Vorwort

Die verlorene Kultur

Nirgendwo in der Geschichte finden wir einen Anfang,
sondern immer eine Folge. ... Wie können wir aber das Ende
verstehen, wenn der Anfang ein Geheimnis bleibt?
J.J.Bachofen

Vor hundert Jahren noch schien die Weltgeschichte sehr einfach. Auch wenn die Erschaffung des Menschen nicht an einem sonnigen Freitagmorgen des Jahres 4004 v. Chr. stattgefunden hätte, wie es von Bischof James Ussher verkündet worden und vor Charles Darwin ein weit verbreiteter Glaube war, so hätte doch in jedem Fall diese neue Sache, die Evolution, den Menschen erst vor kurzem hervorgebracht. Man war des festen Glaubens, daß die Welt jung war und die Menschheit noch jünger, daß sie die Zivilisation reibungslos und wie geplant aus der Unzivilisiertheit zu dem an Vollkommenheit grenzenden Stadium des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte, und daß der Mensch - das heißt, der männliche Teil der menschlichen Gattung - tatsächlich der Mittelpunkt des Universums und die Krönung der Schöpfung war.
Wenn der Mensch sich vom Stand des Wilden durch einen langsamen aber stetigen Aufstieg entwickelt hatte, wie Darwin und Thomas Huxley behaupten, dann hatte die menschliche Gesellschaft dasselbe getan. »Vorwärts und Aufwärts« war die Parole. Man glaubte, die Zivilisation habe im Niltal um ungefähr 2500 v. Chr. begonnen und daß die Menschen davor wie halbe Tiere in Höhlen gehaust hätten. Historiker lächelten nur über die Behauptung von Manetho, die Geschichte Ägyptens hätte 17 000 Jahre vor seiner Zeit bestanden, oder 20 000 Jahre vor Darwin. Das sei natürlich unmöglich, sagten die Viktorianer, denn der Mensch habe ja zu diesem frühen Zeitpunkt überhaupt noch nicht existiert.
Heute wissen wir, daß der Mensch seit mehr als einer Million Jahre auf der Welt ist, daß die Geschichte Ägyptens tatsächlich so weit zurück reicht, wie Manetho sagte, daß eine bedeutende Kultur, die sumerische, der ägyptischen vorausging und daß es mit großer Wahrscheinlichkeit vor der sumerischen Kultur eine noch größere gab.[1] Je tiefer die Archäologen graben, desto weiter zurück verlagert sich der Ursprung des Menschen und der Gesellschaft, und desto größer wird die Unsicherheit, ob sich die Zivilisation wirklich weiter entwickelt hat - wie die Viktorianer so fest glaubten. Sehr viel wahrscheinlicher ist, daß die bedeutendsten Kulturen der Vergangenheit erst noch entdeckt werden müssen.
Eine Studie über den Aufstieg und Untergang bekannter Kulturen läßt stark auf eine große, weltweite Kultur schließen, die dem Dunklen Zeitalter, das wir Vorgeschichte nennen - ein Wort, das durch die Beweise der Ausgrabungen mehr und mehr an Bedeutung verliert - vorausgegangen ist. Wir wissen, daß in Europa der Zerstörung der großen griechisch-keltisch-römischen Kultur im 5. Jahrhundert n. Chr. ein dunkles Zeitalter folgte, daß um 1000 v. Chr. in der Ägäis der Zerstörung der großen minoisch-mykenischen Kultur Griechenlands ein dunkles Zeitalter folgte und daß um 2500 v. Chr. im Nahen Osten der Zerstörung der großen matriarchalen Stadtstaaten von Sumer durch die semitischen Hirtenstämme ein dunkles Zeitalter folgte.[2] Wir haben also den letzten Teil eines Rhythmus vor uns, nach dem die Geschichte zu verlaufen scheint, eine bedeutende, umfassende Kultur, die alle 1500 Jahr aufsteigt und untergeht. Wie steht es dann um das sogenannte dunkle Zeitalter, das der sumerischen Kultur vorausging? Könnte ihr eine noch größere Kultur, die vor Anbruch der Geschichtsschreibung zu Ende gegangen ist, vorangegangen sein?
Nachweise über diese frühere Kultur häufen sich beständig. Wo ihr Ursprung liegt, ist eine strittige Frage. Aber daß sie sich über die ganze Erde erstreckte, kann angesichts der letzten Funde kaum noch angezweifelt werden.

Nachweis durch Sprache

Falls der Mensch infolge der Evolution immer kultivierter, intelligenter und vielschichtiger wurde, warum hat seine Sprache eine umgekehrte Evolution durchgemacht? Die heutigen Sprachen sind offensichtlich viel weniger komplex als die klassischen Sprachen; und die Philologen sagen uns, daß Latein, Griechisch und Sanskrit einfacher sind als die gebräuchliche indo-europäische Sprache, von der sie sich alle ableiten. Wenn es sich bei diesen toten Sprachen um ein Labyrinth von Kasusendungen, Deklinationen und Konjugationen handelt, die für heutige Schüler so schwer erlernbar sind, dann war die Originalsprache ein noch komplizierteres Labyrinth.
Doch scheint es, als stoßen sich wenige Laien an dem Widerspruch, daß es einerseits diese hochentwickelte Originalsprache gibt, und andererseits der weitverbreitete Glaube existiert, daß sich der frühe Mensch nur durch Grunzlaute verständigt habe. Wie können wir die Tatsache, daß zum Beispiel das komplexe Latein eine vereinfachte prähistorische Sprache ist, mit dem vorherrschenden Glauben, daß die Sprache sich durch Onomatopöie entwickelt habe - einer Art Babysprache, die sich aus nachgeahmten Lauten zusammensetzt - in Einklang bringen? Die beiden sind gänzlich unvereinbar.
Wo kam aber dann die ursprünglich gemeinsame Sprache her und wer erfand sie? Sicher nicht der bekannte Höhlenmensch populärer Vorstellung, samt Keule und Bärenhaut. Jean Jacques Rousseau schrieb vor 250 Jahren: »Ich bin so von der Unmöglichkeit überzeugt, daß die Sprache ihre ursprüngliche Einrichtung nur menschlichen Mitteln verdanken soll, daß ich das Problem denen überlasse, die einen Versuch zu seiner Lösung machen wollen.«[3] Rousseau hatte natürlich eine sehr ähnliche Vorstellung von unseren Vorfahren, wie wir sie haben. Tatsache ist, daß das populäre Bild vom Höhlenmenschen teilweise von Rousseau selbst und seiner Vorstellung vom »edlen Wilden« stammt. Und natürlich konnte er einen solchen Wilden nicht als den Erfinder der Sprache begreifen. Das Problem brachte ihn in Verlegenheit. Es würde auch uns in Verlegenheit bringen, wenn wir nicht wüßten, daß die Menschheit viel älter ist als Rousseau dachte.
Georg Wilhelm Hegel schreibt in Die Vernunft in der Geschichte-. »Die Philologie weiß, daß die vom Menschen in seinem früheren primitiven Zustand gesprochene Sprache sehr kompliziert war; und eine umfassende, folgerichtige Grammatik bedarf der Kopfarbeit.«[4] Wie könnten »primitive« (rohe, unwissende, ungeschlachtete, ungebildete, unkultivierte) Vorfahren eine umfassende, folgerichtige und höchst komplizierte Grammatik erarbeitet haben?  Wenn es aber doch so war, dann konnten sie nicht so schrecklich primitiv gewesen sein. Und wenn sie primitiv waren, wer entwickelte dann die Grammatik für sie?
Theodor Mommsen schreibt, »daß die Sprache der wahre Spiegel und Ausdruck des erreichten Kulturgrades ist« und gibt zu, daß die primitiven Indo-Europäer, ehe sie sich in die klassischen und modernen Nationen Europas und Asiens aufteilten, ein sehr umfangreiches Vokabular hatten. Daraus muß geschlossen werden, daß entweder unsere primitiven Vorfahren ihre eigene Sprache nicht erfunden haben, oder aber nicht so primitiv und ungeschlachtet waren, wie wir es sind wenn die einfache englische Grammatik den meisten Amerikanern unbegreiflich bleibt.
An dieser Originalsprache ist unter anderem interessant, daß sie im Subarktischen entstanden zu sein scheint, denn die ältesten Ursprungswörter, die allen Späterentwicklungen gemeinsam sind, beziehen sich auf nördliche Breitengrade  -  Rentier,  Fichte Schnee, Tanne, usw. Diese eigenartige Tatsache scheint der Erkenntnis  zu  widersprechen, daß unsere gegenwärtige Kultur ihren Ursprung in den Hochebenen Südosteuropas und in Anatolien hat. Diese widersprüchlichen Vermutungen könnten in Übereinstimmung gebracht werden, wenn man die von Immanuel Velikovsky,  Hugh Brown  und anderen vorgebrachte  Umwälzungstheorie oder die Theorie der Polverschiebung übernähme. Denn die anatolischen Ebenen könnten einst subarktisch gewesen sein, und die subtropische Fauna, die vor wenigen Jahren aus dem arktischen Eis gegraben wurde, könnte sich während einer weltweiten geologischen Umwälzung in einem tropischen Dschungel genährt haben.
Im 6. Jahrhundert v. Chr. lehrte Pythagoras die Theorie der Polverschiebung, und führte diese Anschauung auf die Ägypter und die alten Völker Indiens zurück. Diese Völker sprachen ebenfalls von einer roten Menschenrasse (einer rothaarigen?), die vor der vorletzten umwälzenden Verschiebung der Pole, die ihrer Ansicht nach im 10. Jahrhundert stattgefunden hat, die Welt von einem heute versunkenen Kontinent [6]  regierten; und sie sprachen von einer späteren Umwälzung, fünftausend Jahre danach, was ungefähr in die Zeit des Versinkens des antarktischen Kontinents und der Überschwemmungen fällt, von denen Mythen und Legenden berichten.
Die philologische Erkenntnis, daß es eine Ursprache gibt, wird von den Mythen unterstützt. In der Bibel (1. Buch Moses, 11) steht, »es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache«. Flavius Josephus sagt, daß alle Kreaturen zu jener Zeit eine Sprache hatten,[7] und impliziert, daß die Tiere ebenfalls sprachen. Louis Ginzberg vertritt die Ansicht, daß die Sprache, samt einem Alphabet zum Schreiben, von oben kam.[8] Die Sumerer glaubten, daß ihnen die Sprache und alle Künste der Kultur von einem mysteriösen Wesen, halb Mensch und halb Fisch, überbracht worden sei, von einem Wesen, das aus dem Meer kam und später dorthin zurückkehrte. In Anbetracht dieser Legende weist der berühmte Exobiologe und Weltraumphysiker Carl Sagan darauf hin, daß dieses Meereswesen ein Gast aus dem Weltraum gewesen sein könnte.[9]
Aber das würde zu weit führen. Hier interessiert uns die weltweite Tradition einer einst allgemeingültigen Sprache, eine Tradition, die nicht nur im Mittelmeerraum und in Europa zu finden war, sondern auch in Asien, Afrika und der westlichen Hemisphäre. Zeichen gemeinsamen Ursprungs erscheinen aber nicht nur hinsichtlich der Sprache, sondern betreffen alle Künste und Gebräuche der Zivilisation. Daß dieser gemeinsame Ursprung zeitlich vor der ägyptischen und sogar vor der sumerischen Kultur liegt, ist heute allgemein anerkannt. Ehe den Historikern die Sumerer noch bekannt waren, wunderten sie sich darüber, daß die ägyptische Kultur, ohne sich eine barbarische Vorgeschichte zunutze zu machen, voll entwickelt dagestanden haben sollte. Heute erscheint es gleichermaßen erstaunlich, daß der sumerischen Kultur dasselbe widerfahren sein soll. Offensichtlich muß es also etwas vor der sumerischen gegeben haben, das ihre scheinbar plötzlichen kulturellen Leistungen ganz am Anfang der überlieferten Geschichtsschreibung erklären würde. Es könnte wohl zutreffen, daß, wie S.R.K. Glanville sagte, »die Wissenschaft, die wir zu Geschichtsbeginn sehen, nicht die Wissenschaft in ihren Anfängen war, sondern Überreste der Wissenschaft einer großen und noch nicht aufgespürten Kultur aus der Vergangenheit darstellen«[10]

Nachweis durch Karten

H.J. Massingham zufolge, war von einem Volk, das die »Alten Seefahrer« genannt wird und vorläufig als das seefahrende Volk Kretas identifiziert worden ist, die Zivilisation überall in der Welt »bewußt begründet worden.«.[11] Es war sehr kühn von Massingham, Anfang dieses Jahrhunderts einem Volk aus dem 3. Jahrhundert Weltumseglungen zuzuschreiben, aber heute wissen wir, daß die »Alten Seefahrer« einer noch früheren Epoche in der Geschichte angehören als Massingham vermutete. Denn so unglaublich es auch scheinen mag, diese alten Seefahrer verfertigten eine genaue Karte von einem Kontinent, nämlich der Antarktis, die vor mindestens 6000 Jahren unter 3 Meilen dickem Eis verschwand und deren Existenz überhaupt bis 1820 n. Chr. dem modernen Menschen unbekannt war.[12]
Mit Hilfe moderner wissenschaftlicher Instrumente wurde bestätigt, daß der antarktische Kontinent spätestens 4000 v. Chr. vereiste, und daß er seither unter einer undurchdringlichen Eisschicht gelegen hat. Diese Tatsache und die Wahrscheinlichkeit, daß vor 4000 v. Chr. die Antarktis in klimatisch milden Breiten lag, zusammen mit einer weiteren Tatsache, daß nämlich Kohleablagerungen von größerem Ausmaß gefunden wurden, die auf einen Waldbestand schließen lassen, führen zu dem unglaublichen Gedanken, daß die Karte von Antarktis von einem Antarktikaner gezeichnet worden sein muß - vor der Vergletscherung vor 6000 Jahren. War dieser antarktische Kartograph ein Bewohner von Atlantis? Und war der riesige antarktische Kontinent einst der riesige Kontinent von Atlantis?
Eine Karte, die ein gewisser Orontius Fineus 1532 n. Chr. von einer alten, nicht mehr existierenden Karte abzeichnete, stellt die Küsten und Flüsse dieses verlorenen antarktischen Kontinents mit solcher Genauigkeit dar, daß sie fast in allen Einzelheiten mit heutigen Karten übereinstimmen, welche mit Hilfe hochentwickelter Instrumente, durch Küsten und Flüsse verdeckende Eismassen hindurch, verfertigt wurden. Man nimmt an, daß die Karte des Orontius Fineus von derselben Vorlage stammt, wie die heute berühmte Piri Reis Karte. Als 1929 die 1513 datierte Piri Reis Karte entdeckt wurde, bezweifelten die damaligen Kartographen, daß es das Werk eines mittelalterlichen oder gar antiken Kartenzeichners sei. Sie war so akkurat, daß sie nicht ohne gewisse Instrumente verfertigt worden sein konnte, die aber wiederum erst Jahrhunderte später entwickelt worden waren.
In den 30er und 40er Jahren kamen noch weitere Karten aus dem 13. bis 16. Jahrhundert ans Licht und setzten die moderne Wissenschaft durch ihre Präzision in Erstaunen. Seltsam an diesen Karten war, daß die unerforschten Gebiete der mittelalterlichen Welt genauer gezeichnet waren als die, die tatsächlich im Altertum und im Mittelalter erforscht worden waren! Zum Beispiel waren Mercators spätere Karten, in die von Ptolemäos und späteren Geographen gezeichnete Teile der Welt eingearbeitet waren, weniger genau als seine früheren Karten, die ganz auf den heute verschollenen Karten der entferntesten Antike beruhten. Auf einer dieser mittelalterlichen Weltkarten sieht die pazifische Küste des nord- und südamerikanischen Kontinents genauso aus wie in Atlanten von heute. Und doch hat das Mittelalter nicht einmal im Traum eine Vorstellung von dieser Küste gehabt. Sogar Kolumbus besaß keine Kenntnis vom Pazifischen Ozean.
Das Geheimnis der Karten konnte schließlich erklärt werden. Das alte Original, dessen Ursprung unbekannt ist, war von den Christen gerettet und nach Konstantinopel gebracht worden, nachdem diese im 5. Jahrhundert die große Bibliothek im ägyptischen Alexandrien verbrannt hatten. Bis zu den Kreuzzügen des 13. Jahrhunderts lag sie in Konstantinopel. Zu dieser Zeit griff die venetianische Flotte die Stadt an und brachte die Karte, zusammen mit anderer Beute nach Venedig, wo sie von zeitgenössischen Kartographen gefunden und benutzt wurde. Was letztlich mit ihr geschah, ist unbekannt.
So kennen wir den Ursprung der erstaunlichen mittelalterlichen Karten. Aber wir wissen nicht, wer oder welches Volk die Originale zeichnete, auf denen sie beruhen. Wenn Gibbon im 18. Jahrhundert von Byzanz oder der großen byzantinischen Kultur sagt, sie habe »nicht ein einziges historisches oder philosophisches oder literarisches Werk vor dem Vergessen gerettet«, so war ihm natürlich dieses eine, so zufällig gerettete Stück Pergament unbekannt - diese uralte Karte, die bis zu ihrem Eintreffen in Byzanz viele Jahrtausende hindurch immer wieder abgezeichnet worden war. Und doch hat diese eine Karte weit mehr Licht in die Vorgeschichte gebracht und in die alte Kultur, aus der sie stammt, als seither sämliche Historiker und Theoretiker. Wer waren diese alten Seefahrer, die 10 000 Jahre vor der christlichen Ära die Sieben Meere besegelten? Wer waren sie, die die Welt mit einer bis ins 20. Jahrhundert unserer Zeit nie wieder erreichten Genauigkeit aufzeichneten? Wer sie auch immer waren, es ist unumstritten, daß ihre wissenschaftlichen Kenntnisse den unseren glichen. Und gewiß hatten sie seetüchtige, für lange Fahrten ausgerüstete Schiffe, die für die Weltumseglung geeignet  waren. Sie fuhren nicht nur an der pazifischen Küste entlang, die  sie verhältnismäßig genau und gründlich  kartographierten, sondern besuchten auch den nördlichen Polarkreis, die Antarktis, Afrika, Australien und die Inseln Ozeaniens, wie wir sehen werden. [13]

Die alten Seefahrer

Wer auch immer diese alten Seefahrer gewesen sein mögen, sie sind wahrscheinlich für die Überlieferung des »wunderbaren Fremden« verantwortlich, die bei so vielen primitiven Völkern der Welt zu finden ist. Massingham weist darauf hin, daß Völker an den unwahrscheinlichsten Orten - zwischen der Arktis, Australien und den Ozeanischen Inseln - Bräuche und Traditionen haben oder einst gehabt haben, die sie selbst nicht mehr erklären können, und die in ihrem Leben keine Aufgabe zu erfüllen scheinen. Spuren, die auf eine Berühung mit den wunderbaren Fremden zurückzuführen sind, finden sich bei den friedliebenden Eskimos, die einen aus Muscheln nachgeahmten, übereinandergreifenden Plattenpanzer tragen; bei den Eingeborenen der Torres Strait in Australien, die ihre Toten mumifizieren, ein Brauch, der nicht aus Ägypten entlehnt sein konnte, weil Ägypter sich bekanntermaßen vor dem Meer und der Seefahrt fürchteten;[14] der weitverbreitete Brauch, Werkzeuge aus Feuerstein zu polieren, eine Handlung, die keinen praktischen Sinn hatte und nur die Nachahmung hochpolierter metallener Werkzeuge, wie die wunderbaren Fremden sie verwandten, gedient haben muß; und vor allem die über die ganze Welt verstreuten, großartigen megalithischen Monumente, das »Ich bin hier gewesen« der alten Seefahrer. Die scheinbar sinnlosen moralischen Tabus wie Inzest und die Bluttabus, an die sich die sonst amoralischen Primitiven hielten, und das häufige Auftreten der Penisverstümmelung, deren Ursprung später besprochen werden wird, sind weitere Überreste vergessener Einflüsse auf die wilden Völker, die die Forscher viel späterer Zeitalter überraschten und verwirrten. Bei all diesen primitiven Völkern von Yukatan bis Tasmanien bezog sich die Tradition des wunderbaren Fremden auf eine blauäugige, golden- oder rothaarige Rasse. Das allein läßt darauf schließen, daß es sich nicht um die alten Kreter handeln kann, denn sie, wie die ganze »mediterrane Rasse«, die die uns bekannte Kultur begründete, waren verhältnismäßig kleine, schlanke, gutgewachsene Menschen mit dunklem Haar und weißer Haut, kleinen geraden Nasen und länglichen Köpfen, was wir den alten Reliefs und Porträts aus Sumer, Ägypten und Kreta entnehmen können. Sie waren weder semitisch noch arisch, und niemand weiß, woher sie kamen und in welche heutige Rasse sie hineinwuchsen. Es sollte noch erwähnt werden, daß die Ägypter, Angehörige dieser dunkelhaarigen mediterranen Rasse, in den frühen Tagen Europa und Asien nach Rotköpfen durchkämmten, damit diese ihren Göttinnen in den Tempeln dienten.
Könnte diese Nachfrage nach rothaarigen Menschen aus der verschwommenen Erinnerung der Ägypter an eine längst verschollene Überrasse gekommen sein, welche sie einst die Künste der Kultur gelehrt hatte? Und könnte der Bezug auf die Göttinnentempel die Religion der verschollenen Kultur widerspiegeln, eine Religion, die den Ägyptern wie allen mittelmeerländischen und frühen indo-europäischen Völkern und auch den Semiten die Göttinnenverehrung als Vermächtnis hinterließ? Und falls es so war, wer waren dann diese goldenen Fremden? Unter den bekannten Rassen tritt Rothaarigkeit nur bei den europäischen Kelten auf.
Terence Powell sagt, daß »die Kelten wegen ihrer Größe, der hellen Haut, den blauen Augen und dem blonden Haar für das mittelmeerländische Auge ungewöhnlich waren«.[15] Könnten die uns bekannten Kelten, die »goldenen Fremden« aus dem vorgeschichtlichen Britannien und die »Großen, Hellrassigen, mit rot-blondem Haar« von Irland [16] die letzten Überlebenden jener alten, unbekannten Kultur sein, die sogar für sie selbst nur noch eine schwache, durch eine unverständliche Überlieferung am Leben erhaltene, vage Erinnerung war?
Denn Herodot erzählt, daß ihre heiligsten Relikte, die alle aus reinstem Gold waren, aus einem Pflug, einem Joch, einer Axt und einem Trinkgefäß bestanden. »Sie hüten diese heiligen Relikte mit der allergrößten Sorgfalt,« sagt Herodot, »und bringen ihnen zu Ehren jährlich Opfer dar. Sie sagen, daß diese Relikte eintausend Jahre vor Darius vom Himmel herabgefallen waren.«[17] All diese Relikte sind Symbole des Matriarchats: der Pflug und das Joch symbolisieren in der Reihenfolge die Erfindung der Landwirtschaft und die Domestizierung von 20 Tieren, beides traditionell den Frauen des matriarchalen Zeitalters zugeschrieben; die Axt ist das Ursprungssymbol der matriarchalen Kultur, die in Kreta, wo die Doppelaxt eine ganz besondere Bedeutung hatte, ihren Höhepunkt erreichte; und das Trinkgefäß war ein heiliges Emblem der alten Göttinnenriten, die sogar noch zu Herodots Zeit in Argos und Ägina, und in Irland bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. hinein, fortbestanden hatten.[18]
Aus dem heiligen Joch aus Herodots Bericht könnte das goldene Halsband der späteren Kelten entstanden sein, ein keltisches Schmuckstück, das mit anderen heiligen Emblemen der alten Ägäer von R.E.M. Wheeler identifiziert wurde. All diese Relikte waren »aus reinstem Gold«. Gold war zu Herodots Zeit ein Edelmetall und eintausend Jahre vor Darius (und hier bedeuten eintausend Jahre nichts anderes als eine sehr lange Zeitspanne) war Gold, wie alle Metalle, heilig. Die alten Seefahrer aber waren Metallverarbeiter und daß sie überall in der Welt nach Gold schürften, ist durch die von England bis Thrakien und von Sibirien bis Rhodesien gefundenen Überreste ihrer Bergwerke belegt. Eines der Rätsel im klassischen Griechenland waren die im 5. Jahrhundert v. Chr. entdeckten Goldbergwerke von Thrakien.[19] Darüber hinaus kam das Wort »Gold« aus der ursprünglich indo-europäischen Sprache.[20]
Eine andere Geschichte besagt, daß die Vorfahren der Kelten von »einer Insel in der Nähe von Gades (Cadiz an der atlantischen Küste Spaniens) hinter den Säulen des Herkules (Gibraltar) auf dem Ozean (dem Atlantik)« kamen. [21] Könnte diese Insel Atlantis gewesen sein? Und könnte Atlantis die Heimat der alten Seefahrer gewesen sein? Herodot führt weiter aus, daß diesem Bericht zufolge die Mutter der Skythen »Königin und alleinige Gebieterin des Landes« war. Das Merkwürdige an dieser Geschichte liegt in der Beschreibung dieser meerjungfrauähnlichen Königin, die mit der Beschreibung des seltsamen Meerwesens, das den Sumerern die Künste der Kultur gebracht hatte, übereinstimmt!
Ehe wir uns von den alten Seefahrern abwenden, sei hier noch auf einige beiläufig zusammengetragene Hinweise auf eine alte, zur See fahrende, vor mehreren Jahrtausenden bestehende Kultur verwiesen. Sie entstammen tatsächlichen Zeitungsberichten, die von dem unermüdlichen Charles Fort ausgeschnitten und gesammelt wurden.

  • London Times, 22. Juni 1884 - Ein in Gold gearbeiteter Faden wurde in Gestein gebettet 2,45 m tief in einem Steinbruch unterhalb von Rutherford Mills am Tweedfluß gefunden.
  • Ein vollendet geformter Nagel aus Schnitteisen, mit tadellosem Kopf, eingebettet in ein goldhaltiges Quarzstück, in Kalifornien gefunden. Ohne Datum.
  • Ein Nagel in einem 23 cm dicken Steinblock im Steinbruch von Kingoodie gefunden, Nordbritannien, 1845.
  • Noch ein Nagel, in einem Quarzkristall in Carson, Nevada, in 1884.
  • Eine Kristallinse (»kein Ornament, sondern eine richtige optische Linse, die wahrscheinlich mit modernen Mitteln geschliffen wurde«, so das British Scientific Association Journal), gefunden bei den Ausgrabungen 1871 in Ninive in einem Haus vergraben. »Die British Scientific Association (Vereinigung Britischer Wissenschaftler) kann unter gar keinen Umständen akzeptieren, daß Kristallinsen je in der Antike hergestellt wurden«, fügt Fort hinzu.[22]

Woher kamen aber dann all diese Hinweise auf eine technologische Zivilisation, die alle an solchen Stellen gefunden worden waren, wo sie innerhalb der letzten 10 000 Jahre nicht hatten hinterlassen werden können?
Wir wissen noch längst nicht, wer die alten Seefahrer waren. Und nur durch Mutmaßungen, Analysen und Synthesen können wir je dahinter kommen. Und die Analysen und Synthesen von Mythen, primitiven Bräuchen, archäologischen Funden und der Sprache führen zu der Vermutung, daß es sich bei der verschollenen Kultur der alten Seefahrer um eine Frauenkultur handelt.

»Die alte Welt war voller Erinnerungen und Mythen an eine solche verschollene Kultur - eine Kultur, die vor der ägyptischen und sumerischen lag, nicht ein bloßer barbarischer Vorläufer derselben, sondern eine alte Kultur höheren Ranges, deren Erbe sie waren«, und von welcher ihre Kultur in vieler Hinsicht einen Verfall darstellte.[23]

Platons ideale Republik war eher eine Rückschau auf diese früher glorreiche Zeit als eine Vorausschau. Im Kritias hatte er von dem ehemaligen Primat der Göttinnen und von der Gleichheit zwischen Mann und Frau in den alten Zeiten gesprochen. [24] In Der Staat schafft er eine ähnliche ideale Welt,  in  der  Führungseigenschaften  nur auf Grund von intellektueller Überlegenheit beurteilt wird, und in der Frauen dasselbe Bildungsprivileg und dieselben Aufstiegsmöglichkeiten haben werden wie Männer. »Öffentliche Ämter sollen von Frauen wie auch von Männern innegehalten werden«, wie es der Brauch bei den Alten war.[25]
In den Chroniken aller Völker weisen Erzählungen von einer älteren Rasse »übereinstimmend auf einen unveränderbaren Glauben an die Existenz einer früheren Kultur hin, deren Alter und Überlegenheit unbestritten war (...). Dieses herrschende System der älteren Welt, so nahm man an, war in einer geologischen Umwälzung zuende gegangen (...) und ausnahmslos wird erwähnt, daß es zu einer so frühen Zeit existiert haben soll, daß seine Geschichte nur noch in gröbsten Zügen (in der Überlieferung fortbestanden hat).«[26]
Denn wenn eine verheerende Umwälzung stattfindet, wie Platon im Timaios sagt,

»läßt sie nur jene zurück, denen es an Schrift und Bildung mangelt. Und dann müssen wir wieder von Neuem beginnen, wie die Kinder, und wissen nichts von dem, was in alten Zeiten geschah.«[27]

Und weiter im Kritias

»Denn die Bevölkerungsgruppe, die sich jeweils erhalten hat (...) war ohne Schrift; so hörten sie nur eben die Namen ihrer Landesfürsten und dazu ein Weniges von ihren Taten. Und durch viele Menschenalter lebten sie und ihre Kinder im Mangel an den notwendigen Dingen und richteten ihre Gedanken einzig auf das, was ihnen fehlte. (...), aber wie ihre Vorfahren gelebt hatten und was sich in der Vorzeit ereignet hatte, darum kümmerten sie sich nicht. Erforschung der Mythen und Altertumskunde stellen sich ja erst mit beginnender Muße (...) ein, wenn einzelne zur Feststellung kommen, daß die lebensnotwendigen Dinge nun vorhanden seien, vorher aber nicht.«[28]

Als schließlich ein Minimum an Sicherheit erreicht worden war und die Menschen endlich die Freiheit hatten, ihre Vergangenheit zu erforschen, war ihnen außer den schwachen Erinnerungen an die Namen und Taten längst toter Helden und Heldinnen, die von Generation zu Generation mündlich überliefert worden waren, wenig geblieben, worauf sie ihre Geschichte aufbauen konnten. Die ehemaligen Führer wurden die Gottheiten und Halbgottheiten, Helden und Heldinnen der neuen Welt, und ihre Taten sind in den mythischen Geschichten ihrer Nachkommen enthalten. Denn, wie Peter Bück gesagt hat, »die Mythologie von heute ist nichts anderes als die Geschichte von gestern.«[29] Und ,.Mythen sind die Erinnerungen an wirkliche, von den Menschen erlebte Ereignisse«, wie Bachofen mit soviel Voraussicht vor hundert Jahren bemerkte.[30]

»Was wissen wir denn überhaupt bis jetzt über die alte Welt, daß wir uns erlauben, die tief verwurzelte, so oft in den ehrwürdigsten Überlieferungen wiederholte Tradition in Frage zu stellen, daß zu einer Zeit, die fast unser Vorstellungsvermögen sprengt, eine hochentwickelte Kultur, von der alle Kulturen dieses Planeten ausgingen, leuchtete, flackerte und wie eine geborstene Sonne ihr gebrochenes Licht in die dunklen Winkel unseres Sternes warf?«[31]

Vor zweihundert Jahren schrieb der große französische Akademiker, Astronom, Philosoph und Literat Sylvain Bailley in History of Ancient and Modern Astronomy, als einzig vernünftige Mutmaßung bliebe, daß es eine große, ursprüngliche, jetzt vollkommen ausgelöschte Nation gegeben haben muß, von deren Geschichte kein Dokument überliefert worden ist, und die es in Wissenschaft und Kunst zu einem sehr hohen Grad an Vollkommenheit gebracht hatte; die andere Teile der Welt kolonisiert hat, kurz, die die Vermittlerin war, und ihr Wissen an Völker weitergab, die weniger entwickelt waren als sie selbst.[32]