Dezember

Vom 29ten bis 3ten Dezember
noch in Rom bei beharrlich schönem Wetter und unter für mich steten Eindrücken (Eintritt in Palazzo Colonna und Spaziergang in den Gärten). R. nur auf Augenblicke erheitert. Er verschafft dem Komponisten Sgambati seinen Verleger in Mainz, was ihm große Freude verursacht. Am 30ten abends Soiree der italienischen Künstler, schöne Lieder von Sgambati, Mandolinen-Orchester; Bekanntschaft des Dichters des originellen Stückes »Nerone«, Herrn Cossa, welcher sehr merkwürdig ist, seine Adresse selbst seinen besten Freunden nicht sagt. R. empfiehlt ihm und Sgambati, etwas zusammen zu machen und besonders dazu das Sieneser Sujet aus Sismondi. - Angenehme Bekanntschaft des Grafen Gobineau gemacht, französischer Gesandter in Schweden; sonst, meint die Fürstin W., würden wir die Franzosen überall sehr feindselig gegen uns wirkend finden, in Folge der Broschüre.
Freitag 1ten
Besuch des etruskischen Museums im Vatikan, darauf Colonna. Nachmittags die Antikensammlung noch ein Mal - abends vorher Mondschein-Spazierfahrt, Colosseum und Snt Peter.
Sonnabend 2ten
Besuch des Palasts Colonna mit Gräfin Voß, darin Wiedersehen mit Madame Minghetti; Frühstück mit den Kindern bei dem deutschen Botschafter, darauf Besuche gemacht und empfangen, Diner bei Mme Boutjeneff und Soiree bei Gfin Voß.
Sonntag 3ten
Vor der Abreise noch Santa Maria degli Angeli, Santa Maria Maggiore besucht und einen letzten Blick auf Rom durch [den] Garten Colonna geworfen. Um 11 Uhr fort, abends 9 Uhr in Florenz -Hotel du Nord.
Montag 4ten
Nach Bologna, hübscher Empfang seitens des Syndikus und des Direktoriums. Abends Rienzi, sehr festlich und heiter enthusiastisch, viel bessere Aufführung als in Wien.
Dienstag 5ten
Großes Dejeuner zu Ehren R. 's; er spricht französisch, knüpft seine Reden an die zwei Wahlsprüche Bolognas, Docet und Libertas. Abends unter großer Begleitung heim.
Mittwoch 6ten
Das Hotel du Nord ergibt sich als unmöglich, ich sehe Hotel-Wohnungen an, bei der Rückkehr sehe ich herrliche Blumen, welche die berühmte Beppa, von verschiedenen Damen dazu angestellt, gebracht. Wir ziehen aus und machen dann einige Besuche, zuerst bei Frau Laussot.
Donnerstag 7ten
Mit dem originellen und mir sehr angenehmen Bon Liphart[1] die Galerie Pitti und Casa Michelangelo besucht, wo mich die Büste des großen Mannes tief ergreift. Sehr mildes, aber regnerisches Wetter; wir bleiben den Nachmittag zu Hause und empfangen Besuch, unter andren den des Prs. Hillebrand, sehr angenehm. Abends Brief geschrieben.
Freitag 8ten
Mit R. den schönen Palazzo Vecchio gesehen, von dem Hof aus schöner Blick auf den Perseus. Nachmittag schöne Fahrt nach San Miniato, schöner Blick! Wenig Freude an dem großen Platz. Abends bei Mme Laussot.
Sonnabend 9ten
Nach Santa Maria Novello,[2] die schönen Klostergänge, der erste namentlich herrlich; darauf nach San Lorenzo, die Kapelle betrachtet, dann die Uffizien, wo der alte Bon Liphart mit R. uns einholt und uns durch seine Kritik der Aufstellung und Benennung der Bilder sehr ergötzt. - Am Nachmittag unternehmen wir nichts, weil R. sehr unwohl sich fühlt. Abends ein trauriges Gespräch über unsere Bayreuther Lage, R. entschließt sich, den König zu bitten, die ganze Sache zu unternehmen, und er, R., nichts mehr damit [zu] tun [haben zu wollen].
Sonntag 10ten
Herrlichstes Wetter, ich besuche mit den Kindern Sa Trinitä und Sa Croce mit dem Kloster und der herrlichen Kapelle; unter Bon Liphart's Anführung dann in das Bargello. R. hatte eine sehr schlimme Nacht, bis vier Uhr war er auf, wo er an Freund Heckel endlich schrieb, daß er die Aufführung nicht wieder leiten würde. - Nachmittags fühlt er sich besser und wir fahren mit Pr. Hillebrand[3] und Mme Laussot nach Bello Sguardo und halten im Atelier vom Bildhauer Hildebrand, dessen Adam uns sehr schön dünkt. Darauf Villa Michelozzi besucht; viel mit R. von der Möglichkeit, hier uns niederzulassen, gesprochen; R. fühlt sich als Deutscher und schließt: In Deutschland, gut oder schlecht, erwerbe ich mir mein Leben, und ich kann es mir angelegen sein lassen, dies ehrenvoll zu tun, hier müßte ich als Rentier sein, wobei ich mir sehr sonderbar vorkäme.
Montag 11ten
Nach der Annunziata; sehr lange Zeit dort und im Kloster wie Vorhof geweilt, darauf das Kloster San Marco und nachmittags nach Fiesole mit R. gefahren bei schönem Wetter.
Dienstag 12ten
R. beschließt eine Fahrt nach Pisa, herrlicher Eindruck des Domes mit Sa Agnes von Andrea del Sarto.[4] Die Stadt, für deren Geschichte R. große Teilnahme hat, macht einen traurigen Eindruck.
Mittwoch 13ten
Regenwetter; Besuch von Palazzo Riccardi und belle Arti mit Bon Liphart; nachmittags mit R. die schöne Kirche San Spirito, Carmine und Santa Maria Novello besucht.
Donnerstag 14ten
Mit Bon Liphart die Bibliothek Lorenziana, San Lorenzo, und die Fresken von Perugino in Santa Maddalena besucht. Nachmittags Besuche. Abends Pr. Hillebrand und Frau Jessie Laussot.
Freitag 15ten
Palazzo Pitti und die Uff izien durch den herrlichen Gang, dann auch der wundervolle Garten Boboli. Nachmittags Ausfahrt, dann Besuch von der sehr angenehmen Marchesa Tanari, abends der Syndikus Tacconi.
Sonnabend 16ten
Einkäufe mit den Kindern besorgt, dann sehr hübsches lebhaftes Frühstück bei uns, der Syndikus, Bon Liphart und Pr. Hillebrand. Nachmittags Quartett von Buonamici, sehr hübsch und sehr gut gespielt.
Sonntag 17ten
Noch ein Mal die Uffizien, wehmütiger Abschied! Mit R. ausgefahren, um 7 Uhr fort! Um 12 Uhr in Bologna. Begrüßung seitens unseres liebenswürdigen Syndikus. Am 18ten abends, die Kinder immer herrlich bei Laune, im Marienbader Hotel in München! Großer Depeschenwechsel wegen Daniella.
Dienstag 19ten
Hofrat Düfflipp; der König ist geneigt, unsere Sache vor dem Reichstag vertreten zu lassen! Düfflipp will zwischen Weihnachten und Neujahr zu uns kommen, um geschäftlich mit Feustel zu verkehren. Große Überraschung und schöne für uns! Freund Lenbach gewährt uns sehr viele Freude, sein Geist, wie sein Talent, entwickelt sich immer höher, er wird immer männlicher und ernster und bleibt frei jeder Affek-tation. Das Portrait von Helmholtz ist das schönste, was er gemacht hat, vielleicht die Verklärung der Schlichtheit.
Mittwoch 20ten
Diner bei Frau v. Wöhrmann mit Lenbach, um 3 Uhr Abfahrt. Die Kinder immer lebhafter, je näher wir ankommen, Siegfried improvisiert eine englische Scene, und das Jauchzen nimmt kein Ende, als wir da sind. Um elf Uhr abends Ankunft. Empfang mit Fackeln etc.!!
Donnerstag 21ten
Vorerst große Not im Hause, keine Dienerschaft, alles einzurichten! Bei mir Freude über die Arbeit, welche das Hinaus-und Hintersichblicken verwehrt. Die Kinder selig mit den Hunden.
Freitag 22ten
Nur ordnen, räumen, richten, auch ein wenig schreiben. R. liest viel in Sismondi, dessen Theorie über Zivilisation er vollständig und erweitert adoptiert. - Herr Betz hat einen sehr merkwürdigen Brief geschrieben, worin er meldet, daß er nicht darf und nicht will die Partie des Wotan's wieder übernehmen, er sei seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen. - Herr Niemann hat noch nicht geantwortet. - Abends Ankunft von Daniella mit Misses Cooper,[5] sie ist gewachsen, sieht trotz der Masern gut aus!
Sonnabend 23ten
Besorgungen für den Christbaum und dann Vergolden und Aufhängen der Dinge, viel Heiterkeit mit Daniella und Blandine.
Sonntag 24ten
Nur Christbaum, morgens und abends, für R. Sismondi, der ihn ganz fesselt. Schöner Brief von Pr. Nietzsche, doch meldend, daß er von der Schopenhauerischen Lehre sich entfernt!... Die Kinder heiter, und R. überaus gütig gegen mich.
Montag 25ten
Meine 39 Jahre!... R. bringt meine Gesundheit in ergreifender Weise aus! Ich empfinde es, wie vieles mir erstorben ist und wie wenig ich mich um mich zu kümmern habe.
Dienstag 26
Arbeit, mit Lusch musiziert, zum ersten Mal seit langen Jahren das Klavier wieder berührt, Egmont! Sonst nur im Hause beschäftigt.
Mittwoch 27ten Donnerstag 28ten Freitag 29ten
Gleiches Leben; Musik und Lektüre mit Lusch, Hausbeschäftigung. Sonnabend 30ten plötzlicher Besuch von Richter, der es in Wien nicht mehr aushalten konnte und drei freie Abende dazu benutzt, um einen Tag mit uns zuzubringen. Große Freude daran! Am 31ten das ganze Tribschner Leben förmlich vorbeiführen lassen, das unvergeßlich ferne. Um die Mittagszeit Abschied. Abends den Baum angezündet, Punsch getrunken, Blei gegossen. Nachdem ich tagsüber Papiere aufgeräumt hatte!