nationalstaaten verschlossen zu sein. Auch für diese Länder scheinen sich neue Formen der Abhängigkeit abzuzeichnen, kraft derer es immer stärker die großen Multis sein werden, die in den strategischen Sektoren der Akkumulation über Möglichkeiten und Richtungen der Entwicklung entscheiden. Die Bemühungen des Staates, Produktionsapparate dieses Ausmaßes zu spezialisieren und die Prozesse industriellen Wandels unter Konkurrenzaspekten zu steuern, scheinen durch die Notwendigkeit stark begrenzt zu sein, die Ressourcen auf die Abstützung der Multinationalisierung der wenigen starken Sektoren der traditionellen Wirtschaft zu konzentrieren. Sie finden sich vorwiegend in technologisch reifen Produktionszweigen und zeigen bereits heute die Schwierigkeiten, die aus einer internationalen Konkurrenz neuen Typs resultieren.
Die traditionelle Dynamik der Beziehungen zwischen nationalen Märkten und Weltmarkt verändert sich also. Das Wachstum einer immer größeren Sphäre der »Weltwirtschaft« schließt Bereiche von den neuen Entwicklungswegen aus, die wahrscheinlich größer sind als jene, die der traditionelle Industrialismus ausgeschlossen hatte. Ungleiche Entwicklung und neue Abhängigkeitsformen treffen auch Länder, die schon an der industriellen Entwicklung teilgehabt hatten. Die neue internationale Arbeitsteilung etabliert neue Paradigmen in den geopolitischen Hierarchien im Weltmaßstab. Weiter verstärkt werden die großen Möglichkeiten der Dezentralisierung der Produktion und der Verfügung über den Raum, die für den »Kapitalismus der Multis« charakteristisch sind, schließlich durch Möglichkeiten der Kontrolle der Arbeitsmärkte, die die Telematik bietet.

Die Informationsgesellschaft

Schwieriger scheint es, die Auswirkungen der »telematischen Revolution« auf die Gesellschaftssysteme des Spätkapitalismus zu bestimmen. Eines scheint sicher zu sein, und dies betrifft die Formen der Technologie. Die informatischen und telematischen Infratechnologien verändern das Konzept der Maschine selbst sowie das gesamte Paradigma der seriellen Warenproduktion in allen seinen Bestandteilen. Die Serienproduktion trennt sich immer mehr von dem, was der überkommene Begriff von industrieller Produktion bezeichnet. Die Warenform selbst wandelt sich grundlegend: mit dem Wachstum der in jeder Art von Produkt verkörperten Informationsmenge und der Umwandlung von Produktions- und Dienstleistungsapparaten hin zu einem »quatemären« System wird die Produktion von »immateriellen« Waren vorherrschend sein (sei es quantitativ, sei es als Element, das die Warenproduktion und -Zirkulation insgesamt qualiti-tiv prägt). Damit wandelt sich das Modell, das für die Beziehungen zwischen lebendiger Arbeit und instrumentellen Apparaten maßgeblich ist. Gleichwohl scheint es schwierig, diesen Entwicklungstendenzen die Umstände zu entnehmen, die Struktur und Dynamik der Gesellschaftssysteme verändern werden. Ich werde mich daher auf die Betrachtung einiger zentraler Punkte aus der Diskussion beschränken, die gegenwärtig über die Züge der Informationsgesellschaft geführt wird.
Auch wer davon ausgeht, daß man die neuen Technologien nur als ein Feld von Möglichkeiten ansehen kann, das für ganz verschiedene und selbst gegensätzliche politische und soziale Lösungen offen ist, entgeht m.E. oft nicht den Gefahren eines technologischen Determinismus. Z.B. ist das bei denen der Fall, deren Begeisterung den durch die Ausbreitung der Informatik und durch die Telematik eröffneten Möglichkeiten gilt, durch den Übergang zur Vorherrschaft interaktiver Kommunikationsmuster die traditionellen Formen des Zentralismus der kapitalistischen Industriegesellschaften (im politischen wie im ökonomischen und sozialen Leben) in eine Krise zu stürzen. Diese Theoretiker gehen davon aus, daß die Informationsgesellschaft gegenüber den Industriegesellschaften ein sehr viel stärker ausdifferenziertes und flexibleres Gesellschaftssystem darstellt; es soll durch eine außerordentliche Mobilität charakterisiert sein, die dank einer immer weiter angehobenen kulturellen Vereinheitlichung sämtlicher Bürger zu einer Nivellierung »nach oben hin« tendiert; ein Gesellschaftssystem, für das daher verbreitetere und vielfältigere Formen der (produktiven, politischen, sozialen) Dezentralisierung, eine wachsende Individualisierung der Obliegenheiten und gesellschaftlichen Rollen und eine starke Motivation in den Arbeits- und Konsumaktivitäten charakteristisch sind. Gewiß kann man der Überzeugung sein, daß diese Möglichkeiten bestehen. Es erscheint ja doch als unwahrscheinlich, daß dies, in der Tendenz, tatsächlich die neuen Züge der Informationsgesellschaft sein werden. Der zentrale Einwand gegen diese Vorhersage bezieht sich darauf, daß der Begriff der Informationsgesellschaft historisch unbestimmt bleibt. Ist dieser auch als deskriptiv-funktionales Paradigma der »postindustriellen Gesellschaften« von Nutzen, so erscheint er doch als zu sehr konnotativ und als ungeeignet, konkrete Vorhersagen über bestimmte Eigenschaften abzustützen, welche die verschiedenen »Informationsgesellschaften« wirklich annehmen werden.
Andererseits weisen die gesellschaftlichen Phänomene, die gegenwärtig alle entwickelten, an einer wachsenden Informatisierung interessierten Länder des Westens charakterisieren, in eine Richtung, die den genannten Vorhersagen entgegengesetzt ist. Flexibilität und Ausdifferenzierung der Klassenzusammensetzung zeigen sich vor allem als Segmentierungen des Arbeitsmarktes und als technologische Arbeitslosigkeit nicht mehr benötigter Massen. Immer verbreitetere Formen von Gelegenheitsarbeit oder von Teilzeitbeschäftigung könnten perspektivisch zwar vorwiegend Vorteile bringen, nicht nur für die Umwandlung der Produktion, sondern auch für die Lebensbedingungen der Arbeiter. Aber bis jetzt setzt sich all dies erst in einer Dezentralisierung der Produktion sowie in der Ausbreitung von Schwarzarbeit durch, was entscheidend zur Krise der traditionellen industriellen Beziehungen und vor allem der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit beiträgt. Auch wenn von vielen Seiten auf die bemerkenswerten Möglichkeiten einer neuen, auf die informatische Umwälzung der Produktionsgrundlagen und die Informatisierung der Dienstleistungen gestützten Beschäftigung hingewiesen wird, werden die informatischen und telematischen Infratechnologien bis heute nur mit einem Ziele eingesetzt, nämlich als Arbeitsersparnis — Technologien von außerordentlicher Wirksamkeit. Und beim Entwerfen künftiger Entwicklungen lohnt es sich, wenigstens eine Tatsache zu beachten. In den USA, wo die Entwicklung weiter fortgeschritten ist, sind unter den 67 Prozent der aktiven Bevölkerung, die gegenwärtig mit der Informationsökonomie zu tun haben, ca. 25 Prozent Heimarbeiter, deren Verbindung mit dem Produktionsprozeß oder den Dienstleistungen über Personal Computers vermittelt ist. Angesichts dieser Phänomene kann man jenen kaum Unrecht geben, die eine Parzellierung der Arbeit und eine Zersplitterung der Obliegenheiten von außerordentlicher Wirksamkeit und Rigidität »nach unten hin« (zur Basis der gesellschaftlichen Pyramide, die von den Arbeitern der Informationsgesellschaft gebildet wird) vorhersagen, ebenso wie einen gesellschaftlichen Atomismus ohnegleichen.
Planung und Kontrolle verschmelzen und konzentrieren sich in der Tendenz in sehr engen Kreisen an den Spitzen der gesellschaftlichen Hierarchien. Ein großer Teil der intellektuellen Arbeit, vor allem in den administrativen Funktionen und im Rechnungswesen, im Anwendungsbereich und in der Planung, wird im großen Stile taylorisierbar. Vor allem die Ent-scheidungsprozesse werden vertikalisiert und auf unglaublich elitäre Weise konzentriert. Vertikalisierung, Hyperzentralisierung und Rigidität scheinen die Züge zu sein, die tendenziell in der konkreten Realität der Informationsgesellschaften vorherrschen und den ganz anders gearteten Möglichkeiten widersprechen, die auch in den neuen Technologien angelegt sein mögen.
Diejenigen schließlich, die als einen der wahrscheinlichsten Züge der Informationsgesellschaft eine ausgeprägte Banalisierung der sozialen Interaktion vorhersagen, können sich auf die folgende Tatsache stützen. Der sozusagen universelle Charakter der informatischen Infratechnologien (nämlich ihre Fähigkeit, alle Arten von Aktivitäten und Beziehungen transversal zu durchdringen), annulliert in der Tendenz jeden morphologischen Unterschied zwischen Arbeits- und Nicht-Arbeitszeit. Mit der Verkabelung des Dienstleistungsbereichs und der Informatisierung der produktiven Tätigkeiten und des Konsums nehmen die Gegenstände, mit denen man in der Arbeits- und in der Nicht-Arbeitszeit hantiert, mehr und mehr dieselben Formen an. Man kann hier bereits eine vollständige anthropologische Veränderung hinsichtlich des elementaren Taktes der verschiedenen Segmente der Lebenszeit erahnen, der für alle bisher bekannten Gesellschaftstypen einschließlich der Industriegesellschaft charakteristisch gewesen war. Es ist äußerst schwierig, alle Implikationen des letztgenannten Umstands, des entscheidenden Aspektes der informatischen und telematischen »Revolution« vorherzusehen.

Telematik, Informationssysteme und Kulturindustrie

Die Informationssysteme im engeren Sinne (Printmedien, Rundfunk, elektronische Medien, verschiedene Formen öffentlicher Darbietung) bilden das Feld, auf dem die direktesten Auswirkungen und die wohl wichtigsten Implikationen der neuen Technologien festzustellen sind.
Die Ursachen und die Prozesse, in denen sich die Medien, von der gedruckten bis hin zur elektronischen Information, zu immer stärker zentralisierten und vertikal strukturierten Informationssystemen entwickelt haben, sind bereits von einer ziemlich ausgedehnten Literatur und bisweilen sehr klar untersucht worden. Der eindirektionale Charakter der Kommunikationsmodelle, die dabei entwickelt worden sind, kann nicht auf technologische Bedingungen zurückgeführt werden. Sowohl die Druck- als auch die Rundfunkinformationstechnologie hätten verschiedene Lösungen zugelassen. Die vorherrschenden Modelle haben historische und soziale Ursachen: ihr Fundament sind die strukturellen Besonderheiten der sozialen Systeme, die sich mit der Entwicklung des Industrialismus durchgesetzt haben.
Im Gegensatz dazu stützen sich diejenigen Theoretiker, die eher vom im Kern demokratischen und radikal innovatorischen Charakter der Informationsgesellschaft überzeugt sind, vor allem auf die technologischen Aspekte der Telematik, wobei sie insbesondere auf ihre Auswirkungen auf die Informationssysteme hinweisen. Der enorme Schub in Richtung Differenzierung der Medien, die außerordentlichen Möglichkeiten der Produktion und des Konsums von Informationen, die bisher nicht erreichte Vereinheitlichung des Planeten und vor allem die neuen Möglichkeiten einer interaktiven Kommunikation führen demnach zum unausweichlichen Ende der zentralisierten Informationssysteme, zur Krise und zum stufenweisen Zusammenbruch der eindirektionalen Kommunikationsmodelle.
Auf der anderen Seite zeichnet sich bereits die Entstehung eines Weltsystems elektronischer Datenbanken für jede Art von Informationen ab. Charakteristisch ist dabei, daß die Informationskonzentration und ihre Kontrolle durch die »Supermächte« und vor allem durch die großen multinationalen Gruppen einen unerhörten Antrieb erhält. Die Verschiebung der Ressourcen von der Druckinformation zur elektronischen Information und die Unterordnung aller Informationssysteme — im lokalen, nationalen und Weltmaßstab — unter das Marketing erhalten dadurch einen weiteren Anstoß. Die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Printmedien lassen sich bereits in großem Umfang feststellen, z.B. in den USA: a) weitere Verschiebung zugunsten der elektronischen Information; b) Hierar-chisierung der Druckmedien nach der ökonomischen Macht der Verlegergruppen sowie der je verschiedenen Möglichkeiten der Interaktion mit den neuen Systemen der Produktion und Kontrolle von Information (vor allem den Datenbanken); c) neue Prozesse der Konzentration und der Re-strukturierung der Zeitungen als Antwort auch auf die Funktionskrise der traditionellen gedruckten Information; d) wachsende Abhängigkeit von der Werbung; e) stärkere multimediale und multinationale Orientierung der dominierenden Verlagsgruppen; f) Aushöhlung des überaus differenzierten traditionellen Systems von Zeitungen mit lokaler Verbreitung durch deren Halbierung, Integration in die großen nationalen Verlagsgruppen und die Standardisierung des wichtigsten Teils ihrer Ausgaben; g) entsprechende Phänomene im Bereich spezialisierter Informationen, ungeachtet seiner großen Entwicklung als Folge der wachsenden Differenzierung der Nachfrage.
Wenn dies die vorherrschenden Trends sind, scheint es nicht unberechtigt zu sein, sie auf die allgemeineren Tendenzen einer zunehmenden Zentralisierung, Standardisierung und (relativen) Rigidität der gedruckten Informationen zurückzuführen. Aber kommt man nicht, wenn man die elektronischen Informationen und, allgemeiner, die Informationssysteme in ihrer Gesamtheit betrachtet, zu anderen Schlußfolgerungen? Die Anhänger der These eines im Kern demokratischen Charakters der Informationsgesellschaft insistieren vor allem in diesem Zusammenhang auf den durch die neuen Technologien eröffneten Möglichkeiten einer Dezentrie-rung und interaktiven Kommunikation. Insbesondere heben sie hervor, daß man in der Lage sein wird, Information mit sinkenden Kosten zu produzieren und daher billiger zu kommunizieren; daß sich interaktive Kommunikationsformen durchsetzen und mit ihnen die Ungleichheiten zwischen Sender und Empfänger in der Tendenz abnehmen werden, wobei sich diese Beziehung in tendenziell zirkuläre Bahnen verflüssigt.
Um diese Möglichkeiten richtig einzuschätzen scheint es erforderlich, voreilige Verallgemeinerungen auf der Grundlage allein der — von der Produktion und den konsumtiven Prozessen abgetrennten — Distribution von Information (und aus deren Veränderungen) zu vermeiden. Mit der vollen Entwicklung der Telematik (Satelliten, Verbreitung von Datenbanken, übergreifende integrierte Netze) werden überall Medienmodelle die Oberhand gewinnen, die auf einer Vielzahl von immer differenzierteren und spezialisierteren Netzen aufbauen. Aber es steht durchaus nicht fest, daß dies für die Verbreitung dezentraler Informationssysteme und — Subsysteme und für eine demokratische Neuverteilung von Macht/Information spricht. Es geht hier darum, die Verbindungen zwischen Distribution, Produktion und Konsum deutlich zu machen, d.h. zu den historischen und sozialen Determinanten der Vervielfältigung, Differenzierung und Spezialisierung der Kanäle zu gelangen.
In den Ländern, in denen die Auswirkungen der Telematik auf das Informationssystem weiter fortgeschritten sind — das Beispiel der USA mag für alle stehen — antworten die Entwicklungen der neuen Medien nicht etwa auf eine gewachsene Nachfrage nach reichhaltigerer und differenzierterer Information seitens des gesamten Gemeinwesens, sondern auf die Entwicklung von »positionellen Ökonomien« und von »Bedürfnissen« sowie eines »Verbrauchs«, die als »post-materialistisch« bezeichnet werden. Letztere kennzeichnen offensichtlich die Bedürfnisse und Möglichkeiten der traditionell privilegierten sozialen Gruppen oder auch neuer (relativ) privilegierten Gruppen. Die Entwicklung verstärkt also einige traditionelle Eigenarten dieser Gesellschaften. Sie betont gewiß die soziale Mobilität, doch sie verändert die Parameter und die Profile nicht. Im ganzen scheint sie eher das Gedeihen der — mit der für die Informationsgesellschaft charakteristischen Klassenzusammensetzung zusammenhängenden — sozialen Segementierung und Stratifikation zu fördern als eine neue Tendenz zu einer demokratischen Neuverteilung der Information/Macht.
Diese Überlegungen werden durch Vorgänge bestätigt, denen man heute im Bereich der Produktion und des Konsums von Information und Darbietungen mit Massendimension begegnet. Wie wir bereits festgestellt haben, werden die Informationssysteme aufgrund der Auswirkungen der Telematik sicher durch eine wachsende Zahl von Kanälen und Netzen charakterisiert sein. Aber man darf nicht vergessen, daß die Entwicklung der auf einer Vielzahl von Netzen basierenden Informationssysteme von einer wachsenden Kommerzialisierung aller Medien bestimmt wird (wachsende Subsumption der Medien unter das Marketing, das im Weltmaßstab immer stärker zu ihrer Hauptfinanzierungsquelle wird). Nicht nur die USA, sondern auch Italien, wo sich im Gefolge einer wüsten Deregulation des Äthers ein vielnetziges Radio- und Televisionssystem vorwiegend kommerzieller Prägung entwickelt hat, liefern hinreichende Proben für die Tendenzen, die sich derart auf der Ebene der Massen durchsetzen. Insbesondere die italienische Erfahrung scheint eine Menge der Probleme vorwegzunehmen, die sich auch anderswo stellen werden.
Nun, die allen eingeräumten Möglichkeiten, die Palimpseste individuell zu bestimmen (das heißt die Möglichkeit, das Mix zwischen verschiedenen Medien und verschiedenen Netzen beim Informationskonsum selbst zusammenzustellen), mit denen eine wachsende Kontrolle des Marketing über das Angebot einhergeht, fördern vor allem Prozesse einer wachsenden Banalisierung und Standardisierung der vorherrschenden Informationsströme. Die Vervielfältigung der Distributionskanäle führt sicher dazu, daß die Redundanz der Information auf der Ebene der Massen anwächst; aber dies geht nicht mit einer Informationsbereicherung — auf der Seite des Mediums oder auf der individuellen Seite — einher, sondern behindert sie vielmehr.

Wandel der politischen Kommunikation

Die wichtigste Tatsache ist, daß dort, wo sich die Mediensysteme voll entwickelt haben, alle politischen Informationen durch die Medien »hindurchgehen«. Bisher autonome »Informationsagenturen« wie die Parteien, im modernen repräsentativen Staat Hauptdarsteller des politischen Systems und der Öffentlichkeit, werden mehr und mehr von den Massenkommunikationsapparaten expropriiert und diesen teilweise untergeordnet. Die Parteien kommunizieren immer weniger auf direktem Wege mit den Bürgern in deren Sprache und Kultur. Die Informationssysteme ihrerseits entwickeln immer mehr Funktionen; sie differenzieren sich aus, artikulieren und verselbständigen sich immer deutlicher. Durch die Anpassung der politischen Kommunikation an die standardisierte und tendenziell homogene Sprache der Medien wird ein Druck in Richtung Anglei-chung des Erscheinungsbildes der verschiedenen Parteien freigesetzt, der vielleicht stärker als ihre Unterschiede hinsichtlich Programmatik, sozialer Verankerung und politischer Kultur ist.
Die Informationssysteme erscheinen immer deutlicher als (mehr oder minder reaktive) Mittler einer bestimmten historischen Ausformung des Politischen: des Wohlfahrtsstaats. Sie sind funktionell darauf ausgerichtet, ein Modell des Politischen zu entwerfen, durchzusetzen und zu verbreiten, das voll und ganz auf den politischen Markt zugeschnitten ist. Auch wenn das Bild der Parteien vorwiegend durch Konflikte charakterisiert sein mag — letztere werden doch stets in konkurrierende issues aufgelöst, und alle in den Konflikt involvierten Subjekte sind als korporativ gekennzeichnet. Sie erscheinen als Teile eines übergreifenden politischen und sozialen Systems, mit dem sich die zentralen Muster des korporativen Pluralismus, des politischen Handelns als politisches Aushandeln (scambio politico), zu legitimieren suchen. Hieraus erklären sich die Versuche der Medienapparate, das Bild der politischen Eliten nach dem Muster des Star-Systems zu strukturieren, das ihren Kommunikationsstil generell charakterisiert: Personalisierung der Politik, Überschwenglichkeit des Jargons, Orientierung auf Führerfiguren, Ritualisierungen, wachsende Gleichgültigkeit gegenüber den verschiedenen Kommunikationsinhalten.
Die Parteien ihrerseits scheinen diese Tendenzen eher zu registrieren und zu unterstützen als ihnen Widerstand entgegenzusetzen. Die politische Klasse scheint, direkter politischer Kommunikation beraubt, die Sprache der Medien zu übernehmen. Das Parteiensystem in seiner Unterordnung unter das Mediensystem, mit der es auch dessen wachsender Kommerzialisierung unterworfen wird, ist immer stärker Kommunikationsprozessen ausgesetzt, die seine Funktion delegitimieren oder sogar die Form Partei und deren Anspruch zur Diskussion stellen, politische Repräsentation und politisches Handeln zu monopolisieren. Mit dem Übergang zur Informationsgesellschaft, durch den diese Phänomene noch erheblich verstärkt werden, wird daher ein grundsätzliches Überdenken der Form Partei und vielleicht eine vollständige kulturelle Neubegründung des Politischen unabweisbar.
In einigen Fällen, in denen die »verkabelte Stadt« bereits realisiert ist, sind interaktive politische Kommunikationsformen mit Erfolg erprobt worden. Die Methode der Meinungsumfrage kann, für bestimmte issues, zu einer Form permanenter Intervention der öffentlichen Meinung — auf Initiative verschiedener Subjekte des politischen Systems (Bürgermeister, Parteien, Gewerkschaften, Gruppen des Parlaments, Regierungsmitglieder usw.) — verallgemeinert werden. Die Anhänger der elektronischen Demokratie streichen vor allem den unerhörten partizipatorischen Wert solcher Praktiken heraus. Ich will die Möglichkeiten solcher Formen politischer Kommunikation in der Informationsgesellschaft nicht unterschätzen. Dies schon deshalb, weil von einer ausgeprägten Krise der überkommenen Repräsentationssysteme, einer wachsenden Apathie hinsichtlich der Handlungsformen der »Delegationsdemokratie« (democrazia delega-ta) und in einigen Fällen von einer Legitimationskrise des politischen Systems des Spätkapitalismus auszugehen ist. Es geht aber bei der elektronischen Demokratie um ein Konzept von »Referenzdemokratie« (democrazia referendaria), dem seine Geistesverwandtschaft mit der Politikdefinition des Wohlfahrtsstaats anzusehen ist: es treibt die Fragmentierung des Politischen in unverbundene issues, die Strukturierung der politischen Subjekte durch Interessengruppen, die Vertretung derselben über den Zugang zu und die kompetitive Präsenz auf dem politischen Markt, den Ausbau des korporativen Pluralismus weiter voran. Allgemeiner scheinen die Auswirkungen der telematischen Transformation durch eine Stärkung des Individuums als Zentrum des politischen Handelns charakterisiert zu sein.
Was hier nötig wäre, ist die Überwindung der korporativen Grundlagen der Repräsentation; die Beseitigung ihrer strukturellen Ursachen; eine vollständige Neubegründung des Bereichs Öffentlichkeit. Nur so könnte der enorme Zuwachs an Wissen und Kommunikation, der in der Informationsgesellschaft möglich ist, in neue und entwickeltere Formen von Demokratie umgesetzt werden.
Aus dem Italienischen von Friedhelm Hase

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