Vorwort


Die internationale Frauenbewegung ist auf der Suche nach ihren Begriffen, heute mehr denn je zuvor. Wenn die Erfahrungen, auf die sie zurückgeht, wenn das Leiden, dem sie Ausdruck verleiht, und wenn die Selbstvergewisserung der Frauen, die die Bewegung anstrebt, folgenreich nicht lediglich in Gruppen und Zirkeln, sondern im geschichtlichen Prozeß selbst werden sollen, dann müssen sie zum Gedanken finden: zur Analyse der Erfahrungen, zur Interpretation der Unterdrückung, zur Selbstreflexion der Befreiung. Emanzipation meint ja nicht nur politischen Kampf, sondern eben sowohl Kampf um Sprache, um Vorstellungen, um die theoretische Fundierung des Handelns. Die Überwindung der jahrhundertelangen Benachteiligung ist wohl nicht möglich ohne die Kritik der Symbole, der Redeweisen, der Denk- und Kulturmodelle, in denen diese Benachteiligung festgeschrieben ist. Selbstbestimmung der Frauen ist auch ein Theorieprojekt. — Zu den Wissenschaftlerinnen, die dazu erste aufstörende Arbeiten vorgelegt haben, gehört die Lacan-Schülerin Luce Irigaray. Nun erscheint ihr Hauptwerk, das in Frankreich, Italien und in den angelsächsischen Ländern heftige Debatten ausgelöst hat, in deutscher Übersetzung.
Speculum ist ein Versuch, eine Theorie zu begründen, in der die Frau nicht der Gegenstand des Denkens, sondern dessen Subjekt ist; einen Diskurs der Weiblichkeit zu entwickeln gegen den in der Geschichte, im Alltag, in den Wissenschaften herrschenden Diskurs.