Donnerstag 1ten
Löhneauszahlung, immer genauere Kenntnis dabei erreicht von der Nichtswürdigkeit unserer früheren Bedienung, welcher wir unbedingtes Vertrauen geschenkt. - Hoffentlich ist nun Ordnung geschaffen. Beständige Beschäftigung mit der bevorstehenden Reise. - Abends ein Sänger v. Reichenberg[1] aus Mannheim für den Fafner, ein angenehmer, freundlicher Mann mit schöner Stimme. (Boni führt an.)
Freitag 2ten
Allerlei Toilettenbeschäftigung für die Reise, dazu vielen unaussprechlichen Kummer betreffs der zwei älteren Kinder!... Ich mache einige Besuche und Besorgungen. Abends gedenkt R. lebhaft des »Faust«, der Scene mit dem Ostergesang, und liest sie mir vor, mit dem Spaziergang und dem ersten Begegnen mit Mephisto. R. zu Tränen ergriffen, wie er sagt, vom jedesmaligen Umgang mit einem solchen edlen Geist! Bewunderung und Verwunderung über beinahe jedes Wort; diese Jugend Goethe's wie ein Frühlingsmorgen hat alles gebracht, später war er nur der Pfleger aller dieser Blüten. Von großer Zerstreutheit hatte er sich zu sammeln, wieder zu sich [zu] kommen, R. sagt auch noch, daß das Gedicht »Schwindet ihr Wölbungen« förmlich den Zustand schildert beim Einschlafen. Nur der Dichter freilich kann die Erinnerung daran festhalten.
Sonnabend 3ten
Schlimme Nacht, wilde Träume, wohl in Folge der großen Ermüdungen. R. spricht seine Sehnsucht aus, an eine Arbeit sich wenden zu können. Parcival! Auch »Die Sieger« will er schaffen. Ich möchte auch, wir wären von dem ganzen Wirken befreit!... Besuch Feustel's, die Kosten der Gas-Einrichtungen u.s.w. sind enorm, R. darüber sehr bekümmert. In München will man entschieden R. nicht haben, Frau Vogl bleibt krank!... Große Trauer über R. und mich, [2]die ältesten Kinder betreffend. Und dabei dieses Durcheinander des Lebens, Hausbesorgungen, Toilette, Reise, kaum kann das Herz seine Rechte fordern!...
Sonntag 4ten
Schönes Frühjahrs-Wetter, R. erhält einen hübschen Brief von Sascha Ritter, welcher uns seinen Sohn anvertraun wird. - Hübsche Photographie von Fidi; die kleinen Kinder so heimisch. R. sagt: Dieser Unterschied zwischen dem, was man ist, und dem, was man sieht, ist fast nicht auszugleichen, »so sind die Kinder etwas ganz für sich, doch aber nicht fremd«. - Die großen Ausgaben des Hauses erschrecken förmlich. - Kleine Gesellschaft abends; Barcarolle von Chopin,[3] welche R. nicht gefällt, erfindet sie dem Titel nicht entsprechend und rügt es, daß die Leute jetzt nicht wüten und rasen genug können.
Montag 5ten
Ich erhalte mancherlei Besuche in der Kirchenteppich-Angelegenheit, R. beginnt einen langen Brief an den König. Herrliches Frühjahrswetter, welches ich benutze, um mit den Kindern nach Fantaisie zu fahren. Erinnerungen an die schönen Tage dort. R. sagte heute zu Tisch, Tribschens und des herrlichen Lebens dort gedenkend: Ob wir das größte Glück hinter uns hätten? Gedenken der lieben Wesen, welche sich so gut gegen uns in der Zeit unseres Eingewobenseins benommen, Marie Muchanoff's vor allem!... Depesche, daß Betty Schott gestorben! Wiederum eine Lebensbeziehung gänzlich zu Ende. - Abends in Gfrörer die Wunder. (An Pr. Rohde geschrieben, welcher mir einen hübschen Brief [sandte]; R. bedauert, daß sein Bekanntwerden mit diesen jungen Menschen sie ganz aus ihren Bahnen gerissen, während sie sonst vielleicht als Universitätsprofessoren recht befriedigt gewesen.)
Dienstag 6ten
R. beendigt seinen Brief an den König; klagt über den Stumpfsinn auch seiner Mitbürger, er würde wohl auch Konzerte für die nötigen Gasthöfe geben müssen!... Schönes Wetter; ich packe für die zwei Ältesten ein, R. geht auf das Theater hinauf und hat dort einen schmerzlichsten Eindruck wieder, den Orchesterraum hat man zu klein gemacht!... R. sieht mich einpacken und ist sehr ergriffen. Der Rest ist Schweigen;[4] das Zitat bringt ihn auf Shakespeare, der es wie eine völlige Ironie auf die große Rede, welche Hamlet im Saxo Grammaticus hält, [gemeint hat]. Abends eine Sängerin, welche die Agathen-Arie mit all den gewöhnlichen Unarten der Sängerinnen und Kmeister vorträgt, R. sagt, mit dieser bloßen Arie wollte er die ganze jetzige deutsche Musik-Welt beschämen, sie singen das Wichtige unbedeutend und das Unwichtige pathetisch! ... Ich packe ein bis in die Nacht.
Mittwoch 7ten
Vor einigen Tagen sagte mir R., er habe lauter Menuette im Kopf; ein Thema davon schrieb er auf; sonst ist er sehr angegriffen; zum Glück scheint die Veränderung des Orchesterraumes keine zu große Not zu verursachen. Ich habe noch mein ganzes Haus in Ordnung zu bringen, und R. lacht, wie er mich mit meiner Köchin rechnen sieht. Abends einige Bekannte. R. kommt wieder mit dem guten Bürgermeister auf die unselige Gasthoffrage zurück. - Zu vielerlei Sorgen kreuzen sich in Sinn und Herz.
Donnerstag 8ten
R. wacht weinend und klagend auf, er hat geträumt, daß nach einer Ungezogenheit seinerseits ich ihn verließ, dazu vierhändige Sonaten vom Vater gespielt, eine Dame, welche ihn, R., verhöhnt und welcher er deshalb »einen Puff« gibt, ich gegen alles Bitten unweigerlich entschlossen, fortzugehen!... Abschied um 1 Uhr; die Kleinen weinen sehr, wie sie von den Großen sich trennen; Fidi schreit förmlich. Ankunft von mir und den zwei Großen um 10 Uhr in Dresden!... Dumpfe Stimmung, wie hart der Pfad. Ich bin in Sorge um R. »Wie ein vollständiger Narr kommt man sich zuweilen vor«, sagt er, seiner Unternehmung gedenkend. Ich schreibe ihm noch meinen Dank für die Liebe und Güte, welche er den Kindern bewährte diese sechs Jahre lang, und füge den Ausdruck meines Schmerzes hinzu.
Freitag 9ten
Früh ausgegangen, für Loldchen ein Geschenk zu morgen besorgt; dann in die Galerie, unsäglicher Eindruck eines S. Sebastian von Antonello da Messina[5] und eines Botticelli. Ergreifendes Wiedersehen alter andrer Freunde. Frühstück bei Pusinellis, den Guten! Gemütliche Stimmung. Um 2 die Fahrt nach dem Stift, guter Eindruck in Bezug auf die Kinder; wie fremd aber auch diese Welt - wird sie ihnen heimisch sein?... Um 5V4 Uhr Abschied. Es war eine Notwendigkeit, die Notwendigkeit ist das Harte. Gegen 7 zu Frau Wesendonck, dort den Abend freundlich zugebracht, sie findet mich angegriffen und gealtert. Heimgekehrt, spät noch an die Kinder geschrieben.
Sonnabend 10ten
Um 9.30 fort, R. empfängt mich auf dem Bahnhof, sieht zum Glück sehr wohl aus, sagt aber, wenn ich fort ginge, würde er krank. Sascha Ritter gesehen und gesprochen, sein Sohn kommt zu uns. Die Töchter von Ciaire Wolfram kommen auch. Abends in das Theater gegangen: »Genoveva«[6] von Schumann. Völliges Erschrecken über die Gemeinheit und Roheit dieses Werkes; R. entsinnt sich, Schumann den Ratschlag gegeben zu haben, doch wenigstens die Bilder vor dem Empfang des Briefes den Siegfried sehen zu lassen, was aber Schumann nicht wollte, um den Akt »effektvoller zu schließen«. — Die Musik voller Meyerbeeriaden, Marschner (in schlechten Momenten), ja Reißiger. Der Anfang der Ouvertüre stimmt gut - gleich aber das Allegro-Thema zerstört die Stimmung. Entsetzlich! Und dazu das Publikum, welches einzig die Gemeinheit da anzieht, befriedigt, dieselbe in einem »klassischen« Werk zu finden! »Wenn so ein Zwickauer anfängt, gemein zu werden«, sagt R. Aber mit niemandem kann man hierüber sprechen! - Dazu die ungeschickte Behandlung des Orchesters, welche tödlich ermüdend wirkt. (An Loldi telegraphiert.)
Sonntag 11ten
Um halb zehn Uhr fort; schönes Wetter. In Köthen entsinnt sich R., [daß er] einmal mit Minna die Nathalie[7] in einer Herrenhuteranstalt besucht habe; Gnadauer Brezeln erinnern ihn daran. Um vier Uhr in Hannover, wo ich dies aufschreibe. Abends um 7 Uhr Aufführung des Lohengrin, leider nicht schön, der Tenorist William Müller anfangs durch seine Stimme angenehm, im Verlauf des Werkes aber süßlich und unsinnig; Kostüme, mise en scene, Tempi schrecklich; lange nachher abends mit R. über die Eindrücke gesprochen, »Genoveva« so gut, Lohengrin so schlecht gegeben. (Großer Enthusiasmus des Publikums.)
Montag 12ten
Briefe; wieder einige Hausunannehmlichkeiten! - Besuche, unter andrem eine Sängerin aus Bremen (Wilde), welche tüchtig scheint. Sie singt das Gebet aus Tannhäuser, was mich wie immer unaussprechlich rührt und ergreift. Um vier Uhr werden wir zum Bankett des Künstlervereines abgeholt, welches freundlich abläuft, wenn es auch ein wenig lang dauert. Der Vorstand erzählt mir, daß, wie sie auf den Gedanken gekommen seien, R. einzuladen, viele von den Künstlern eine abschreckende Beschreibung seiner Art gegeben hätten und behauptet, er würde ihnen die Einladung an den Kopf werfen u.s.w., nun erlebten sie an R.'s Freundlichkeit einen Triumph.
Dienstag 13ten
Erster Brief der Kinder aus dem Luisenstift, sie schei-nenzufrieden!... Ich fahre zum Pr. Osterley,[8] welcher mich in das Museum führt, ein schöner Miereveldt, ein schöner Tizian, ein schöner Rubens. Um 2 Uhr Abfahrt nach Braunschweig; R. unsicher in Bezug auf Frl. Weckerlin (Sieglinde oder Gutrune). Im Hotel, wie jetzt gewöhnlich in Deutschland, recht ausgezogen. In Braunschweig empfangen und umhergeführt von Kmeister Abt. Sehr hübscher Eindruck von der Stadt (»Geduld, Geduld, wenns Haus auch bricht«, sagt R.), R. besucht den Intendanten Herrn v. Rudolphi, welcher ihm einen guten Eindruck macht. Abends einige Enthusiasten zum Abendbrot, heitre gemütliche Stimmung.
Mittwoch 14ten
In das Museum mit R.; überwältigender Eindruck eines Giorgione, Adam und Eva! Es ergreift und reißt R. völlig hin. Mittagessen mit R. allein; abends Tannhäuser, traurigster Eindruck des Sängers Schroetter![9]... Unsinnige Darstellung (nach Niemann!) und wenig Stimme. Nach der Aufführung Abend bei Herrn von Rudolphi, einem ernsten, sehr angenehmen Mann. (Die Kerzen beim Brautzug der Elsa in Hannover bedeuten Kerzungen*, sagte R.)(** Wortspiel, sächsisch für: Kürzungen.)
Donnerstag 15ten
Am Vormittag noch einmal in das Museum; Dürer'sche Blätter betrachtet; große Freude daran. Darauf eine Art Bankett im Hotel, mit Militärmusik, R. heiterer Laune, um 3 Uhr Abfahrt mit großem Geleite. Um 8 1/2 Uhr Ankunft in Berlin. Wiedersehen Mimi's.
Freitag 16ten
Briefe der Kinder, gut. Einige Besuche empfangen. Um fünf Uhr mit Helmholtzens bei Schleinitzens gespeist; abends mit Frau v. Schleinitz »Werwolf«[10] vom Grafen Hochberg angehört, nicht schlechter noch besser als irgend eine Musik. Bei Frau v. Schi, das Portrait R.'s von Lenbach gesehen, entschieden das schönste, was von R. gemacht worden ist; trauriges Gefühl, es nicht zu haben, wenn auch ohne Neid. Herrliche Rede Bismarck's im Abgeordnetenhaus.
Sonnabend 17ten
Allerlei Besorgungen, Besuche mit R., die Nichte Jachmann kommt auch; abends mit Pr. Doepler,[11] unserem Kostüm-Maler, in die »Hermannsschlacht«, von der Meininger Truppe aufgeführt; das Stück trotz vielem Absonderlichen sehr fesselnd und die Darstellung sehr merkwürdig, die Dichtung ganz aus der Zeit her ausgezeichnet, modern, die Thusnelda, ungefähr wie die albernen deutschen Frauen, welche sich freuten, den Franzosen zu gefallen, die historische Realistik der Kostüme dazu entstellten die Sache zur Farce, doch alles interessant zu beobachten, und manches selbst ergreifend (Marbod mit den Kindern, die Nacht-scene). Während wir bei den Meiningern, jubelt das elegante Berlin den »Makkabäern« von Anton Rubinstein zu; seltsame Haltung unsrer Freundin dem gegenüber und uns!
Sonntag 18ten
Sehr ermüdet, mir ist zuweilen, als könnte ich nicht mehr den Tag tragen!... In das Gewerbe-Museum gegangen mit Pr. Doepler, vieles Interessante gesehen. - R. war gestern bei Herrn von Hülsen und beendigte also ein langjähriges dummes Benehmen seitens des Intendanten; zu dessen größter Überraschung. Einige Besuche (Usedoms u.s.w.) gemacht. Zu Hause ruhig gewesen, einige Briefe geschrieben. Am Morgen Lothar Bucher mit großem Vergnügen wiedergesehen.
Montag 19ten
R. erträglich wohl, gut geschlafen, erster Ausgang zur Probe 10Uhr; vor der Türe empfangen von Dr. Davidsohn, 40 Pulte fehlten; Spaziergang mit R., Frühstück in der Passage, um elf wiederum im Konzerthaus, rebellisches Orchestergesindel, ungleiche Stimmung (Hofkapelle und Bilse'sches[12] Orchester), die Mitglieder refüsieren Probe für den Bußtag, Hut auf dem Kopf, Cigarre im Mund, Hornisten können Tuben nicht blasen, u.s.w. Wird Konzert stattfinden?? Niemann lädt uns zum Frühstück ein, welches bis um 4 Uhr dauert, R. guter Laune; abends Soiree im Hausministerium, sehr hübsch und angenehm.
Dienstag 20ten
Erste wirkliche Probe; Herr Bilse hält eine Anrede, das Orchester scheint sich zu schämen, wie immer waren einige sehr tüchtige Leute dabei, welche den andren das Bewußtsein ihrer Pflicht beigebracht. Es geht gleich sehr gut; R. scherzt und neckt die Leute mit dem Bußtage.[13] Ohne zu große Ermüdung geht es ab. Wir fahren heim und frühstücken, R. ruht sich aus, geht dann spazieren, sieht »den Lenz, in Leinwand eingewickelt, in Berlin einziehen«, nämlich große Bäume, welche man für die Gärten verpflanzt. Um 5 Uhr Lothar Bucher zum Diner bei uns; gemeinschaftliche Betrachtungen über das Elend in Deutschland; überall Betrug und schlechte Arbeit, die reichen Leute lassen alle ihre Möbel aus Paris kommen; unser Freund reiste nach London, um Kleider verfertigen zu lassen. - Von Bismarck erzählt er, daß er habe alle diese Angriffe auf den katholischen Klerus mit einem Male bringen wollen, er habe aber solche Not mit allen Mächten und müßte wie er sich selbst dem Hund den Schwanz stückweise abhauen. R. sagt, vor vier Jahren habe er die Jesuiten empfohlen, nun empfehle er die Juden! Sie fräßen uns auf, meint auch Bucher, nun sei gar ein Israelit (Friedland) Minister! - Zum Abend Scholz, Dohm und Niemann; ich treffe die Gesellschaft wieder an, wie ich vom Opernhaus heimkomme, wo »Die Makkabäer« gegeben wurden. Seltsamer Eindruck dieser [Oper], entschieden kann man jetzt nur noch Effekt machen, wenn man im Wagnerischen Stile schreibt.
Mittwoch 21ten
Bußtag, alles geschlossen, trotzdem gelingt es mir, mit Pr. Doepler mir das Museum öffnen zu lassen; große Freude an den alten Sachen und den neu acquirierten, besonders [an] einem Kopf von van Eyck[14] und einem Porträt von Velasquez. Heimgekehrt finde ich R. in großer Not, haufenweise Besuche, dazu die Nötigung der Einrichtung der Programme für Wien, wo ein drittes Konzert in Aussicht steht. Unaufhörliche Belästigungen seitens der Photographen! Besuche mit R. (englischer Botschafter, Usedoms etc.) Um 5 Uhr bei Nichte Johanna; sehr hübsches Diner mit der Hofdame der Kronprinzessin, Gräfin Brühl, Dohm, u.s.w. Den Abend darauf im Hausministerium in kleinem Kreise zugebracht.
Donnerstag 22ten
Probe um 10 Uhr; das Orchester immer feuriger und besser, wie immer nach einigem Verkehr mit R. ... Er aber sehr ermüdet. - Er legt sich ein wenig hin, und ich mache einige Besuche, besorge die Verteilung der Karten für die Generalprobe. Abends einige Freunde bei uns, u. a. auch Frau Wesendonck. Vorher waren wir, R. und ich,
im Tiergarten ein wenig spazieren gegangen, Betrachtung der seltsamen Siegessäule!! - Neulich sagte R., das Beste, was Deutschland jetzt hervorgebracht, sei die preußische Heerverfassung, was aber dieses Heer verteidige, dafür habe er wenig Sinn. Herr Tappert gibt uns die merkwürdigsten Berichte über den Druck, welchen die Hochschule der Musik über alles, was nicht aus ihr hervorträte, ausübt; wie er (Tappert) Wilhelmj als den ersten Geiger in der Zeitung gerühmt hatte, sei vom Ministerium und von allen Seiten auf den Redakteur des Blattes eingestürmt worden, Joachim sei der erste Geiger. Den armen Musik-Lehrern, welche nicht auf diesen Gott schwörten, würden die Schülerinnen allmählich entzogen. Keine Note vom Vater darf in dieser Schule gespielt werden; dabei fragt man sich nach den Leistungen des Chefs dieser Anstalt, und es kommt heraus, daß er gut Geige spielt! Dafür treten aber Kultus-Ministerium und Kronprinzliches Paar auf, und jede freie Regung erstickt.
Freitag 23ten
Hauptprobe; R. aber nicht wohl; wir fahren mit Frau Wesendonck hin. Viele Freunde; und große Ergriffenheit (Pr. Helmholtz unter beständigen Tränen die göttlichen Dinge angehört). Ich nam[en]los erschüttert, der ganze Schluß eigentlich die Paraphrase der nicht komponierten Worte: »Nicht Goldesglanz etc., selig in Leid und Lust läßt Liebe nur sein.« — Die gesamte Götter-Welt, die Naturmächte, die Heroen alle dienen gleichsam einzig dazu, das edelste Weib zu verherrlichen!.. .*(* Am Rande der Vermerk: »Die Siegessäule!!«) Beim Abschluß der Probe sagt mir R.: »Der Wecker naht, da muß ich an dich immer denken, du hast alles wiedererweckt in mir, Liebe, Schaffen, alles -.« — Er sehnt sich nach den Kindern zurück. Zu Hause gespeist, ich einige Besuche gemacht, abends Soiree im Hausministerium zu Ehren von Frau Materna. (R. entschließt sich für Schroetter als Siegfried.)
Sonnabend 24ten
R. gut geschlafen, heiterer Laune; ich mache einige Besuche mit der freundlichsten Freundin (Helmholtz, Luise Oriola, Prinzeß Biron). Um halb acht das Konzert; ich in der Loge von Mimi mit Bonin Loe, Frau v. Bülow[15] (Unterstaatssekretär), Fürst Liechtenstein, u.s.w. Großer Enthusiasmus nach Berliner Temperatur, jedoch die Aufführung nicht gut und R. im höchsten Grade erschöpft und dadurch auch verstimmt. Abends Besuch von Jachmanns und Fr. Wesendonck mit Bis-sings. Erstere sagt mir, daß R. einen Ausdruck habe, welchen er noch nie gehabt, behaglich. Graf Redern besucht mich in der Loge, behauptet, daß R. seit dem Jahre 47 sich nicht verändert habe. Bucher zum ersten Male von Musik ergriffen, schreit förmlich im Saale, was bei dem stillen Manne höchst merkwürdig sich ausnimmt.
Sonntag 25ten
Langer Schlaf, worauf gleich für das 2te Konzert um 12 Uhr uns gekleidet. Sehr hübsche trauliche Stimmung, bessere Aufführung, vertrautes Publikum, Materna und Niemann in Tränen, R. darauf heiter. Diner bei Poppenberger, Niemanns, Materna, Eckerts. Abends bei Helmholtz; Bekanntschaft von Mommsen,[16] welcher aussieht, wie R. sagt,» als ob er die Maske des Professors zu einem Redoutenball sich aufgesetzt« . Mit H. v. Radowitz einen Plan entworfen, um den Staat zu zwingen, in den Bayreuther Dingen einzugreifen!
Montag 26ten
Vorbereitungen zur Abreise; Besuch bei Menzel, dessen Schwager uns mit Klängen aus der Götterdämmerung empfängt; Mappen besichtigt. Um ein Uhr in das Hotel, Dejeuner mit Lothar Bucher, viel über Mommsen gelacht, unredliches Handeln dieses und anderer Gelehrten in der Lauenburger Angelegenheit.[17] Über den Fürsten gesprochen, dessen Politik förmlich gelähmt durch die Intrigen der Kaiserin (vor Paris z. B. konnte man nicht angreifen, weil die Bomben nicht ankamen; schließlich ergab es sich, daß die Bahnen durch Lebensmittel für die Pariser seitens der Kaiserin und Prinzeß Viktoria eingenommen waren!). Wichtigste Dinge müssen verschoben werden, weil sie den Kaiser darüber dermaßen quält, daß die Ärzte einen Schlaganfall befürchten. Bismarck förmlich aufgerieben, krank. - Mehrere Besuche darauf zu empfangen, um fünf Uhr Diner im Hausministerium. Ich verlange dort vom Redakteur des Kladderadatsch, daß das Blatt für Bayreuth eintrete. - Um 7 Uhr Abreise; die zwei Konzerte haben ungefähr 6000 Th. eingebracht, was bei den sehr ungünstigen Verhältnissen viel heißt. Die Nacht durchgefahren, gern und heiter Bayern wieder betreten.
Dienstag 27ten
Um 8 Uhr in Bayreuth! Die Kinder am Bahnhof, seelenvergnügt und wohl. Viel Schlafsucht unsererseits; abends Feustel, eine seltsame Begegnung mit Hofrat Düfflipp erzählend, welcher nicht grob genug gegen ihn sein konnte!... Dagegen in Wien vollständiger Triumph von R.'s Ansichten, gänzliche Einrichtung des Operntheaters danach. Viele Freude an den Kindern.
Mittwoch 28ten
Ein Brief- und Rechnungstag, dazu das Haus in Unordnung. - Wir erfahren, daß Hans um 1500 Pfund in England soll betrogen worden sein; [18]kummervolle Nachricht. Notar Skutsch; neue Hypothek! ... Abends große Müdigkeit. R. hatte wilde Träume, Aufruhr des Pöbels gegen ihn in Paris, welchen er durch Beredsamkeit zu beschwichtigen sucht, einer aus dem Haufen kommt endlich zu ihm, küßt ihm die Hand, ihm meldend, er habe ihn überzeugt, worauf Beruhigung. Wahrscheinlich sind es die Notizen, welche uns Bucher gegeben, daß beständig Bismarck Drohungen und Warnungen zukommen, welche diesen wilden Traum eingaben. Bucher zitiert uns u. a. einen Brief, welcher wirklich ganz toll ist und dazu gemacht, einen andren toll zu machen. Bismarck äußerte sich neulich dahin, er freue sich der Straßenjungen, welche beständig ihn auf der Straße begleiteten, er sei dann sicher, daß ihm rücklings nichts geschähe, nach vorne wolle er schon sorgen!...
Donnerstag 29ten
Gute Nacht für R., er sieht Gott sei Dank sehr wohl aus; viel Unruhe im Hause. Nachmittags Spaziergang im Hofgarten, Besuch des Bürgermeisters, Wohnungsfrage besprochen, große Schwerhörigkeit. Abends freundlich geplaudert mit R., über Kinder, und was wohl ihre Art bestimmen mag!
Freitag 30ten
R. will mich durchaus mit nach Wien haben, ich möchte daheim bleiben, um das Haus zu bewachen. Er komponiert den Konzertschluß zu Hagen's Wacht,[19] was ihn erheitert. Nachmittag Fahrt zum Theater; erneuter schrecklicher Eindruck, an den Erdarbeiten gar nichts geschehen, der ganze Schutt noch da, keine Pflanzungen dieses Jahr möglich!... Trostlose Stimmung; abends ein wenig Beruhigung und Erheiterung.