Vom 31ten Juli bis 23ten August
nicht geschrieben, wie vieles liegt dazwischen! - Am Sonnabend 31. großes Bankett für unsere Sänger; abwesend Scaria, Materna (krank), Schlosser, Vogls, Niemann - sonst alle da, dazu Ballettmeister Fricke, Brandt, Richter, Seidl, Rubinstein; alle Beteiligten. R.'s Anrede ergreift zu Tränen, Hill erwidert ihm, Betz läßt den Vater leben; der Vater läßt R. wieder leben. Als wirklich geglückt darf diese Vereinigung erscheinen. Sonntag den lten am Nachmittag Orchesterklangprobe; R. wird jubelnd vom Orchester empfangen, Betz singt: »Vollendet der Bau«,[6] himmlische Klangwirkung, überwältigender Eindruck, R. sehr ergriffen. - Montag 2ten August Rheingold-Probe am Vormittag nur mit Orchester, nachmittags mit den Sängern, mein Vater immer dabei, Freundin Mimi kommt an, wohnt auch allem bei, abends immer Rout, zu Tisch stets einige Gäste. Dienstag zweiter Teil von Rheingold und dasselbe Leben, von Mittwoch ab jeden Tag einen Akt; alle, Musiker wie Sänger, mit unbedingter Begeisterung und Freude dabei, unbeschreiblicher Eindruck auf das sehr große Publikum; von Freunden Schleinitzens (der Minister kommt hinzu) Eckerts, Rohde, Overbeck, Gersdorff, Heckeis, Schirmers (Amerika), Menzel der Maler und viele andere. Der Schluß geschieht unter solcher Ergriffenheit, daß alle Teilnehmenden sich gestehen, nicht zu wissen, wie sie das gewöhnliche [Leben], zumal das gewöhnliche Theaterleben werden ertragen können.
Am 13ten*(* Am Rande: »Alwina Frommann gestorben!«) gibt R. dem Orchester und den noch anwesenden Sängern ein Gartenfest und hält ihnen eine Anrede, in welcher er dankend erwähnt, daß solche Zeiten Gefühle wecken, welche gewöhnlich in ihnen schlummerten. Er fordert meinen Vater auf, für die Orchestermusiker zu spielen, welche zum Teil ihn nicht gehört hätten, der Vater tut es und spielt herrlich seine für den Augenblick so gut gewählte »Legende des h. Franciscus«. - Auf den darauf folgenden Tag Abschied von allen, mit großer Ergriffenheit. Mein Vater, welchen Frau v. Meyendorff hier besucht hat, fährt am Dienstag 17ten ab. In den letzten Tagen seiner Anwesenheit trifft noch der seltsame Lohn ein, welcher ihm seitens der Öffentlichkeit zu Teil wird. Da man nun nichts mehr über ihn, dessen Verhältnis zu allen und Wunderwirkungen offenkundig geworden, sagen kann, so bin ich es, welche man mit Schmach bedeckt, ich kränke alle, verhetze meinem Manne alle Freunde, Pr. Hoffmann, Betz, Niemann, Richter u.s.w., ja bis zum Münchner Theaterschneider hätte ich gekränkt. R. gibt eine öffentliche Erklärung ab, daß alles erlogen sei, und schreibt nun an Richter, daß sein Verhalten zu unserem Hause (niemals zu erscheinen, wenn er aufgefordert wurde) den Vorwand zu derlei Schmähungen gäbe und er von ihm ein reuiges Bekenntnis und ein Versprechen, daß dies künftig anders würde, [verlange]. Langes Schweigen seitens Richter, dazwischen Briefe an mich, ein vollständiges Tollhaustreiben, wozu die Zurückschickung der Partie seitens Niemann wohl die meiste Veranlassung gab; R. erkennt Herrn Julius Lang an vielem und Bon Perfall: Vogl hatte nämlich den Auftrag, sich bei R. zu erkundigen, ob dieser erwidern würde, wenn Perfall ihm einen langen explikativen Brief schrieb, worauf R. verneinte. - Endlich
Dienstag 24ten
ein Brief Richter's, so töricht und roh, daß man sich fragt, wie dies nur möglich sei; R. empfängt ihn, teilt mir nichts darüber mit, nachts aber steht er auf und schreibt; von mir befragt, sagt er mir, was der Brief Richter's enthielt und daß er ihn beantwortet. Ich sinne nach und
Mittwoch 25ten
schreibe ich ganz in der Frühe an Richter mit vollem Herzen, ihm vorstellend, daß sein Gefühl gegen mich ganz gleichgültig sei, daß aber, wenn er nicht gegen R. herzlich bereue, durch Gerede sich habe irre machen lassen, er nimmermehr würde mit R. etwas zu tun haben können, was ihm R., ohne selbst diese Hoffnung zu geben, angezeigt hatte. R. überrascht mich beim Schreiben, und nachdem er mir die zwei Briefe gelesen (Richter's und den seinigen), lese ich ihm den meinigen, welcher ihn rührt und von dem er sagt, daß er ihn zurückfordern werde, wenn R. sich nicht danach benehme. - Ankunft Schure's. Hübscher Aufsatz der Independance Beige von Brassin[1] - es ist traurig, daß der einzige schlichte rechtschaffene Aufsatz über diese herrliche Zeit in französischer Sprache erscheinen mußte! - R. machte einen Bericht an den König, welcher jetzt in Paris weilt! (Nicht in Paris, in Reims zur Krönungsstätte der Könige!) Unser Trauungstag.
Donnerstag 26ten
Die Kinder arbeiten immer mit ihrer neuen Gouvernante, die Enkelin von dem Rektor Baumgarten-Crusius,[2] welchen R. auf der Kreuzschule gekannt hat und deren Wesen mir vorzüglich gefällt. - Zu Mittag Herr Schure und Mr. Lang aus Boston, Besuch des Theaters mit ihnen! Abends Herr und Frau von Schleinitz. Reuige Depesche von Richter.*(*liegt dieser Seite bei s.Anm.)
Freitag 27ten
Parzival Mimi vorgelesen; heftige Rührung. Mittagessen mit Freund Schure; Abschied von ihm; einsamer Abend, Brief an Dr Jauner.
Sonnabend 28ten
R. entwirft und führt aus sein Circular;[3] gewöhnlich bin ich vor- und nachmittags mit unserer Freundin. R. hat eine Korrespondenz mit Dresden, sie wünschen Tristan und Isolde, er fordert die Tantiemen, sie verzichten. Abends unsere Freunde bei uns.
Sonntag 29ten
Schönes herbstliches Wetter nach starkem Gewitter. R. betreibt nur Korrespondenz und ich Freundschaft.
Montag 30. speisen unsere vortrefflichen Freunde noch ein Mal bei uns, und Dienstag 31. verlassen sie uns zu unserem großen Leid. - Am Nachmittag bei trübem Wetter gehen wir mit allen Kindern spazieren; das Wetter klärt sich auf, wir kommen bis zum Keller der Angermanns-Wirtschaft, vollständiges Teniers'sches Bild;[4] wir setzen uns bei dem großen Tor, »Quasimodo« bringt von tiefster Tiefe die gefüllten Gläser, oben öffnet sich von der Seite eine Art Fenster, Tonnen stehen aufeinander, die Küfer gehen hin und her, die Kinder laufen in die Höhle, wo von der Ferne das Licht schimmert, draußen weiden die Kühe, bei uns die drei Hunde. Sehr heitere Heimkehr.