Die ewige Ironie des Gemeinwesens

»Wie im Manne der Uterus zur bloßen Drüse herabsinkt, so bleibt dagegen der männliche Testikel beim Weibe im Eierstocke eingeschlossen, tritt nicht heraus in den Gegensatz, wird nicht für sich, zum tätigen Gehirn, und der Kitzler ist das untätige Gefühl überhaupt. Im Manne hingegen haben wir dafür das tätige Gefühl, das aufschwellende Herz, die Bluterfüllung der corpora cavernosa und der Maschen des schwammigen Gewebes der Urethra; dieser männlichen Bluterfüllung entsprechen dann die weiblichen Blutergüsse. Das Empfangen des Uterus, als einfaches Verhalten, ist auf diese Weise beim Manne entzweit in das produzierende Gehirn und das äußerliche Herz. Der Mann ist also durch diesen Unterschied das Tätige; das Weib aber ist das Empfangende, weil sie in ihrer unentwickelten Einheit bleibt.
Die Zeugung muß man nicht auf den Eierstock und den männlichen Samen reduzieren, als sei das neue Gebilde nur eine Zusammensetzung aus den Formen oder Teilen beider Seiten, sondern im Weiblichen ist wohl das materielle Element, im Manne aber die Subjektivität enthalten. Die Empfängnis ist die Kontraktion des ganzen Individuums in die einfache, sich hingebende Einheit, in seine Vorstellung, der Same diese einfache Vorstellung selbst, ganz ein Punkt, wie der Name und das ganze Selbst.«
»Im Auge«, sagt Sömmering, »scheint der Fall zu sein, daß die Arterien in feinere, kein rotes Blut mehr enthaltende Zweigchen fortgesetzt werden.«
Hegel

Der Blutsverwandte hat die Sorge um den blutlosen Toten zum Zweck seiner Handlung. Seine wesentliche Pflicht ist es, für die Bestattung des Toten zu sorgen und so das natürliche Phänomen in geistiges Tun zu verwandeln. Ein Schritt weiter, und man wird wissen, daß es die Weiblichkeit ist, die Hüterin der Blutsbande, der es zukommt, die Männlichkeit in ihrer vollendeten Gestaltung aus der Unruhe des zufälligen Lebens und der langen Reihe ihres zerstreuten Daseins einzusammeln und sie auf diese Weise in die Ruhe der einfachen Allgemeinheit zu erheben. Sie muß sich grundsätzlich, und zwar unter allen Bedingungen, ja, selbst um den Preis ihres Lebens, immer und auch heute noch damit befassen, den Kadaver zu begraben, zu dem der Mann in seinem reinen Sein wird. Sie bringt ihn dazu, die zumindest dem Schein nach noch zu unmittelbar natürliche Allgemeinheit in die Behauptung - und darum handelt es sich hierbei, denn es bedeutet ebenso die Wiederherstellung der reinen Wahrheit - der Ruhe und Allgemeinheit des seiner selbst bewußten Wesens zu erheben. Der Mann ist zweifellos noch dem (natürlichen) Tode unterworfen, aber was zählt, ist, diese Zufälligkeit in Bewegung des Geistes umzuwandeln, diese Zufälligkeit, die auf das einzelne Individuum zukommt und die in ihrem natürlichen Charakter das Bewußtsein von sich selbst verbannt, indem sie es von seiner Rückkehr in sich selbst abschneidet, damit es Selbstbewußtsein werde. Während die Männlichkeit arbeiten muß, um aus dieser Negativität eine sittliche Handlung zu machen, indem sie ihr Leben für das Gemeinwesen opfert, zum Beispiel im Kriege, muß die Weiblichkeit die wirkliche und äußerliche Vermittlung sein, die den Tod mit sich selbst versöhnt, indem sie die Tat der Zerstörung auf sich nimmt, aus der das Werden des Geistes keinen Nutzen ziehen kann. Wenn sie es daher bei seiner Rückkehr in sich selbst bei sich aufnimmt, dieses tote Sein, das zweifellos allgemein ist, aber in seiner Einzelheit kraftlos, leer und passiv preisgegeben an anderes, dann muß sie es beschützen, sowohl vor aller niedrigen vernunftlosen Individualität wie vor den Kräften abstrakter Stoffe, die jetzt mächtiger sind als der Tote. Das entehrende Tun bewußtloser Begierde und die natürliche Negativität von ihm abhaltend - und ihn vor seinem Verlangen nach ihr bewahrend? - vermählt sie den Verwandten mit dem Schoß der Erde, indem sie ihn mit der elementarischen unvergänglichen Individualität vereinigt. Sie macht ihn wieder zum Genossen eines — religiösen — Gemeinwesens, das die Kräfte der einzelnen Stoffe und die niedrigen Lebendigkeiten, die gegen den Toten frei werden und ihn zerstören könnten, unter seiner Kontrolle hält. Diese letzte Pflicht macht das göttliche Gesetz aus, oder die positive sittliche Handlung gegen den einzelnen, dem gegenüber das menschliche Gesetz übrigens notwendig eine negative Bedeutung hat. Zwar hat jedes Mitglied des Gemeinwesens Anspruch sowohl auf Existenz wie auf ein Fürsichsein; der Geist hat daran seine Realität oder sein Dasein. Aber der Geist ist zugleich die Kraft des Ganzen, und in diesem faßt er diese Teile wieder in das negative Eins zusammen. Er erinnert sie an ihre Abhängigkeit von dieser Totalität und gibt ihnen das Bewußtsein, ihr Leben nur im Ganzen und durch es zu haben. Daher fordern die Zusammenschlüsse - auch die familialen —, die sich zu zunächst einzelnen Zwecken bilden, sei es zum Erwerb von Reichtümern für sich selbst oder um Genuß zu suchen in sich selbst, einen Krieg heraus, der sie in ihrem Innern erschüttern, sie aus ihrer Isolierung herausreißen, sie in dieser Selbständigkeit verletzen wird, weil durch all dies dem Ganzen der Zerfall droht. Denjenigen, die in dieser Ordnung der Einzelheit versinken, muß die Regierung also ihren Herrn zu fühlen geben: den Tod. Sie bewahrt sie so vor dem Versinken in das natürliche Dasein, vor der Regression in das sinnliche Diesseits oder vor dem Außersichsein in einem Jenseits ohne alle Bestimmungen, die sich das Selbst des Bewußtseins aneignen könnte. Der Totenkult und die Kultur des Todes wären somit das, was das göttliche Gesetz und das menschliche Gesetz verbindet. Und auch das, was das Verhältnis zwischen dem Mann und der Frau zuläßt, zumindest auf der Stufe der Sittlichkeit.

Ein Verhältnis, das unvermischt nur zwischen Bruder und Schwester vorkommt. Sie sind dasselbe Blut, das freilich in ihnen in seine Ruhe und ins Gleichgewicht gekommen ist. Sie begehren daher einander nicht, sie haben dies Fürsichsein einer dem anderen weder gegeben noch empfangen, sondern sie sind freie Individualität gegeneinander. Was ist es also, das sie dazu treibt, sich bis hin zum Übergang des einen in den anderen zu vereinigen? Was bedeutet der eine für den anderen, das sie in ihrem gegenseitigen Austausch so sehr anzieht? Ist es das Wiedererkennen des Blutes? Ihre gemeinsame Zugehörigkeit zu der Macht des selben Blutes? Nämlich ihre Übereinstimmung in der Erhaltung, der Fortdauer dieses selben Blutes, die in einer Abstammungsfolge matriarchalischen Typs in ihrem Sein auf reinere, umfassendere Art gesichert ist? Die Familie des Ödipus wäre in diesem Sinn ziemlich exemplarisch, denn die Mutter des Ehemanns ist dort auch seine Frau, was die Blutsbande in den Kindern aus dieser Verbindung - unter anderem Polyneikes und Antigone - kennzeichnet und verstärkt, abgesehen davon, daß hier der Onkel - der Bruder der Mutter -der Repräsentant einer bereits patriarchalischen Macht ist. Oder ist es eher ihr Teilhaben an einem gleichen Sperma, das der Blutsverwandtschaft ein (anderes) Gleichgewicht gibt, sie aus ihrer magischen Passion herauszieht, indem es diese durch eine andere aufwiegt? Aber das Sperma verbindet sich nicht mit dem Blut - obwohl man das lange Zeit gedacht hat -, sondern vielmehr mit der Eizelle, eine Verbindung, die, wenn man sie in ihrer ganzen »Wirklichkeit« berücksichtigt hätte, die Einheit des Geistes und der sittlichen Substanz bereits hätte explodieren lassen, ohne Möglichkeit einer Versöhnung. Im übrigen kommt diese Verbindung nur in der Ehe zwischen dem Ehemann und der Frau vor, die in ihrer Mischung unrein ist. Müßte man also die Übereinstimmung von Bruder und Schwester von der Seite des selben Mannes her untersuchen? In diesem Fall würde ihre kouterine Anziehung durch eine im Namen des Vaters repräsentierte Unterwerfung unter symbolische Regeln kompensiert, Regeln, die die Macht des Blutes ersetzen und die genügen, um die Familiengemeinschaften auf die Ebene jener Gesetze zu heben, die in der Stadt Geltung haben.
Also, für einen Moment erkennen sich der Bruder und die Schwester in ihrem einzelnen Selbst an, und jeder darf sein Recht behaupten, gemäß der Macht eines jeden, die sich in und durch den anderen im Gleichgewicht befindet: das Recht des roten Blutes und das Recht zu seiner Resorption, seiner Auflösung in einem Prozeß der Namensgebung: dem Ähnlichen. Ideale Aufteilung, in der, sich das eigene Bestehen wechselseitig zurückgebend, die (sittliche) Substanz des Matriarchats und die des Patriarchats in ungetrübtem Frieden und in begierdeloser Beziehung koexistieren. Der Krieg der Geschlechter findet hier nicht statt. Doch dieser Moment ist natürlich ein mythischer, und der Hegelsche Traum ist bereits ein Ergebnis einer durch den Diskurs des Patriarchats hervorgebrachten Dialektik. Eine beschwichtigende Phantasie, ein Waffenstillstand in einem Kampf mit ungleichen Waffen, eine Leugnung der schweren Schuld, die schon auf dem Werden des Geistes lastet, und auch der Köder einer Bisexualität, die in Verbindung mit jedem Geschlecht und beim Übergang des einen ins andere jedem und jeder gesichert wird. Beide Geschlechter, männlich oder weiblich, sind einem Schicksal unterworfen, das im einen und im anderen verschieden ist, selbst wenn Vergewaltigung, Mord, Einbruch, Übervorteilung, zumindest dem Anschein nach, wenigstens im allgemeinen zwischen Bruder und Schwester aufgehoben sind. Was übrigens schon nicht mehr wahr ist, wie Hegel selbst eingesteht, wenn er behauptet, daß der Bruder für die Schwester die Möglichkeit der Anerkennung ist, der Anerkennung, der sie als Mutter und Ehefrau beraubt ist; und zwar gilt das ohne (zumindest ausdrückliche) Umkehrbarkeit. Also ist der Bruder für die Schwester schon mit einem Wert ausgestattet, den sie ihm nicht danken kann, es sei denn durch einen Kult im Tod.

Sicher, bei Sophokles, in jenem historischen Übergang auf dem Weg von der Vollendung des Matriarchats zum Patriarchat, sind die Dinge noch nicht so klar. Das Nichtentscheidbare eines Mehr an Wert kann man dort noch ablesen. Das Blut ist bereits nicht mehr rein: der Vater war König, jedenfalls eine Zeit lang; und der König macht dort seine Rechte als Vater ebenso geltend wie die Übereinstimmung von familialer (patriarchalischer) Macht und staatlicher Macht. Die Tragödie setzt die Bestrafung in Szene, die folgt, wenn man der Stimme des Blutes gehorcht. Das Privileg des eigenen Namens ist noch keines. Wenn die Macht des Namens des Vaters schon Teil seines Rechts gewesen wäre, dann hätte sie Ödipus vor dem Vatermord und dem Inzest, der daraus folgte, bewahren müssen. Aber das ist nicht geschehen. Daß sich andererseits jeder der Brüder, jede der Schwestern verdoppelt, markiert ebenfalls und immer noch einen Übergang, in dem die Extreme - die in der Folge die Bedeutung des Männlichsten oder Weiblichsten haben werden: Eteokles und Ismene - beinahe als Karikatur erscheinen. Wenn also Ismene als Schwester bezeichnet wird, weil sie zum selben Blut gehört wie Antigone, und Polyneikes als Bruder, weil er von der selben Mutter geboren ist, so ist Eteokles Bruder in der Eigenschaft als Sohn des selben Vaters und der selben Mutter.
Man kann die Dinge auch anders ausdrücken. Ismene erscheint unbestritten als »Frau«, nicht zuletzt in ihrer Schwäche, ihrer Angst, ihrem unterwürfigen Gehorsam, ihren Tränen, ihrem Wahnsinn, ihrer Hysterie, weswegen sie sich übrigens die herablassende Geringschätzung durch den König zuzieht und, folgerichtig, die Strafe, zusammen mit den anderen Frauen im Palast, im Haus eingeschlossen zu werden. Auf diese Weise wird sie der Freiheit beraubt, ihre angsterfüllten Gebärden öffentlich zu zeigen, damit der Mut der tapferen Krieger nicht angetastet wird. Für Antigone sind die Dinge weniger einfach, und der König selbst befürchtet, daß sie seine Männlichkeit usurpiert - »nun bin nicht ich der Mann, der Mann ist sie« -, wenn sie ihre Anmaßung nicht mit dem Tod bezahlt. Antigone unterwirft sich weder dem Gesetz der Stadt noch dem ihres Beherrschers, noch dem des Mannes in der Familie: Kreon. Eher will sie sterben, Jungfrau, keinem Mann vermählt, als die Blutsbande zu opfern, den Sohn ihrer Mutter den Hunden und den Aasgeiern preiszugeben und seinen Schatten ruhelos umherirren zu lassen; eher dem Dienst eines göttlichen Gesetzes abschwören, als ihre Neigung zu den Göttern der Unterwelt zu verleugnen, wo ihre Lust zweifellos mehr anerkannt würde, denn durch die Zugehörigkeit zu den Unterirdischen entkommt sie den Willkürakten der Menschen, denen sie mit ihrer und durch ihre Beziehung zum Hades trotzt. In ihrer nächtlichen Passion gibt sie sich Handlungen hin, deren Verderbtheit - wenigstens nach den Worten des Königs - die jämmerlichen Schandtaten bei weitem übertrifft, die die Menschen aus Liebe zum Geld begehen. Sie rühmt sich dessen sogar, erklärt, daß Sterben für sie süßer sei, als ihren Taten abzuschwören. Und daß darüber hinaus zwischen ihr und ihm nichts gesagt werden kann. Sie ist die einzige unter den Einwohnern von Kadmos, den Alphabeten also, die so urteilt; zumindest die einzige, die es mit lauter Stimme tut. Sie gewinnt auf diese Weise die Komplizenschaft des Volkes, der Sklaven, die ihren Aufstand gegen die Autorität des Herrn freilich nur heimlich, mit leiser Stimme ausdrücken. Ohne Freunde, ohne Ehemann, ohne Tränen wird sie auf den vergessenen Pfad fortgeführt, um in einem Loch in den Felsen lebendig eingeschlossen zu werden, des Lichtes der Sonne für immer beraubt. Allein in ihrer Gruft, in ihrer Höhle, in ihrem Bauch, wo ihr diejenigen, die die Macht haben, die zu ihrem Überleben gerade ausreichende Nahrung zugestehen werden, damit der Stadt die Schmach und der Makel ihrer Verwesung erspart bleiben. Alleingelassen in der Konfrontation mit ihrem unterirdischen Gott, um - auch - zu sehen, ob sie diesen einsamen Kult überlebt. Aber die Liebe ist für sie mit allzu verhängnisvollen Vorstellungen verbunden, als daß ihr Begehren sich über diese Bestrafungen hinwegsetzen könnte. Nicht schuldig, fühlt sie sich gleichwohl durch das unselige Hochzeitslager ihrer Mutter belastet; schuldig, weil aus einer so entsetzlichen Umarmung geboren. Verflucht also, und um einer Strafe zuzustimmen, die unverdient, aber auch unvermeidlich ist, nimmt sie wenigstens die Trauer über ihre Lusterfüllung — Trauer, die ihre Lusterfüllung ist? - für sich in Anspruch und gibt sich den Tod. Nimmt sie auf diese Weise den Beschluß vorweg, der von der herrschenden Macht schon formuliert worden ist? Indem sie ihn verdoppelt? Ist sie schon gefügig? Oder noch aufsässig? Jedenfalls wiederholt sie an sich selbst die mörderische, aber unblutige Geste ihrer Mutter. Und was auch immer die aktuellen Streitigkeiten mit den Gesetzen der Stadt sein mögen, ein anderes Gesetz zieht sie bereits dorthin, wohin sie geht: die Identifikation mit ihrer/der Mutter. Aber die Mutter und die Frau, wie soll man sie unterscheiden? Verhängnisvolles Paradigma einer Mutter, die als Ehefrau die Mutter ihres Gatten ist. Also wird sich die Schwester erhängen, um wenigstens den Sohn ihrer Mutter zu retten. Sie wird sich mit dem Schleier, ihrem Gürtel, den Atem - das Wort, die Stimme, die Luft, das Blut, das Leben - abschneiden und so in den Schatten des Grabes, in die Nacht des Todes zurückkehren, damit ihr Bruder, das Begehren ihrer Mutter, ewig lebe. Sie ist niemals Frau geworden, doch auch nicht so männlich, wie es eine ausschließlich auf den Phallus gerichtete Deutung glauben machen könnte. Denn es sind Zärtlichkeit und Mitleid, die sie dorthin geführt haben. Sie ist von einem Begehren ergriffen, für das kein Weg gebahnt ist, niemals gebahnt war - ein Begehren, das in Polyneikes die Beziehung zu ihrer Mutter wiedergefunden hat? Polyneikes, der weiblichere der beiden Brüder. Der jüngere? Auf jeden Fall der schwächere, derjenige, der sich zurückschlagen läßt; der erregbarere, der impulsivere, auch derjenige, der in seinem Zorn versuchen wird, sich die Pulsadern zu öffnen, sein Blut fließen zu lassen. Bewaffnet für und durch die Liebe einer Frau - anders als seine Schwester ist er verheiratet, und durch diese fremde Heirat verdammt er sie dazu, lebendig begraben zu sterben. Wenigstens hat er dabei in der Leidenschaft des Blutes das Recht seines Bruders - Eteokles - auf die Befehlsgewalt zunichte gemacht, hat die Beziehung von jenem - der Erstgeborene dem Namen nach? - zur Macht, zur Vernunft, zum Besitz, zur väterlichen Nachfolge zerstört. Doch im gleichen Augenblick ist er selbst ums Leben gekommen. Ohne daß sich deshalb die Art der Regierungsausübung geändert hätte. Ein anderer Mann findet sich, um die Ablösung zu garantieren: Kreon. Auch er einsam - wie Antigone -, allerdings mit dem Instrument des Gesetzes auf seiner Seite. Verzweifelt, jedoch entschlossen, die Macht allein für sich zu beanspruchen. Nachdem er Frau und Sohn in die Selbstvernichtung getrieben hat, besteigt er den Thron wieder, ohne Liebe, und behält das Szepter in den Händen: gedemütigt zwar, aber seine Handlungen auf strengste Weise regelnd. Unbeugsam in seiner Strenge. Unversöhnlich in seiner Vernunft, deren fragile und, sofern sie rigide und herrisch ist, leicht zu zerbrechende Kraft ihn zum Mißtrauen zwingt. Mißtrauen gegenüber dem Genuß, der Beherrschung durch eine Frau oder Frauen überhaupt, gegenüber der in seinem Sohn repräsentierten Leidenschaft der Jugend, der Koalition des Volkes, der Empörung der Sklaven und sogar gegenüber den Göttern, die Begierden unterworfen sind, die sie untereinander trennen; Mißtrauen daher auch gegenüber den Sehern und den »Alten«. Er verteidigt sein Privileg, als einziger den Schutz des Wortes zu sichern, der Wahrheit, der Intelligenz und der Vernunft, des schönsten aller Güter; gleichwohl bekundet er in seiner Beziehung zum Weiblichen und zum Göttlichen einige Unvernunft. Und in dem Blutbad unter den Mitgliedern der Familie - Ismene abgeschoben in ein vergoldetes Gefängnis, das der Wechsel des Souveräns in eine simple private Wohnstätte umzuwandeln droht-, in diesem allgemeinen Blutvergießen bleibt er allein, bleibt Ems, wiewohl zerrissen zwischen einer Gewißheit seiner selbst, die nichts als Unglück ist - ein überflüssiger Mann, auf dem ein unerträgliches Schicksal gelastet hat und dem alles und jeder gleich zufällig geworden ist -, und der strengen Souveränität eines inhaltsleeren (leer von der Substanz des Blutes) Fürsichseins, einer Allmacht, die sich selbst entfremdet ist und die ihre Macht als Person einzig aus der Ausübung eines Rechts zieht, das die Bindungen (des Blutes) zwischen den einzelnen Individuen in abstrakter Allgemeinheit aufgelöst hat. Bald wird er Gott sein, allerdings ein Gott ohne ein anderes Begehren als das nach Unterwerfung eines jeden unter das Gesetz des Blutes, das geronnen ist im Stillstand des sich Ähnlichen: im ICH.

Dies ist der notwendige Augenblick für das Werden des Geistes, über den Hegel in und durch diese Passage freilich ein beinahe melancholisches Bedauern ausdrückt: in dem Traum von der Rückkehr zu der (von anderem Blut) reinen Zuneigung zu seiner Schwester, damals, als Art und Gattung noch nicht entstanden waren, als die Einheit, die Individualität, das noch vom Blut lebende Subjekt vorhanden waren. Und in der Nostalgie dieser Regression demonstriert er sein Verlangen nach einer Beziehung, die zweifellos geschlechtlich ist, die ihm jedoch den Weg durch die Wirklichkeit des sexuellen Begehrens erspart. Das sexuelle Begehren, das die Harmonie zerschlägt, die im Kreislauf des Blutes zusammengefaßt ist, in dem eine Einteilung zwischen Bruder und Schwester geschähe, nach bestimmten - in ihrer Animalität noch wenig differenzierten - Rhythmen der Blutzirkulation: Einatmen/Ausatmen, Verflüssigung/Verhärtung, Apprehension/Resorption eines Außen. So würde der eine (er oder sie) ausatmen, während der andere begänne einzuatmen, würde der eine (er oder sie) rotes Blut, während der andere bereits im venösen Blut in sich zurückginge; der eine (er oder sie) behauptete sich als vereinzelte Individualität eines oder vieler Blutkörperchen, während der andere Lymphe bliebe, der eine (er oder sie) kehrte in dem Moment über die Karbonisation in die Erde zurück, da der andere gerade aus dem Schlaf erwacht und Feuer fängt, etc. Doch vielleicht sind sie mittlerweile unwiderruflich getrennt, in jenem Prozeß, der die Verdauung ist. Denn während die eine (sie) sich im anderen (ihm) wiedererkennen kann, ihn also assimiliert hätte, trifft das Umgekehrte nicht ganz zu. Und wenn Antigone diesen Mut, ein Herz und einen Zorn bezeugt, die ihr eine autonome Haltung verleihen, die sie nach außen wendet, gegen jenes Äußere, das für sie die Stadt ist, dann beweist das, daß sie das Männliche verdaut hat, zumindest partiell, wenigstens für einen Augenblick. Doch vielleicht ist das nur möglich gewesen in der Trauer um ihren Bruder, Zeit, um jenem die Männlichkeit wiederzugeben, die er im Tod verloren hat, und damit seine Seele wieder zu nähren. Und daran zu sterben.

Das Gleichgewicht des Blutes ist also schon zerstört, verändert und aufgelöst. Das unvermischte reine Glück, sich selbst zu verdauen, sich selbst zu verflüssigen, zu beleben, in seine eigene Bewegung zu versetzen, sich selbst zu erzeugen, dieses Glück ist nicht nach gleichem Maß aufgeteilt. Aber solange die Schwester in ihrer lebendigen Einheit fortbesteht, kann sie die selbstrepräsentative Stütze dieser Substanz - des Blutes - sein, die der Bruder sich assimiliert, um in ihr zu sich selbst zurückzukehren. Als Unterpfand des Fürsichwerdens des Sohnes in seiner Selbständigkeit gegenüber dem Paar, das ihn erzeugt hat, wäre sie der lebendige Spiegel, der Grund, auf dem sich, reflektierend, die Autonomie des Selbst herausbildet: privilegierter Ort der harmonischen Fusion (und Konfusion) des einen im anderen, des roten Bluts mit dem sich Ähnlichen. Eine Verschmelzung, auf die sie nicht das gleiche Anrecht hat. Und die unterschiedliche Anerkennung, die die Stadt ihrer Selbst-Bespiegelung, des einen im anderen, gewährt, hat ihre Eintracht von Anbeginn pervertiert, obschon man bisweilen einen öffentlichen Beschluß abwarten muß, damit es ganz offensichtlich wird, daß der eine die andere unterdrücken muß.

So fahren das Männliche und das Weibliche fort, sich zu entzweien. Die Frau-Mutter wird von nun an auf der Seite der nährenden und verflüssigenden Lymphe verharren, fast weiß, während sie in zyklischen Blutungen ihr Blut verliert, in ihrer Materie genügend neutral und passiv, damit die verschiedenen Mitglieder und Organe der Gesellschaft sie sich einverleiben und daraus ihre Subsistenz gewinnen können. Der Mann (Vater) wird in dem Werden seiner Individualisierung durch die Assimilation des anderen und Äußerlichen in sich und für sich verharren und auf diese Weise seine Vitalität, seine Irritabilität, seine Aktivität verstärken, wobei er im Augenblick der Absorption des anderen in sich, in sein Duodenum, einen besonderen Triumph verspürt. Der Va-TER-König wird, indem er ihn in seinen Diskurs aufnimmt, den Abbruch des (lebendigen) Austauschs zwischen dem Mann und der Frau wiederholen. In der Schrift des Gesetzestextes, von dem er (sich) gleichzeitig (als) das Doppel produziert (verschieden in ihm, in seinem Sohn, in seiner Ehefrau), macht er das Blut zu Kohle, und in der Vermehrung der Ähnlichen, der unterschiedlich blutlosen Atome des jeweils individuellen Ichs bleicht er es aus. Eine bestimmte Substanz geht in diesem Prozeß verloren: das Blut in seiner Beschaffenheit als lebendige autonome Subjektivität.
Unauflösbare Hypochondrie, Melancholie der Dialektik. Geronnenes Blut, das an die Schädelstätte gemahnt, die den Thron sichert, aber auch an den Abschaum einer unbestimmten Flüssigkeit, die unendlich fließt, bis sie im absoluten Geist den Grund des Kelches wieder öffnet: Blutklumpen, Lymphe, die, wenn sie sich ohne Rest auflösen könnten, den Geist in einer Einsamkeit und Unschuld aus Stein belassen würden. Vorausgesetzt, man könnte den Stein, der in seinem Innern am Tod der Weiblichkeit teilnehmen und ihn in sich zurückhalten kann, unschuldig nennen.

Man muß also auf den Aspekt der Sittlichkeit zurückkommen, wo diese Verletzung sichtbar wird, dieser Schlag, der eine Wunde hinterläßt, die kein Diskurs einfach (ein-)schließen wird. Die harmonische Beziehung zwischen Bruder und Schwester bestand in einer (angeblich) gleichen Anerkennung und in einer gewaltlosen gegenseitigen Durchdringung der beiden Wesen, in denen die Männlichkeit und die Weiblichkeit im menschlichen Gesetz und im göttlichen Gesetz zu ihrer Allgemeinheit gelangen. Diese gegenseite Übereinstimmung war jedoch nur möglich, weil sie als Heranwachsende noch nicht zum Handeln gezwungen waren, zumindest der eine von beiden nicht. Die fast paradiesische Fortsetzung einer vor dem Krieg geschützten Kindheit in der Familienglückseligkeit. Doch diese idyllischen und unbefleckten Kinderlieben haben keine Dauer... Jeder von beiden wird bald erkennen, daß er (oder sie) in dem ihm Ebenbürtigen auch seinen schlimmsten Feind, seine Negation, seinen Tod hat. Denn das Gesetz kann sich in der Tat in dieser Aufteilung nicht behaupten, nach der der eine und die andere ganz ohne Unterschied gleich gelten würden, je nach Fug und Recht wirklich das gleiche wären. Das Bewußtsein würde sich so weder in seiner Einfachheit noch in seiner Ungeteiltheit, die das Pathos der Pflicht ist, wiederfinden. Es muß sich daher dazu entschließen, im Dienst jenes Teils des sittlichen Wesens zu handeln, der ihm offenbar ist, desjenigen nämlich, der der natürlichen Geschlechtszugehörigkeit entspricht. Was das Bewußtsein - und das wird sich ihm erst im nachhinein enthüllen - zu einer ungewollten Vergewaltigung des anderen Teils bringt, der durch den einseitigen Charakter einer solchen Tat fortan verletzt sein wird. Es ist indessen unmittelbar klar, daß es niemals dieser einzelne ist, der sich auf diese Weise schuldig macht und dem das Vergehen angekreidet werden kann. Er ist lediglich der unwirkliche Schatten, der für ein allgemeines Selbst handelt. Im übrigen, was auch immer seine individuelle Unverantwortlichkeit sein mag, er wird für sein Verbrechen zahlen, indem er sich, nachdem er es begangen hat, von sich und in sich entzweit wiederfindet; jedenfalls indem er diese Entzweiung, deren andere Seite sich ihm nun in ihrer Entgegensetzung und in ihrer Feindlichkeit zu erkennen gibt, in das Bewußtsein aufnimmt. Lichtscheue Macht, die erst hervorbricht, wenn die Tat geschehen ist und das Selbstbewußtsein darüber ergreift: daß es auch dieses Unbewußte ist oder hat, das ihm zwar fremd bleibt, aber gleichwohl die Entscheidung, die er trifft, zum Teil bestimmt. So erweist sich der öffentliche Beleidiger, der erschlagen wird, als Vater, die zum Weibe genommene Königin als Mutter. Aber die reinste Schuld wäre die des sittlichen Bewußtseins, das ein Verbrechen begangen hat und dabei das Gesetz und die Macht, der es nicht gehorcht, vorher kennt: ein Verbrechen, notwendigerweise begangen von der Weiblichkeit. Denn wenn das sittliche Wesen auf seiner göttlichen, bewußtlosen, weiblichen Seite dunkel bleibt, so werden seine Vorschriften auf der menschlichen Seite, auf der Seite des Männlichen, des Gemeinwesens im vollen Licht des Tages dargestellt. Und nichts kann hier das Verbrechen entschuldigen, nichts die Strafe mildern. Noch in seiner Beerdigung bei lebendigem Leibe, seinem Fall in die Unwirklichkeit und das reine Pathos muß das Weibliche das Ausmaß seiner Schuldigkeit anerkennen.
   Bewundernswerter Circulus vitiosus einer einzigen Syllogistik: Dem Unbewußten wird, obwohl es unbewußt bleibt, unterstellt, die Gesetze eines Bewußtseins zu kennen, das sogar das Unbewußte ignorieren kann, das seinerseits wiederum, weil es die Gesetze nicht zu respektieren wußte, noch weiter verdrängt wird. Aber die Einordnung der beiden sittlichen Gesetze, der beiden Daseinsformen des sexuellen Unterschieds - die als solche im übrigen mit dem Tod des Bruders und der Schwester verschwinden müssen -in ein Oben und Unten kommt vom Selbst. Die Bewegung, durch die der Geist sich ohne Unterlaß erhebt, erfordert sie; er erreicht die Spitze seiner Pyramide um so leichter, je weiter die andere Seite in der Tiefe vergraben ist. So bindet die eine Seite die andere, damit der Geist aus ihr neue Kraft, eine neue Form gewinnen kann, während diese immer weiter in einen Grund zurückweicht, in dem eine Substanz verschüttet liegt, die sich ohne Zeichen irgendeiner Einzelheit verausgabt. Und es ist nicht einmal sicher, daß die Verletzung, die weiterhin geschieht, ans Tageslicht kommt, denn dieses Tun kann ebensogut den Rückzug in die Gruft beschleunigen. Das Auftreten eines »Wesens«, von dem nichts anderes erwartet wird, als daß es sich »entäußert«, heißt, es bereits auf das Gleiche reduziert zu haben, auf ein Unbewußtes, das niemals etwas anderes als das des Bewußten des alleinigen menschlichen Gesetzes gewesen ist. Das bedeutet, daß das Verbrechen ganz unbemerkt geschehen kann, das Tun sich niemals in einer Tat zu verwirklichen braucht, es sei denn, man entfaltet jedes dieser (ihrer) Ziele so genau und radikal, daß eine einzige Dialektik nicht mehr genügt, um ihre Kopulation zu formulieren. Denn wenn behauptet wird, daß der eine und der andere der beiden Charaktere in ein Bewußtes und ein Unbewußtes entzweit ist, indem ein jeder selbst diesen Gegensatz hervorruft, dann bleibt immer noch die Frage, wie die Gesetze des Unbewußten in die des Bewußten übersetzt werden können, die angeblich göttlichen Gesetze in philosophische, die der Weiblichkeit in jene der Männlichkeit. Wohin wird ihre Differenz in der weiteren Bewegung des Geistes gehen? Oder vielmehr: Wie wird dieser sie auflösen, wenn er sich, mit nachträglicher Wirkung, das Recht gibt, daraus Gesetze zu machen, darin sein Werden auszudrücken, während er mit seinem Verlangen, zu dem ihm Gleichen zurückzukehren, die Differenz in dem bestimmten Prozeß des Aussagens bereits ausgeschlossen hat? Das Problem ließe sich auch in dieser Weise beschreiben: Das Männliche wird das Gesetz seines diskursiven Projekts immer aufs neue überprüfen können, aber es wird dabei immer noch das des Weiblichen vorschreiben, während das Weibliche weder das Gesetz noch sich kennt. Und daß der eine und die andere idealerweise beides sind, bewußt und unbewußt, verhindert nicht, daß sich in Wirklichkeit das Bewußte - viel früher? - auf der Seite des Männlichen erhebt und das Unbewußte auf der Seite des Weiblichen fortbesteht, verdrängt in die nicht wahrzumachende Unterscheidung vom Mütterlichen. Was impliziert, daß die Männlichkeit - beim Mann oder eventuell auch bei der Frau - bis zu einem gewissen Grad in ihren Beziehungen zum Mütterlichen und in ihren identifikatorischen Anteilen daran eine Dialektik entfalten kann, auch bei gleichzeitiger Negativierung jeder weiblichen Einzelheit. Aber das gilt nicht (in gleicher Weise) für das Weibliche, das sich in keiner Differenz zum Mütterlichen und selbst nicht zum Männlichen kennt, außer in Form der abstrakten Unmittelbarkeit des Seins als Einssein oder dessen Ablehnung. Ihm fehlt die Möglichkeit der Bestätigung der eigenen Bande, einzeln und verallgemeinerbar auf jemand wie sich.

Die Frau hat weder einen Blick noch einen Diskurs für ihre spezifische Spiegelung, die es ihr erlauben würde, sich sowohl mit sich selbst (als Selbst) zu identifizieren - zu sich zurückzukehren - wie auch sich freizumachen von ihrer unmittelbaren Einbindung in einen natürlichen Spiegelungsprozeß, also aus sich selbst herauszutreten. Die Frau hat daher in dem Werden der Geschichte keinen Ort, an dem sie handeln kann, denn sie ist niemals etwas anderes als die noch undifferenzierte Undurchdringlichkeit der sinnlichen Materie gewesen, Reserve- (der) Substanz für die Erhebung des Selbst oder für das Sein, wie es (und also auch er) hier und jetzt ist: Verdoppelung eines im Aussage-Vorgang gegenwärtigen, das es aber, auf dem Wege zum Allgemeinen, schon nicht mehr ist, das nicht mehr gegenwärtig ist, wenn sie dort in jene Quast-Subjektivität eintritt, die die ihre sein soll, die sie sich jedoch nicht als Selbstbewußtsein aneignen kann. Für sie ist ich niemals gleich ich, wird es niemals sein; sie ist nur jenes einzelne Wollen, das der Herr sich aneignet, jener widerständige Rest einer Körperlichkeit, die noch sensibel ist gegenüber seiner Leidenschaft nach dem ihm Gleichen; oder sie ist, wiederum auf andere Weise, seine nach innen gewendete Seite. Und weil sie dies ist, macht sie den Aussageprozeß des Diskurses der Geschichte nicht durch, sondern bleibt der weibliche Knecht, ohne eigenes Selbst. Und da sie die Anschauung ihres wirklichen Selbst — ihres Ichs - nur durch einen anderen hat, ein Du, das spricht und Er ist, bleibt sie jener Diskursivität ebenso fremd wie ihrem Herrn. Ihr eigenes Wollen löst sich auf in der Furcht, die sie vor diesem ihrem Herrn verspürt hat, in der inneren Wahrnehmung der eigenen Negativität. Und ihre Arbeit im Dienst eines anderen, dieses Anderen, macht die Unwirklichkeit eines Begehrens aus, das für sie spezifisch wäre.
Doch mit dem Verzicht auf den Besitz eines solchen für sie spezifischen Begehrens gestalten sich die äußeren Dinge positiv; der Geist wird in ihren Formen, die nun von einem Selbst bestimmt werden, das kein einzelnes Pathos, keine willkürliche Zufälligkeit mehr kennzeichnet, aus seiner Objektwelt erneut eine Anschauung von sich gewinnen können. So wäre dies der wirkliche Sinn jenes von der Frau geforderten Gehorsams, ein einfacher Übergang, in dem die unwesentlichen Launen einer noch sinnlichen und materialen Natur in die Gestalt eines allgemeinen Wollens umgewandelt werden müssen.

Die Frau ist die Hüterin des Blutes. Aber wenn dieses (und auch jene) das allgemeine Selbstbewußtsein auch mit ihrer Substanz nähren mußte, so setzt sich ihre unterirdische Geltung doch in der Gestalt der blutlosen Schatten - unbewußten Trugbildern - fort. Ohnmächtig auf der Erde, bleibt sie der Grund, in dem der Geist seine Wurzeln hat und aus dem er seine Kraft schöpft. Und die ihrer selbst - der Männlichkeit, des Gemeinwesens, der Regierung - sichere Gewißheit hat die Wahrheit ihres Wortes und des Eides, der die Menschen untereinander bindet, in dieser allen gemeinsamen, verdrängten, bewußtlosen und stummen Substanz, in den Wassern der Vergessenheit. Man versteht nun, daß die Weiblichkeit in ihrem Wesen darin sich bekundet, daß sie den Toten dem Schoß der Erde zurückgibt, daß sie ihm das Leben für die Ewigkeit wiedergibt. Denn der blutlose Tote ist die Vermittlung, die sie in ihrem Sein kennt, der Übergang von der Einzelheit des begrabenen Lebewesens zum Allgemeinen des Wesens eines Daseins, das auf jedes bestimmte Selbst verzichtet hat. Sie kann daher, sich an diesen Moment der Vermittlung erinnernd, wenigstens die Seele des Menschen und des Gemeinwesens davor bewahren, sich in der Vergessenheit zu verirren. Sie sichert die Er-Innerung des Selbstbewußtseins mit dem Vergessen ihrer selbst.

Doch es kommt vor, daß sich aus jener Unterwelt Kräfte erheben, die feindlich geworden sind, weil sie des Rechts beraubt sind, sich im hellen Tageslicht auszuleben. Sie drohen, das Gemeinwesen zu verwüsten und das Unterste nach oben zu kehren. Während sie sich weigern, weiterhin der bewußtlose Nährboden der Natur zu sein, beansprucht die Weiblichkeit für sich selbst das Recht auf Genuß, auf Lust, sogar auf eine wirkliche Tätigkeit und übt so Verrat an ihrem allgemeinen Schicksal. Und, was schlimmer ist, sie verkehrt das Eigentum des Staates, indem sie sich über den reifen Bürger, der nur ans Allgemeine denkt, mokiert, ihn dem Gespött und der Verachtung einer unreifen Jugend aussetzt. Sie setzt ihm die Kraft der Jugend des Sohnes, des Bruders, des Jünglings entgegen, in denen sie eher als in der Macht der Regierung einen Herrn, einen Ebenbürtigen, einen Liebhaber anerkennt. Das Gemeinwesen kann sich vor solchen Ansprüchen nur schützen, indem es sie als Elemente des Verderbens, die es zerstören könnten, unterdrückt. Im übrigen vermögen diese Keime der Revolte nichts, sie sind allemal schon zunichte gemacht, da sie von dem allgemeinen Ziel, das die Bürger verfolgen, getrennt sind. Und jedes Gemeinwesen ist verpflichtet, diese noch zu unmittelbar natürlichen Kräfte in seine eigenen Waffen umzuwandeln, indem es die jungen Männer - an denen die Frau ihre Lust hat - auffordert, Krieg zu führen und sich gegenseitig in blutigen Konflikten zu töten. Durch sie wird die immer noch lebendige Substanz der Natur ihre letzten Ressourcen an eine formelle und leere Allgemeinheit opfern, ihre letzten Blutstropfen in eine Vielzahl von Punkten zerstreuend, die niemals mehr im Innern eines vertrauten schützenden Dunkels gesammelt werden können.

Und wenn das Sperma, der Name, das ganze Individuum in diesen Punkten eine Stütze finden können, die es ihnen ermöglicht, sich noch einmal (davon) aufzurichten, dann wird sich das Blut nie mehr in einem eigenen Zyklus zusammenschließen. Das Auge allerdings hätte das nicht nötig, um zuzusehen - wenigstens nicht unbedingt -, vielleicht auch nicht der Geist, um (sich) zu denken.