Briefe 1910 bis 1919

PETER ALTENBERG

(2. 2. 1910) [315]

O, du lieber Peter A. (das A als Häuschen mit tief herabhängendem Dach, Tür, Fenstern und rauchendem Schornstein) 
Du steckst so recht in deinem Namen drin, du könntest gar nicht anders mehr heißen, wie P. A. Aber ich habe dir noch etwas sehr Wichtiges zu sagen, Du darfst es Niemandem wiedersagen, auch Karl Kraus nicht, wenn er auch, (wie er von Dir spricht und Dich verherrlicht) nach zu urteilen, Dein allerbester Freund ist. Denk mal an Peter Altenberg, ich bin Else Lasker-Schüler und gehe schon acht Tage von Tür zu Tür betteln, aber die miserablen Bestien geben mir nichts. Plebejer sind es, wenn es noch Urbestien wären, aber so! Und da ich hörte von einigen Wienern, daß Dirs auch mal so schlecht ergangen ist wie mir und Du auch jetzt gerade von keinem goldenen Teller zu Abend ißt, so habe ich eben die Courage es Dir gerade zu sagen. Lieber Peter Altenberg, leihe mir 100 Mk also 50 und 50 Mk. Ich weiß nicht wieviel Kronen das ausmachen, aber in Wien können es ja die Leute ausrechnen. Lieber Peter Altenberg, Du bist gewiß nicht böse darüber - lieber hätte ich Dich um eine grüne Glaskette gebeten, aber solch einen Luxus darf ich mir nicht erlauben. Auch besitze ich eine grüne Glaskette, ich trage meine Uhr daran und werde sie nun in meine Hand legen und warten bis die 100 (über der Zahl eine Krone) Mark aus Wien kommen. 0, Peter Altenberg, ich werde ein herrliches Fest geben, alle meine Bedienten sollen gelungene Masken tragen, auch Tänzer und Tänzerinnen tanzen in Schellenröcken. Lieber Peter Altenberg, siehst Du, ich habe nie Geld angenommen, aber ich möchte so gerne einmal etwas annehmen und das könnte ich nur von einem so königlichen Dichter wie Du »der« bist. Man ist so vierjährig wenn man etwas annimmt, es ist genau so, als ob ich wieder ganz klein wäre und vor einem Schaufenster stände und ein großer Mann käme im carrierten, weiten Rock mit einem Knüppelstock und würde mir ein Schaukelpferd für 100 Mk. kaufen. Darauf reite ich durch die Welt in alle meine Luftschlösser, die ich zu Fuß in schäbigen Schuhen nicht mehr erreichen kann. Lieber Peter Altenberg, weiß Du noch wie ich aussehe? Grün und rot, lebendig und tot. Ich weiß genau wie Du aussiehst und Champagner hast Du so viel getrunken und »Carmen« die Tänzerin hast Du geliebt. Aber nie hast Du jemand kennen gelernt, der so recht mit Dir spielen könnte, aus deinen Händen kleine Schlösser baute und dein Herz mit Bildern und Sternen taitowierte. Aber ich bin zu arm um nach Wien zu kommen, auch habe ich nur ein Kleid, und den Rock Josephs habe ich gefunden, der ist aber so ruiniert von der Grube. Peter Altenberg, bist Du mir böse? 
Deine Tino 
Else Lasker-Schüler 
Halensee-Berlin. Katharinenstr. 5 (Gartenhochpt.) 
(am Rand:) Du mußt mir das Geld frankiert senden, ich habe gar nichts mehr, ich bin von Herwarth Walden fort, ich liebe einen Jongleur vom Cirkus Busch namentlich seinen Schimmel, der hat eine silberne Haut.

MAX BROD

(8. 4. 1910) [316]
Lieber Prinz von Prag. 
Abba-Graham Gouverneur-Pascha von Syrien.
Ich schreibe eigentlich jeden Tag an Sie, lieber Prinz Abba-Graham, aber immer ohne Feder vielleicht könnte ich Sie beleidigen mit meinem Plan. Ich mag kein Vagabund mehr sein von Raub leben - und das Blut der Philister schmeckt mir auch nicht mehr. Aber ein Palast möchte ich mir bauen, mir einen Tempel nach meinem Gebet bauen lassen und einen weißen Rosengarten will ich haben mit einem bunten Springbrunnen. Wenn Sie es nicht wiedersagen, so will ich Ihnen meinen Plan erzählen und wenn Sie ihn mit mir ausführen wollen, so komme ich nach Prag oder Sie kommen hierher, Abba Graham und wir proben zusammen. Ich spreche doch syrisch, ich bin doch mein halbes Leben in Asien gewesen, ich habe meine Dichtungen, die in Asien und Afrika spielen übersetzt ins Syrische. Ich möchte als Syrerin auftreten mit meinem herrlichennasenknopf undmeiner unschätzbarwertvollen Schleife. Auch dudle ich auf meinem Dudelsack nachdem ich den Fakir gelesen habe, blase die Posaune meinem Urgroßvater dem Scheik, flöte und trommele. Aber ich muß einen Dolmetscher haben, der jeden Satz dem Publikum übersetzt ins Französische. Und der Agent hier sagt, das wäre großartig neu und das Engagement großartig bezahlt vielleicht zweitausend Mk. monatlich. Später nach London, dort hat ein Professor der Universität die Sachen ins Englische übersetzt. Bei Tage können wir arbeiten zu was wir Lust haben und in die Ausstellung gehen und einen kleinen Neger mieten wir uns zum Vortrag, der uns die Karten überreicht abends blecl<ende Zähne, rollende Augen. Aber ich weiß nicht, ob Sie es wollen, lieber Prinz, da Sie ja selbst dichten. Hier wollen es viele Studenten mit mir gemeinsam machen, aber am liebsten würde ichs mir mit Ihnen Abba Graham, weil wir uns so ähnlich sehn, aufführen bis wir große Schatzkammern haben. Dann gehen wir beide am Tage spazieren da! Sie kaufen mir eine Glaskette für die Uhr, ich kauf Ihnen einen Glasring gedreht wie das Innere der Glaskugeln womit die Jungens spielen, ich bettle Sie an, bis Sie mir einen Gürtel kaufen aus schottischem Lack, ich schenke Ihnen ein lila seidenes Taschentuch. Dann essen wir blutiges Fleisch und Gemüse wo weil mein Herz so schwach ist. (Ich habe eine Edelneurose aber die dämonisiert ist: es ist die wilde Heckenrose.) Nachmittags trinken wir jeder ein Glas süße Sahne mit Zwiebäcken und mit Äpfeln. Und am 20 des Monats bekommen wir unsere zweitausend Mk., Jeder ein Tausend. Wollen Sie? Oder nicht? Aber keinesfalls mein Patent wiedersagen, nein? 
Lieber Prinz, ich bin ganz ruiniert, ich bin ein verwundeter Räuber o, und ich sehne mich eigentlich die böhmischen Wälder zu sehn, auch durch die Bögen von Prag zu gehn. Sie sind doch augenblicklich dort, oder in Syrien? 
Lieber Prinz, ich sende Ihnen diesen neuen (ein Komet) Ich grüße Sie und den Paul Leppin. Grüße. 
Ihre Tino von Bagdad Else Lasker-Schüler Halensee-Berlin. Katharinenstr. 5 
Ich trage schwarzseidenes Kleid. 
Sie grauer Cylinder und Frack. 
Der Neger ganz rot - Fez Kittel. 
herrlich - 2 Kerzen brennen ganz hoch. 
Wunderbar. 
Sie müßten nur hören wie Syrisch sich anhört herrlich, wie Vögel in der Wüste. Böser Gesang, süße Triller und dazwischen Sandsturm! Châ machâ lâaaooooo!!!!

ADRESSAT UNBEKANNT

Hochverehrter Herr Direktor. [317]
Ich dachte Sie mir ganz genau so liebenswürdig. Wie oft sprachen meine Eltern von Ihnen. Vielleicht helfen Sie mir zu einer Aufführung, Herr Direktor falls Ihnen meine Wupper gefällt. Wie dankbar wäre ich Ihnen! Mir geht es seit vielen, vielen Jahren so schlecht, das glauben Sie kaum; mein Mann noch ich haben irgend mater. Glück und das Leben ist nur Kampf. Ich wollte es Ihnen nicht im Café erzählen: Ich gehe nämlich zum Variété(orientalisches) Aufführung. Ich spreche dort arabisch mit einem Dolmetscher; und eine Tänzerin tanzt. Die Zukunft meines Jungen macht mir schreckliche Angst und ich will sie mater. sichern. Ich sage Ihnen das alles Herr Direktor, weil ich weiß, Sie verstehn es. 
Wenn mir nun noch so eine Freude würde, daß ich mein Schauspiel, ich meine alle seine Menschen, die ich erschaffen habe, wiedersehe und weinen und lachen höre das wäre herrlich! (zwischen den Zeilen:) hier oder auf anderer Bühne. Sie brauchen doch nur ein Wort sagen, Herr Direktor, dann tun es die anderen. (/) Ich grüße Sie hochachtungsvoll und dankbar wie es auch wird, Herr Direktor. 
Ihre verehrende Else Lasker-Schüler. 
Halensee-Berlin. Katharinenstr. 5. Gartenhochpt.

FRITZ STAHL

Hochverehrter Herr Stahl. [318]
Ich weiß nicht, ob Sie es wissen - bei Cassirer (Salon) Victoriastr. 35 ist augenblicklich eine Kokoschka-Ausstellung. (Nur noch einige Tage.) Sie müssen die Bilder sehen, die Schneelandschaft, die meisterhaften Köpfe und die Zeichnungen. Es weiß Niemand, daß ich Ihnen schreibe, Herr Stahl, und ich bitte Sie es auch nicht Herwarth Walden zu sagen. Bitte nicht! Ich glaube zwar mein Mann hat Sie auch darauf aufmerksam gemacht, und vielleicht waren Sie schon dort, Herr Stahl? Und Ihre Frau Gemahlin muß die Ausstellung auch sehen. 
Ich muß Ihnen nämlich sagen, Herr Stahl, ich kann Ihren Vortrag bei uns nicht vergessen, der war geradezu grandios und Sie werden eine groge, große Freude haben beim Betrachten der Bilder. Wenn es so ist - so bitte ich Sie, Herr Stahl darüber zu schreiben. Nicht weil ich befreundet bin mit 0. Kokoschka - ich bin ihm fast fremd - ich möchte es rein im Interesse dieser merkwürdigen Malerei, die ein Ereignig mir ist von Farbe und Tiefe. (Paul Cassirer soll sehr entzückt sein.) 
Ich gehe bald fort von Berlin, mein Glück suchen. ich nahm ein Engagement an (rein aus mater. Gründen) in der orient. Ausstellung in Brüssel. Seitdem ich in Dresden sprach in der liter. Gesellschaft, bin ich fertig, Herr Stahl. Vor 490 Cafébasen und 10 Philistern und 3 Larven. Ich möchte es von der Kunst nun zum Kunststück bringen - aber ich bin sehr traurig. Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil er eigentlich mir selbst beweisen soll, daß ich rein aus idealen Zwecken noch etwas tun kann, ich habe mich nie in künstlerischen Beurteilungen geirrt - darum auch gedenke ich Ihrer, Herr Stahl, Ihr Vortrag war der allererste dem ich folgen konnte mit Begeisterung. - Für den kleinsten Bubi, den ich ja gut kenne meinen allergrößten Gruß. 
In aller Verehrung, Herr Stahl, Ihre ergebene Else Lasker-Schüler. 
(am Rand:) Herr Kokoschka weiß natürlich nicht von diesem Brief - so stehen wir nicht zusammen.

EDUARD PLIETZSCH

Lieber König. (über dem K eine Krone) [319]
Wenn ich an Sie schreiben werde so werden es dieselben Briefe sein, die Jussuf von Egypten Pharao schrieb mit dem Griffel auf Stein. Es ist schade, daß so bald die anderen Gäste kamen, wir hätten nämlich das Thor erreicht, das in ein fremdes Land führt, aber das mir bekannter ist und ebenso aussieht wie ich und meine Gedanken und die Farbe meines Herzens hat; das ist oft blau. Haben Sie schon einmal ein blaues (ein Herz) gesehn? Das Ihre ist rostgelb wie der Herbstwald. oder mostgold wie der Wein. Sie sind ein deutscher Prinz und König und ich bin aus Cana, Jalcobs Sohn und trage den lammblutenden Rocl<. Als Sie vor einigen Tagen auf einmal vor meiner Pforte standen, ich Sie einließ, wollte ich Ihnen am Abend schreiben, (/) (aber ich dachte, es sei aufdringlich) (/) Sie sind mir einmal schon in meiner Bibelzeit begegnet und Träume habe ich gedeutet, Ihre Träume; nachher wurde ich Kornverweser. Aber davon wissen Sie nichts. Sie erinnern sich meiner nicht mehr denn das Germanenblut verwischt. Ich möch stundenlang mit Ihnen sprechen dann freue ich mich. Ich kann noch immer Träume deuten, Herr, und weissagen - aber ein »Kind« bin ich nicht; wohl aber Jussuf und mag das Kind im Weibe nicht; immer dachte ich an Potiphars Katze (ein mit Tinte ausgefülltes Herz) Das Herz, ihr (/) schwarzes (/) Herz wollte sie mir eben aus der Hand reißen. - Was dachten Sie von mir? Dachten Sie an meine Paläste oder an meine verlorenen Dromedarheerden, als Sie mich ansahen? Oder an den Reichtum meiner Empfindungen, 5000 Säcke Gold verschwendet mein Herz jeden Tag; aber ich liebe die Nacht (das N mit Tinte ausgefüllt). wenn sie ganz dunkel ist oder wenn ein einziger (Nacht) (im N ein Stern) aufgeht nach dem man immer wieder greift. Sie auch, König? Schreiben Sie mir, aber nur wenn Sie Lust haben. Ich lese ihn ganz allein. Und mein Brief? 
(am Rand:) Jussuf (ein Komet) 
Halensee-Berlin Katharinenstr. 5 (Gartenhochpt.) 
Else Lasker-Schüler

EDUARD PLIETZSCH

Kalifensohn. (über dem K ein Stern) [320]
0 dein Brief war schön! - daß du mich rein von Nüchternheit meinst trotzdem ich arbeite wie Jussuf, der die Kameele hütete. Ich liebe dich, weil du so gesprochen hast und ich möchte dir eine Karawane mit sügen Getränken in Schläuchen schicken und Rosenöl und Salben aus Libanonblüten. Und verzuckerte rote Rosen und einen Ring in dessen Stein sich der Sinai spiegelt. Und fünfundsiebenzig Feierkleider aus Seide und meine schönen bunten Steine. ich habe ungefähr drei Türme voll von bunten Steinen aus allen Ländern der Erde. Du kannst es mir glauben, ich schlug den Torhütern die Köpfe ab und drang in alle Schatzkammern, sonst könnte ich ja gar nicht so viele gläserne Farben haben. Was sollte ich anfangen ohne Geklizer in den dunklen Nächten (im N ein Stern) hier. Immer lag ich auf den Dächern unserer sägnenden Stadt und spielte mit den (viele verstreute Sterne) Ich bin krank, lieber Kalif, süßer König. Wie das hell klingt, die klarste Harfensaite. Manchmal sage ich auch nur so etwas, weil es so schön klingt oder weil es glücklich im Blicken macht. Und da wir alle, - alle Könige und Prinzessinnen und Prinzen und alle Biblischen schluchzen, müssen wir uns Süßigkeiten reichen. Nicht Bitteres - wir hängen ja nicht am (ein Kreuz) Wenn wir uns nun wieder begegnen wie sollen wir uns da ansehn? Aber ich denke nicht daran; ich möchte dir alles schreiben was ich denke. Ich sage du, weil es gut ist. Ich habe so viel gemordet und wenn ich »Sie« sage, sehe ich eine Dolchspitze. 
Aber es ist schön zu morden in Wirklichkeit, da beginnt die Spitze des Dolches an zu bluten, aber das »Sie« kann sich nie auflösen und ist die maliziöseste Spitze. Du verstehst doch meine Sprache und übersiehst die vielen Fehler in der Schrift. Immer schrieb ich alte Sprachen oder auch »die« nicht und habe nie wissentlich etwas gelernt, trieb mich in der Welt heruin. Aber ich schwärme für deine Sitte, du bist ein Symphonie von Violinen, alle gestimmt und ich bin das Geschrei der Kameelheerden. Du bist ein fremder Prinz vor meinem Herzen, (darunter ein Herz) aber ich weilg deiner Väter Vater war Kalif in Bagdad in deiner Traumzeit. Ist das nicht so? (ein Komet) Soll ich dir noch mehr schreiben? Aber daP> du glaubst man findet die Reine nur unter den »Prinzessinnen« des Landes! Ich habe sie meist nur gefunden in den Herzen meiner Brüder. jonathan war mein treuster Freund und Pharao hatte Korngeruch. Und du glaubst mir noch immer nicht, süßer König, daß ich Joseph der Egypter bin. Ich trug am Abend, als du in den Vorhof tratst, nicht meinen bunten Rock. Ich werde ihn aber anlegen wenn du heimkehrst - und wenn dir mein Bild gefällt dann magst du es behalten. Ich flöte die Heerde zusammen. Ich sende es dir nicht, weil es mein Bild ist, das wäre ja aufdringlich, ich beweise nur mit ihm, daß ich es bin und daß ich verkauft bin wie Joseph und daß ich Träume deute, daß ich liebe wie Joseph von Egypten. 
Nicht »gnädige Frau« - ich heiße eigentlich Tino.

EDUARD PLIETZSCH

Sehr werte Gervinusstraße. [321]
Nach dem Essay in der heutigen Fackel, leiden Sie an Finsterniß und doch geht der Mond gerade über Ihnen in Ihrer Straße auf. (zwischen den Zeilen ein Stern und ein Mondgesicht mit schiefem Hut) Ich selbst bin am Wendekreis des Steinbocks angelangt, ich leide daran und bitte Sie um meine Briefe, die für Sie keinen Wert, nicht einmal historischen vielleicht hysterischen Unwert haben. Sie sind eben (...) so ein verfluchter Philister wie die all sind, haben gewiß geglaubt, trotzdem ich Sie für einen Studenten hielt, ich stehle Ihnen die paar Rembrandts oder Rubens aus Ihrer Wohnung, dabei raube ich nur. Und daß ich Sie anrempelte im Verein, Sie hören doch sonst nicht. Und daß ich im Vorbeigehen sagte. süßer König komme an unseren Tisch - tat ich nur wegen der Aktheten Guhlke. (oder wie heißen die allerersten Geschöpfe?) (karikiert gezeichnetes Gesicht im Profil) Dem habe ich gesagt, er sei ein (/) affektierter (/) Lümmel, nun hat er eine Wut auf mich. Was können Sie ernstere Dinge zu tun haben, als mich?? Ich hab doch mit den Fächern Ihrer Kommode nichts zu tun. Sie möchten mich so gerne verachten, aber Sie können Sich doch nicht vor Sich Selbst blamieren, nich? Ich habe keine Ruhe, Herr, immer unstät, kein zuhaus. Ich wollte ich wär jemand sein Kind. Und es ging jemand mit mir in alle Spielläden und kaufte mir Schaukelpferde, kleine Bären, Schachteln voll Häuschen und Bäume und Schafe und Hühner. Es ist 2 Uhr ich sitze bei den Vegetariern neben mir auf (eine Schwurhand) der Zwiebelasket als Grieche ein verunglückter Bruder von Achill. (Portrait des »Griechen«) Mein Löffel damit ich Apfelsinenspeise esse, riecht nach Zwiebel; daß der Wirt nicht schimpft, habe, ich gesagt er sei auf die Erde gefallen, nun hat er mir einen anderen gegeben. (Zeichnung des Löffels) 
Ich hätte so gerne jeden Tag eine Stunde wo in einer Sofaecke bei Ihnen ausgeruht, Sie hätten gar nicht zu Hause sein brauchen. Wir sind ja Jungens. 
(Gemeinheit!) geradezu ordinär von Ihnen. 
E LSch.

OSKAR KOKOSCHKA

(17. 5. 1911) [322]
Ollet Rind, wat schecken Se' meck ens däm fisen, schwaten Caplan no hier? Sie han ömm gescheckt dat hä meck beobachten dut, dat Se' wat tu klatschen han. Hä seit, Se löten (ließen) meck größen on eck söll öwer sing Utstellung hier schriewen. Wat gon meck sinne Kleckserieen on! Ewwer kömmen Se' bitte wacker no hier, Se ollet Rind, dat eck eene Fröde han denn wir beleedigen uss so nett: Aujust (über dem A eine Schellenkappe) 
Die Lüte spräken alle so wie Sie met eena gummerte Zonge. Eck verston nu die Sprake, Mensch. Kommen Se ens, eck kenn' Polen, die loten sech molen verdeck.

ADOLF LOOS

Verehrter Gorilla. [323]
Schon zweimal sagen wir nebeneinander und ich hatte immer Angst mit Ihnen zu sprechen, weil Sie mich beißen könnten oder mir den Scalb vom Kopf reißen könnten wie es in meiner Heimat mal einem Mädchen geschehn ist, die sich mit einem Pavian unterhalten wollte. Sehen Sie! Aber so kann mir ja nichts passieren, als daß Sie den Bogen zerreißen werden mit den Zähnen vorher müssen Sie den Brief lesen, er wird mir nicht ganz leicht zu schreiben. Ich bitte Sie, lieber Gorilla, sich doch um Herwarths Oper zu kümmern. Er bekommt sof ort den Klavierauszug wenn eine Aufforderung von der Oper aus Wien eintrifft, daß sie geprüft werden soll. Ich will nicht immer den Herzog (Karl Kraus) mit allen Dingen stören, da er schon so viel für uns getan hat. Aber sagen, wenn Sie wollen, mögen Sie es ihm, lieber Gorilla, er wird uns sicher in der Opernfrage recht geben. Herwarth würde sich wahnsinnig freuen, wenn seine Oper in Wien Glück hätte, es weiß ja kein Mensch von der Schönheit seiner Musik. Ich finde das haarsträubend, es ist doch sein wirkliches Talent, daß das so hintennach, noch nicht mal, kommt. Lieber Gorilla, Sie sind mir doch darum nicht böse oder ähnlich? Mir ist ja diese schäbige Welt ganz schnubbe 
geworden. Augenblicklich stehe ich nur noch im Verkehr mit dem (ein Vollmond) er ist der einzig interessante Mensch, da er sich verändert z. B. sehen Sie nur mal in der Höh (nicht was kommt dort von der Höh) im (ein Halbmond) seine herrlichste Gestalt. Wenn 
Sie wieder nach Berlin kommen mit dem Herzog, freuen wir uns sehr. Ich hab nun auch ein Restaurant im Kopf wo man die auerwähltesten Deserts bekommt, ich habe gemerkt die essen Sie gern und das tun ja Gorillas mit Vorliebe. 
Ich grüße Sie und halte meine 
Arme hoffend zu allen Himmeln erhoben und faste. In Verehrung! 
Ihre Else Lasker-Schüler. Frau Walden-LSchüler - Halensee - Berlin Katharinenstr. 5. Garten hochpt.

ADOLF LOOS

Lieber König vom Urwald. [324]
- und die Fledermaus läßt nichts von sich hören und wir Alle harren. Gerne senden wir unsere Bilder, aber wir müssen sie wiederhaben. O, lieber Gorilla mit den bösen Pupillen würden wir Ihnen so unsere vernichtete Seelen enthüllen. Ich wollte, ich hätte keine. Und Herwarth's Oper, die liegt mir am (ein Herz). Bedrohen Sie doch den Direktor oder den Dramaturg in der Hofburg. O, lieber Gorilla, wir sind bald alle des Todes. 
Tino. (ELSch.)

HEINRICH F. S. BACHMAIR

O, Sir ! [325]
Möchten Sie Sich näher erklären? Sir?
Seine Hoheit der Prinz von Theben pflegt sich seinen Hofnarr aus seinem erlauchten Blut zu wählen, da dieser sich Späße mit ihm erlauben darf und soll. Der kleine rote Heuschrecl-, ist der Literatenlehrling des feindlichen Heers und dient so lange seiner Hoheit des Prinz von Theben (/) als Spion (/) bis er ihn von seinen Negern zerbeißen läßt. Aber, Sie würden unserer Stadt einen großen Gefallen erweisen, Sir, falls Sie Sich näher erklären würden in welcher Weise Sie belästigt worden sind oder ob Sie das nur im Allgemeinen betonten? Um 9 Uhr abends ist der Palast geöffnet, der Tronsaal wie das Audienzzimmer seiner Hoheit des Prinzen von Theben. Er erwartet Sie freudvoll und sendet Ihnen, Sir, seine freundlichen und sympathischen Grüße
Jussuf (über dem J und hinter dem f je ein Stern(
Ossmann = Tecofi - Penaus (?)
(über dem O ein Fez)

HEINRICH F. S. BACHMAIR

Ceremonienmeister, [326] (über dem C eine spitze Mütze mit Mondsichel)
lâ siddi!
Ich lag diese Nacht auf meinem Dach und zählte die Sterne wie man die Arabesken der Wände seines Gemachs zählt. Ich langweilige mich in dieser Welt (im W ein Palast) ohne Wunder, in Berlin der Stadt mit dem Asphaltherzen. Was macht es aus, ob der oder jener mich besucht, (/) was ärgerst du dich? (/) ich höre doch nur Theben rauschen und mein Volk nach mir schrein und ich grüße dich, Ceremonienmeister. 
Jussuf Prinz von Theben. 
(ein Komet)
O. Memelerstr. 80 
Herrn Heinrich Bachmair 
Berlin 
(behalte sonst die Adresse nicht. 
habe hier kein Couvert mehr.) 
Bin diesen Abend 9 Uhr 
es kommen Alle. 
Falls Ihr Freund bei Ihnen wohnt, bringen Sie ihn 
natürlich mit.

GEORG TRAKL

Lieber Dichter. [327]
Ich darf mal gar nichts sagen, da ich auch so lebte - nun aber schwor ich so viel Eide und ich lasse es. Aber wenn Sie weiter trinken, brech ich die Eide und trink wieder. So schön muß (ein Stern) Tyrol sein, möcht es auch mal sehn; ich betrink mich dort mit Grün oder mit dem Feuer der Blitze. Viel Gewitter dort, liebe Gewitter so kreuz und quer Blitzspiel. So wie ich bin. Soll ich was nach München Innsbruck kommen. In München hab ich prachtvolle Freundin: Rinaldomädchen. Blaue Augen wie Flüsse - ich ertrink darin so gern. Ich hab aber so wenig Geld jetzt - aber ich raub es mir in 8 Tagen. hier. Es lebe der Raub! Was denken Sie von Strandräuberei? Mein Herz klopft so sehr; (/) Höhle wo (/) oben im Turm: bei mir dumpf und ohne Schwung. Hätt ich Fallschirm, würd ich herunterspringen. Grüße an den Landvogt Ludwig. Ihr wilder Prinz Jussuf. 
(Zeichnung: neben Mondsichel und Stern eine Halbfigur mit Mondsichel und Stern auf der Wange, einen Speer haltend, darunter:) Hand zittert. Sollte Speer werden.

PAUL LASKER-SCHÜLER

(?) 12. 1912) [328]
Mein Päulchen! 
Mutter freut sich so. Habe schon einen Baum gemacht, alleine für Päulchen. Hänschen sendet Mutter ein großes Bilderbuch, das Paula Dehmel schrieb Mutters Freundin. Viele, viele Küsse von Mutter

EDDA UND ERIKA LINDWURM-LINDNER

(19. 1. 1913) [329]
Liebe Puppenkinder, ich bin in München, war schrecklich krank, seit gestern besser. Auf dem Land bei München konnte ich keine Cur machen, kein Arzt etc. Bin dann mit Marcs hierher gereist - wohne: München. (Bayern) Pension Modern Theresienstr. 80. 
Bitte schreibt mir eine Karte wies Euch geht und schreibt doch Päulchen mal schön. Immer Ehrenwort grüßt er Onkel Franz, den ich auch grüge Eure Tante und Freundin Else. Paul Walden Oberhambach bei Heppenheim. Bergstraße. Bitte nicht Niemand Pauls Adresse sagen.

ADRESSAT UNBEKANNT

Madonna [330] (vor dem M eine Blüte, über dem M ein Heiligenschein)
Dieses kleine Kameelhaarbündel ist die Kostbarkeit, die ich besitze. Bewahren Sie den Fetisch (Fetâm) er soll Ihnen Glück bringen. Wie lieb mir Oda (über dem 0 ein Stern) ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Mein Paul ist, nach dem Urteil von maßgebenden Malern schon ein fertiger Maler. Später einmal zeigt Madonna den beiden Kindern diesen Fetäm. Ich ritt zwölfjährig zwischen Priestern, die sich mit Schwertern zerfleischten, zwischen fanatischen Edelmohamedanern und Derwischen auf dem Kameel am Rücken angelehnt eines hohen Priesters Derwisch. Blutbetrunken und trunken den Tag über durch die Straßen Cairos und über die Plätze. Die Regenzeit spühlte die Opfer alle wieder ans Land. 
Ich hoffe, daß Sie Sich kein grausames Bild von mir machen. Es war ein frommer Krieg der Stadt. Nun würde ich mich nicht mehr beteidigen - damals winkte mir der Derwisch, (dem ich immer Wasser nach seiner Ceremonie brachte) den hinteren Buckelteil seines großen Tiers zu besteigen. Allerdings eine furchtbare Ehre und Auszeichnungen - außerdem zum Dol-inerwetter war ich damals noch wild. Ihr Sie liebender Jussuf (ein Komet) 
Else LaskerSchüler. Grunewald-Berlin. Humboldtstr. 13 II

PAUL LEPPIN

(12. 4. 1913) [331]
Mein lieber, lieber, lieber Daniel Jesus Paul.
Es lagen hier tausend Dinge für die Regierung in Theben zu erledigen und es ist so halt wie es in meiner Stadt noch nie im April war. Ich grüge dich, du lieber König Daniel Jesus Paul und deine wunderhübsche Prinzessin und den kleinen Daniel Jesus Paul, den ich nicht gesehn habe. ich bitte dich sende mir sofort deine Bücher für Kraus in Wien und wenn Kurt Wolff in Leipzig dein Buch nicht bringt, so sende es R. Schickele. Denke nur als ich nach Haus kam, lag seine Karte allein in meinem Kasten wie ein Omen für dich. Nach Italien mußt du gehn 3 Wochen mindestens; nur die Sonne ist eine Heilung der einzige goldene Engel der Erde. Er scheint gerade endlich in meinen Turm, ich lebe im Turm in einem langen, bangen Zimmer, einer Spelunke, die drei seidene Kissen versteckt. 
Als ich nach Hause kam, war alles still und einsamer wie je dann kam jemand der holte mich abends zum Landschafterobern ab und wir fanden Moskau und Sibyrien und allerlei Ort. Wir ruhten aus bei einem Schuster bei seinen zwei Söhnen, die schon große Menschen sind, aber sie spielten gerade mit Bleisoldaten. Morgen spricht Oskar Baum, wir gehen Alle hin und ich werde ihm Blumen schenken. Ist das gut? Nach deinem Sinn? Manchmal hab ich Sehnsucht nach Prag und ich möchte Herbst wieder zu Euch kommen namentlich zu dir und deiner Prinzessin, (über dem P ein Stern) der ich morgen etwas schenken werde. Die schöne Kette muß auf der Bahn oder im Cafd stehn - bitte sieh doch einmal nach ihr nach. Alle die grünschillemden Käfer, die Ringelreih spielen! Alle meine Pulse hätten an meinem Hals geklopft wenn ich sie am Feiertag des Kaiserkäfers umgelegt. Bitte sieh nach, Daniel Jesus Paul. 
Immer dein dich verehrender und jungenhaftliebender Jussuf der Prinz in Theben ist. 
(ein Komet) 
René Schickele Kaiserallee 56 Berlin-Wilmersdorf 
Soll ich mit ihm sprechen? 
Grunewald-Berlin. Humboldtstr. 13 II 
Grüße Otto Pick, Max Brod, Carl Wagner deinen netten Freund und alle mit denen wir zusammen waren. Paul Zech wird über deine Bücher im Berliner Tageblatt schreiben und Otto Pick auch. Du mußt bald viel viel Geld haben. Und ich werde dich verherrlichen in vielen, vielen offenen Briefen.

PAUL LEPPIN

(7. 5. 1913) [332] Mein lieber König Paul.
Ich bin direkt betrübt wegen Wolff, ich verstehe das nicht. Denke Dir, ich schreib heute in Himmelsfrüh wieder an Fr. Werfel wegen Paul Leppins Roman. Ich hatte den Brief gerade besorgt, kam auf der Straße der Briefträger und gab mir Deinen Brief. R. Schickele ist noch hier, reist aber dieser Tage ab. Ich werde gleich nach seiner jetzigen Adresse telephonieren. Er besitzt den Verlag nicht (ich denke mir aber er will nur nicht sagen, daß er etwa Lektor ist wegen der vielen Freunde) er gehört Flake und Bleichröder. Aber Schickele liebt Deine Dichtungen so - ich glaube sicher dieser Verlag nimmt Deinen Roman. Ich habe auch den Eindruck, als ob Franz Werfel gar nichts zu sagen hat bei Wolff. Ich fasse das nicht mit Wolff. Übrings Ihr beide hätte Euch famos gefallen. Kannst Du nicht mal nach Leipzig reisen von hier aus? Aber Du mußt immer erst fragen, ob Wolff dort ist. Wie aber kannst Du nur fragen, ob ich bös bin? Du, der Du fortwährend bereit bist für mich Opfer zu bringen! Ich hoffe im Gegentheil für Dich mein verehrter, geliebter König mal in die Schlacht zu gehen. (ich bin doch nun mal Krieger und Thaten suche ich vom Feld aus zu schenken.) Du mußt mir alle Deine Wünsche schreiben, mir die große Ehre antun, lieber König 
die Ehre für Deinen Dichliebenden 
und verehrenden 
Prinzen Jussuf. 
Deiner schönen Prinzessin und Deinem Kind meinen ehrerbietigsten Gruß und Kuß. Wie geht es Dir? Mir gestern schlecht. (an den Rändern:) Bitte nimm Neura-Lecithin Gehirnernährung. Wunderbar zu essen. Chokoladenkugelform zu essen nicht schlucken. 8 Kugeln per Tag großartig! Kraus telegraphierte, er käme, er will erst später die Bücher lesen. 
Die Sonne heilt.

PAUL LEPPIN

(13. 5. 1913) [333]
Lieber, lieber, lieber, lieber 
König Daniel Jesus Paul.
Im Mai noch lese ich (/) im Gnu (/) verschiedene Dichter - bitte sende mir deutlich geschrieben zwei deiner Lieblingsgedichte. Ich werde sie lesen mit allen Ceremonien. 
Zech hat oder wird jetzt schreiben. Fr. Werfel schrieb, er hätte alles versucht - er wär unschuldig. Ich bitte Dich, hab das Vertrauen - sende mir das Manuscript, ich bringe es selbst Schickele natürlich ungelesen. 
0, wie man sich ärgert! Dein Jussuf. 
Für Deine schöne Prinzessin, viele Handküsse. (ein Komet) 
Liebster Paul, bitte nimm Neura-Lecithin - sieht aus wie Chokoladenkugeln, die gegessen werden. Mein Gehirn liegt wieder befestigt. Ich glaube bestimmt - Angst sind Erschlaffungen der Wände. Bitte nimm!! 
Alle Leute werden davon gesund. Bitte nimm! Ich komme bald!

RICHARD MEYER

(8. 6. 1913) [334]
Hochverehrter Herr Professor, so lieber Fakir. 
Ich wußte nicht, - wie ich schreiben soll! Ich bin so gerührt. Wie (darüber ein Halbmond) soll ich schreiben! Ich kann das Geld nicht nehmen wenn es Ihr Privattum ist - wie kann ich mich je revanchieren? Darum schrieb ich schon wegen der Schillerstiftung. Ist es nicht Ihr Privattum dann natürlich muß ich es nehmen und wie Soll ich Ihnen danken - je - ich will das schönste Wort erfinden. Und Ihrer Frau Gemahlin - (ein Komet, lila koloriert) 
Am 1. July (/) oder in den ersten Tagen (/) kommt die neue Quartalrechnung der Odenwaldschule - ich würde das Geld dafür natürlich verwenden. Ich bin so glücklich darüber, daß ich darum keine Sorge haben brauch und was soll ich Ihnen sagen alles - wie kann ich es je gut machen!!!! 
Ihr wilder Jude und Häuptling und Prinz Jussuf von Theben (über dem H eine rot kolorierte Häuptlingsmütze, über dem T eine Mondsichel) 
(E-LSchüler) 
Prof. Otto Wien. Gebhardgasse. 1. Aber bitte lassen Sie mir das Geld senden, Herr Professor, da ich es doch am 1. (/) oder so wie die Rechnung kommt, (/) ehrenwörtlich absende. Ich werd es nicht für meinen Staat oder für meine Stadt oder für meine Dromedarställe verwenden. Mir kommt zuerst mein Junge, für den ich arbeite. Sonst würd ich wandern wandeln Tag und Nacht - ich weiß nicht wohin. Ich lege ein Couvert ein, (/) mit Rückschrift (/) damit nicht wie einmal das halbe Haus kommt - und fragt. Hier Grunewald - ist ein Nest. (Wegen des Couverts nicht böse sein, Herr Professor, es ist direkt so nötig. Was soll ich sagen, wie danken! Jussuf der Prinz v. Th. 
(am Rand:) Viele, viele schöne und verbindliche Grüße an Ihre Frau Gemahlin. (/) 
Herr Professor, ich habe nämlich so eine Portierfrau, die bei mir Ordnung macht, die so neugierig ist, die Freundin der Briefträger ist, die bettelt mich so schrecklich an bei jedem Honorar, das ich für Gedicht bekomme - darum. 
Verzeihung!

RICHARD MEYER

(11. 6. 1913) [335] Grunewald-Berlin, Humboldtstr. 13 II
Hochverehrter Herr Professor. 
In Cairo gab es ein Fakir aus Indien, der sah so aus wie Sie. 
Ich war wohl recht albern oder erschreckend - ich aber war unten auf den Straßen, die ich so kreuz und quer herumirrend wohl kenne, er-riffen - ich glaube von mir selbst, von dem Gang, den ich wieder vollbrachte. Sie haben bei Sich gehabt, Herr Professor, einen Menschen, der immer spielen möchte und grobe Dinge zu ordnen bekam. Ich bin mein Lebelang eine Jungensnatur gewesen, meine Robinsonade ist früh ein Beweis dafür. Ich liebe späte Tanzleiber und Schellengeläute und mußte mir die Ohren und mein Herz verstopfen. Ich bin so oft schon gebeten worden zu kommen, jeder kramte in meine Schmerzseligkeit; Niemand war fürstlich dem Prinzen gegenüber. Ich bin von Ihrer Art überrascht, lieber, verehrter Fakir und Ihre Frau Gemahlin, die ich Donna nenne in allerspanischster Verehrung duftete nach Levkojen meiner Lieblingsblume; ihr Name ist schon Geschmeichel und Sanftmut. Was wollte ich sagen - mir kann nichts mehr nützen. Ich kam betrunken vor Schmerz zu Ihnen, redete Wirbelwinde, die wohl in der Tiefe zusammenverbunden waren. Ich wollte immer sagen und sagte was anderes. Ich war wie Revolution, die verschallte. 
Meine Hand und die Waffe sind Brüder, darum rechne ich nicht mehr, alles endet mit dem Tod. Heute bin ich so wie ich schreibe - wäre ich vielleicht morgen gekommen, hätte ich Ihnen Freude gemacht; niemand zündet mehr mit dem Ulk, den mein Herz produziert, so lebendig an wie ich es kann. Ich bettle aber nicht! 
Mein Sohn Paul ist mein Alles. Ich habe ihn in der Odenwaldschule bei Direktor Geheeb in Oberhambach bei Heppenheim (Bergstrage) Er ist schon fast ein Jahr dort und fühlt sich wohl und wird gesund bleiben und das ist mir zunächst die Hauptsache. Mein Wunsch ist es, daß er dort sein Einjähriges macht und ich immer alles bezahlen kann. Noch bin ich nicht so weit, gebe mir Mühe unendlich. Den Wiener Aufruf hätte ich nicht erlaubt, ich tat es für meinen Paul. Die zwei Tausend Kronen dort möchte ich zu seinem event. Studium halten in Wien im Juliusturm - Prof. Otto hat es unter sich. Ich habe schon Frauen gesucht, die mir Brandbriefe meiner Gedichte wegen schrieben, sie sollten es für meinen Paul ausgeben zusammen. Aber Herr Professor, Sie wissen nicht, Geld ist eine Sammlung wie eine Bildersammlung. Geiz und Undankbarkeit ist ein Paar gewesen, das man auseinanderschnitt. Zu beidem ist schlecht Blut nötig. Für jedes Vierteljahr bezahle ich ungefähr 600 Mk Odenwaldschule; da ist auch Kleidung und Ausflüge dabei - alles - alles. Und großartig ein Landeserziehungsheim - große Freiheit. Die Kinder freuen sich. Ich meine, so lange ichs kann, werde ich immer meinem Kind Freude schenken. Sein rund Herz will kugeln. Daß man ein Kind im frühsten Jahr schon die Askese des Lebens angewöhnen soll, leuchtet mir wahrhaftig nicht ein, zumal die Erinnerung mit weiterlebt oft alles Dunkle später erhellt. Herr Professor, ich will nicht betteln aber ich bitte Sie im Interesse meines Jungen im Interesse meiner Gedichte (Sie kennen meine neuen arab. Kaisergeschichten nicht) sprechen Sie mit den Leuten oder wie Sie, glaub ich, sagten mit dem Verein, daß Sie mir das Geld für meinen Jungen geben. Natürlich daß es die Schule nicht merkt. Ich habe nie, nie mir etwas gekauft ich habe alles meinem Kind gegeben - jetzt allerdings beschenk ich mich manchmal, als ob ich viele Geburtstage im Jahr habe mit bunten Tüchern oder Spielereien. - So hab ich ihnen alles gesagt, ich bitte Sie nicht gleichgültig den Brief fortzulegen, Herr Professor. Welche Ehre und Freude wenn Sie und Ihre Frau Gemahlin mich mal besuchen würden. Ich habe eine Spelunke, die allerdings den königlichsten Eindruck macht. Kommen Sie auch einmal zu mir? Darf ich das verlangen. Ich kann Ihnen dann mehr erzählen, Herr Professor. Ich bitte dann um eine Karte vorher. Ich fühl mich als Prinz und empfinde keine Dreistigkeit in meiner Bitte. 
(Wenn ich wenigstens 1-2 Jahre mal Ruhe hätte.) 
Ich sende Ihnen hier die Gesichte. Peter-Hille Buch - Die Nächte Tinos von Bagdad und die Wupper werden sofort vom Verlag gesandt. Wenn Sie gelesen haben, Herr Professor, - aber schrecklich so viel lesen sollen dann denken Sie gut und wissen Sie wie ich war (St. Peter Hille Buch.) und mich das Leben angepackt und ic. es angesehn hab. 
Immer Ihr Sie bewundernder (ein Stern im Halbmond) 
Prinz von Theben (E.LSch.) 
Verzeihen Sie den langen Brief! Herr Professor!

RICHARD MEYER

(12. 6.1913 [336]
(ein Komet) Hochverehrter Herr Professor. 
Schon wieder ein Überfall - der letzte. Richard Dehmel, der so viel für meine Dichtungen über hat, versucht schon lange die Schillerstiftung zu erobern für mich. Ich soll drei Hundert Mk haben monatl. damit ich auch Ruhe hab mich von Osten nach Westen und Süd Nord zu entfalten. Die Schillerstiftung hat mir vor langer Zeit dann einmal ein paar Hundert Mk ich glaub 300 gegeben, die ich auch für die Odenwaldschule gebrauchte. Da Sie, verehrter Herr Professor, nun einmal Sich um meine Stadt, (ich bin regierender Prinz, kein einfacher, hergelaufener Bürger) bekümmert haben, meiner Stadt Theben mit einem handschriftlichen Schreiben beehrt haben, so erlaube ich mir Sie zu fragen, wollen Sie es der Schillerstiftung klar machen? Schillerhaus - Weimar. 
Sie halten mich für bestrampelt mit der Pracht und mit Theben? Ich liebe auch die Schlichtheit, aber man sieht doch nur Armseligkeit dazu gehört eben die Undankbarkeit in erster Linie. Ich will Sie aber auf die Sieges-Säule meiner Stadt stellen - es sollen Ihnen Feste gegeben werden (ein Stern) und immer sollen Teppiche von den Dächern meiner Stadt hängen, wenn Sie die betreten. Also kann nie genug Tribut bezahlt werden meiner Stadt und Mir der Representation wegen. 
Was die Leute von dem Satz in meinem Roman mein (ein Herz) sagen -: »Ich mag dich nicht mehr leiden!« Also sonst haben die nichts gelesen es nicht in Strömen bluten sehn, überlaufen, schreien und lachen? Briefe sind doch immer an den Einzelnen gerichtet ganz persönlich. Mag sie doch Niemand lesen. ich mußte Geld haben! Waka dâba, Kabi nabu hinâma, ragautu dalils, dia nabu jakra anisa à wahalakuhunna! 
Mit meinen verehrenden Ceremonien 
Ihr Prinz von Theben. 
Meinen schönsten, verbindlichsten Gruß an Ihre Frau Gemahlin.

RICHARD MEYER

(16. 6. 1913) [337]
Hochverehrter und allerbester Herr Professor. 
Wie gut Sie sind! Mein Peter Hille Buch ist meine Spielbibel. 
Ich war krank und schrieb es schon - bin nun in Behandlung und ärgere mich sehr. Sie haben recht, zumal wir erst 15. Juni haben - bitte lassen Sie das große Geschenk Ihrer Stadt an Theben nach Wien senden, Herr Professor. Die große Summe ist mir zu gefährlich hier in meiner Spelunke. Professor Dr. Walter Otto Wien. XIX Gebhardtgasse 1. Und ich danke Ihnen und Ihre Frau Gemahlin noch einmal für alles Gute und Nette. Und so wie mein neu Buch raus ist, send ich es, Herr Professor. 
Ihr Sie hochverehrender und dankbarer 
(ein Komet) Prinz Jussuf von Theben (Grunewald-Berlin. Humboldtstr. 13 II. 
(Else Lasker-Schüler).

RICHARD MEYER

(19. 6. 1913) [338]
Grunewald-Berlin. Humboldtstr. 13 II bei Enderlein 
(ein Komet)
Hochverehrter Herr Professor 
Es ist mir eine große Ehre und Freude, Sie, Herr Professor und Ihre Frau Gemahlin zu besuchen. Ich hörte immer so schön von Ihnen sprechen und mit großer Hochachtung von Ihrem Gewissen. Ich bin dumm und nur Prinz. Meine Stadt schließt sich meinem Gruße an ebenfalls meine beiden Neger: Ossman und Tecofi. (das O als Kopf mit einem roten Fez) 
Ich komme Mittwoch in Galla. 
Hochverehrend (Else Lasker-Schüler) 
Prinz von Theben.

ALBERT EHRENSTEIN

(ein Fez) [339]
Großvezier! (als Punkt des Ausrufezeichens ein Stern) 
Wenn Sie nicht im Palast sind - diesen Brief. Ich möchte Sie sprechen wegen Wolff! Wollen Sie zu mir oder soll ich ins Café kommen? Bei mir oben im Turmgefängnig ist es nett. Ich bin lebensmüde und übe mich im Speer. 
Ihr Prinz von Theben. 
(am Rand:) Bin heute Abend von 8 Uhr an zu Hause heute Donnerstag. Eben hat Karl Kraus geschrieben aus Prag.

ALBERT EHRENSTEIN

(Palast mit Mondsichel und Stern, sich in einem Wasser spiegelnd)
Lieber, guter Tubutsch und bester Carl. [340] 
Vielen, vielen Dank für alles, wie schön war es in Leipzig, da wir durch die Straßen und über die Plätze gingen, wurd die Stadt thebetanisch. - Ich kann es ja nicht gut machen, daß Tubutsch so viel für mich tut! Wie kann ich das je. Und wie still saßen Carl und ich im Wartesaal an der Bahn bis der Zug kam und mich heim nach Theben brachte. Ich winkte noch eine lange Zeit mit meiner Hand, (eine Mondsichel) die blau und silbern wurde wie meine Palastfahne. So grüße ich Sie denn beide auf baldiges Wiedersehn hier und in Leipzig. Auch für unsern lieben Doktor Mayer und dem Soldaten und Herrn und Frau Wolf viele Grüße 
(zwischen den Zeilen:) 
Ihr beider Prinz Jussuf von Theben

PAUL LASKER-SCHÜLER

(5. 11. 1913) [341]
Viele Küsse! mein Kind. 
Bald retour. 
Mutter 
Wohne: Moskau. 
Pokrowka. Haus Titoff. 
Quartier 20.

PAUL LASKER-SCHÜLER

(6. 11. 1913) [342]
Mein lieb Päulchen, 
wie geht es Dir. Hier ist es ganz merkwürdig. Gestern schrieb ich Dir auch eine Karte von hier aber ohne Tepnahir wie oben. Ist angekommen? Mutter. Bald komm ich wieder. Ich habe schon einen Vortrag gehalten mit großem Erfolg. Viele Küsse mein Engel. Grüße an alle.

PAUL LASKER-SCHÜLER

(7. 11. 1913) [343]
Mein lieb Päulchen viele Küsse! Mutter. Gestern sah ich Sascha, denk mal. Er grüßt Dich herzlich. Mein Männeken! Mutter. Sei nur folgsam, daß nichts passiert.

PAUL LASKER-SCHÜLER

(10. 11. 1913) [344]
Mein klein Päulchen. 
Nun bin ich in Petersburg das ist so schön, noch nie so schöne Stadt gesehn. Sei nur vorsichtig. Danke bitte Herrn Doktor für die Depesche. Ich komm bald retour, mein Engel. Sei folgsam, daß Dir nichts passiert. 
Ich bring Dir und Palese (?) und Frl. Lotte was mit. 
Deine Mutter.

PAUL LASKER-SCHÜLER

(11. 11. 1913) [345]
Mein lieb Päulchen. 
Ich hab noch keine Nachricht von Dir außer d. Depesche. Wie geht es Dir mein Kind? Grüße Frau Dr. und Herrn Dr. und Palese (?) und Frl. Lotte. Tausend Küsse von Mutter.

PAUL LEPPIN

(9. 3. 1914) [346]
 
Lieber Daniel Paul, bitte schreibe Dr. Zavrel (/) Privatim! (/) Nollendorfplatz Neues Schauspielhaus. Ich wollte es ihm nicht sagen, er soll ja meine Wupper selbst leiten, er darfs nur nicht wiedersagen, da Vogt reizend zu mir ist und jahrelang sich beschäftigte mit der Wupper. Aber Lindau sagt, es wäre besser meine Wupper ist keine Privatvorstellung. Denk mal Dr. Zavrel, der mir sehr gefällt, immer gefallen hat, führt mei Stückerl die Wupper auf. Dr. Lindau sagt, sie muß aufgeführt werden für mich in jeder Beziehung gut, da ich schrecklich Qual mit Verdienen hab. Aber das schadet nichts. Ich will, daß mein Päulchen sehr, sehr scl-iöne Jugend hat. Er ist reizend und herb wie ein Hodlerknabe und malt herrlich. Daniel Paul, meinst du das wäre falsch? Aber ich kann nicht anders, ich weiß nicht wie ich alles schaffen soll wenn ich krarik werde. Und so, da die Kritiker einstimmig für meine Wupper sind, kann es sicher mein Glück sein. Schwabach giebt mir monatl. 100 Mk. Päulchens Schulheim in Hellerau kostet 170 Mk monatlich und Zutaten 30 monatlich. Es ist dort herrlich nur für Kinder - Paul ist entzückt.
Ich finde auch Zavrels Regie prachtvoll. Den Mikado sah ich in München von ihm geleitet. und noch etc. daß meine Wupper nicht naturalistisch ist, hat Vogt recht. Ludwig Kainer macht Decoration dazu.
Also kann ich nicht für die tun etwas? Viele, viele Grüße an Deine Frau Prinzessin und an Dein Kindli
Dein Jussuf.
(am Rand:) Ist im Café Asco mein Bild angekommen?

PAUL LEPPIN

(9. 3. 1914) [347]
Mein lieber, guter Daniel 
Jesus. 
Nun hab ich dich so gemalt wie ich wollte ein Doppeltbildnig: du und ich - so: Unterschrift: Der König von Böhmen und sein treuster Kamerad Jussuf Abigail Malik von Theben. Ist dir das so recht? Aber ich weiß, es ist nicht ganz äußerlich getroffen, aber so vornehm und hochmütig ist er wie du bist. Du meinst wohl ich sei verrückt geworden, weil ich so viele Karten falsche und richtige Adressen schrieb? Ich muß dir das alles erzählen. Ich finde Hans janowitz so wundervoll, er ist rein wie du und aus Crystall. Weil sich gerade alles in dir spiegeln kann, hast du oft Angst. Ich hab sie immerfort etwas, (/) weil ich Wasser bin - (/) das ist mir angeboren und hier viele Leute. Ich käm gern mal nach Prag vielleicht mit einer Freundin. Du bist mir der liebste Mensch dort so wahr ich Jussuf bin. Kommst du nach hier mit deiner Frau Prinzessin wenn meine Wupper aufgeführt wird - Anfang April. Ich schrieb in der Extranummer, die Aktion herausgiebt - daß du und dein Gemahl in meinem Palast wohnst und ich ein Gemach ganz in Gold für Euch ausschlagen ließ. Ich hoffe Ihr werdet zufrieden sein! Eben malte ich mich die Krönungsrede haltend. Nun es wird fein werden. 
(Mondsichel mit Stern) dein Prinz Jussuf (Kopf im Profil mit Halbmond und Stern auf der Wange, daneben:) 
Habt Ihr mein Bild bekommen? meine Photographie

PAUL LEPPIN

(9. 3. 1914) [348] 
2. Brief
Daniel Jesus, 
wie ich nun deinen Brief im Kasten hab, überlege ich mir doch (im Café sitzend) dir alles zu schreiben. Ich traue dir fest. Du darfst auch Hans janowitz kein Wort sagen, auch nicht merken lassen. Du kannst natürlich gut von mir sprechen.? Bitte schreib mir doch, ob er noch in Prag ist, wie er von mir sprach, ob auch nicht Popper (der im Grunde viel viel feiner ist wie viele in Prag) keine Witze gemacht hat. Ich hab so eine Enttäuschung erlitten, gerade wenn ein Jude nicht ganz hoch ist, schmerzt mich. Ich will keine Händler etc. Ich erzähl dir alles. Gerade in solch einer Situation, hat Hans j. so sehr fein gesprochen und ohne zu wissen, zu mir gehalten. Ich find ihn fein! Ich hab doch recht? Bitte schreibe mir deinen aufrichtigen Gedanken, alles bleibt unter uns. Du sollst nur Freunde haben. ich habe Werfel immerwährend gesagt und geschrieben, wer du bist. So wahr ich Jussuf bin, keiner kann sich in Prag mit dir vergleichen. Bitte denk aber nicht, daß ich dich für mich nützen will; ich hab nur Vertrauen zu dir. Mir geht es viel besser wie früher, aber etwas schwankt im Gerüst. Ich kann nur geheilt werden durch Fürsprache von Klein-Ritterherz. Er schrieb mir einmal von Prag schönen Brief. Er wollte in 14 Tagen in Berlin sein. Daniel Paul, bitte denk daran, du bist der König von Böhmen, ich der Malik von Theben, man soll den König nicht blamieren. Jedes Wort direkt an ihn blamiert mich. Findest du nicht, er sieht aus wie Alexander von Macedonien. 
(ein Stern) Dein verliebter Jussuf.

RICHARD MEYER UND FRAU

(14. 4. 1914) [349]
(Jussuf vor seinem Palast, Mondsichel, Stern und Palme) 
Allerhochverehrtester Herr Professor und liebliche Frau Levkoje der so viel vor Monaten mir und meiner Stadt Theben tat, die Levkoje man glaubt noch lange wenn sie entschwunden ist, zu tragen süger Duft aller bunten Levkojengärten. 
Mir tut dieser Brief weh, Herr Professor; Ich bin nun nicht mehr allein Prinz ich bin Malik geworden von Theben und sinne nun viele, viele Zeit schon nach wie ich mich und mein Land und meine Macht halten kann. Mir tut dieser Brief so weh, er ist so schmerzvoll für mich - da ich nur schenkte und nun bitten muß und zwar das Peinlichste, und ich hätte so gern nur immer um Liebe und Kameradschaft und Vertrauen und Süßigkeit gebeten. Ich der Malik beneide den Apachen, er kann stolz sein Gesicht tragen, ich muß mich verstecken hinter Dornenstrauch, daß er mein Gesicht zerreiße und ich nicht fühle so schmerzlich, die Worte, die ich Ihnen sprechen werde. Ich liebte mehr (/) als ein Malik (/) ein Räuber zu sein: Waldfeuer, Höhenrauch, Wacholdergeruch, Wildwest, Fell. Könnte ich Ihnen wenigstens mein neu Buch schon das in diesen Tagen bei Schwabach (Sybelstr. 22) herauskommt, senden. Es ist illustriert nach meiner Seele, die müde ist und weint. Ich war in Rußland in den Gefängnissen. Ich gab das Geld dazu, daß ich für ein Buch bekam. Mein Freund lag totkrank, ist 8 Jahre gefangen. Niemand wollte ihn trösten. Ich sage das Ihnen, damit Sie mich nicht für unedel halten. 
Ich muß Ihnen auch sagen, daß wahrscheinlich fast sicher Ende April meine Wupper aufgeführt wird oder Anfang Sept. Ludwig Kainer macht die Decoration. Ich bin dann reicher. 
Der Fakir und (darüber eine Mondsichel) Professor sagte damals zu mir, daß meine Stadt in jedem Jahr dieses unerhörte Geschenk haben sollte. Aber es ist noch kein Jahr vorbei seitdem und doch könnte dieses große Opfer nun mich selig machen; wie ein groß Schiff mit dem ich über den Ozean könnte, ich käm dann nicht mehr in Not. Monatlich verdient ich 200 Mk. Ich habe meinen Jungen gut erziehen lassen, er braucht nur noch zwei Jahre dann hilft ihm Marc, Kainer etc. weiter vorwärts. Er wird Zeichner - und wird dann zuerst angestellt für Plakate etc. Mein Jung muß aber sein Einjähr. machen vorerst. Nun bin ich durch viel was zusammen kam in Verlegenheit. Ich will durchaus nicht mehr das große Opfer geschenkt haben, es wäre direkt unerhört von mir, wenn aber meine Stadt es geliehen bekäme, der Fakir und die Levkoje das Vertrauen hätten! Der Prinz von Theben könnte sich wieder aufbauen schon daran, daß zwei so Edelmenschen wie Sie beide das Vertrauen zu ihm hätten! (als Punkt des Ausrufezeichens ein Stern) Ich bin traurig - ich male aus Verlegenheit. Ich spiele mit meiner Trauer aus Scham vor Ihnen. 
Ihr Prinz Jussuf. 
Else Lasker-Schüler. 
Grunewald-Berlin Humboldtstr. 13 II 
Baron von Richthofen Legationsrat vom Hansabund weiß, daß ich in Rußland war - den Verlust dieses Geldes konnte ich nicht einholen. Nicht böse sein! Bitte ich Sie Herr Professor. 
(beiliegende Visitenkarte mit dem Aufdruck:) Jussuf Prinz von Theben 
Vom Verlag Schwabach bekommt Prinz von Theben 100 Mark monatlich dafür arbeitet er, hatte aber viel für Paul zu bezahlen und für eine Cur zu Hause, die er durchmachte und möchte nun 2 Monate ruhig leben können ohne Sorge. Bin sehr traurig 
Else Lasker-Schüler. 
Humboldtstr. 13 II, Grunewald-Berlin

RICHARD MEYER UND FRAU

(27. 4. 1914) [350]
(eine Mondsichel) 
Sehr verehrter und unendlich lieber Fakir und Sie liebliche Frau Levkoje. 
Da weiß ich nicht was ich Ihnen sagen kann! Jedes Wort kommt mir banal vor. 
Ich sende Ihnen meine letzten Gedichte, das ich dichtete, das vorletzte steht in der letzten Nummer der weißen Bücher (Schwabach). Ich möchte nicht aufhören zu schreiben und finde kein Wort schön genug. Ihr tiefbewegter Prinz von Theben. 
(am Rand:) Ich lege morgen davon 400 Deutsche Bank. (Filiale Kaufhaus des Westens)

FRANZ LINDWURM-LINDNER

17. 8. 1914 [351]
Lieber Franz. Wie gehts Euch - bitte schreibt sofort Postkarte. Wo ist Erika, was macht Edda? Und Kurt? Ich bin hier in München - mit Paulchen bin traurig. (folgt viel Gestrichenes) alle meine Freunde hier fort; aber wir werden sobald wie möglich nach Haus nach Berlin zurückkommen. Schreib sofort bitte Deiner 
Schwägerin Else Lasker-Schüler 
Pension Modern, München Theresienstr. 80 
Ist Kurt im Krieg?

FRITZ ENGEL

Hochverehrter Herr Engel. [352] 
Ich bin Else Lasker-Schüler - wollte Sie nur fragen, ob ich nicht mal einen Preis irgend woher bekomme zum Beispiel von Ihrer Kleiststiftung. Kleist hätte ihn mir sicher gegeben. Mir geht es miserable, habe einen großen Sohn und gebe mir Mühe alles gut zu machen für ihn. Ich lebte sonst wie der Vogel oben auf den Bäumen. Hänge mich oft in der Nacht auf, kann nur in der Früh den Baum nicht wiederfinden. Bitte verraten Sie mein Pech nicht, ich möchte lieber Ziegenhirt sein als ein bemitleideter Prinz von Theben sein. 
So stehts aber. Wollen Sie Interesse für mich zeigen? Ich habe 11 Bücher geschrieben, einige selbst illustriert und nie gehts mir gut. 
Ihre sehr traurige Else Lasker-Schüler. 
Herr Dr. Hans Landsberg, der nun im Krieg ist hat zu Wilhelm Schmidtbonn gesagt, er würde auch für mich in der Kleistfrage stimmen. 
(ein Komet)

RENÈ SCHICKELE

Kolberg (Ostsee) Hauptpostlagernd. Else Lasker-Schüler
Lieber René Schickele [353] 
Inl. sende ich Ihnen das Gedicht: Hans Ehrenbaum-Degele. Ich bin nicht fähig über ihn einen Schmus zu machen. Auch liebte er meine Gedichte und ich tu ihm, der so fein war, so gut und lieb zu mir war, die letzte Liebe an, da ich ihn besinge. Sie verstehen das? Bekomme ich die Correkturen meiner drei Einsendungen bald? Und Belegexemplare? Gestern erhielt ich von Paul Zech aus dem Krieg einen Brief, er ist schrecklich erschüttert über den Tod des Tristan. Er schrieb auch über Sie: Sie wären ein halber Napoleon. (/) Wollen Sie den Brief haben? (/) Haben Sie vielleicht (/) in der Art (/) eine größere Sache geschrieben jüngst? Wollen Sie sie mir schenken? Wie gehts Amee? Und den beiden Bengels aus Elberfeld? 
Ihr Jussuf. 
Freitag 
Ist eigentlich Herr Dr. Meyer in Leipzig verreist? Bitte Antwort!

RENÉ SCHICKELE

René, Obermatador der weißen »gehenden« Blätter sonst Verehrung mit den »fliegenden« Blättern. [354] 
René, sehen Sie, René und Amee, ein kranker, fremder Soldat hat mir die Gedichte gesandt, sie Ihnen zu senden, vielleicht ist eins hübsch? Sehen Sie, so ein kranker Soldat, der so viel Strapazen erlebt hat. Ihr seht doch, wat nützte die ganze Cultur und der Kommentar (?) doch nit drauf. Eins ist sogar bildhübsch. Ich kenn den Mann nicht. Und Paul Zechs Brief - glaubt Ihr, ich wär ein Lügner? Ich kann ihn nicht senden, da etwas persönliches drinsteht. Er liebte doch bitte unter uns in Berlin eine Jüdin so und war so unglücklich, mir konnt ers sagen aus Elberfeld. Ich zeige die Reihe (/) über René! (/) Ehrenwort! Und höret: Wann kommen meine Gedichte? Ich komm bald Berlin. Ich bin es hier satt. Ich laß mich jetzt 3x kriegstrauen, was sagt Ihr? Wie gehts sonst? 
Euer Jussuf 
Kolberg. (Ostsee) Hauptpostlagernd

REINHOLD GEHEEB

Kolberg (Ostsee) 30. Aug. 15 Hauptpostlagernd [355]
Hochverehrter Herr Doktor Geheeb. 
Ich erlaube mir, Herr Doktor, Ihnen die allerletzten Zeichnungen von Paul zu senden. Vorriges Jahr waren Sie so entzückt, Herr Doktor Geheeb, daß ich annehme, Sie haben meinen Jungen, den Sie zwar noch nicht gesehn haben, nicht vergessen. Er ist, glaube ich, ein feiner, taktvoller Junge und ich glaub Sie haben ihn gern. Ich habe so einen großen Wunsch, Herr Doktor, daß Sie ihn sofort von Oktober an beschäftigen in der Redaktion denn Ihre Überwachung seiner Zeichnungen wären mir so wertvoll. Ich meine natürlich nicht, daß seine Zeichnungen druckreif sind, aber vielleicht könnte er anderwärts beschäftigt werden und dabei studieren - Akt etc. Dr. Alfred Gold war furchtbar überrascht, er wollte an Theodor Heine wegen Stunden schreiben etc. Nun bin ich doch so alleine mit Paul und wie würde es mich beruhigen, wenn Sie Sich etwas für meinen Jungen interessierten, Herr Doktor. 
Der liebe Peter Scher war so gut zu mir in München. Er ist doch nicht im Krieg? 
Ihre Freude über die Zeichnungen meines Jungen, Herr Doktor, haben mich wahrhaftig das Jahr über froh gestimmt. 
Ihre Sie verehrende, dankbare 
Else Lasker-Schüler. 
Paul hat alle die inl. Bilder aus der Phantasie gezeichnet.

ADOLF LOOS

(13. 10. 1915) [356]
Lieber Adolf Loos / Königsgorilla - warum führen Sie nit meine Wupper auf? Es käme mir jetzt gerade recht wollen Sie? Ich sende morgen dem Cardinal ein Gedicht: Georg Trakl. Es erscheint im Zeitecho. Und noch zwei. Lesen Sie auch bitte. 
Wie gehts Oskar Kokoschka? Er soll reizende Frau haben. 
Ihre Else Lasker-Schüler. 
Abs: Else Lasker-Schüler Postamt 50 Marburgerstr. Berlin W. postlagernd 
Ich bitte die K. K. Post falls Adressat verzogen - höflichst und gefälligst im Adressbuch nachsehen zu wollen. Hochachtend

FRANZ JUNG

Lieber Franz Jung [357] 
Ich reise heute Abend und sage Ihnen Lebewohl. Gestern war ich im Café wie verabredet um 9 Uhr; saß mit Herrn Flaschenberg zusammen, der immer so gut zu mir ist, vielleicht der einzige Mensch in Berlin gegenwärtig, der meine Misäre versteht und alle Schmach. Wir sprachen auch über Ihr Buch »Opferweg« fanden es beide sehr schön. Sie irren Sich sicher über ihn. ich wollte Ihnen einen anderen Brief schreiben, aber ich kann nicht. Sie haben ja so viel Freunde und alle lieben Sie. (/) Prinz (/) Um mich sind nur rechnende Leute. Ich fahre auf Umwegen nach Cöln um weiter zu fahren. Vielleicht schreiben Sie mir für J. H. dorthin alles. Ich lese (das Folgende an den Rändern und zwischen den Zeilen) es ihm vor. Mein Freund ist er nicht, ich auch nicht der seine, ich bin hoffentlich für ihn streng der Prinz von Tiba. Aber ich glaube er ist ein guter junger Mensch, hat viel durchgemacht. Man schilderte ihn mir wie ich mir den Kaiser von Mexico denke. Verzeihen Sie die Unordnung des Bogens, ja? Ich habe alles schon gepackt.

FRANZ JUNG

Montag
Lieber Franz Jung [358] 
Ich weiß nicht warum Sie gar nicht schreiben? Mir geht es so schlecht, aber bald werde ich weiter reisen und dann zurück wohin ist mir noch nicht recht klar. Ich war hier die sechs Wochen wie scheintot und wenn ich abends einschlafe ist es so als ob ich im Gewölbe liege und doch noch atme. Ich kann Ihnen gar nicht sagen wie traurig ich bin, wie herumgefahren und geirrt, ich flattere nur noch und immer werde ich ins Herz geschossen. Gestern glaubte ich auch plötzlich nicht mehr an Gott, das war, wie eine ernste Unmöglichkeit. Die Menschen, welche Ihn mit ihrem Maßstab messen, haben noch immer den Ausweg, daß er prüfen möchte, aber ich habe Gott nie wie einen Lehrer betrachtet, nie wie einen Strafenden oder Starren. Ich konnte ihn mir nur so wie einen innigen Menschen denken, der auch geliebt sein will weich und ohne Nebengedanken, daß er nicht vereinsame unter seinen so vielen Figuren. Manchmal glaubte ich sogar, er helfe mir bei meinen Streichen. Aber ich habe, als ich hier ankam aus Schwäche, aus Müdigkeit Ihn verleugnet. Nun denke ich, er kann nicht mehr über mich leuchten mit seinen Sternen all oder aber alles war ein mächtiges Märchen von mir und er ist nicht. 
Ich bin so oft im Dom gewesen, aber er ist wie eine kühle Strafe hart alle die Kirchen alle die Menschen, so wie sie Gott aussprechen nur manchmal bei uns im Tempel war eine tröstende Süßigkeit, auch oft eine Freude, als ob die Engel singen, aber immer saß ich alleine und dachte an ein Wunder, das mir draußen begegnen könnte. Der Wetterscheid hat recht, er sagte früher zu mir, Sie seien auch eine Maria und ich dachte an die Rosengärten darin Sie sitzen eigentlich. Ich weiß nicht wie das möglich ist, da Sie doch auch Bonaparte sind eben so stark im Auge wie weich, vielleicht sind Sie heilig und darum komme ich zu Ihnen und denke icl-i bin ein sterbender Prinz und kniee vor einen Heiligen in einem Tempel und weine ein ganzes Meer, daß seine Füße bespühlt werden still mit meinem Herzbluten. Nur Sie könnten noch auf Erden zwei große Flügel tragen und Städte schützen und gut sein. Ich schreibe Ihnen das alles so, weil ich schon so lange fort bin und Sie mich kaum mehr kennen und Sich ein Bildniß aus mir machen können wie Sie eins schön ausdenken können. Wie sollte mich jemand gern sehen mögen, da ich selbst vor mir fliehe. Es singt kein Vogel mehr in meinem Innersten und ich will mich fällen lassen; ich kann Ihnen gar nichts Schönes sagen, lieber Franz Jung. Immer wenn ich zu Ihnen sprechen wollte, sagte ich etwas anderes, bei dem Maler Schrimpf war ich eine Schlucht von Ihnen entfernt, Wetterscheid versammelt, alle Menschen, die reich an Herzgaben sind und die meisten sind arm und darum wollen sie immer recl-inen. Ich las Ihre Geschichte in der Aktion. Es macht mich so traurig, daß ich nie herumwandele in Ihren Geschichten. Das hab ich noch nie zu einem Menschen gesagt. Ich bin ja überall fremd und würde noch fremder im Gefühl eines Menschen sein. Ich möchte Ihnen eigentlich auch nur immer schenken, weil gewiß Niemand Ihnen schenkt. Manchmal bleibe ich hier am Schaufenster stehn und denke so, die große grüne oder rote durchsichtige Cigarettenspitze kaufe ich dem Kaiser von Mexico, daß er sich freut. Aber ich bin auch so arm im Denken geworden und im Begreifen wie geplündert und manchmal kann ich nicht mehr richtig atmen. daß Sie mir schreiben sollen, will ich nicht schreiben, wenn Sie aber müssen, ich meine mir eine Weichheit schreiben müssen, dann will ich sie herumtragen. Aber wer weiß wie Sie von mir denken in Wirklichkeit, ich weiß nur von ihrer frommen Schönheit. 
Ihr Prinz immerfort.

ERWIN LOEWENSON

(9. 8. 1918) [359]
Lieber Herr Löwison, es täte mir sehr leid wenn Sie irgend einer böswilligen Klatscherei glauben würden, ich habe Sie und Simon Gutmann gerade sehr gern. Ich grüße Sie, es lebe Paolo Pedrazzini der Doge! 
Ihre Else Lasker-Schüler. 
Abs: Else Lasker-Schüler 
Postamt 50 postlagernd, Berlin W

GOTTFRIED BENN

Mein liebsüßer Giselheer [360] (zwei fliegende Vögel) 
Ich glaub wir sehen uns niemehr wieder, aber ich denke immer an Dich und paradies wächst wieder in mir und ein Busch daran Flügel blühen. Wir wollen ganz weit fortfliegen, komm nach der Schweiz, da sind doch auch Lazarette. Ich reise dann manchmal eine Stunde zu Dir von Zürich aus über den Zürcher See mit den Möven. Ich bin ja auch so müde; gestern abends weinte ich vor Ermüdung so viel habe ich zu tun. Mein Päulchen hat telegraphiert Dresden (?) Dr. Hirschfeld ist schon dort. Ich soll wahrscheinlich Propaganda lesen (meine Dichtungen) - ein Polizeirat hier kümmert sich darum und Graf Keßler; dann kann ich immer hin und her fahren darum tue ich es. Ich bin so traurig, immer so allein; an der steinigen Wand vor meinem Fenster baue ich Nektar. Bitte sieh mit mir die Camälienbäume im Tessin und hin nach Mailand über den Lago. Oder sollen wir zwei Stunden an die See gehen über den Strand gehen. In Kolberg giebt es Wiesenschaumkrautwiesen. Willst Du? (/) Ich habe viel Geld dazu (/) Aber ich bin immer so häßlich sonst würde ich Dir ganz anders schreiben. (drei Sterne) 
Daß tut Dir wohl leid mit Deinem Chefarzt? Nur Unglück ist. Giselheer, Du sollst doch mal mit Leo Kestenberg sprechen, »ich komme gern zu ihm« sagte er ehrenwörtlich von Selbst. Lasse ihn kommen! Du wirst es nicht bereuen. Oder gehe zu ihm: Victoriastr. 2 auch 35 besitzt Cassirer, aber dort ist die bunte Ausstellung. Bitte schreibe Kestenberg (/) (er ist unendlich lieb) (/) Victoriastr. 2 Cassirer-Verlag Berlin W daß Du kommst und Zeit angeben. Er ist da wenn Du schreibst; vielleicht fragst Du ihn. (/) telephonisch (/) Er sagte es von Selbst; ihm liegt daran die besten Dichter zu besitzen im Verlag. Pfemfert Wolff lassen mit sich sprechen. Tue es, daß Du wieder Lust zum Dichten bekommst. Ich bin traurig. Du hast vielleicht nur Mitleid, mich beschämt das. Wie gerne kämpfte ich bis in den Tod für Dich. 
Dein Prinz

GEORG KOCH

(6. 2. 1919) [361]
Mein lieber Bildhauer, viele Grüße aus Zürich; ich sprach Lehmbruck den Bildhauer, aber ohne Erfolg. Ich hoffe bald ist Frieden in der ganzen Welt dann gehen wir über den Pfad von Locarno nach Ascona. Hier ist es herrlich; wohne Hôtel Elite wieder in einem Glaszimmer, herrlich zum Arbeiten. 
Ihr Prinz

Abs: Else Lasker-Schüler
Zürich
Hauptpostlagernd

Texttyp

Briefe