Wenn das Christentum die Uhr des allgemeinen
Fortschrittes um zweitausend Jahre zurückgedreht hat,
so (...) auch für die Frauen (...). Die Männer der Kirche
beraubten sie ihres Platzes bei und vor Gericht, in den Schulen,
in Kunst, Literatur und Gesellschaft. Sie verriegelten ihren
Verstand vor dem Wissen (...) (und) ketteten sie an die Stellung,
in die sie sie geworfen hatten.
Margaret Sanger
Häusliche Züchtigung
»Am längsten und ganz besonders bewahrten die Menschen, die pagi, auf dem Lande ihre Liebe zu ihren alten Festen, ihre Verehrung der alten Götter und Göttinnen der Felder und Herden. Sie liebten ihre alte Lebensweise und überließen gerne den Städten die neue Religion.«
Aber die allgegenwärtige Kirche wollte sie nicht mit ihrer alten Lebensweise zufrieden sein lassen, genausowenig wie sie den römischen Senat »in seinem Irrtum« nicht »ungestört« ließ.[1] Jeder mußte mit dem Blut des Lammes getauft werden. Jeder einzelne, der keltische Bauer und der römische Senator, mußten sich der strengen neuen Moral fügen und an der neuen Barbarei teilnehmen.
Von der Kanzel aus wurden die Männer aufgefordert, ihre Frauen zu schlagen, und diese ermahnte man, die Rute zu küssen, die sie schlug. In einem mittelalterlichen theologischen Handbuch, das jetzt im Britischen Museum liegt, steht unter dem Wort castigare folgendes Beispiel: »Ein Mann muß seine Frau züchtigen und sie zu ihrer Besserung schlagen. Denn der Herr muß die Seinen bestrafen; so steht es in Gratians Decretum.«[2] >Die unnatürliche Zurückhaltung der Frauen auf mittelalterlichen Bildern wurde durch den häufig angewandten Zwang mit der Rute erreicht; die Eltern erzogen ihre Kinder mit Schlägen, und die Gatten bedachten ihre Frauen gleicher Weise.<«[3]
Die bewußte Lehre von der häuslichen Gewalttätigkeit, verbunden mit der Auffassung, daß Frauen von Natur aus keine menschlichen Rechte haben könnten, führte im späten Mittelalter so weit, daß die Männer ihre Frauen schlimmer als ihre Tiere behandelten. Das Schlagen der Frau auf Betreiben der Kirche war im 15. Jahrhundert so allgemein üblich geworden, daß sich selbst ein Priester veranlaßt sah, sich dagegen zu wenden. Bernardino von Sieria bat im Jahre 1427 in einer Predigt, daß die Männer seiner Gemeinde sich in der Bestrafung ihrer Frauen etwas zurückhielten und ihnen wenigstens so viel Mitgefühl entgegenbrachten wie ihren Hühnern und Schweinen. »Ihr Männer habt mehr Geduld mit der Henne, die euren Tisch beschmutzt, aber jeden Tag ein frisches Ei legt, als mit eurer Frau, wenn sie ein Mädchen gebiert. Oh ihr Narren, die ihr von eurer Frau kein Wort ertragen könnt, obwohl sie euch doch eine so schöne Frucht trägt. Vielmehr nehmt ihr sogleich einen Stock und schlagt sie (...). Seht ihr denn nicht auch das Schwein, das den ganzen Tag quiekt und euer Haus beschmutzt, und das ihr trotzdem duldet? Doch wenn ihr zufällig eure Frauen schmutziger seht als ihr es haben wollt, so peinigt ihr sie sofort. Denkt an die Frucht der Frau und habt Mitleid; nicht jeder Grund gibt das Recht, sie zu schlagen.«[4]
Selbst der wohlmeinende Bernardino betrachtete die Frau nicht als einen Menschen, der um seiner selbst willen der Achtung wert ist. »Denkt an die Frucht der Frau!« sagt er. Die Frau war ein Zuchtvieh, ein Sexobjekt, ein Sklave, der es wert war, gehalten zu werden.
Nach einem spätmittelalterlichen Gesetz, das im christlichen Sachsen wirksam war, konnte jeder Landedelmann jede beliebige Frau seines Besitzes auspeitschen, wenn sie Stolz und Selbstachtung zeigte, was mit den Worten des Gesetzes beschönigend als »Unzüchtigkeit« bezeichnet wurde. »Genauso schamlos und ungerecht wird mit ehrbaren Frauen, mit Kaufmannsgattinnen verfahren, wodurch überdeutlich wird, wen die Männer erniedrigen wollen,« schreibt Michelet.[5]
Der Grundherr, der einen Männerhaushalt führte, betrachtete die Frauen seines Herrschaftsbereiches als Freiwild für jede Gewalttat. »Bewaffnete Männer, Pagen, Diener und Ritter bildeten Jagdgesellschaften, (...) wobei ihr Vergnügen darin bestand, die Frauen zu mißhandeln, zu schlagen und sie zum Schreien zu bringen (…).« Der französische Hof bog sich vor Lachen, »als er den Herzog von Lorraine schildern hörte, wie er und seine Mannen Dörfer überfielen und dabei jede Frau, auch die alten, schändeten, marterten und töteten«.[6]
Vor der Dorfkirche steht eine Dame, »stolz gekleidet mit einem vornehmen grünen Gewand und einem Zweispitz (...). Milord zieht einen Dolch, und mit einem einzigen Schnitt seiner scharfen Klinge schlitzt er das grüne Gewand von oben bis unten auf. Die halbnackte Dame fällt nach dieser grausamen Beleidigung beinahe in Ohnmacht. Des Herrn Gefolgsleute stürzen alle miteinander vorwärts, um das Opfer zu jagen. Schnell und gnadenlos fallen die Schläge; die arme Frau stolpert, fällt und schreit schrill. Aber die Männer sind mitleidlos und peitschen sie wieder auf die Beine.« Den ganzen Weg bis zu ihrer eigenen Türschwelle verfolgen sie sie mit ihren Peitschen, und blutend und ohnmächtig fällt sie gegen ihre Türe. Doch ihr Mann hat diese von innen versperrt und verrammelt, und schändlich kauert er im Innern des Hauses und hat Angst, seinem Herrn das Vergnügen zu verderben.[7]
Wie Michelet in seinen Origines hervorhebt, war der oben erwähnte Vorfall im Mittelalter alltäglich. Auf diese Weise konnte jeder Mann jede Frau bestrafen, die Stolz und Selbstbewußtsein zeigte. Man kann sich dabei leicht den rachelüsternen Funken im Auge des Mannes und sein satanisches Lächeln vorstellen.
Die Grundbesitzer und Edelleute des Mittelalters schlugen ihre Frauen genauso hemmungslos wie ihre Leibeigenen und die gewöhnlichen Frauen ihres Besitztums. Eine Geschichte zur moralischen Erbauung, die man sich im Mittelalter erzählte und die von Geoffrey de la Tour de Landry überliefert wurde, der mit ihr seine Töchter unterwies, zeigt deutlich die Schlechtigkeit eines zänkischen Weibes: »Hier ist ein Beispiel für jede gute Frau, daß sie geduldig leide und ertrage und auch weder mit ihrem Gatten streite, noch ihm vor Fremden erwidere, wie es einst eine Frau mit kurzen Worten tat. Und er schlug sie mit seinen Fäusten zu Boden; und dann stieß er mit seinem Fuß in ihr Gesicht und brach ihr die Nase, und bis zu ihrem Lebensende hatte sie eine krumme Nase, welche ihr Antlitz so verdarb und entstellte, daß sie es nicht mehr zeigen wollte, so garstig war es. Und das hatte sie davon, weil sie ihrem Gatten herausgeben wollte. Und deshalb sollte die Ehefrau geduldig sein und ihren Mann das Wort führen und ihn Herr sein lassen, denn das ist ihre Pflicht.«[8]
Die Bauern kamen dem Vorbild ihrer Herren getreu nach. Uns ist der Bericht von einem Leibeigenen erhalten, der seine Frau jeden Morgen, bevor er aufs Feld ging, heftig schlug, damit sie, wie er sagte, den ganzen Tag mit Heulen und der Pflege ihrer Verletzungen beschäftigt sei und so für Klatsch weder Zeit noch Lust habe.
Die Kirche hieß es gut, die Frauen auf diese Weise zu unterwerfen, und riet den mißhandelten Frauen nur, den guten Willen ihrer Gatten durch verstärkte Aufopferung, Unterwürfigkeit und noch größeren Gehorsam zurückzugewinnen, denn das waren die besten Mittel, die schlechte Laune des Mannes zu vertreiben. Rousseau gab im 18. Jahrhundert den Frauen immer noch den gleichen Rat. Unglücklicherweise setzte sich diese Gewohnheit, die Frauen als andere Wesen anzusehen, die nicht dieselben Gefühle haben und nicht genauso leiden wie der Mann, im Bewußtsein des Mittelalters so fest, daß sie bis jetzt noch nicht ausgerottet werden konnte. Auch heute noch nehmen die meisten Männer an, die Frau könne mehr Schmerzen, tiefere Erniedrigung und größere Verachtung ertragen als der Mann. Und männliche Richter und Ärzte sind immer noch geneigt, sich entsprechend zu verhalten.
Neben dem Schlagen war die häufigste Art der gebilligten Bestrafung das Haareziehen. In Nonnen- und Mönchsklöstern bestand die Vorschrift, daß es für Novizen und Laienbrüder bzw. -Schwestern keine andere körperliche Züchtigung geben sollte als das Schlagen mit Ruten und das Ziehen an den Haaren.
Berthold, ein Bruder aus Regensburg, ermahnte im 13. Jahrhundert die Männer, deren Frauen gerne ihr Haar schmückten, »mit Lockenspänglein hier und Netzlein (...) dort«, dies auszureißen. »Reißt ihr den Kopfschmuck ab, auch wenn sie dabei Haare lassen sollte. Macht das nicht nur drei- oder viermal, und alsbald wird sie es unterlassen.«[9] Das ist anzunehmen, denn nach drei- oder viermal konnte sie kaum mehr Haare gehabt haben, um sie herzurichten!
Ein grimmiger und grausamer Scherz war jungen verheirateten Paaren des Mittelalters nicht völlig unbekannt. Sir Thomas More berichtet von einem Fall aus dem 15. Jahrhundert, bei dem ein Holzfäller auf der Dorfwiese Holz hackte, wobei sich viele Dorfbewohner versammelt hatten, um ihm zuzusehen und damit die Zeit verginge. Schlagfertig wechselten die Antworten, ein Scherz folgte dem anderen, und es herrschte freudiges Gelächter. Diese Fröhlichkeit rief auch die Frau des Holzhackers heraus, um daran teilzunehmen. Als ihr guter Mann seine Axt niedergelegt hatte, kniete sich die gute Frau im Spiel hin und legte ihren Kopf auf den Hackstock, und der gute Gatte schlug ihn zum Spaß ab.
Vom Bischof nach dem Grund für diesen entsetzlichen Scherz gefragt, erklärte der Holzhacker, seine Frau hätte schon längst eine Strafe verdient, da sie ein >böses Weib< gewesen sei. Als Beweis für diese Behauptung bestätigten Augenzeugen, daß, selbst nachdem der Kopf der armen Frau blutüberströmt vom Körper gerollt sei, »sie die Zunge in ihrem Kopf Matten lallen und zweimal >Schuft<, >Schuft< rufen hören«. Dieses Zeugnis bewies des Mannes Behauptung, daß er herausgefordert worden sei, denn natürlich war jede Frau, deren Zunge nach ihrem Tode noch ihren Mann beschimpfte, während ihres Lebens unbestreitbar ein ,böses Weib'. Sir Thomas berichtet nicht, ob die kleinen Kinder der Frau zusahen, wie der Kopf ihrer Mutter zum Scherz von ihres Vaters Axt rollte.
Es erübrigt sich zu erwähnen, daß der Holzfäller vom Bischof vollkommen freigesprochen wurde. Doch es gab eine abweichende Zeugenaussage, »nur eine einzige und die stammte von einer Frau, die sagte, sie hätte die Zunge nicht sprechen hören«. Aber da sie nur eine Frau war, wurde ihre Aussage vom Bischof nicht beachtet.[10]
Der lüsterne Priester und der unzüchtige Bruder
Francois Rabelais, Giovanni Boccaccio und Marguerite von Navarra sind ergiebige Quellen für Berichte von Verbrechen, die von Kirchenmännern des Mittelalters an Frauen verübt wurden. Es ist aufschlußreich, daß diese wahren Geschichten für Rabelais und Boccaccio erheiternd sind, während sie die Königin von Navarra als tragisch empfindet.
Die Frauen waren einer doppelten Gefahr ausgesetzt. Denn wenn sie sich den Wünschen der Geistlichen fügten, wurden sie möglicherweise von ihren Gatten getötet, und wenn sie sich weigerten, wurden sie aller Wahrscheinlichkeit nach als Heretikerinnen angezeigt, was den Tod auf dem Scheiterhaufen bedeutete. »Darüber hinaus«, schrieb Petrus Cantor 1190, »wurden gewisse ehrbare Pamen, die sich weigerten, der Lüsternheit der Priester zu willfahren, von diesen in das Buch des Todes eingetragen, als Heretikerinnen angeklagt und zum Tode durch Verbrennen verurteilt.«[11]
Während des Mittelalters wurden Frauen mit bemerkenswerter Gewissenlosigkeit verbrannt. Wenn Buch geführt wurde, so hat man die Angaben sehr erfolgreich verborgen. Doch Zeugnisse weisen darauf hin, daß das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, die von 800 bis 1800 lebendig verbrannt wurden, bei etwa 10 000 zu 1 liegt. Männer wurden manchmal als Heretiker verbrannt, nachdem man sie vorher gnädigerweise erhängt hatte. Doch Frauen wurden unter zahllosen Vorwänden lebendig verbrannt: wegen Bedrohung des Gatten, wegen Widerspruchs oder Verweigerung gegenüber dem Priester, wegen Diebstahls, Prostitution, Ehebruchs, wegen Geburt eines unehelichen Kindes, weil sie Analverkehr zugelassen hatten, auch wenn dem beteiligten Priester oder Gatten vergeben worden war,[12] wegen Selbstbefriedigung, lesbischer Liebe,[13] Vernachlässigung der Kinder, wegen Boshaftigkeit und Reifens und sogar wegen einer Fehlgeburt,[14] auch wenn diese durch einen Stoß oder Schlag ihres Gatten verursacht war. Wir lesen in den alten Chroniken von Frauen, die in den letzten Wochen der Schwangerschaft verbrannt wurden, so daß durch die Hitze ihr Bauch zerbarst und die Leibesfrucht bis über die Flammen hinausfiel. Das Kind wurde aufgelesen und zurück ins Feuer zu den Füßen der Mutter geschleudert. Wir lesen von den kleinen Töchtern verbrannter Frauen, wie sie gezwungen wurden, barfüßig einhundertmal um den rauchenden Scheiterhaufen durch die Asche der Mutter und die noch glühenden Scheite zu tanzen, um »ihnen die Erinnerung an die Sünden ihrer Mütter einzuprägen«. Und das geschah alles zu einer Zeit, als das einzige Gesetz das der Kirche war und die bürgerlichen Gerichte reine Ausführungsgehilfen der christlichen Hierarchie darstellten.
»Die verschlagensten, gefährlichsten und hinterhältigsten Kuppler sind eure schurkischen Priester, Mönche, Jesuiten und Brüder«, schrieb Robert Burton im 17. Jahrhundert. »Denn unter dem Deckmantel der Untersuchung, der Ohrenbeichte, des Trostes und der Buße haben sie freien Aus- und Eingang und verderben weiß Gott wie viele Frauen. Vor lauter Zauberbrüdern können die Frauen nicht in ihren Betten schlafen. Wie Proteus gehen sie in den verschiedensten Verkleidungen umher, um junge Frauen zu verführen und zu betrügen und sich mit den Frauen anderer Männer zu vergnügen. Wenn sie auch in der Öffentlichkeit noch so großen Zorn zeigen und gegen Ehebruch und Unzucht noch so lautstark predigen, gibt es doch im ganzen Land keine größeren Kuppler und Hurenmeister.«[15]
Burtons kurze Zusammenfassung der priesterlichen Moral wird durch solche geschichtlichen Tatsachen bestätigt, wie die, daß Papst Johannes XII. im 10. Jahrhundert sogar im Vatikan selbst einen Harem hielt, und daß Papst Johannes XIII. ,»den Besuch von Nonnenklöstern genauso vergnüglich fand wie den von Freudenhäusern.« Auf der Synode von London im Jahre 1126 wandte sich der Vertreter des Vatikans, Kardinal Giovanni von Cremona, mit beredten Worten gegen die Unzucht in den Reihen der Priesterschaft, und noch in derselben Nacht überraschte man ihn im Bett mit einer Prostituierten. 1171 brüstete sich Clarembald, der Abt von Canterbury, öffentlich damit, daß er in einer Pfarrei allein 17 uneheliche Kinder habe, und der Bischof von Lüttich zeugte gar innerhalb von 20 Monaten in seiner Diozöse 14!
Bruder Salimbene, ein Franziskanermönch aus Parma, warnte 1221 seine junge Nichte vor »der allgemein üblichen Gewohnheit der Beichtvätern ihre kleinen Büßerinnen hinter den Altar zu ziehen, um sich dort an ihnen zu vergehen«.[16] Der gleiche Mönch berichtet eine wahre Geschichte von einer Dame, die einem Priester beichtete, von einem Fremden an einem einsamen Ort vergewaltigt worden zu sein. »Der Priester, von ihrer Beichte erregt, zog die Weinende hinter den Altar und vergewaltigte sie selbst«, wie es auch die nächsten beiden taten, denen sie ihre Sünden bekannte. Bischof Faventino brachte seine kleinen Pfarrkinder, die Mädchen seiner Diözese, dazu, sich mit ihm ins Bett zu legen, »wo er bei Tageslicht stundenlang ihre nackten Körper betrachtete und liebkoste und ihre Geschlechtsteile mit Goldmünzen schmückte, die die kleinen Mädchen, wenn sie das Bett des alten Lüstlings verlassen durften, behalten konnten.«[17]
Die Verderbtheit der Geistlichkeit war der Hierarchie sehr wohl bekannt, doch die Verbrechen wurden übergangen und die unverletzliche Heiligkeit geschützt. »Obwohl das Leben vieler Geistlicher voller Verbrechen ist« verfügte der Hl. Bernardino im 15. Jahrhundert, »wohnt dennoch in ihnen eine heilige und verehrungswürdige Autorität.«[18] Nachdem der Bischof von Orleans die kleine Tochter eines bekannten Ritters seiner Diözese vergewaltigt hatte, sprachen ihn seine Vorgesetzten von der Schuld frei, obwohl der Ritter selbst seinen Fall nach Rom gemeldet hatte. In Brüssel befahl man einem armen Mädchen im 13. Jahrhundert, barfuß nach Rom zu pilgern, als Buße für die Anzeige gegen einen Priester, der es vergewaltigt hatte. Der Hl. Thomas Becket ließ einen schuldigen Priester, den man ihm wegen Vergewaltigung und Ermordung eines jungen Mädchens vorgeführt hatte, einfach in eine andere Pfarrei versetzen.[19]
Der Priester kam bei Vergewaltigung und Verführung unbestraft davon, obwohl vielleicht das Opfer mit voller Billigung des Gesetzes und der Kirche von seinem Gatten mit dem Tode bestraft wurde. Im Gegensatz dazu wurden im heidnischen Rom unter der Herrschaft des Tiberius zwei »heidnische« Priester (vielleicht ein hebräischer und ein christlicher) wegen Verführung einer römischen Matrone gekreuzigt, während diese als vollkommen schuldlos betrachtet wurde.[20] Der Jude Josephus, der diesen Vorfall berichtet, führt ihn als Beispiel für die verdrehte römische Rechtsvorstellung an.
Der Präzedenzfall für die christliche Gerechtigkeit gegenüber Frauen ist im Alten Testament im Buch der Richter, 19;23 ff. zu finden, wo eine Geschichte von einem »bestimmten Leviten« erzählt wird, der jemanden in Gebea besucht und dabei von einer Gruppe von Homosexuellen bedrängt wird. »Sie schlugen an das Tor und sprachen mit dem Hausherrn, indem sie sagten: Gib den Mann heraus, der in dein Haus kam, damit wir ihn erkennen. Und der Hausherr ging zu ihnen hinaus und sagte zu ihnen: Nein, Brüder, handelt nicht so schlecht, denn seht, dieser Mann ist mein Gast. Seht, hier ist meine Tochter, ein Mädchen und seine Konkubine. Sie will ich euch herausgeben und sie mögt ihr erniedrigen und mit ihr tun, was euch gut dünkt. Aber an diesem Mann dürft ihr nicht so schlecht handeln. So nahm der Mann denn seine Konkubine und gab sie ihnen heraus; und sie erkannten sie und mißbrauchten sie die ganze Nacht bis zum Morgen, alsdann ließen sie sie gehen. Dann kam die Frau in der Morgendämmerung und fiel (tot) vor der Tür des Hauses nieder, wo ihr Herr war (...).«
Wir sehen hier den Ursprung der christlichen Wertschätzung der Frauen. Die Christen brauchten mehr als tausend Jahre, um diese den Männern des Abendlandes ins Bewußtsein einzuprägen.
Um ihre gegen die Frauen gerichtete Brutalität zu rechtfertigen, führten die Priester die Bibel an, und zwar das Alte wie das Neue Testament. Die Sprüche 9;13, 30;16 und 21 ff waren sehr bekannt, doch natürlich ebenso die Briefe des Hl. Paulus, besonders 1 Korinther 2 und Epheser 5, und auch 1 Timotheus 1 und II Timotheus 1 betrachtete man als sehr guten Ausgangspunkt für eine frauenfeindliche Predigt.
Eva wurde immer wieder als die Quelle allen Übels angeführt, als das sündige Geschöpf, das der ganzen Welt Elend gebracht hatte, als sie ihrem Mann nicht gehorchte.[21] Den schrecklichen Tod Jezebels und wie sie von Kötern aufgefressen wurde, brachte man als Beispiel dafür, was einer Frau geschehen kann, die versucht, ihren Gatten zu beeinflussen. Delilahs Verrat an Samson sollte die Männer davor warnen, ihren Frauen zu trauen.
Keuschheit und Jungfräulichkeit und die Wichtigkeit ihrer Erhaltung wurden von der Kanzel gepredigt, doch manch eine Jungfrau ging den Weg zum brennenden Scheiterhaufen, weil sie gerade diese Ermahnungen beherzigte. Ralph von Coggeshall erzählt uns die Geschichte einer solchen Jungfrau, doch ohne Entrüstung über die Ungerechtigkeit, die diesem tugendhaften Mädchen zugefügt wurde. Zur Zeit Ludwig VII. von Frankreich (1137-1180) ritt der Erzbischof Wilhelm von Rheims eines Tages gerade außerhalb der Stadt zusammen mit seiner Geistlichkeit, als einer davon, Gervase von Tilbourgh, ein schönes Mädchen sah und zur Seite ritt, um es anzusprechen. Nach einigen kurzen Schmeicheleien schlug er ihr »amour« vor, woraufhin die Jungfrau errötend antwortete: »Nein, junger Herr. Gott bewahre, daß ich eure Geliebte sei; denn wenn ich entehrt werden und meine Jungfräulichkeit verlieren sollte, müßte ich ewige Verdammnis erleiden.« Das arme, unschuldige Ding, das die Doppelzüngigkeit der Geistlichen nicht kannte, plapperte wahrscheinlich nur nach, was es in der Kirche gelehrt worden war. Doch der Erzbischof, der gerade herankam, und von Gervases Gesicht die ärgerliche Enttäuschung ablas, betrachtete die Weigerung des Mädchens als ungehörige Herausforderung von höher Gestellten. Was würde außerdem werden, wenn alle jungen Frauen ihre Keuschheit ernst nehmen und ihre Gunst der Geistlichkeit verweigern würden? Was würde dann aus den priesterlichen Vergnügungen? Da das Mädchen sich selbst noch nach dem Eingreifen des Bischofs weigerte, befahl dieser sie mit der Reitgesellschaft nach Rheims zurückzubringen, wo man sie, wie vorauszusehen, wegen Ketzerei anklagte. »Keine Überredungskunst konnte sie von ihrer törichten Hartnäckigkeit abbringen«, fährt der Chronist Ralph fort, »weshalb sie verbrannt wurde, was viele bewunderten, die bemerkten, daß sie keinen Seufzer und keine Klagen ausstieß und keine Tränen vergoß, sondern alle Qualen der sie verzehrenden Flammen tapfer ertrug.«[22]
Die grausame Vernichtung der Frauen
Die christliche Bewertung der Frauen als angenehmer sexueller Verbrauchsgegenstand wurde mit unterschiedlicher Begeisterung von weltlichen Männern übernommen, für deren Vorfahren diese Lehre unglaublich gewesen wäre. Sir John Arundel überfiel 1379 auf seinem Weg nach Frankreich, wohin er in den Krieg zog, bei Southampton ein Kloster und schleppte 60 junge Nonnen davon, um seinen Männern während des Feldzuges Erholung zu verschaffen.
»Sofort auf dem Schiff wurden sie vergewaltigt. Doch als im Kanal ein Sturm aufkam, ließ Arundel, um die Schiffe zu erleichtern, alle unglücklichen Gefangenen über Bord werfen« in die aufgewühlte See,[23] wo sie alle ertranken. Damit diese Ungeheuerlichkeit nicht als einmalige mittelalterliche Greueltat abgetan wird, sei noch angeführt, daß im 19. Jahrhundert die Mannschaft der Pindos, eines nordamerikanischen Handelsschiffes, etwa 50 polynesische Frauen und Mädchen genauso behandelte. Nachdem die Mannschaft von ihnen an Bord genug hatte, wurden die Mädchen in den Pazifik geworfen. Die U.S.Handelsmatrosen fügten jedoch Arundels früherem Beispiel eine Variante hinzu: Als der Maat, ein gewisser Waden, sah, daß einige der Frauen, die gute Schwimmerinnen waren, sich wahrscheinlich an der fernen Küste der Osterinsel in Sicherheit bringen würden, erschoß er sie mit seinem Gewehr, wobei die gesamte Mannschaft jedesmal in begeistertes Geschrei ausbrach, wenn er traf«.[24]
Im 16. Jahrhundert übernahm auch der frauenfreundliche Abbe de Brantome die christliche Lehre von der Wertlosigkeit der Frau und den unbezweifelten Rechten des Mannes, sie zu seinem Vergnügen zu mißbrauchen, zu quälen und zu ermorden. Doch Brantomes' innerste Instinkte regten sich: »Viel wäre zu dieser Angelegenheit zu sagen, was ich aber nicht tun werde, weil ich fürchte, meine Einwände wären schwach neben denen der Großen (der Kirche) (...). Doch wie groß auch das Ansehen des Gatten sein mag, welcher Sinn besteht für ihn darin, daß er seine Frau töten darf?«[25]
Dann erzählt er eine wahre Geschichte von einem Ritter aus seinem Bekanntenkreis, die in ihrer Furchtbarkeit nur mit der biblischen Erzählung vom feigen Leviten verglichen werden kann:
»Ich kannte am Hof von Venedig einen bestimmten albanischen Ritter, der so langweilig war, daß seine Frau ihn nicht liebte. Um sie zu bestrafen, machte er sich die Mühe, ein Dutzend zügelloser Burschen auszusuchen, alles große Hurenböcke und dafür bekannt, daß sie besonders starke und große Penisse hatten und sehr fähig und leidenschaftlich in deren Gebrauch waren. Er heuerte sie gegen Bezahlung an, sperrte sie in das Schlafzimmer seiner Frau (die sehr lieblich war), und überließ diese ganz und gar ihren Händen, wobei er forderte, hier ihre Pflicht zu tun. Daran machten sie sich, einer nach dem anderen, und mißhandelten sie so, bis sie sie am Ende töteten. (...) Das war eine schreckliche Todesart.«[26]
Boccaccios Bericht von Romilda, der Gräfin von Forli, ist diesem so ähnlich, daß man sich einfach fragen muß, wie weit verbreitet diese besondere Art des Frauenmordes im späten Mittelalter war. Ein gewisser Caucan hatte die Gräfin Romilda wegen ihres großen Vermögens geheiratet, berichtet Boccaccio. Da er sich aber nicht mehr mit ihr belasten wollte, nachdem nun einmal das Eigentum auf ihn übergegangen war, wenn auch nur durch die Ehe, so entschloß er sich, die schöne Romilda zu töten. »Er ließ zwölf seiner zähesten, stärksten Soldaten kommen und übergab ihnen Romilda, daß sie sich an ihr vergnügten. Und sie verbrachten eine Nacht damit, ihr Bestes zu geben, und als der Tag kam, befahl er Romilda zu sich, und nachdem er sie streng wegen ihrer Untreue gerügt und sie sehr beschimpft hatte, durchbohrte er ihre Genitalien, woran sie starb.«[27]
Mit Ausnahme von Vater Bernardino im 15. und Abbé de Brantome im 16. Jahrhundert, verteidigte kein Mann die Frauen in der christlichen Zeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Wie grausam und brutal der Mann auch war, stets war er im Recht, und die Kirche stand immer auf seiner Seite, bereit, ihn bei den schlimmsten Verbrechen gegen das >geringere< Geschlecht zu unterstützen.
»Die grausame Vernichtung der Frauen schließt eine unterschwellige Angst ein, (...) denn die Frau stellt für den Mann eine Gefahr dar«, schreibt Horney.[28] »Der Priester«, schreibt Michelet, »erkannte klar, wo die Gefahr lag: daß man einen Feind, einen drohenden Widersacher in der Frau fürchten muß, dieser Hohenpriesterin der Natur, die er angeblich verachtet.«[29]
»Die Kirche ist sich immer der Gefahren der inneren seelischen Kräfte der Frauen bewußt gewesen, die mit deren Freiheit zum Tragen kämen«, stellt Margaret Sanger fest. »Aus diesem Grund haben die männlichen Institutionen sich darum bemüht, die Frau in Sklaverei zu halten (...) die Frau lediglich als Besitzgegenstand (...) des Mannes zu gebrauchen. Alles, was die Frauen in die Lage versetzt, für sich selbst zu leben, wurde als unmoralisch verdammt.«[30]
Mit dem 12. Jahrhundert, schreibt Roger Scherman Loomis, »war die natürliche Verderbtheit der Töchter Evas eine anerkannte Tatsache, und die Frau war zum verläßlichsten Verbündeten des Teufels geworden. Sie war nicht nur minderwertig, sie war böse. ,Es ist unmöglich', schreibt Chaucer in seinem Wife of Bath, ,daß irgendein Geistlicher Gutes von den Ehefrauen spricht'.«[31]
Daß die Kirchenmänner im Mittelalter sogar noch ihr Vorbild, den Hl. Paulus, an gewalttätigem Frauenhaß übertrafen, wird erschreckend in all ihren Schriftstücken deutlich, die uns erhalten geblieben sind. Johann Nider, ein berühmter Dominikaner des 15. Jahrhunderts, beschreibt ohne irgendwelche merklichen Anzeichen des Mitleides oder des Bedauerns die Folterung einer armen alten Frau, deren einziges Verbrechen in ihrer Beweglichkeit bestand. »Sie wechselte oft ihren Wohnsitz«, schreibt Nider, »von Haus zu Haus und von Stadt zu Stadt, und das seit mehreren Jahren.« Wahrscheinlich roch diese Beweglichkeit für die Kirche nach unweiblicher Unabhängigkeit, eine Absonderlichkeit, die nicht geduldet werden konnte. Man ließ die nichtsahnende alte Dame beobachten, und schließlich geschah eines Tages in Regensburg das, worauf man gehofft und gewartet hatte. Laut Aussage eines Spions, »äußerte sie einige unvorsichtige Worte bezüglich des Glaubens, weshalb sie sofort beim Vikar angeklagt und ins Gefängnis gesteckt wurde«.
Als sie vom Inquisitor, der kein anderer war als Vater Nider selbst, vernommen wurde, »antwortete sie sehr schlau auf jeden Vorwurf und behauptete, sie verweigere dem Papst den Gehorsam in Angelegenheiten, die er falsch entschieden hatte«. Hier war offensichtlich eine denkende Frau, eine mit geistiger Unabhängigkeit und Überzeugungstreue, eine Absonderlichkeit, die die Kirche verachtete und fürchtete. Aus diesen Gründen hatte die Frau keine Chance. Man beschloß, »sie auf die Folter des öffentlichen Gerichts zu spannen, langsam, so wie es ihr Geschlecht ertragen konnte«. Klar ausgedrückt, befahl Nider, daß ihre Folterung so lange wie möglich ausgedehnt wurde, als eine zusätzliche Bestrafung für ihr Geschlecht, ihre geistige Unabhängigkeit und ihre unweibliche >Schläue<. Ihr Alter wurde nicht als Milderungsgrund angesehen.
»Nachdem sie einige Zeit gefoltert worden war«, fährt Nider selbstgefällig fort, »war sie durch die Verletzung ihrer Gliedmaßen sehr gedemütigt, weshalb man sie in ihren Gefängnisturm zurückbrachte, wo ich sie noch am selben Abend besuchte. Sie konnte sich vor lauter Schmerzen kaum bewegen«, sagt der gute Vater mit aufrichtiger Genugtuung, »doch als sie mich sah, brach sie in lautes Weinen aus und erzählte mir, wie schwer sie verletzt worden war.« Als der gute Inquisitor »viele Stellen der Hl. Schrift zitiert hatte» um zu zeigen, wie sündhaft das weibliche Geschlecht ist«(!), und nachdem er ihr gedroht hatte, sie weiter zu foltern, »erklärte sich« die arme alte Frau »bereit, öffentlich ihren Irrtum zu widerrufen und zu bereuen«. Was sie, sobald sie wieder laufen konnte, »vor der ganzen Stadt Regensburg tat«.[32]
So wurden im Mittelalter die >Heiden< zum Banner Christi hingezogen und ermutigt, das Christentum anzunehmen. Doch noch heute werden die Kinder in der Schule gelehrt, zu glauben, daß die christliche Religion Barmherzigkeit, Aufklärung und Gerechtigkeit in eine Welt gebracht habe, in der früher die Menschen in der Dunkelheit des Heidentums gelebt hätten. Sie werden gelehrt, zu glauben, daß das Christentum die Welt vor der Barbarei gerettet habe. Doch in Wirklichkeit schuf es eine barbarische Kultur, wie sie das Abendland vorher nie gekannt hatte. Und, was von allem am widerwärtigsten ist, es hatte die abendländische Frau frei und unabhängig, geschätzt, geehrt und geachtet vorgefunden und sie dann in eine abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung einer Leibeigenen gestürzt, woraus sie sich bis jetzt noch nicht befreien konnte.
So drückt es Michelet aus: »Sie, die von ihrem Throne aus die Menschheit gelehrt (und) einer vor ihr knienden Welt Orakel gegeben hatte, ist dieselbe Frau, die tausend Jahre später wie ein wildes Tier gejagt, verleumdet, mit Fäusten geschlagen, gesteinigt und mit rotglühender Kohle gebrannt wird! Die Geistlichkeit hat nicht genug Scheiterhaufen (...) für die unglückliche Frau.«[33]