Februar

Montag 1ten
R. träumte wiederum ganz wild von einer schimpflichen Weise, in welcher der selige König von Preußen ihn behandelt habe, über eine Äußerung R.'s über Preußen, ich sei dabei gewesen. - R. arbeitet an seiner Komposition für Frau Schott, welche er mir auch abends vorspielt. R. ist immer nicht wohl, auch hat er viel Ärgerliches durchzumachen; die Enttäuschung über Glatz, die Frage des Gasthofs, die Anhäufung der zu zahlenden Rechnungen, vor allem das verpfuschte Verhältnis zu Voltz und Batz!... Abends den ersten Band von Gfrörer beendigt.
Februar 2ten
R. träumte wiederum von schimpflicher Behandlung, ja selbst vom Zuchthause, wohin er gebracht wurde; wahrscheinlich veranlaßt durch die Gespräche, welche das seltsame Urteil, hier vor kurzem gefällt (ein Räuber, Mörder etc. wurde auf mehrere Jahre Zuchthaus nur verurteilt), uns eingab. R. ist sehr gegen das Geschworenengericht; und die Erfahrung lehrt, daß kein Mensch im Zuchthause besser wird. - Im zweiten Traume sah mich R. Mazurka tanzen. - R. etwas wohler, sehr gequält aber durch den Ausschlag an seinen Fingern. - Nachricht von einem großen Erfolg Hans' als Dirigent und Virtuos in Edinburg. Abends Herr Glatz, welcher doch einige Hoffnungen wieder erweckt. Der Brief eines Conditor-Gehülfen erregt viel Heiterkeit. R. sehr zufrieden mit Gfrörer. Zitiert mir die Antwort von Christus auf die Frage, ob er der Messias, »ich habe euch alles gesagt, warum glaubt ihr mir nicht«, zum Vergehen wehmütig erhaben.
Mittwoch 3ten
Mit den Kindern gearbeitet; dann sie auf das Eis geschickt und während dem Briefe geschrieben (an Vater, welcher nicht nach Wien kommt, etc.). Vergebliche Erwartung Richter's; in Wien herrscht Ratlosigkeit, da er sich mit nichts befaßt hat. Abends größere Zusammenkunft, Herr Glatz singt das Duett mit Brünnhilde mit vieler Energie, und Rubinstein macht uns durch sein Spiel viel Freude.
Donnerstag 4ten
Vieles Hin und Her zwischen Sängern und Richard, durchgängig benehmen sie sich alle gut; minder gut dagegen die Karlsruher Orchester-Mitglieder. Die herrliche Mimi schreibt wieder von einem Patronatschein, welchen sie an Herzog Ratibor, und von einem Bild von Angeli,[1] an Herrn Wesendonck verkauft. Die Konferenzen für den Gasthof ergeben ein sehr kleinliches Resultat. Die Stadt ist gar zu wenig hülfreich.
Freitag 5ten
Kranken-Besuche gemacht; R. hat Geschäftsbriefe zu besorgen, unter welchen einen an die seltsame Brandt, welche die Waltraute nicht singen will, sondern Fricka. Um zwei Uhr Richter mit seiner Frau, er immer der alte prächtige Mensch; sie für mich seltsam, dezidier-ter jüdischer Typus; die Kinder helfen über die Befangenheit hinweg. - Es gilt bald Geschäftliches zu ordnen, Nachrichten allgemein ungünstig, das Werk des Vaters wird große Kosten verursachen und niemanden mehr in das Konzert ziehen, die Einnahme in Pest wird eine geringere sein als man gehofft, in Wien beginnen die Intrigen; eine neue Oper, auf das Repertoire gesetzt, wird die Proben erschweren, und lauter dergleichen! Bedenke ich, daß die Konzerte an und für sich ein so trauriges Zeichen sind, wie die Dinge stehen, nun dieselben mit Schwierigkeiten noch umgeben zu sehen, so bricht mir das Herz; dazu der zerstörte Siegfried, die immer anwachsenden Nöte, je näher wir dem Ziel erscheinen, das Alter R.'s, so kann ich kaum mehr die Last des Herzens bewältigen.
Sonnabend 6ten
Unser Paar zum Theater mit den Kindern, die junge Frau sehr fremdartig. Beim Mittagessen einige Worte über Glatz' Gesang, Mißverständnis. Ziemlich schwieriger Tag. Abends sehr rührender Brief von Doris v. Berckefeld, mich bittend, Patin ihres Sohnes zu sein. Augenblickliches Annehmen. Abends Musik, F dur Quartett von Beethoven, aus Rienzi einiges.
Sonntag 7ten
Ich träumte von einem Haufen Stecknadeln in meinem Munde. - Abschied von Richters, es wird noch bestimmt, daß das Konzert in Pest nach dem in Wien stattfinden soll. Es scheidet sich alles, was nicht zusammengehört, wenn es sich noch so nahe gekommen ist; so fühlte ich entschieden, daß Richter nunmehr andere Bahnen wandeln wird. Er verstand R. gar nicht in Bezug auf Herrn Glatz. - Richter erzählte, daß die Materna beinahe für die Bayreuther Spiele verlorengegangen wäre, sie wollte einen Kontrakt mit einem Impresario unterzeichnen, welcher sie auf Jahre unfrei gemacht hätte! Wenn man alle Möglichkeiten erwägt, welche unser Unternehmen vernichten können, so erlahmt man. — Sehr hübscher Brief des Sängers Schlosser. Abends kleine Versammlung - C dur Quartett von Beethoven, Egmont-Ouvertüre und Coriolan.
Montag 8ter
Frohes Gefühl, wiederum allein miteinander zu sein! R. sehr befriedigt durch Gfrörer und seine Auffassung des Johannes. Abends meldet Herr Glatz, daß er nach Pest zurückkehrt einer Erbschaft wegen; die Toten reiten schnell, sagt R. - Wir nehmen die Symphonie von dem armen Organisten Bruckner[2] aus Wien vor, welcher von den Herrn Herbeck und anderen bei Seite geschoben worden ist, weil er hier in Bayreuth war, um seine Symphonie-Widmung anzubringen! Es ist jammervoll, wie es in dieser musikalischen Welt steht. - Andante aus [der] Es dur Symphonie von Schumann, schöne Akzente, doch solche Leere. Schaden von Schumann, nicht seine Grenzen erkannt zu haben; überschraubtes Talent.
Dienstag 9ten
Unruhige Nacht. Ich träume von Marterwerkzeugen und Mördern, R. dagegen von Friedrich dem Großen, welchen er mit seinem Generalstab kommen sieht, mit sonderbarem Hut, bloß aus zwei Flügeln bestehend, wir auf einer Anhöhe, er will herauf, wir helfen ihm, er fragt: Wo ist denn Ihr Mann mit der weißen Feder auf dem Hut? Er meinte den Wandrer, von welchem R. ihm gesprochen; beim Heraufziehen bemerkt R., daß das Tuch seines Rockes (blau) so neu sei, und lachend wacht er auf. - Erinnerung an die Heimkehr aus Italien,[3] Überschwemmung des Tessins, Wunder, daß Fidi so gut zur Welt gekommen bei diesen unerhörten Anstrengungen, Erkältungen am Beginn der Schwangerschaft. Schöne heilige Zeit der Verborgenheit mit den zwei »Huscheln« in Tribschen bis zum Sonnenmorgen. »Es sollte ein liebliches freies Wesen in diese Welt kommen«, sagt R. - Das gibt einem ein religiöses Vertrauen. - Gestern abend sprach er von dem Eindruck, welchen ihm das Pförtner-Lied aus dem Schiller'schen »Macbeth« gemacht, bei einer Vorstellung in Dresden, schön empfunden von Schiller; wenn auch der Humor bei Shakespeare etwas ganz anderes sei; das führt das Gespräch zur Scene nach Julien's Schein-Tod; R. liest sie uns vor, und er und ich, wir staunen wiederum über den Blick in die Welt! Einzig wahr, ernst und tief spricht Lorenzo, welcher um den Schein weiß und gleichsam spielt, der Jammer der anderen ist Falsett-Ton, und sie glauben an den Tod, durch diesen Schein hat das Ganze etwas musikalisch Versöhntes, und das Scherzo des Gesprächs der Musiker darauf verletzt nicht. - Ein Herr Böhme schreibt einen impertinenten Brief an R., weil dieser nicht sofort über ein ihm eingesendetes Manuskript erwidert hat. — Herr Beta prophezeit die Herrschaft der Kakokratie. - Der Eid wird abgeschafft, und unser Fürst leitet jetzt direkte Verhandlungen mit den Delegierten der Sozial-Demokratie ein; sehr schön! - R. bringt seinen Siegfried auf die Bahn. Unklare Depesche Richter's über das Wiener Konzert. Abends in Gfrörer gelesen (zweiter Band) mit vielem Interesse; die Menschen verstehe ich immer weniger, welche sich den Schatz der Offenbarung verkümmern lassen.
Mittwoch 10ten
Besorgungen für Eva's Geburtstag, R. geschäftlich
eingenommen; »ich möchte, all der Unsinn wäre vorbei, ich könnte mich
an den Parzival machen«, sagt er. Den Ascher-Mittwoch den Kindern er
klärt. Abends kleiner Kreis, die Variationen über das Thema der Eroica
wollen uns nicht recht zusagen, weil sich die in der Symphonie zu mächtig
eingeprägt haben. Gespräche über Geistererscheinung,[4] diejenige von 
Karl XI. von Schweden vorgenommen. Deutung von Schopenhauer, im
mer tiefer gefunden. - Unser Freund der Macedonier gefällt R. immer 
besser; wie ihm R., da er hier ohne jeden Sold abschreibt, eine Gratifika
tion an[bot], damit er nach Wien mitreisen könne, so schlug er diese be
treten ab, er würde schon so mitkommen können — R. sehr unwillig ge
gen Pest, die Nicht-Mitwirkung des Vaters in Wien kränkt ihn sehr, denkt
 daran, Pest aufzugeben.    
Donnerstag 11ten
R. unangenehm durch die Rechnung von Herrn Maurer überrascht, welche um einige 1000 Gulden seine Erwartungen übersteigt. Er sagt aber: »Und wenn ich mein ganzes Leben noch an dem Hause abzuzahlen habe, so bin ich froh, daß ich es zu Stande gebracht habe.« Er hat immer Briefe, die Organisation der Proben im Sommer betreffend, zu schreiben. Ich wickele auch die Korrespondenz ab, die Mädchen auf dem Eise, Fidi mit mir zu Frau von Aufsess. Abends lesen wir in Gfrörer mit vielem Interesse, seine Auffassung des Evangeliums Johannis' sehr geistvoll und fesselnd. Über alles erhaben die Aussagen unseres Heilandes! - Wie ich R. von einem Tode aus Ehre erzähle, sagte er: »Es ist merkwürdig, wie häufig solche vorkommen; nun fragt man sich, woher kommt das unvergleichlich Rührende des Todes des Heilandes, so unvergleichlich, daß kein Märtyrertod sich damit messen kann? Wohl daher, daß er an diesen Tod die Stiftung der Religion knüpfte, daß er wußte, daß einzig durch seinen Tod er etwas für die Menschheit tun könne. Das ist die Tragödie kat ex ochen, daß, wenn anerkannt, Christus doch nicht hätte bestehen können, weil die Juden von ihm politische Taten gefordert hätten, und unanerkannt auch nur der Tod sich ihm erwies.«
Freitag 12ter
R. hat seit einiger Zeit Gott sei Dank bessere Nächte,
arbeitet jeden Tag mit Herrn Seidl Korrespondenzen durch. Die Kinder
vor- und nachmittags auf dem Eise, Gott sei Dank munter und gesund!
    Abends Gfrörer immer mit großem Interesse gelesen.
Sonnabend 13ten
Am Morgen spricht R. von der Möglichkeit, daß einst das Deutsche Reich den ganzen Westen regiere; »obgleich die Weltgeschichte einen lehrt, daß niemals das Gute Bestand hatte, läßt man nicht ab es zu hoffen«. Über den üblen jetzigen Zustand, überall Geldkrisen und Not - nach diesen Siegen; auch Auswanderung. Kein Verstand für den Wohlstand. Auch trostloser Mangel an Idealität bei den Fürsten: »Ich will erst sehen«, sagt R., »ob nach den unerhörten Mühen dieser Aufführungen die Stumpfheit aufhört und einer an eine Stiftung denkt«! Ich befürchte, nicht. Ich schreibe an Frl. Brandt, um ihr zuzureden, die Waltraute zu übernehmen. - Verkehr R.'s mit Schotts.
Sonntag 14ten
Keine Nachrichten von Richter, dafür aber am Nachmittag das Meininger Quartett! Freundliche, gut gesinnte Leute, welche uns und eine kleine Gesellschaft des Abends mit dem Vortrage des Es dur und F moll Quartetts von Beethoven, nachdem R. ihnen seine Nuancen und Tempi angegeben hatte, entzücken.
Montag 15ten
Ich hatte heute das Gefühl, daß sich alles büßt hienie-den, selbst das Entzücken! R. erkältet, verstimmt durch die Lage der Dinge. Feustel erzählt, wie nichtswürdig die Regierung ihm den Pacht der Kissinger Wasser entnommen. Einzig erfreulich die Ankunft von Frl. Nietzsche; hübsch, freundlich, heiter, sie will während unserer Abwesenheit hierbleiben.
Dienstag 16ten
Den ganzen Tag Frl. N. und ihrer Einführung sowohl im Hause als in hiesige Kreise gewidmet. Dazu schönes Wetter. Abends Herr Brandt aus Darmstadt, behauptet, in allem fertig zu sein. R. sehr angegriffen, Hill, auf den wir so gerechnet, schreibt plötzlich ab, die Karlsruher Leute benehmen sich schlecht und halten selbst die Darmstädter von der Teilnahme ab, das Mannheimer Theatercomite macht es Herrn Knapp[5] unmöglich, zu kommen!
Mittwoch 17ten
Eva's Geburtstag. Das gute bescheidene Kind ganz ergriffen davon, auf einmal der Mittelpunkt des Interesses zu sein. R. spielt ihr ihre Melodie! - Unterredung mit Freund Feustel; peinlichste finanzielle Lage; R. will mit Schotts brechen und mit Peters[6] sich einlassen, welcher ihm dreifach so viel anbietet für eine Ouvertüre. Beweise des Stehlens seitens der Herrn Voltz und Batz (Frankfurter Theater). R. fürchtet mit ihnen zu brechen, weil sonst niemand ihm die Sache betreiben wird. Feustel sehr besorgt um unsere Lage. Neue Anleihe. R. tief verstimmt. Abends Gespräch über die Aufnahme der Gäste zu den Aufführungen. Nichts geschieht seitens der Stadt. Ich begreife nicht, wie R. alle die Sorgen ertragen will. Dazu konfuse Nachrichten vom Konzert in Wien. Auf Richter's Mithülfe war die ganze Sache unternommen, nun bekommt er keinen Urlaub, was er übrigens wußte, als er den Hochzeits-Urlaub forderte!! Einzig beruhigt bin ich, wenn ich ihn zu Bett gehen sehe und der Schlaf ihm die turmhohen Sorgen von dem Sinn wälzt. »Aber auch träumen!« - Eva sehr angegriffen.
Donnerstag 18ten
Weitere Besuche mit Elisabeth N. gemacht. Dabei eine Unterredung mit Karl Kolb ins Auge gefaßt wegen der Gasthoffrage, R. mit allerlei beschäftigt, ich fürchte beängstigt! Feustel kommt noch einmal zu ihm, bespricht sich mit ihm. Ein vermehrter Grund zur Sorge ist, daß mir plötzlich vom Luisenstift sehr abgeraten wird; der Pietismus soll dort ganz erschrecklich sein!! Ich habe nicht den Mut, alle schweren Fragen, welche jetzt über unserem Haupte schweben, zu summieren, und bei diesen Sorgen nun die Anstrengungen! Der erste Tag der Konzertanzeige soll 4000 Gulden eingebracht haben. Frl. Brandt schickt die Waltraute zurück. Antwortet mir nicht. Von nirgends eine Sieglinde. Und Siegfried. - Dazu viel Hausärgerlichkeiten. Abends Karl Kolb, wir stellen ihm die Lage vor, zuerst gibt [er] die vertrauensseligen Antworten des Bürgermeisters, die Leute hätten hier Putzstuben, die Gäste kämen R. Wagner's wegen und sehen nicht auf Komfort u.s.w. Darauf erwidert R. sehr heftig; ich ruhig aber eindringlich, und schließlich erklärt sich Kolb überwunden und verspricht zu helfen.
Freitag 19ten
R. nicht wohl - ich schleiche förmlich an ihm vorbei, verhüte es, ihn zu befragen, suche nur, daß er vergäße. Wenn er einmal herzlich lacht, so ist es mir, als hätte ich gesiegt über die Lebensmächte. Viele Vorkehrungen für die morgende Abreise. Es kündigt die Köchin dazu, das ganze Dienstpersonal ist krank. Die Kinder Gott sei Dank wohl und mit Elisabeth sehr vergnügt. Ich schreibe die Tage vom 13ten an heute auf und schließe nun bis auf Wien.
Als ich an einem der Morgen dieser Woche zu R. eintrat, erzählte er mir, das Bild habe ihn getröstet, auf mein Bild seien die Sonnenstrahlen
gefallen, und habe verklärt ihn angeblickt!    
Sonnabend 20ten
Einpacken und Abschiednehmen, Maßregeln getroffen. In der Eisenbahn noch den Kindern gewinkt. R. und ich »zum ersten Mal allein«[7] seit langer Zeit, das heißt augenblicklich enthoben von Sorgen. Heiterkeit kommt über uns; auch hoffen wir die Kinder gut versorgt zu wissen. Viel Scherz, viel Wurst, viel Marcobrunner - der Mond, kalte, aber gute Nacht. Sonntag um 10 Uhr in Wien; Standhartner, der akademische W.Verein, 80 junge Leute, allerlei sonst. In die Standhartnerei geführt, herzlichster Empfang. Um 2 Uhr Marie Dönhoff; abends Lenbach einen Moment, den Abend bei Dönhoffs.
Montag 22ten
R. sehr gut geschlafen, ich schlaflos, an das Haus mit Bangen gedacht. Besuche mit R.; in das erstaunliche Makart'sche Atelier; sublime Rumpelkammer. Zu Angeli, abends in »Fidelio«, nicht allzu üble Vorstellung. R. nicht mit. (Onkel Liszt wieder gesehen.)
Dienstag 23ten
An die Kinder geschrieben (zum 2ten Mal), einige Besorgungen gemacht. Nachmittags zu Fürstin Hohenlohe gefahren, zum ersten Male nach 15 Jahren wiedergesehen, seltsamer Eindruck. Darauf bei der liebenswürdigen Marie D., Fürst Liechtenstein wieder gesehen. R. hält Probe mit Frau Materna und Glatz; nicht gerade vorteilhafter Eindruck des letzteren; Materna prächtig. Abends bei Marie D. mit Lenbach.
Mittwoch 24ten
Erste Probe - die unglaublichen Nachlässigkeiten Richter's (er hat die Tuben nicht geschickt, und die fest versprochenen Tubisten werden nicht kommen!) verursachen viel Not; nichtsdestoweniger, da das Orchester gut vom Blatt liest, ist der Eindruck überwältigend. Alles bis dahin Gekannte verblaßt; wie das Mächtigste in der Natur und über diese zieht das Gehörte an mir vorüber, zieht nicht vorüber, gräbt sich auf ewig ein. - R. nach der Probe nicht allzu müde; legt sich dann zur Ruhe und ist bei Tisch ganz frisch. Sehr hübsche Briefe der vier Kinder. Abends kleine Gesellschaft bei Marie Dönhoff, Bekanntschaft mit der liebenswürdigen und schönen Gräfin Andrassy[8] gemacht, auch mit Gräfin Festetics, Hofdamen der Kaiserin.
Donnerstag 25ten
Zweite Probe; die Tuben sind zwar da, doch hat Richter vergessen, die Harfenstimmen abschreiben zu lassen. Entschluß, nicht nach Pest zu gehen, wenigstens kein Konzert dort zu geben. Meuterischer Geist in der Kapelle; dadurch, daß diese Leute immer schlechte Dirigenten haben, welche sich bloß durch ihre Schwäche halten können, ist die Disziplin gänzlich gewichen; sie haben auch so viel zu tun, Konzerte, jeden Abend Theater (vor immer leerem Hause, in Folge des allgemeinen Bankrotts), daß ihre Gereiztheit zu entschuldigen ist. Vieles kommt heute schon herrlich heraus, und das Orchester ist besser als wie vor drei Jahren. Nach der ersten Probe Sitzung bei Lenbach. Marie Muchanoff's Portrait gesehen!... Abends ruhig zu Hause, auch den ganzen Tag, unangenehme Haus-Nachrichten; Anordnungen zu treffen.
Freitag 26ten
Mit R. zu Haas,[9] orientalische Dinge gesehen und einiges eingekauft. R. besucht seine Freundin Fürstin Metternich, welche trotz ihres affektierten Deutschenhasses ihn freudigst empfängt und ihm entschieden einen angenehmen Eindruck macht. Ich besuche Gräfin An-drässy mit Marie Dönhoff, wobei sich der äußerst angenehme Eindruck der ersten Begegnung bestätigt. Abends mit R. in das Ballett »Robert und Bertrand«, trauriger Eindruck! Dieses prächtige kostspielige Haus, und dieser Gebrauch davon!... Daß Wien niemals eine Weltstadt werden kann, scheint mir unbestreitbar. Sie ahmen Paris nach, machen u. a. Journalsäulen, und niemand steht davor, um Nachrichten sich zu holen!
Sonnabend 27ten
Briefe empfangen und erwidert; viele Hausnöte. Um zwei Uhr Probe bis sechs Uhr, in meiner Loge Gräfinnen Andrassy, Dönhoff, Widenburg,[10] Amadei. Es geht schön, obgleich derselbe meuterische Geist des Orchesters auch noch sich zeigt. Materna herrlich, Glatz wenig an- und aussprechend! Überwältigendster Eindruck! Abends zu Hause zugebracht.
Sonntag 28ten
Heckel und Pohl angekommen. Abends hübsches Diner bei Dönhoffs, worauf Besuch bei Frau v. Meyendorff, soeben angekommen.