Im Frühling 1955 unternahmen drei schottische Bergsteigerinnen eine abenteuerliche »Pilgerreise«. Sie taten dies nicht, um als erste Frauenexpedition in den Himalaya berühmt zu werden, sondern um eine ursprüngliche Umgebung und harte Arbeit mit anderen Frauen zu teilen. Sie waren im reinsten Sinne authentische Pionierinnen, die von der uralten inneren Macht getrieben wurden, unbekanntes Territorium zu erforschen.
Die Expedition war ein Frauen-Pionierstück. Mehr denn je liefert es Frauen heute, viele Jahre nach der Tour und der ersten englischen Ausgabe des Buches von 1956, Vorbilder für weibliche Unerschrockenheit, Strategie, Ausdauer, unkonventionelle Rollenmuster und Mut. Ihre Motivation für die Expedition bestand weniger darin, zeigen zu wollen, dass »auch Frauen« solche Pionierprojekte planen und durchführen können. Dieses Abenteuer war ihnen vielmehr als Essenz ihres Daseins wichtig. »Was konnte zwei sensible Frauen dazu bewegen, ihre Arbeit aufzugeben, und eine dritte dazu, ihre geliebte Familie zu verlaßen? Und das alles, um sich extremen Unannehmlichkeiten und möglicherweise sogar lebensgefährlichen Situationen auszusetzen, während sie auf einigen besonders einsamen, fremdartigen und rauen Unebenheiten der Erdoberfläche herumkrabbelten.«
Das Buch Zelte auf dem Dach der Welt ist nicht nur wunderbar detailliert und mit viel Humor erzählt, es ist nicht nur ein fesselnder dokumentarischer Bericht dreier Frauen, die sich ihren Traum verwirklicht haben, es ist wohl das beste Buch, das ich je über das Bergsteigen und die Motivation dazu »genossen« habe. In ihren Betrachtungen erkenne ich die reinste Sehnsucht, die sie in die Berge gelockt hat: » ... es waren die Tage, an denen wir hoch oben in den Bergen, Gletschern und Schneefeldern des jugal unser Letztes gaben, die uns für immer in Erinnerung bleiben werden: nicht nur als die glücklichsten, sondern kurioserweise auch als die vollkommensten und friedvolisten Tage unseres Lebens.« Zelte auf dem Dach der Weit ist ein faszinierender Bericht über ein Nepal, das man mit ein wenig selbständiger Vorbereitung und risikowilliger Abenteuerlust auch heute noch erleben kann.
Die schottischen Bergsteigerinnen zeigen mit einfühlsarnem Verständnis für die Einheimischen eine vielseitige Kultur und porträtieren die Sherpas, wie auch ich sie vierzig Jahre später erlebt und lieben gelernt habe. Ich kann aus tiefster Oberzeugung sagen. Dieser Bericht schildert die Ereignisse so lebendig, dass man sich bei der Lektüre direkt an die Orte des Geschehens versetzt fühlt. Gerade in diesem neuen Jahrtausend habe ich als Frau mit ähnlichen »Pioniergenen«, wie viele andere Frauen auch, das seelische Bedürfnis, über die traditionellen Rollen hinauszuwachsen und etwas über solch kompetente Vorbilder zu erfahren - um dadurch immer wieder die eigenen Träume und Ressourcen herauszufordern.
Lene Gammelgaard
Kopenhagen im Mai 2000