Die Kelten

Ihre Frauen sind für jeden Mann die heiligsten
Zeuginnen seiner Tapferkeit. Die Überlieferung erzählt,
daß wankende Heere von Frauen wieder gesammelt wurden (...).
Sie glauben, daß ihr Geschlecht ein bestimmtes
Vorherwissen habe, und sie verachten ihre Ratschläge nicht,
noch nehmen sie ihre Ansichten leicht.
Tacitus

Das Auftauchen der Kelten

Zum ersten Mal begegnen wir den jüngeren nördlichen Kelten, Tacitus' blauäugigen Riesen, um 900 v. Chr., als die Griechen sie »Keltoi« nannten, was Professor Powell für den Namen ihrer königlichen Familie hält.[1] Wo waren sie seit dem Untergang der alten Kultur gewesen? Wo hatten sie in der langen Zeit gelebt, während der die sumerische Kultur erblüht und abgestorben war, und die patriarchale Revolution die Gesellschaft des östlichen Asien und der Ägäis verändert hatte?
Wo immer sie auch waren, sie hatten Sitten und Gebräuche ihres alten Erbes bewahrt. Klassische Schriftsteller wundern sich unterschiedslos über die seltsamen Lebensgewohnheiten der Kelten und ihrer Stämme: Sie hielten keine Sklaven; sie kannten keine Todesstrafe; bei ihnen bestand vollständige Gleichheit der Geschlechter mit einem leichten Übergewicht auf der weiblichen Seite; die Frauen nahmen an den Stammesversammlungen teil und führten dabei oft den Vorsitz, ihre Häuptlinge wurden gewählt, während das Königtum erblich war, und zwar in weiblicher Linie. Nur in diesem letzten Punkt glichen sie der übrigen alten Welt. Als die klassische Welt ihrer gewahr wurde, hatten sie sich schon über ganz Europa ausgebreitet. »Im dritten Jahrhundert v. Chr.«, schreiben Dillon und Chadwick, »konnte man von Galatien und Kleinasien nordwestwärts nach Schottland und Irland und dann wieder südwärts nach Andalusien in Spanien reisen, ohne keltisches Gebiet zu verlassen.«[2] Sie waren ein Volk mit einer gemeinsamen Kultur. Und überall hielten sie an ihren demokratischen Einrichtungen und ihrer traditionellen Achtung vor der Frau fest.
Sie waren keineswegs die Barbaren, die die moderne Geschichte aus ihnen gemacht hat. Die Archäologie zeigt zusammen mit der weniger voreingenommenen Forschung des 20. Jahrhunderts schließlich jetzt, wie die vorchristlichen Kelten wirklich waren, bevor sie, wie die Kreter und Etruskef vor ihnen, ein Opfer einer »Verschwörung des Schweigens« geworden waren, einer Verschwörung mit der Absicht,».Ihre Errungenschaften unterzubewerten, um die ihrer späteren Beherrscher hervorzuheben. Diese waren die wilden und barbarischen Teutonen, die heutigen Deutschen, die aus den dichten baltischen Wäldern im 5. Jahrhundert als Vandalen und Goten hervorbrachen und unbewußt das christliche Bemühen unterstützten, sowohl das keltische als auch das römische Reich zu zerstören. Zusammen vernichteten diese Mammute des Männlichkeitskultes — die teutonische Barbarei und das semitische Christentum — die alte zivilisierte Welt und setzten an ihre Stelle das dunkle Zeitalter des mittelalterlichen Europa, von dessen Rückschritt sich die abendländische Zivilisation noch nicht erholt hat.
Im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung, daß Europa bis zur Kolonisierung durch Rom während der letzten drei Jahrhunderte v. Chr. ein Brachland gewesen sei, weisen die jüngsten Funde der Archäologie »darauf hin, daß Europa in vorgeschichtlicher Zeit von Völkern bewohnt war, die eine höhere Kulturstufe besaßen als man bisher angenommen hat. Auch ihre Errungenschaften hatten sich in tarnenden von Jahren weiterentwickelt, selbst vor der etruskischen Zeit«.[3]
Das keltische Zeitalter im vorgeschichtlichen Europa »war ein Heldenzeitalter«, schreibt Stuart Piggott, »ähnlich Homer auf der einen und Beowulf und den Sagas auf der anderen Seite. Und hinter allem liegen Hesiods Werke und Tage!«[4] Das heißt, alles gründete sich auf die Gynaikokratie, an die Hesiod erinnert, »der Dichter der Matriarchate«. »Die keltische Kunst gehörte zu den führenden (...) in Europa«, fährt Piggott fort.[5] Die Technologie der alten Kelten bildete die Grundlage, auf der die europäische Technologie bis ins Dampfzeitalter hinein ruhte, das heißt bis vor weniger als 200 Jahren. Die Schmiede und die Töpfer des 18. Jahrhunderts verwendeten dieselbe Technik und dieselben Stoffe wie die Kelten des vierten Jahrtausend v. Chr.[6]
Technologie und Landwirtschaft des mittelalterlichen Europa waren nur eine Fortsetzung der keltischen des 6. Jahrtausends v. Chr. »Der Ziehpflug und die rechteckigen Felder waren im keltischen Britannien seit dem 3. Jahrtausend bekannt. Die vorgeschichtlichen Kelten entwickelten Fruchtwechsel und das Düngen, um den Boden vor dem Auslaugen zu bewahren.«[7]
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung waren die Kelten nicht des Lesens und Schreibens unkundig. Sie hatten ihre eigene Literatur, die in den mittelalterlichen Liedern und späteren Romanen Irlands, Britanniens und Westeuropas fortbestand. In der Ritterzeit, schreibt W.W. Comfort, »übernahmen die französischen Dichter viele keltische Volksbräuche und verwendeten sie dazu, sie mit zahlreichen Ritterbräuchen und -Vorstellungen zu beladen«.[8] Und Charlotte Guest schreibt: »Bemerkenswert ist, daß sich bei einer Überprüfung der großen Romane der gesamten europäischen Literatur die Namen vieler Helden und die ihrer Schauplätze als keltisch herausstellen (...). Da die meisten keltischen Völker die keltische Sprache verloren haben, ist es verwunderlich, daß Geschichten, die ursprünglich in keltischen Mundarten Großbritanniens und Frankreichs überliefert wurden, so sehr die Literatur von Völkern beeinflussen konnten, denen die keltische Sprache vollkommen unbekannt war.« Man kann nur annehmen, fährt sie fort, »daß sich bei der Vertreibung aus ihrer Heimat durch spätere Völker die Namen ihrer Helden und Heldinnen und deren Großtaten und die Schöpfungen ihrer Dichter überall unter den Eindringlingen verbreiteten und deren Geschmack und Literatur für viele Jahrhunderte beeinflußten, und daß deshalb die keltische Literatur sehr wohl beanspruchen kann, die Wiege des europäischen Romans zu sein«.[9]
Lady Charlotte schrieb diese Worte 1849, als man die hohe Kultur der Kelten und ihre große Zahl ganz und gar nicht vermutete, sondern glaubte, sie seien kleine, verstreut lebende, ungebildete Stämme gewesen, die lediglich den Südwesten Europas und die Britischen Inseln bewohnt hätten.
Aus den Feststellungen Comforts und Guests kann man entnehmen, daß die Zeit des Rittertums, die vorübergehend die Dämmerung des Mittelalters erhellte und für allzu kurze Zeit den mittelalterlichen Frauen ihren alten Glanz zurückgab, nur eine Erneuerung des keltischen Feminismus war.
Piggott sagt in seinem Buch, das er vor kurzem über die Kelten herausgebracht hat, daß sie »ein von Gelehrsamkeit zeugendes Verhältnis zu Maßstäben der Bildung zeigten«, und daß »es einen Indizienbeweis dafür gibt, daß Papyrus als Schreibmittel ins frühe keltische Britannien eingeführt wurde. Das würde natürlich Bildung einschließen«, fährt er fort, »wie das auch die Münzinschriften und die Schriftzeichen an früher keltischer Töpferei zeigen.«[10]
Daß die Kelten die Kunst des Schreibens seit frühester Zeit gekannt haben müssen, läßt die Tatsache vermuten, daß ihre alte Handschrift »Ogham« »aus Anatotien zu stammen scheint«,[11] eine Gegend, die sie so früh in grauer Vorzeit verlassen hatten, daß sie das selbst gar nicht mehr wußten.
Doch so bemerkenswert ihre Kunst, ihre Beredsamkeit und ihre Schönheitsliebe sind, das hervorragende Wesensmerkmal der alten Kelten war doch ihre Freiheitsliebe. Sie waren im späten Altertum in ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit, geschlechtlicher und gesellschaftlicher Gleichberechtigung, Demokratie und Menschenfreundlichkeit mit niemandem zu vergleichen. Sie verabscheuten die Todesstrafe. Henry Hallam schreibt, daß »die Todesstrafe im Gegensatz zum Geist der alten Völker Europas stand. Man entschädigte vielmehr die Familie des Opfers«,[12] eine sicherlich menschlichere und gesellschaftlich nützlichere Art der Bestrafung als die Hinrichtung.

Die Frauen Galliens

Wir haben von alten Zeiten kein glänzenderes Bild als das der keltischen Frau. Schlank und edel in der Haltung, ihr rotgoldenes Haar den Rücken hinabwallend oder in einem losen Knoten im Nacken gefaßt, mit leuchtenden, blauen Augen, so sehen wir sie, wie sie Truppen im Kampfe führt, Stammesversammlungen leitet, ihre Verwundeten auf dem Schlachtfeld pflegt, tapfer an der Seite ihres Gatten kämpft und mit Güte ihre Kinder erzieht. Sie erscheint wie eine spätere Camilla, frei wie Artemis und stolz in ihrer Freiheit.
Dieses herrliche Geschöpf, diese keltische Frau des Altertums sehen wir plötzlich einige Jahrhunderte später, im dunklen Zeitalter des christlichen Europa, sich an ihrer Hüttentüre ducken, eine wimmernde Sklavin, von der Kirche als Geschöpf des Teufels gebrandmarkt, ohne Seele, ohne Rechte, ohne menschliche Natur. Sie war nicht mehr die Gebieterin ihres Volkes oder die Priesterin ihrer Göttin; sie war ausgeschlossen von den Gerichtshöfen, ausgeschlossen vom Dienst am Altar des neuen Gottes, ihrer Rechte auf Eigentum beraubt, ja sogar beraubt des Rechts auf ihren eigenen Körper. Jules Michelet zeichnet uns ein unvergeßliches Bild von dieser einst stolzen Frau: jetzt aufs tiefste erniedrigt, mit vom ständigen Weinen geröteten Augen, ihr goldenes Haar stumpf und ungekämmt, ihre Gliedmaßen von Stock und Peitsche grün und blau geschlagen. Versklavt durch das Gesetz, mißbraucht und ausgebeutet von ihrem Mann, ein Zeitvertreib für ihren Lehnsherren, betrogen und beschmutzt von Priester und Mönch, ist sie ein überarbeitetes, geschlagenes, hoffnungsloses Objekt geworden, eine Vorläuferin von Generationen christlicher Frauen, die noch kommen sollten.[13]
Aber in den unzähligen Jahrtausenden vor dem Christentum war diese »untermenschliche« Sklavin der Ruhm der Welt gewesen, ein Ziel der Verehrung unter den Völkern, eine Quelle der Ehrfurcht für die erobernden Römer. Noch im vierten Jahrhundert n. Chr. schrieb der römische Historiker Ammianus Marcellinus von den keltischen Frauen des heidnischen Gallien: »Nahezu alle Gallier sind von hehrer Gestalt, haben einen kühnen Blick und sind sehr stolz. Eine ganze Schar von Fremden wäre nicht in der Lage, einem einzigen Gallier zu widerstehen, wenn er seine Frau zu Hilfe ruft, die gewöhnlich sehr stark und blauäugig ist.«[14] Julius Cäsar berichtet, daß der vereinigte Generalstab des keltischen Volkes aus Frauen bestand. »Die Matronen entschieden«, schreibt er in seinem Gallischen Krieg im Jahre 58 v. Chr., »wann die Truppen angreifen und wann sie sich zurückziehen sollten.«[15] Und nach Tacitus war es die Königin Veleda, vom keltischen Stamme der Batavier, an die sich der römische Feldherr Cerialis wegen der Übergabe seines Flaggschiffes wenden mußte, das die Batavier »als Geschenk für Veleda den Fluß Lupia hinaufgezogen hatten«.[16]
Die fortgesetzte Vorherrschaft der Frauen in der keltischen Regierung wird von Tacitus bestätigt. Denn als derselbe Feldherr Cerialis die Stämme aufforderte, sich den Römern anzuschließen, »murmelten die unteren Klassen, daß, wenn wir zwischen Meistern wählen müssen, wir bei den Kaisern Roms ein ehrenhafteres Los haben als bei den Frauen Galliens«.[17] Dieses Bild erhellt, wie die Römer das männliche Element unter den niederen Schichten der Kelten in der gleichen Weise angesprochen haben wie die moderne Black-Power-Bewegung und skrupellose weiße Politiker die rassistischen Elemente bei den Unterschichten Amerikas.
Im dritten Jahrhundert v. Chr. hatte der karthagische König Hannibal, der Rom beinahe eroberte, die keltischen Frauen achten und fürchten gelernt, als er ihre Bereiche auf seinem Marsch über die Alpen nach Italien durchquerte. In Spanien, Gallien und Norditalien waren es Frauen, die an ihn herantraten, und nur mit ihrer Erlaubnis konnte er seinen Weg unbehindert fortsetzen. In dem zwischen Kelten und Karthagern ausgehandelten Vertrag wurde vereinbart: »Wenn die Kelten Beschwerden über die karthagischen Soldaten haben, so soll der karthagische Befehlshaber entscheiden. Doch wenn die Karthager irgend etwas gegen die Kelten vorzubringen haben, so soll das den keltischen Frauen unterbreitet werden.«[18]
Edward Gibbon setzte im 18. Jahrhundert, typisch männlicher Anschauung entsprechend, Weiblichkeit mit Kleinmut gleich, und bezeichnete abfällig die keltischen Frauen des vorchristlichen Europa als »unweiblich«. Diese »hochgeistigen« Matronen, wie er sie bezeichnete, »müssen die anziehende Sanftheit verloren haben, in der der Liebreiz und die Schwäche der Frau bestehen«.[19] Doch daß die Sanftheit und Schwäche der Frauen anziehend seien, ist eine jüdisch-christliche Vorstellung, die bei den vorchristlichen Europäern nicht vorhanden war. Wie die früheren Bewohner Italiens, bewunderten auch die Kelten die audax, die Kühnheit, vor allem der Frauen, bei den Etruskern audacia muliebris genannt, was moderne Gelehrte als Widerspruch in sich angesehen haben. »Weibliche Kühnheit«, sagen sie, »ist sicherlich nicht zu bewundern. Weibliche Schüchternheit und Untergebenheit, ja. Weiblicher Wagemut, nein.« Carpenter drückt es so aus: »Heute wird die Vorstellung, daß Frauen Mut und Stärke brauchen, für sehr abwegig gehalten. Doch die Wahrheit ist, daß Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Mut einem Sklaven nicht zuerkannt werden können, und deshalb hat sie der Mann in all den letzten Jahrhunderten herabgesetzt, bis die Frau sie schließlich selbst als ,unweiblich' angesehen hat.«[20] Doch die Kelten glaubten an die audacia, und selbst ihre Hochzeitsbräuche waren danach ausgerichtet, der Braut zu versichern, daß sie durch Heirat nichts von ihrer Unabhängigkeit verliere, daß sie und ihr Gatte beim Streben nach Ehre und Ruhm gleiche Partner seien, daß sie »mit ihm teile und wage, im Frieden wie im Krieg«, wie es Tacitus berichtet.[21]
Tacitus vermerkt zustimmend die Tatsache, daß die Kelten, wie die Römer und die Griechen, monogam und »mit einer Frau zufrieden waren«.[22] »Keine ihrer Sitten ist lobenswerter als ihr Hochzeitsbrauch. Die Frau bringt dem Gatten keine Mitgift, doch dieser seiner Frau. Mit seinen Hochzeitsgaben würde sich eine Braut nicht schmücken; es sind vielmehr Ochsen, ein aufgezäumtes Pferd, ein Schild, eine Lanze und ein Schwert. Damit die Frau nicht denkt, sie könnte bei den Bemühungen um edle Taten beiseite stehen, wird sie durch diese Zeremonie daran erinnert, daß sie die Partnerin ihres Gatten in der Gefahr ist und dazu bestimmt, sowohl im Krieg als auch im Frieden mit ihm zu teilen und zu wagen. Das Paar Ochsen, das angeschirrte Pferd und die übergebenen Waffen verdeutlichen diese Tatsache.«[23]
Auch als Mütter gewannen die Frauen Tacitus' Anerkennung: »In jeder Familie wachsen die Kinder nackt auf mit ihren kräftigen Gestalten und starken Gliedmaßen, die wir so sehr bewundern. Jede Mutter stillt ihr eigenes Kind und vertraut es nie Dienern oder Ammen an.«[24] »Der Soldat kommt mit seinen Wunden zu seiner Mutter, die sich nicht scheut, sie zu zählen.«[25]
Die hohe Stellung der keltischen Frau im ersten Jahrhundert n. Chr. wird außerdem, wenn noch ein weiterer Beweis nötig sein sollte, durch ihre religiösen Bräuche und die Bedeutung der mütterlichen Verwandtschaft bestätigt. »Allen Stämmen sind die Anbetung der Mutter der Götter u213nd der Glaube gemeinsam, daß sie in menschliche Angelegenheiten eingreift und die Völker in ihrer Fürsorge besucht (...). Es ist eine Zeit der Freude, und Feste werden gefeiert, wo immer sie sich entschließt hinzugehen. Sie führen keinen Krieg, noch tragen sie Waffen, die alle unter Verschluß gehalten werden; Frieden und Ruhe herrschen in diesen Zeiten, bis die Göttin, vom Umgang mit den Menschen ermüdet, schließlich wieder in ihren Tempel zurückgebracht wird«, der auf einer Meeresinsel inmitten eines heiligen Eichenhaines liegt.[26]
Die Schwesternbeziehung ist heilig, und die Kinder der Schwester werden höher geachtet als die eigenen. »Die schwesterliche Verwandtschaft wird tatsächlich für heiliger und bindender gehalten als irgendeine andere.«[27]
Tacitus hatte offensichtlich vergessen oder war sich dessen nicht bewußt, daß in seinem eigenen Land nicht sehr lange vor seiner Zeit dieselbe Sitte üblich gewesen war.

Die Kriegerköniginnen

Alle schriftlichen Berichte, die wir von den frühen Kelten besitzen, wurden von Männern verfaßt, deren Land mit den Kelten verfeindet war, angefangen mit Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. bis Ammianus Marcellinus im 5 .Jahrhundert n. Chr. Doch alle sprechen bewundernd von der keltischen Frau, von ihrem Adel, ihrem Mut, ihrem Stolz und ihrer Unabhängigkeit.
»Anders als die modernen Kritiker, bezweifeln, geschweige denn verändern diese alten Schriftsteller die Überlieferung nicht deswegen, weil sie eine Abweichung in ihr zu finden scheinen«, sagt Bachofen.[28] Mit einem Wort, »die matriarchalen Vorstellungen hatten den Bedürfnissen der patriarchalen Theorie noch nicht nachgegeben«.[29] Die alten Autoren sind deshalb viel zuverlässiger als ihre modernen Interpreten, deren »bewußte Feindseligkeit gegenüber den Alten« die eigentliche Substanz und das Gefüge der alten Geschichte und Gesellschaft verändert haben.[30]
Herodot, in dessen griechischem Heimatland sich in seiner Zeit das Patriarchat bereits gegen das ursprüngliche Matriarchat durchgesetzt hatte, schrieb mit Bewunderung von Tomyris, der keltischen Königin, die den mächtigen Cyrus den Großen, den König von Persien, erschlug. Herodot sah hierin nichts »Ungewöhnliches«. Er beschimpfte sie nicht, wie moderne Historiker, als »unnatürliches Mannweib«, sondern stellt sie als Frau von hohem Adel und besonderer Lauterkeit dar.
Als Cyrus die Massageten bedrohte, »sandte deren Königin Tomyris einen Boten zu ihm, der sagte: ,König der Meder, beende dieses Unternehmen(...).Begnüge dich damit, in Frieden dein eigenes Königreich zu regieren, und ertrage es, daß wir über die Länder herrschen, die wir zu lenken haben.' « Aber Cyrus wies dieses Gesuch zurück, und Tomyris sandte ihren Sohn Spargapises an der Spitze einer Armee aus, die die Meder und Perser aus ihrem Land vertreiben sollte. Die Perser gewannen den folgenden Kampf und nahmen Spargapises gefangen, der sich sogleich tötete, um der Sklaverei zu entgehen. Als Tomyris hörte, daß ihr Sohn gefangen genommen worden war, schickte sie Cyrus folgende Botschaft: »Du hast mein Kind gefangen. Gib mir meinen Sohn zurück und ziehe unbeschadet aus meinem Land. Weigerst du dich, so schwöre ich dir, blutdürstig wie du bist, daß ich dir genügend von deinem Blute geben werde.«
»Als Tomyris erkannte«, fährt Herodot fort, »daß sich Cyrus um ihren Rat nicht kümmerte, versammelte sie alle Streitkräfte ihres Königreiches und zog gegen ihn in die Schlacht (...). Von allen Kämpfen war dieser der fürchterlichste. Am Ende trugen die Massageten unter der persönlichen Leitung von Tomyris den Sieg davon. Der größere Teil des Heeres der Meder und Perser wurde vernichtet, und Cyrus selbst fiel (...). Als sie erfuhr, daß ihr Sohn tot war, nahm Tomyris Cyrus' Körper, tauchte seinen Kopf in eine Lache geronnenen Blutes und sprach zu ihm: »Ich lebe und habe dich im Kampf besiegt. Aber durch dich wurde ich vernichtet, denn du hast mir meinen Sohn durch Arglist genommen. Doch so mache ich meine Drohung wahr und gebe dir genügend von deinem Blute.«[31]
Es ist sehr aufschlußreich, daß trotz Herodots Tatsachenbericht, den er nur wenige Jahre nach dem Ereignis schrieb, moderne Historiker vorgeben, nicht zu wissen, wie Cyrus starb. Mit nur leicht unterschiedlichen Worten sagen die Nachschlagewerke, er starb im Jahre 529 v. Chr. wahrscheinlich bei einem Feldzug. Es scheint, als hielten es die männlichen Schriftsteller des christlichen Zeitalters für unmöglich, daß dieser große König Cyrus, der Gründer des Persischen Reiches und Eroberer des Morgenlandes von Frauenhand im Kampf erschlagen worden sein könnte. Wenn sie ihn verräterischerweise umgebracht hätte, durch Gift oder Betrug, wie er ihren Sohn, so würde Tomyris eine jener berüchtigten Frauen, eine aus »der schrecklichen Schar« sein, wie Toynbee sie bezeichnet, deren Erinnerung von männlichen Historikern als Beispiele für die Ruchlosigkeit des weiblichen Geschlechts bewahrt wurde.
Tomyris' herausfordernde Worte erinnern an eine andere keltische Königin, an Boadicea von Britannien, die etwa 600 Jahre später siebzigtausend der einfallenden Römer erschlagen sollte, wie die Römer selbst voll Trauer berichteten. Boadiceas Aufforderung an ihr Volk im Jahre 60 n. Chr. klingt ähnlich stolz wie Cyrus' Herausforderung durch Tomyris 529 v. Chr.:

»Nicht als Königin adeliger Vorfahren, sondern als eine aus dem Volk räche ich unsere verlorene Freiheit. Die römische Zügellosigkeit geht bereits so weit, daß nicht einmal unsere Körper unbeschmutzt bleiben. Wenn ihr die Stärke unserer Heere genau abwägt, so werdet ihr sehen, daß wir in diesem Kampf entweder siegen oder sterben müssen. Das ist der Entschluß einer Frau. Was die Männer betrifft, so mögen sie leben und Sklaven sein!«[32]

Dio Cassius hat uns ein eindruckvolles Bild von Boadicea hinterlassen:

»Sie war groß gewachsen und besaß ein anmutiges Gesicht; bekleidet war sie mit einem losen Gewand wechselnder Farben, und die Locken ihres blonden Haares hingen bis zum Saum ihres Kleides. Um ihren Hals trug sie eine Goldkette und in der Hand einen Speer. Und so stand sie für eine Weile und musterte ihr Heer. Mit ehrfurchtsvoller Stille wurde sie betrachtet; dann hielt sie eine beredte und leidenschaftliche Ansprache.«[33]

Das ist Agnes Stricklands Übersetzung. Es ist ein fesselnder Beweis für den fortdauernden Krieg zwischen den Geschlechtern, daß G.R. Dudleys Übersetzung für Boadicea viel ungünstiger ausfällt. Für ihn hatte sie »eine riesige Gestalt«, sie bot »einen schrecklichen Anblick«. Sie trug eine »mehrfarbige Tunika«, und die ,große Masse ihres glänzenden roten Haares fiel bis zu ihren Knien herab«. Um ihren Hals trug sie »ein großes, verdrehtes, goldenes Halsband«, und »ihre Hand hatte einen langen Speer gepackt«. Von ihrem Heer wurde sie nicht mit Verachtung«, sondern mit »Furcht« betrachtet.[34]
Unglücklicherweise sind beide Übersetzungen nicht ganz genau. Die unterschiedlichen Wörter werden in den meisten lateinischen Wörterbüchern als zusätzliche Erklärungen gegeben, wie z.B. »achten, fürchten« für das Verb vereor.
Es hängt alles von der Anschauung ab, und der männliche Chauvinist wählt die eine Bezeichnung, die feministisch gesinnte Person eine andere. Doch der Psychoanalytiker könnte interessantes Material in der Wahl des ersteren für furchterregende, schreckliche Wörter finden, mit denen er diese Kriegerkönigin beschreibt, als ob schon allein der Gedanke an eine Kriegerin atavistische Bilder von männlicher Hilflosigkeit in Gegenwart weiblicher Macht hervorriefe. Wie James Thurbers Karikatur von dem winzigen Mann, der von einem gigantischen, schrecklichen Weib verfolgt wird, das zehnmal so groß ist wie er, so enthüllt diese Wahl die angeborene, ursprüngliche Furcht des Mannes vor der Frau.
Boadicea schlug nicht nur die Heere des mächtigen Rom in die Flucht, sondern sie eroberte auch die römischen Städte London, Colchester, und St. Albans, bevor sie schließlich selbst durch verstärkte Legionen unter Suetonius Paulinus der Gefangenschaft entgegensah.
Um  der Schmach  der Bloßstellung in einem römischen Triumphzug zu entgehen, setzte diese hervorragende Königin im Jahre 62 n. Chr. ihrem Leben selbst ein Ende.
Wie unterschiedlich war doch das Verhalten ihres britischen Landsmannes Caractacus gewesen, der nur elf Jahre vorher von dem römischen Heerführer Publius Ostorius gefangengenommen worden war. In Ketten wurde der Brite nach Rom gebracht und in einem Siegeszug allen Bürgern gezeigt. Als er an der Kaiserloge vorbeikam, flehte er feige um sein Leben: »Meinem Tod würde Vergessenheit folgen. Aber wenn du mir das Leben schenkst, werde ich eine immerwährende Erinnerung an deine Milde sein.«[35] Der weichherzige Kaiser Claudius vergab ihm, verbot ihm aber, nach Britannien zurückzukehren. Und Caractacus verbrachte den Rest seines ruhmlosen Lebens als Gefangener in Rom.
Tacitus berichtet von dem Erstaunen der Römer, als Caractacus bei dieser Gelegenheit entsprechend seiner keltischen Erziehung seine erste Ehrerbietung der Königin darbrachte und »Agrippina mit denselben Worten des Lobes und der Dankbarkeit huldigte wie dem Kaiser«.[36]
Es ist interessant, daß Caractacus eine Heldengestalt bleibt, ein Name, der in der Weltgeschichte beachtet wird, während die viel tapferere und edlere Boadicea vergessen worden ist, mit der Ausnahme, daß man sie als »unnatürliches Mannweib«, als »Anomalie«, als »unweibliche Mißgeburt« der frühen britischen Geschichte ansieht.
Noch schändlicher ist es, daß Cartismandua vergessen wurde. Doch sie ist eine weitere britisch-keltische Königin, die eine wahre Heldin ihres Volkes und eine Geißel für ihre Feinde war. »Cartismandua,« schrieben Dillon und Chadwick, »ist eine der hervorragendsten Herrscherinnen der keltischen Vorzeit, vergleichbar der Königin Boadicea und der heldenhaften Königin Maedb von Connacht. Ein wirklicher Zugang zur keltischen Geschichte und Literatur ist tatsächlich nur dann möglich, wenn man sich den hohen Status vor Augen führt, den die keltischen Frauen hatten.«[37] »Königin Cartismandua herrschte auf Grund ihrer erlauchten Geburt über die Briganten.« schreibt Tacitus.[38] Cartismandua war also durch die Erbfolge Königin geworden und, wie Boadicea »eine Frau königlicher Herkunft, denn sie machen bei der Thronfolge keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern.«[39]
Ihren ersten Kampf gewann sie gegen ihren Gatten, Venutius, der ihr irgendwie mißfallen hatte. Nachdem sie ihn unterworfen hatte, wandte sie sich gegen das Römische Reich. Nur der große Feldherr Agricola konnte die Briganten schließlich im Jahre 77 n. Chr. bezwingen, »die unter der Führung einer Frau das römische Joch wohl hätten abwerfen können«.[40]
Doch nicht nur die Königinnen waren heldenhaft. Heldenmut scheint auf dem Festland wie auf den Inseln ein allgemeiner Wesenszug der keltischen Frauen gewesen zu sein. »Die britischen Frauen standen ihren gallischen Schwestern an Stärke ihrer Persönlichkeit und in politischem und militärischem Ansehen kaum nach.«[41] Als Paulinus die Insel Mona im Irischen Kanal zu nehmen suchte, die seit frühesten druidischen Zeiten heilig war, standen ihm feindliche Linien gegenüber, unter denen »schwarz gekleidete Frauen, die Fackeln trugen, hin und her liefen«, ein Anblick, »der unsere Soldaten so erschreckte, daß sie bewegungslos stehen blieben, als seien ihre Glieder gelähmt (...). Dann trugen sie, von ihrem Feldherrn aufgefordert, nicht vor einer Schar von Frauen zu verzagen, die Feldzeichen vorwärts«.[42] Als ein andermal die Römer den Heeren von Boadicea gegenüberstanden, verloren die Soldaten ihre Nerven, so daß sie von ihrem Feldherrn angefeuert wurden: »Ihr seht hier mehr Frauen als Krieger (...). Schließt die Reihen dichter und schleudert eure Speere.«[43]
Die Briten, von denen er schreibt, nennt Tacitus richtigerweise Kelten und erwähnt ihre Ähnlichkeit mit den Kelten Europas: »Ihre Sprache unterscheidet sich nur wenig von der Galliens, und man findet dieselbe Kühnheit bei der Herausforderung einer Gefahr. Ihre langen Gliedmaßen und ihr rotes Haar deuten klar auf einen >germanischen< Ursprung hin.«[44] Doch wo Tacitus von »Germanen« spricht, meint er das keltische Volk, »da das Germanien seiner Tage das keltische war, das von den patriarchalen Quadratschädeln, die wir heute Germanen nennen, noch nicht überflutet war«, wie Graves schreibt.[45] Terence Powell fügt hinzu: »Die von Tacitus benutzte Bezeichnung »Germani« war ein keltischer Stammesname (...). Die teutonischen Menschen, die wir heute als Deutsche bezeichnen, traten ins volle Licht der Geschichte erst im 5. Jahrhundert n. Chr. Damals erschienen sie als Vandalen und Goten.«[46]

»Groß und schön und blond«

Mit unserer Auffassung, daß die Götter und Göttinnen der Mythologie ursprünglich wirkliche Helden und Heldinnen waren, stimmt die Feststellung Dillons und Chadwicks überein, daß die irischen Götter weder Zwerge noch Feen, sondern »groß und schön und blond« waren. »Sie erinnern an die Beschreibungen der Gallier (Kelten), die wir bei klassischen Schriftstellern finden.«[47]
Diese der klassischen Beschreibung der Kelten so sehr ähnelnden Göttinnen und Götter waren ursprünglich die Tuatha de Danann, das Volk der Göttin Dana, das etwa zur Zeit des Moses nach Irland kam. Diese Göttin Dana oder Danu war entsprechend einer Auslegung die alte vorachäische Göttin Danae, deren Name in Homers Zeit zu Danaus vermännlicht wurde. »Matriarchale Vorstellungen waren zu Zeiten Homers den Bedürfnissen patriarchaler Theorie gewichen, und ein weiblicher Name wurde sehr häufig durch einen männlichen ersetzt.«[48] Danaus war im griechischen Mythos der Vater der 50 Danaiden, die ihre 50 Gatten auf ihrem Hochzeitsfest ermordeten. Dieser Massengattenmord kann eine antipatriarchale Gegenrevolution in frühen dorischen Zeiten versinnbildlicht haben, als die Frauen nach der Weise der lemnischen Frauen sich gegen die Männer erhoben und sie töteten.
Nennius erzählt die Sage, daß Albion, der römische Name für Britannien, sich von der ältesten der gattenmörderischen Danaiden, von Albina, der Weißen Göttin [49] ableitet, was darauf hinweist, daß diese Tochter mit ihrer Mutter zumindest bis nach England gekommen ist. Der Einfluß der Göttin Dana und auch die Ausbreitung ihres Kultes können durch Europa von den Danaern und den Flüssen Don und Donau im Osten bis zu den Dänen und nach Dänemark im Westen verfolgt werden. Völker und örtlichkeiten, die ihr zu Ehren benannt wurden. Die Stadt London, die nach John Stows Aussage 1108 vor Chr. gegründet wurde — »ungefähr im Weltjahr 2855«, fügt er zur Klärung hinzu — wurde auch nach der keltischen Göttin Dana benannt.[50] Thomas Füller überliefert im Jahre 1654, daß die Stadt ihren Namen von einem »Tempel der Dana (Diana) herleitete, im keltischen Lan Dian, der einst dort stand, wo sich jetzt Sankt Paul befindet.«[51]
Lange vor der Gründung Londons jedoch kam das »große und schöne und blonde Volk« der Göttin Dana nach Irland. Es ist nicht bekannt, woher, aber man muß es einfach mit den Menschen der alten Kultur gleichsetzen, den blonden Fremden der auf der ganzen Welt verbreiteten Sage, die vor 10 000 Jahren die Sieben Meere befahren und die Sieben Kontinente auf Karten festgehalten hatten.
»Die Tuatha de Danann«, schreibt der irische Historiker Sheumas MacManus, »waren ein kultiviertes und hochzivilisiertes Volk, das eine solche handwerkliche Geschicklichkeit zeigte, daß die Firbolgs sie Zauberer nannten; und im Verlauf der Zeit schufen die Firbolgs und die späteren Milesier eine Mythologie um sie.«[52] »Spätere Generationen der Milesier, denen die wundervolle Tradition des wunderbaren Volkes überliefert wurde, erhoben sie in einen mystischen Bereich, wobei die Großen unter ihnen Götter und Göttinnen wurden, die ihren Nachfolgern eine herrliche Mythologie boten.«[53] Ihre Königin Eire gab Irland seinen Namen; denn sie war es, die die Heere der Tuatha gegen die einfallenden Milesier führte. Nach der milesischen Königin Scota, die in der Schlacht gegen die Königin Eire fiel, wurden die Iren lange Zeit benannt, denn die Schotten des Altertums waren die Iren. Schließlich fiel bei Tailte, dem heutigen Teltown, die Königin Eire selbst, und die Milesier, die ebenso »groß gewachsen und rotblond« wie die Tuatha de Danann waren,[54] wurden die Beherrscher Irlands.
Die Überlieferung verbindet die Milesier mit Milet in Karien, das ohne weiteres die Wiege der gälischen Kelten gewesen sein kann, genauso wie Lydien und Lykien die der Italo-Kelten gewesen war, der alten Latiner, von denen Mommsen fand, daß sie den nördlichen Kelten Europas seltsamerweise so ähnlich waren. Könnten diese Kelten des geschichtlichen Europa der letzte Rest der großen verlorenen Zivilisation gewesen sein, deren Existenz immer klarer hervortritt, und von der Sumer ein letztes, schwaches, sterbendes Echo war? Vielleicht waren die Götter und Göttinnen der griechischen Mythologie, ebenfalls »groß und blond und schön«, die Helden und Heldinnen jener verlorenen Zivilisation gewesen, genauso wie die Götter des späteren keltischen Irland einst die Helden und Heldinnen der Tuatha de Danann gewesen waren.

Das Brehon-Recht und das Christentum

Als Beispiel für die gerechten und klugen Gesetze der keltischen Völker besitzen wir heute noch Abschriften des BrehonRechtes, eines Gesetzeswerkes, das seit vorgeschichtlichen Zeiten unter den Kelten Irlands weitergegeben wurde. »Diese Gesetze weisen das Vorhandensein eines vollständigen Rechtssystems unter den keltischen Stämmen zu einer sehr frühen Zeit nach« und sie werfen »ein wichtiges Licht auf die alte keltische Zivilisation«.[55] Und, was noch wichtiger ist, wie Powell bemerkt »sie sind ein Spiegelbild der alten keltischen Gesellschaft insgesamt[56]
Zu den Brehon-Gesetzen, die die Frauen betrafen, gehörte das Recht, große Landbesitzungen zu erben und auch die Adelstitel, die zu diesen gehörten. Dabei waren die Frauen nur verpflichtet, und das erst in viel späteren Zeiten, einen Ersatzkrieger zu stellen, wenn Soldaten ausgehoben wurden. Diese Gewohnheit war in Frankreich noch im 14. Jahrhundert n. Chr. üblich. »Bis zum 14. Jahrhundert wurden in Frankreich große Lehensgüter generell an Frauen vererbt, und die Krone ähnelte einem großen Lehen.« »Die großen Lehensgüter der Krone gingen an Frauen, und Burgund wurde bis ins 15. Jahrhundert hinein immer als weibliches Lehen betrachtet.« »Frauen konnten auch Heereslehen erben.«[57]
»Es ist ein seltsamer Umstand« folgert Hallam von seinem patriarchalen Standpunkt des 19. Jahrhunderts, »daß offensichtlich kein erbliches Königtum Europas im Mittelalter die Frauen vom Thron ausgeschlossen hat.«[58]
Die Kirche erkannte, daß es, verglichen mit der verhältnismäßigen Leichtigkeit, mit der es ihr schließlich gelungen war, die Frauen des Volkes zu unterwerfen, viel schwieriger war, die Frauen der königlichen Familien und des Adels zu unterjochen. Trotzdem dauerte es auch sehr lange, bis sie das erstgenannte Ziel erreichte. Sie errang den vollständigen Sieg über die Frauen nämlich erst im 17. Jahrhundert, und damals auch nur mit Hilfe der neuen protestantischen Christen, der Puritaner.
Nach dem Brehon-Recht waren die Ehepartner gleichberechtigt. Wie im heidnischen Rom »besteht nur ein Vertrag zwischen ihnen (...). Das Römische Recht behandelte die Ehe wie einen Vertrag, der mit Zustimmung beider Seiten auflösbar war«.[59] Doch unter Papst Leo III. (796-816) bestimmte das christliche kanonische Recht, »daß die Ehe ein unauflösliches Band ist«, aus dem es außer durch Tod keine Befreiung gab.[60]
Die Frau blieb nach der Heirat nicht nur alleinige Eigentümerin ihres eigenen Besitzes, wie das auch unter griechischem und römischem Recht der Fall war, sondern sie erhielt auch gleichen Anteil am Eigentum ihres Mannes, dessen er sich ohne ihre schriftliche Zustimmung nicht entledigen konnte. Nach keltischem Recht waren die Frauen nicht nur bei Gericht zugelassen, von dem sie nach christlichem Recht ausgeschlossen waren, sondern sie konnten sich bei Gerichtsverhandlungen selbst vertreten und sogar ihre eigenen Gatten zur Sühne heranziehen, nach christlichem Recht ein abscheuliches Verbrechen. Wenn sie einen Grund hatte, konnte sich eine Frau von ihrem Mann scheiden lassen, wie das im alten Griechenland und Rom der Fall war, und dabei hatte sie das Recht, ihren eigenen Besitz und die von ihrem Mann erhaltene Aussteuer ebenso mitzunehmen wie alle andere Mitgift. Darüber hinaus konnte sie sogar noch ein Drittel bis zur Hälfte des gesamten privaten Vermögens.Ihres Mannes verlangen.[61]
Die Bereiche des Brehon-Rechts, die sich auf die Frauen bezogen, wurden bald von der Kirche angegriffen und in Europa schrittweise beseitigt. In England hielt sich das Brehon-Recht, zumindest seine die Männer begünstigenden Teile, im Gewohnheitsrecht. Martia Proba, eine keltische Königin Britanniens im 3. Jahrhundert v. Chr. fügte das Brehon-Recht in die Gesetzessammlung, die sie ihrem Volk gab, die Martianischen Verordnunggen ein. Es waren diese Verordnungen, auf die sich König Alfred der Große tausend Jahre später in seiner Gesetzessammlung stützte, der Ursprung des anglikanischen Common Law.[62]
In Irland mußte sich die Kirche dem Volk anpassen, und nicht umgekehrt. Es bedurfte erst des redegewandten Hl. Patrick, um entsprechend der christlichen Lehre den Mann zu verherrlichen und die Frau herabzusetzen. Wir lesen im Senchus Mor, einer Überarbeitung des Brehon-Rechts aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., daß ,,in der Ehe der Mann die Führung hat. Es ziemt sich, dem vornehmen Geschlecht den Vorrang zu geben, das heißt, dem Mann. Denn der Mann ist das Haupt der Frau. Der Mann ist edler als die Frau«.[63]
Das klingt sehr ähnlich dem semitischen Tonfall eines bestimmten frauenfeindlichen Autors des Neuen Testamentes, in dem wir lesen: »Die Weiber seien Untertan ihren Männern als dem Herrn. Denn der Mann ist des Weibes Haupt.« (Eph. 5;22-23) Weiter: »Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne. Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen.« (I Kor. 11; 8-9) Und unser Verdacht, daß wir es hier mit einem Plagiat zu tun haben, wird bestätigt, wenn wir Fachleute zu Rate ziehen, die sagen, daß das Senchus Mor von niemand anderem geschrieben wurde als vom Hl. Patrick selbst![64] Dieser listige Heuchler!
Während des christlichen dunklen Zeitalters des Abendlandes, als nur das keltische Irland das Licht der Gelehrsamkeit bewahrte, führten dfeMPrauen im Bereich des Rechts, des Wissens und der Dichtkunst. Keltische Mädchen und Knaben besuchten Akademien, deren Leiter und Lehrer fast ausschließlich Frauen waren.[65]
Im 5. und 6. Jahrhundert war die Hl. Brigitte für ihre vollkommene Bildung ebenso bekannt wie für ihren scharfsinnigen Verstand im Bereich des Rechts. Und ihr Einfluß und Beispiel wirkten noch Jahrhunderte über ihren Tod hinaus. Doch sie war in den Annalen der irisch-keltischen Frauen keineswegs ein Einzelfall. Weibliche Dichter, Helden, Ärzte, Weise, Rechtsgelehrte, Krieger und Richter werden häufig in alten Berichten erwähnt, wie Sheumas MacManus und Edmund Curtis bestätigen. Zu den größten irischen Dichterinnen gehörte die Freifrau Uallach, die im Jahre 932 n. Chr. starb, und Liadan aus dem 7. Jahrhundert.[66]
Die irisch-keltischen Frauen zogen, wie ihre Schwestern in Britannien und auf dem Kontinent, in den Krieg und schlugen sich heldenhaft. Erst im Jahre 697 verbot der Hl. Adamnan, ein christlicher Bischof, den Frauen Irlands, sich aktiv an Waffenübungen zu beteiligen. Demütig gehorchten sie, da die Gehirnwäsche durch den christlichen Mythos von ihrer Minderwertigkeit schon zur Hälfte Erfolg hatte. Und so endete das lange und ruhmreiche Zeitalter der keltischen Kampfesheldin und Kriegerkönigin, das, soweit die Geschichte bisher nachweisen konnte, mit Camilla, der Königin von Latium, im 13. Jahrhundert v. Chr. begonnen hatte.
In England traten die keltischen Frauen erst 936 n. Chr. ihren langen und schmerzlichen Abstieg in die Knechtschaft an, denn erst zu dieser Zeit, als »der britisch-keltische Bischof Conan sich dem römisch-katholischen Erzbischof Wolfstan von Canterbury unterordnete«,[67] verschlechterte sich die Stellung der Frauen in Britannien, zumindest im keltischen Gebiet. Nahezu fünfhundert Jahre hatten die keltischen Christen gegen die die Frauen hassenden römischen Christen ausgehalten, die vom Hl. Augustinus bekehrt worden waren. Denn dieser brachte das Christentum nicht zu den Kelten, sondern nur zu den Sachsen Britanniens. Und was er lehrte, war die paulinische Art des Katholizismus, die bereits von allem Anfang an frauenfeindlich eingestellt war.
Die Kelten des südlichen Britannien waren schon sehr frühzeitig mit einer anderen, einer apostolischen Art des Christentums in Berührung gekommen, die vom Paulinismus noch nicht verdorben war. Die Überlieferung behauptet, daß die keltische Kirche von Glastonbury »im letzten Jahr von Tiberius Cäsar« gegründet wurde (37 n. Chr.), wie Gildas schreibt.[68] Alte Geschichtsschreiber von Tertullian bis Eusebius bestätigen, daß das Christentum zu Lebzeiten Jesu oder spätestens einige Jahre nach der Kreuzigung durch einen echten Apostel, nämlich Philippus, ins keltische Britannien gebracht worden war.
Selbst der Hl. Augustinus, der an Papst Gregor im Jahre 600 schrieb, bezeugt, daß die »Neugetauften des katholischen Rechts« (er und seine Anhänger) in England bereits eine Kirche vorfanden, »geschaffen von den Händen Christi selbst«, mit anderen Worten: zu Lebzeiten Christi.[69] Da wir den Zeitpunkt der Kreuzigung nicht kennen, kann das Jahr 37, das von Gildas angegebene Gründungsdatum Glastonburys, ohne weiteres noch zu Christi Lebzeiten gewesen sein. Sicherlich ging es der »Bekehrung« des Hl. Paulus noch voraus.
Das Alter des keltischen Christentums in England ist deswegen übergangen worden, weil die Chronisten der englischen Kirche, von Bede angefangen, Sachsen waren, die es vorzogen, das Christentum mit dem paulinisch-römischen Katholizismus gleichzusetzen, der von Augustinus, dem Missionar der Sachsen, eingeführt wurde. Der Triumph des paulinischen Christentums beendete im 10. Jahrhundert die traditionelle weibliche Freiheit und Vorrangstellung, die das keltische Christentum übernommen und fortgesetzt hatte.
John Lloyd schreibt, daß Papst Gregor, als er Augustinus nach Britannien sandte, einen »schweren Fehler machte«. Gregor nahm an, daß diese unwissenden Kelten »das neue Licht vom Sitz des Hl. Petrus und Paulus« begrüßen, ehren und schätzen würden. Deshalb übertrug er Augustinus die Amtsgewalt über die   keltischen   Bischöfe. Aber ach, die Kelten  waren weder ehrfurchtsvoll, noch wollten sie »als nebensächlich behandelt werden, noch eine untergeordnete Rolle in einer emporgekommenen Missionskirche annehmen«.[70] Augustinus' Unausgeglichenheit — »das muß man zugeben,« sagt Lloyd, machte seine Aufgabe nicht weniger schwer. Und der Kampf tobte 4 Jahrhunderte. Natürlich, und wahrscheinlich bedauerlicherweise, siegte die römische Kirche schließlich über die tolerantere und sicherlich christlichere keltische.

Lugh und die Große Göttin

Herodot sagt, daß die höchste Göttin der Kelten zu seiner Zeit die Göttin Tahiti war.[71] Könnte sie vielleicht die Große Göttin Tiamat, Tabirra oder Tibir gewesen sein, die große Kulturbringerin, die von den Sumerern der Frühzeit verehrt wurde und bei den Hebräern übersetzt zu »Tubal«, die Schöpferin von Kunst und Kultur wurde? Vielleicht war Tahiti oder Tabirra vor langer Zeit die Königin einer vergessenen Kultur gewesen, die dann eine Göttin der Restkultur, Sumers und der keltischen Nationen wurde.
Eine weitere mögliche Verbindung zwischen den sumerischen und den keltischen Ausläufern dieser großen Kultur stellt das Wort Lugh dar — in der sumerischen Sprache das Wort für »Sohn« und in der keltischen Mythologie der Name des größten keltischen Helden, des Sohnes der Königin Ethne.[72]
Durch die Tatsache, daß die irischen Tailtea-Spiele von Lugh[73] eingeführt wurden, erscheint die Verbindung zwischen den Kelten, den Sumerern der Frühzeit und der vergessenen Kultur noch enger. Denn die Ähnlichkeit der irischen Tailtea-Spiele mit den Beerdigungsspielen der Etrusker ist von Wissenschaftlern vermerkt worden.[74] Und es ist bekannt, daß die Etrusker die Spiele aus Lydien in Anatolien, der Heimat der Kelten der Vprzeit und dem Ausgangspunkt der sumerischen Kultur, mitgebracht hatten.
»Die Lydier,« schreibt Herodot, »erklären, daß sie alle Spiele etwa zu der Zeit, als sie Tyrrhenien (Etrurien) kolonialisierten, erdacht haben. Während der achtzehn Jahre der Hungersnot, die Tyrrhenius schließlich dazu zwang, sich auf seine Kolonialisationsexpedition nach Italien aufzumachen, unterhielten sich die Lydier mit Spielen, indem sie abwechselnd jeden zweiten Tag fasteten und spielten oder schmausten und ausruhten. »Verschiedene Leute erfanden die unterschiedlichsten Variationen,« erklärt uns Herodot.[75] Wahrscheinlicher jedoch ist, daß die vage Erinnerung an die Spiele der Vorfahren aus einer Notwendigkeit heraus wieder wach wurde, und nach und nach gelang es ihnen, den Zeitvertreib ihrer Vorfahren aus alter Zeit wiederaufleben zu lassen.
Es ist durchaus wahrscheinlich, daß diese Spiele, die zur Zeit der Lydier nach Italien kamen, durch die Kelten, die zu einem früheren Zeitpunkt aus Anatolien abwanderten, auch auf die Britischen Inseln gebracht wurden. Daß im keltischen Britannien und in Irland diese Spiele von Lugh-»Sohn« eingeführt worden waren, unterstützt die Hypothese, daß die Göttin-Sohn-Dualität sehr viel älter als jede Dreieinigkeit ist.
Der Sterbetag Lughs am ersten Sonntag im August wurde Lugh-Messe genannt und war bei den Kelten ein Trauertag. Für die Kirche war es unmöglich, dieses Heidenfest auszulöschen und so nahm sie es in der ihr eigenen praktischen Art in den Kalender unter der Bezeichnung Lammas auf, ein Fest, das später mit Allerheiligen verbunden wurde und in einigen Teilen Englands, Wales und Irlands immer noch Lammas heißt.[76]
Es wirft ein interessantes Licht auf die Kirchengeschichte, daß Lughs Mutter, Ethne, mit der keltischen Göttin Oestre gleichgesetzt wurde, deren Frühlingsfest von der Kirche als der Tag der Auferstehung des Herrn übernommen und nach der Göttin Ostern genannt wurde, so wie dieser Tag von den Kelten schon seit Urzeiten bezeichnet worden war.
Cuchulainn, der große irische Held frühgeschichtlicher Zeit, ist dem Glauben nach die Reinkarnation von Lugh, dessen Seele als Eintagsfliege in den Mund seiner Mutter, Dichtire, flog. Kann Dichtire ein Echo von Dictynna gewesen sein? Dictynna war die Schutzgöttin Äginas, und es wird angenommen, daß es Ägina war, wo die Tuatha De Danann erstmalig aus dem Nebel der Zeiten auftauchten. Die Insel Ägina im Saronischen Golf zwischen Attika und dem Peleponnes wurde im vierten Jahrtausend von ionischen Griechen aus Anatolien besiedelt, und Ägina war es auch, wo Herodot das goldene Trinkgefäß sah, das der Göttin geweiht war. Dieser goldene Kelch war eines der keltischen Reliquien, die vor langer Zeit »vom Himmel gefallen« waren; und Plutarch sagt in seinem De Defectu Oraculorum, daß er noch in einem druidischen Ritual im zweiten Jahrhundert v. Chr. in Gebrauch gewesen war.[77]
Seine Urform, ein Eichenholzkelch in der Form eines Pokals wurde vor kurzem in Anatolien in Catal Hüyük ausgegraben. Die an ein Weinglas erinnernde Form dieses Kelches ist. in der frühzeitlichen Archäologie ungewöhnlich, wenn nicht sogar einmalig. Es sind Kelche mit Stiel, jedoch ohne Fuß und Kelche mit Fuß, aber ohne Stiel gefunden worden. Die meisten frühzeitlichen Kelche stehen wie moderne Kaffeetassen auf ihrem abgeflachten Boden. Doch die einmalige Form dieses aus dem 90. Jahrhundert v. Chr. stammenden Kelches aus Catal Hüyük fand auf irgendeine Weise seinen Weg ins Europa der neueren Zeit und diente als Modell für Altarkelche in der christlichen Kirche.
Und das geheiligte Trinkgefäß der Kelten selbst wurde zum Heiligen Gral der christlichen Legende. Die Ähnlichkeit zwischen phantasievollen Beschreibungen des Heiligen Grals in der mittelalterlichen Kunst und dem Eichenholzkelch aus dem »prähistorischen« Catal Hüyük ist verblüffend.[78] In der volkstümlichen Legende wurde der Heilige Gral von Joseph von Arimathia im Jahre 37 v. Chr. nach Glastonbury in Südbritannien gebracht. Man hielt ihn für den Kelch, aus dem Jesus beim Letzten Abendmahl getrunken hatte und in dem Joseph das Blut Jesu bei der Kreuzigung auffing.
Es gibt keinerlei historisches Beweismaterial, nicht einmal fadenscheiniges, daß dieser Kelch jemals irgendjemandem in Glastonbury zu Gesicht kam. Im sechsten Jahrhundert jedoch lebte die Legende wieder auf, und die Suche nach dem Heiligen Gral, die in Camelot in Südbritannien ihren Anfang nahm, griff ebenso wie die »Ritterlichkeit« der keltischen Ritter König Arthurs innerhalb der gesamten Christenheit um sich und wurde zum edelsten — vielleicht dem einzigen edlen — Aspekt des mittelalterlichen Lebens in Europa.
Aber der Gral, nach dem Arthurs Ritter suchten, war nicht der Heilige Gral des christlichen Mythos. Der goldene Kelch der frühzeitlichen Kelten war es, nach dem die keltischen Ritter König Arthurs auf der Suche waren. In der walisischen Literatur hat sich eine vorchristliche Sage über Arthur und seine Leute erhalten, die sich in einer Art geheimnisvollem Initiationsritus auf die Suche nach dem geheiligten Kelch machen, zweifellos eine druidische Zeremonie, die eine Reise über Wasser und unter der Eroberfläche beinhaltet.[80] Es war Chretien de Troyes, der im zwölften Jahrhundert erstmals den originalen goldenen Kelch von Camelot durch den Heiligen Gral ersetzte. Und ebenso ist die heilige Axt, die Labrys, vom Catal Hüyük des neunten Jahrtausends nach Stonehenge in England gelangt, die heiligen Hörner von Catal Hüyük wurden zu den goldenen Halsreifen der keltischen Gräber im Britannien des zweiten Jahrhunderts,[81] und der heilige Kelch aus dem frühzeitlichen Anatolien erscheint am Ende als Heiliger Gral in der christlichen Legende. Alle diese Gegenstände waren Reliquien, die der Großen Göttin geweiht waren. Alle lassen sich bis zum neunten oder zehnten Jahrtausend zurückverfolgen und stammen aus Catal Hüyük in Anatolien. Und allen kam eine tiefe mystische Bedeutung in der großen keltischen Kultur Europas zu.
»Die Kultur, die in Catal Hüyük entdeckt wurde, leuchtet wie eine Supernova inmitten der dämmrigen Galaxis der heutigen Kulturen des Nahen Ostens. Ihre Einflüsse waren nicht im Nahen Osten am stärksten und am längsten spürbar, sondern in Europa; denn diesem neuen Kontinent brachte die anatolische Kultur (...) den Kult der Großen Göttin, das Fundament unserer Kultur.«[82]