März

Montag 1ten
Generalprobe von 9 1/2 Uhr bis 12. Es geht herrlich. Abends um 7 Uhr das Konzert. Unvergleichliche Aufnahme, nicht endenwollendes Begrüßen R.'s. Lorbeerhaufen mit schönen Inschriften: »dem Retter der deutschen Kunst«, »dem Meister des Humors«, »dem Schöpfer der Meistersinger«, »dem Kenner und Erneuerer der alten Sage«, »dem Reformator«, »dem erhabenen Meister«, »dem Bühnendichter«, »dem größten Meister« u.s.w. R. muß einige Worte an das Publikum richten, er dankt dem herrlichen Publikum Wiens, welches auch heute ihm gefolgt sei und mit der Phantasie so schwierig zu fassende Bruchstücke aufgenommen habe. Nochmals hervorgerufen, brachte er die Materna und sagte, er ließe Wien ein Pfand in der Person dieser trefflichen Künstlerin. Der gute Glatz dagegen fiel ganz durch.
Dienstag 2ten
Große Ermüdung von uns allen; Gräfin Dönhoff selbst krank. Briefe geschrieben. Der Akademische Verein hält eine Ansprache . Heckel zu Tisch; Besuch des Fürsten Rudolph Liechtenstein, welcher erzählt, es seien in diesem Konzerte Menschen gewesen, welche sonst nie in Theater oder Konzerte gehen, »Lahme und Blinde«. Abschied von Frau v. M., welche nach Pest geht.
Mittwoch 3ten
R. besucht Rubinstein und freut sich, daß dieser sich nach Bayreuth zurücksehnt. Besuche empfangen, abends Soiree im Ma-kart'schen Atelier, zu Ehren R.'s. - Graf und Gräfin Andrassy, Gr. Graf. Szechenyi,[1] Graf. Festetics, Hofdame der Kaiserin, welche am Morgen mir sagte, es sei diese Kunst für sie wie die Erschaffung der Welt... Gräfin Wickenburg, Graf Hoyos, Grf. Wilczek, Fürst Liechtenstein, Familie Standhartner, Familie Liszt, Herr und Frau von Angeli, Dr. Mosenthal, Fürst Metternich, Quartett Hellmesberger, Semper (welchen R. zum erstenmal seit 8 Jahren wiedersieht und zuerst nicht erkennt), Gräfin Dönhoff, die Wolter und viele andere, im ganzen vielleicht 60 Personen. Hübsches Fest; es nimmt sich alles, Toiletten und Gesichter, besonders gut aus, und alles ist in heiterster Stimmung.
Donnerstag 4ten
Mit Rich, in das Belvedere gegangen, dann zu dem 
armen Semper,[2] dessen Pläne angesehen; wie mich die Kuppel mit den vier
Küppelchen etwas verwundert, sagt er, es sei eine Konzession, welche er
gemacht, seinem Kollegen! Traurigster Eindruck. Er bleibt arm in
mitten der Bestellungen, der kaiserlichen Protektion, so arm, daß er sich
nicht getraut, einen Wagen zu nehmen, und sieht so fertig aus, daß ich
nicht glaube, daß er lange leben wird. Dabei diese kolossalen Pläne für 
einen zusammenstürzenden Staat. Die Ungarn und die Deutschen bilden
am Hofe zwei Parteien, erstere voller Haß gegen das deutsche Reich, ul
tramontan gesinnt, die zweiten für eine Alliance mit Deutschland, und
freisinnig. Seltsamer Konflikt, der Kaiser dazwischen als tragische Er
scheinung, unschlüssig, unsicher. Der arme Semper, von ganz Deutsch
land ignoriert, baut nun für diesen Staat und geht an dieser Aufgabe zu
 Grunde! Abends den dritten Akt der Götterdämmerung bei Standhart-ners am Klavier vorgenommen.
Freitag 5ten
Besuche gemacht und empfangen, u. a. auch Gräfin Salm,[3] dazu immer Nachrichten von Haus-Wirren. Abends mit R. im Burgtheater »Heinrich IV.« gesehen, Falstaff erträglich und die Scene in der Schenke gut, derb gegeben, alles übrige aber entsetzlich. Noch einen Augenblick abends bei Marie Dönhoff, mit Lenbach, Makart u.s.w.
Sonnabend 6ten
Einpacken und Abschied, »von solchen Menschen im besten Sinne stamme ich ab«, sagt R., wie wir Abschied von Standhartners nehmen. Um 3 Uhr 58 Minuten Abfahrt; in Neuenkirchen mein Vater mit Frau von Meyendorff uns entgegen. Der Vater wohl, heiter und entschieden froh, uns zu sehen. Im »Hungaria« abgestiegen.
Sonntag 7ten
Schlimme Nacht, Ball im Hotel, wir entschließen uns, kurz Richter's Gastfreundschaft anzunehmen. Wir wohnen Waiznerstraße 1 in der Wohnung seiner Schwiegermutter, welche verreist ist. Nachmittags Probe im Theater von den »Glocken von Straßburg«, sehr mangelhaft. Abends Diner bei Richters und darauf kleine Gesellschaft, alles recht angenehm.
Montag 8ten
Endlich eine gute stille Nacht für R.; leidige Nachrichten vom Hause, welche mich zwingen zu Korrespondenzen. Spaziergang mit R. bei rauhestem Wetter; den Vater heimgesucht, seltsam wehmütiger Eindruck! Abends Diner im Casino, zwei Grafen Apponyi,[4] ein Herr von Husar, Abgeordneter, Mihalovich. Es wird darauf bei Richters musiziert. »Das Schlummerlied im Grabe« für Marie Muchanoff wird vom Vater gespielt. Tiefe Erschütterung des Gedenkens.
Dienstag 9ten
Generalprobe; häßlicher Saal, schlechte Akustik, ungenügende Vorproben; der Vater spielt das Konzert von Beethoven zu unserem völligen Erstarren; unerhörter Eindruck! Unvergleichlicher Zauber, kein Spielen, ein Ertönen. Richard sagt, dies mache alles tot. Wir speisen zusammen im Hotel Hungaria. Abends Fl. Holländer von Richter dirigiert; ungarisch und italienisch gesungen. Große Enttäuschung! Nirgends noch ward der Holländer so gestrichen, auch hat Richter Beckenschläge angebracht u.s.w. Erstaunen über diesen Wagnerianer par excellence!
Mittwoch 10ten
Des Morgens besuche ich das Museum; leider ist die Esterhazy'sche Galerie geschlossen. Im ganzen traurigster Eindruck des ungarischen Landes, es scheint einer vollständigen Auflösung entgegen zu gehen. Der Diebstahl in der Administration an der Tagesordnung, dazu der Größenwahn - es darf kein Wort deutsch gesprochen [werden]. Das Leben ist horrend teuer; kein Bürgerstand, lediglich ein aufgeblähter, unkultivierter Adel. Die musikalischen Zustände ebenso traurig, dem Vater ist alles, jede Tätigkeit abgeschnitten, er ist eigentlich ganz fremd dort. Richter scheint sich dabei aber gut zu stehen. Konzert um 7 Uhr, nachdem wir bei dem Vater gespeist und ich mit ihm einige Besuche, unter anderem beim Pfarrer Schwendtner, gemacht habe. Sehr voller Saal, und glänzend, auch großer Enthusiasmus. Nach dem Konzert kleines Souper, wo ich noch vom Grafen Apponyi die traurigsten Mitteilungen über das arme Land erfahre! Um ein Uhr nachts heim.
Donnerstag 11ten
Um 8 Uhr fort; der Vater begleitet uns bis zum Bahnhof. Trauriger Abschied!... In Neuhäusel spielt eine Zigeunerbande Tänze auf, R. ersucht sie um den Csardas und sie spielen einen; es ergreift mich sehr, so wild feurig, melancholisch öde, ich muß an den Vater denken; der Himmel ist grau. Gerne wäre ich noch den einen Tag in Pest beim Vater geblieben; ich habe es nicht gesagt, aber es fiel schwer... Um 2 Uhr in Wien von den guten Standhartners empfangen. Davidsohn schreibt, um ein Konzert in Berlin vorzuschlagen. Ich antworte im Namen R.'s, darauf eingehend. Viele Gelder werden notwendig sein, die Karlsruher wiegeln die sämtlichen Hofkapellen auf, nun haben sie auch die Schweriner dazu gebracht, höhere Forderungen zu stellen.
Freitag 12ten
R. hatte eine sehr gute Nacht; morgens kommt Rubinstein von Pest und teilt mit, die Einnahme sei 5300 Gulden netto gewesen, das erste Konzert hier netto 9600 Gulden, so daß unsere Bayreuther zufrieden sein können. Um Mittag die lieblichste Gräfin; darauf Besuche mit R. gemacht. Ein Brief des Königs ist angekommen, ideal schwärmerisch wie immer. Er wünscht die Aufführung der Fragmente nach Ostern. R. will das hiesige Konzert ohne Probe geben, wogegen unser Freund Standhartner ist. R. fährt abends zur Materna, ich bleibe ruhig zu Hause.
Sonnabend 13ten
Einige Besuche gemacht mit Marie Dönhoff und abends hübsche Soiree bei Dönhoffs, wo R. zum ersten Male Marie Hohenlohe wiedersieht seit 19 Jahren. Nach einer großen Intimität eine vollständige Entfremdung, R. erkennt sie aber wieder, und trotz der Lücken und der Sprödigkeit ihres Wesens findet er sie nicht uninteressant.
Sonntag 14ten
Allerlei unangenehme häusliche Nachrichten. R. aber ziemlich wohl, Gott sei Dank. - Gestern abend erzählte er den Hausfreunden den seltsamen Traum, welchen er einst in der Schweiz gehabt, in dem er sich mit Herwegh spazieren gehend sah über hohe Bergwege, wo plötzlich eine Huldigung von einem Männergesangverein gebracht wurde; dabei sagte er zu Herwegh, das ist so Sitte in der Schweiz, sie haben es auch Geßler so gemacht (rasch tritt der Tod den Menschen an). - Der Medailleur Scharff bringt die Medaille R.'s in Bronze und den Entwurf zum Revers. Um 3 Uhr das Konzert; R. dirigiert mit gespanntester Aufmerksamkeit, und die Aufführung ist herrlich; der Enthusiasmus ebenso groß, wenn nicht größer als wie beim ersten Male, R. aber etwas ermüdet. Er legt sich zu Bett, und später kommen zu uns einige Freunde.
Montag 15ten
Ganz in der Frühe meldet sich der Besuch des Erzbischofs Hajnald; welchen ich auch R. vorstelle; darauf einige Besorgungen und Abschied von der lieblichsten Freundin genommen, später von den vortrefflichsten Standhartners. Gegen 7 Uhr fort; um 6 Uhr früh in Regensburg, da fünf Stunden Arrest bevorstehen, besuchen wir den Dom und machen eine Spazierfahrt bis dem Walhall gegenüber. Der Dom macht einen großen Eindruck, allein das Walhall einen sehr geringen. In Weiden wiederum zwei Stunden Aufenthalt; das arme Bayreuth ist arg vernachlässigt (vielleicht verfolgt?). Endlich löten um 4 Uhr in Bayreuth, herrlicher herzlicher Empfang seitens unserer Kinder, alle gut aussehend, Fidi gewachsen, und als ob er die Bedeutung der Lorbeerkränze verstünde, die da alle aufgehängt, blickt er seinen Vater ernst und sinnig an und zeigt tiefste Ergriffenheit, die anderen alle lieb, gut, heiter, herzlich, eine innige Freude und Hoffnung. Erstes Mittagessen um 5 Uhr. Früh abends zu Bett. Sehr unangenehme häusliche Scenen.
Mittwoch 17ten
Ich habe nun meinen im argen stehenden Haushalt in die Hand zu nehmen und tue es denn auch, den Tag über mich mit Wäsche beschäftigt. Abends lacht R. und sagt: »Es freut mich doch, daß ich auch noch eine Haushälterin geheiratet habe.« - Brief von Hans, welcher mir 2500 fr. anbietet für die außerordentlichen Ausgaben der Kinder; ich hoffe sie nicht zu gebrauchen, damit sie zu den Ersparnissen der Kinder gegeben werden. R. schreibt an Hofrat Düffl.
Donnerstag 18ten
Immer in Haushaltungspflichten, ich hoffe es so durchzuführen, daß R. sich wohl und ruhig fühlt. Er speist heute bei Herrn Rose, ich mit Elisabeth und den Kindern. Spät abends kehrt R. heim, recht befriedigt von dem Wiedersehen mit den Leuten. Ein hübscher Toast wurde ihm gebracht von Herrn Rose, [15]welcher erzählte, er habe es erlebt, wie überall in Hamburg u.s.w. die Leute früher spöttelnd über das Unternehmen in Bayreuth gesprochen, nun aber hieß es, die Größe des Mannes hat uns besiegt. R. ließ Bayreuth leben.
Freitag 19ten bis Mittwoch 24ten
Es gehen die Tage in beständi
gen Versuchen, unseren Diener, welchen wir samt Frau und Kinder er
nähren, uns zu erhalten, einzig die gehörige Schicklichkeit gefordert.
Sonntags vergißt er sich so gegen R., daß er augenblicklich aus dem Dienst
entlassen wird. Eine der traurigsten Erfahrungen der Schlechtigkeit der 
menschlichen Natur; sieben Menschen haben wir ernährt, beschenkt,
 hoch besoldet, und ernteten dafür Verhöhnung und Frechheit!    Ma
schinist Brandt war da, Konferenz wegen dem Gas. Der König dankt für
die vorgeschlagene Aufführung der Fragmente, er sei nicht wohl. R.
schreibt an den Vater, um ihm zu danken. - Verschiedene freundliche
Zusendungen, Aischylos als religiöser Lyriker u. der h. Ulrich Bischof.[6] 
Inmitten der traurigen Dienstboten-Nöte (wir erfahren Untreue nach al
len Seiten hin) kommt die Nachricht vom Tode der Schwester Clara; ich
 bin gerade mit der Wäsche-Revision dermaßen beschäftigt, daß ich es 
kaum vernehme, R. auch so beschäftigt, daß er sich der Trauer nicht hin
gibt. Erst am Abend zu Bett sagt er, wie begabt sie gewesen sei, wie jammervoll ihre Existenz und wie unter allen seinen Verwandten sie ihm die liebste gewesen sei.
Gründonnerstag 25ten
Abschied von Elisabeth Nietzsche, welche mir hier einen solchen Dienst erwiesen. Ich begleite sie zum Bahnhof. Nachmittags zugebracht mit Briefschreibereien und Hausbewirtschaften, R. leider nicht wohl, erkältet; die Bildung des Orchesters macht ihm Not. - Die Aufführung für den König in München findet nicht statt; er sei unwohl. Abends wollen wir wiederum in Gfrörer lesen, allein ich bin zu ermüdet.
Karfreitag 26ten
In der Frühe zum Abendmahl mit Lusch zum ersten Mal!... Sie ist sehr erschüttert, ohne daß ich viel ihr zu sagen habe. - Brief von Ritter[7] erhalten, welcher nun als Commis in einem Geschäft arbeitet! Wir fassen schnell den Entschluß, seinen Sohn zu uns zu nehmen und eine kleine Pension (400 Mark jährlich) seiner Frau zukommen zu lassen. Welch ein Jammer, wie kommen so ganze Familien herab!... Ohne Verschulden. - R. wünscht mich nach München, wo er Tristan und Isolde anhören muß des Ehepaars Vogl wegen, gern mitzunehmen: »Wenn du nicht dabei bist, so glaube ich, schlafe ich dabei ein.« Er erzählt, wie er meinem Vater mit der größten Ruhe gesagt habe: Ich sei vollkommen!! Er schrieb gestern einen wundervollen Brief an den Vater. Ich habe heute an allerlei gute Leute, welche die rührendsten Zeugnisse von Liebe und Teilnahme für das Unternehmen geben, zu schreiben; Student in Petersburg, Lehrerin in Holland u.s.w. Nahen des Frühjahrs, schöne Stimmung, ich habe seit der Rückkehr das Haus nur für die Begleitung Elisabeth's und die Kirche (im Wagen) verlassen. Friedliche Freude am Dasein. - R. besucht mich öfters, während ich schreibe, und sagt mir unter andren Dingen, es würde ihm unmöglich sein, ein Sujet aus der modernen Welt, von der Renaissance an begonnen, dichterisch zu bilden; einzig in der Lustspielform, bei den Meistersingern, sei es ihm möglich gewesen. Abends beginnen wir die Biographie des Bischofs Ulrich, sie ist nicht sehr interessant dargestellt. Brief von Pr. Overbeck, welcher erzählt, daß Gfrörer zum Katholizismus übergegangen ist, R. sagt, vor 48 hätten erstens die Jesuiten nicht so geherrscht, dann aber sei es erklärlich der furchtbaren Seichtigkeit der protestantischen Geistlichkeit gegenüber, jedoch könne er sich nicht vorstellen, wie ein so klarer Verstand wie Gfrörer einen solchen Prozeß durchmachen könnte. -
Sonnabend 27ten
R. leider keine gute Nacht. Ich habe am Morgen Wäsche zu legen; er hat immer Orchesternöte, sie schrauben die Bedingungen so hinauf, daß die Kosten sehr vermehrt werden. Ein Herr v. Sydow[8] schreibt aus Hamburg nach der Logier'schen Methode, weil er in der Autobiographie gelesen, daß R. darin die Komposition gelernt, überall habe er danach geforscht und sie nicht erhalten! R. antwortet ihm in guter Laune. Schönes Wetter, Frühlingsluft, viele Vögel draußen, wenn nur das Leben nicht so plagte und man dem Einen einzig sich widmen könnte. -Abends in Gfrörer gelesen; R., dem die Geschichte der Bekehrung zum Katholizismus sehr durch den Sinn geht, erklärt sich dies durch die schauderhafte Philosophie, hätte Gfrörer Schopenhauer gekannt, so hätte er wahrscheinlich einen solchen Schritt nicht begangen.
Sonntag 28ten
Ostertag; die Kinder in die Kirche geschickt, ich habe wiederum mit der Wäsche zu tun. Beim Frühstück, indem ich überlege, daß wir beinahe ohne unser Zutun von einer ganzen bösen Familie von sieben Menschen befreit sind, sage ich zu R., daß wir entschieden einen Stern haben, welcher unsere Dummheiten gut macht, flickt, was wir in dem Gewebe des Lebens zerreißen, der Flickstern nennen wir ihn, für Glück- und Fix-Stern, und lachen viel darüber. R. hatte heute wieder einen wilden komischen Traum! Er brauchte 4000 Th. und suchte sie bei Juden, wovon einer ihm inmitten des Geschäfts die Arie aus der »Weißen Dame« vorsang und R. nicht umhin konnte zu bemerken: Er hat eigentlich eine gute Tenor-Stimme! - Kmeister Levi meldet telegraphisch einen eingehenden Brief, was so viel heißt, als daß sie Tristan in München für R. nicht geben. Wahrscheinlich aus Angst vor seiner Anwesenheit. Erzherzog Viktor[9] läßt erklären, daß er keinen Patronatschein sondern eine Loge nimmt, wogegen R. ihm erwidern läßt, daß man für Geld nicht in sein Theater kommt! Abends einige Bekannte und der Violoncellist Fischer aus München, welcher uns Sonaten von Beethoven spielt. - R. heitrer Laune.
Montag 29ten
Lange geschlafen, darauf wiederum Wäsche gelegt. Im ganzen aber genießen wir das Glück, von bösen Menschen befreit zu sein, und R. behauptet, es in Bezug auf den neuen Diener machen zu wollen wie die englischen Barbiere mit dem Rasiermesser, immer gemeine nehmen und dann wegwerfen, wenn sie nichts taugen, weil der Preis hier nichts entscheide. Nachmittagsspaziergang, doch immer [noch] kein Frühjahr. Kmeister Levi schreibt: Der König sei unwohl, da es ihm aber zu schmerzlich sei, Tristan und Isolde geben zu lassen ohne sein Beisein, folglich wird es nicht gegeben! Abends in Gfrörer gelesen, über die Wunder. (Wie die Kinder von der Predigt des Wilke erzählen, sagt R.: »Eher wird der pr. Kirche nicht geholfen sein, als bis es hier eine Baumlose Wilnis ist« (Pfarrer Baum!). -
Dienstag 30ten
R. hat große Schwierigkeiten des Stillstandes, er kann weder sein Sängerpersonal noch sein Orchester komplettieren. Ich habe in eine Damenkonferenz eines Kirchenteppichs wegen zu gehen. Nachmittags Ausgang zum Theater, großer Kummer R.'s über den Rückstand der Erdarbeiten; während R. sich abmühte, haben sie hier nichts geschaffen!... Sehr traurig heim, erheitert durch die Kinder, besonders Fidi: »Um ihn sind Gott und seine Engelsscharen«, sagt R., il est bien ne.[10] -Schöne Antwort des Vaters auf R.'s herrlichen Brief. Hans schreibt mir und schickt für die Kinder 100 Pfd. Abends große Müdigkeit, keine Lektüre. - R. sang neulich den Eintritt des Commandeurs in » Don Juan« und sagte: »Kein romantischer Geist unserer Zeit kann romantischer sein als einzelne der Züge dieser Scene. Gott, was waren das für Kerle, Mozart und Beethoven, in ihnen hat die Musik förmlich gewütet wie ein Fieber.« Von Weber bemerkte er neulich, daß er der erste gewesen sei, welcher ein Blasinstrument ff spielen läßt und das übrige Orchester p. Er lacht sehr über das Violoncello als einzelnes Instrument oder mit Begleitung des Klaviers.
Mittwoch 31ten
Viele Besorgungen für das Haus, R. in eifrigem Depeschenwechsel in Bezug auf das Konzert in Berlin (ob Materna oder nicht). Abends Musik, die zweite Sonate aus dem Opus 102 mit dem wundervollen Adagio, am meisten aber freut R. das Scherzo aus der Violoncello-Sonate A dur.