Januar

Sonnabend 1ten
In die Kirche gegangen! Darauf Besuche empfangen. R. erfährt, daß sie in den Zeitungen sagten, Herr Scaria habe 2000 Guldenfür den ganzen Aufenthalt in Bayreuth verlangt und sei vom Verwaltungsrat abschlägig zurückgewiesen worden! R. fordert durch Standhart-ner Berichtigung. - R. liest in der »Geschichte der Araber« und sagt: Je mehr er sehe, welche Nöte das Gebären eines Staates brächte, um so mehr überzeuge er sich, wie frevelhaft es sei, an dessen Organisation zu rütteln, und wie glücklich man sich schätzen müsse, Dynastien zu besitzen. Die staatenbildende Natur habe in ihrem Instinkt gewußt, was sie damit zu Stande gebracht. - R. ist gedrückt; »immer schwerer«, sagt er, »wird die Gemeinheit, mit welcher man es zu tun hat; solche Erfahrungen, wie ich sie jetzt mache, tat ich doch nie!« Herr Groß hat ihm erzählt, daß, wie sie von hier aus in den Zeitungen den Lügen über den Verkauf unseres Hauses haben entgegen treten wollen, keiner die Notiz aufgenommen habe!... R. sehr deprimiert, unser Abend ist traurig! Ich räume die Briefe und Rechnungen und, als erste Ausgabe dieses Jahres, die Grabessteuer für meinen Bruder in Berlin.
Sonntag 2ten
Wir haben heute unsere hiesigen Freunde (Feustels, Großens, Bürgermeisters) zu Tisch. R. trinkt ihnen zu, sie einzig hätten ihm gute Erfahrungen in diesem Jahre zugeführt; daß er diese Freunde gefunden hätte, sei ihm eine Bürgschaft des Gelingens. Freund Feustel antwortet hübsch. - Wir erfahren noch, daß in diesen Zeitungen, wo so fälschlich über die Forderung von Scaria gesprochen worden, es geheißen, daß bei dieser unnoblen Verfahrungsart des Verwaltungsrats Künstler doch nicht mit ihm sich einlassen könnten, Frau Materna z. B. - Abends den ersten Akt von »Romeo und Julie« gelesen, nur um sich zu befreien von all der Last des Widerwärtigen! Himmlischer Eindruck.
Montag 3ten
R. träumt schon seit mehreren Tagen von hübschen Landschaften, in welchen er wandelt, diesesmal mit Rus, welcher voller weißen Staub in den Augen etwas Gespenstisches hatte; ich höre wachend die Kuhglocken von Tribschen, sie läuten mir förmlich in die Ohren und gemahnen mich schöner Zeiten! Gott, wie soll R. denn wieder zur Hauptsache, zum Schaffen kommen!... Wir lesen gestern einen gutgemeinten Bericht aus Wien, worin es heißt, daß man R. wohl gönnen könne 4000 Gulden nebst Aufenthalts kosten, also immer Unwahrheiten; wenn man bedenkt, daß R. stets seinen Besitz bei allem zusetzt, noch diese Schmach; dann heißt es weiter, es seien beleidigende Karikaturen auf ihn und auf mich gemacht worden — »es ist bös von den Leuten!« Welche Veranlassung ich den Leuten zu solchem Vorgehen gegen mich gegeben, bleibt mir ein Rätsel. R. meint, sie wollten bloß dadurch erreichen, daß er nicht mehr nach Wien käme!... Wir lesen den Bericht über einen Besuch bei Beethoven vom alten Wieck[1] und einen Brief von Czerny über die erste Aufführung der 9ten Symphonie; sehr ergreifend, wie alles, was man über ein Genie erfährt; »edel klagend« seine Sprache! - Beim Abendtisch R.: »Nur wenn alles bricht und kracht, geht Richard Wagner einst befrackt.« - Er geht mit Fidi aus, wie die Glocken läuten, sagt der Kleine: »Jetzt hören wir, was wir vorhin gesehen«, sie waren an dem Turm vorbei gegangen. Abends lesen wir den »Kaufmann von Venedig«.
Dienstag 4
In Sorgen ruhen wir und wachen wir auf; neulich machte R. das Soll und Haben dieses Jahres, wie vieles des Schlimmen, wie wenig des Guten, Fürstner, Voltz, Batz, die Presse nach den Proben, Richter, die Erfahrungen in Wien, Scaria, nun K. König![2] Wie ein Damoklesschwert (eine erneuerte Schnorr'sche Erfahrung!) hängt die Drohung dieser Böswilligen vor mir; sie komme nur mit dem letzten Skribenten zusammen, und dieser macht sich eine Freude daraus, Schmutz aufzuwühlen gegen uns; man scheint anzunehmen, daß ich R. von Wert bin und nützlich, und wahrscheinlich deshalb zerren sie mich in alles herein! Wie leicht würde ich für meine Person alles hinnehmen, wenn ich nicht die Empfindung hätte, daß alles nur der Sache gilt. Am Nachmittag kommt Herr Feustel, mit mir [zu] sprechen, er ist üblen Mutes; der Vorschuß von der Kabinettskasse kommt nicht an, er konnte Herrn Brandt nicht bezahlen! Ein Brief von Frau v. Schi, läßt mich erkennen, daß R. 's Brief an den Fürsten ohne jeden Eindruck geblieben ist. Sie und Bucher denken an den Reichstag! Ach! Da herrscht Herr Lasker... Abends in »Wie es euch gefällt«, nachdem ich alles Schlimme mit R. durchgesprochen; die schlimmste Stimmung weicht vor dem göttlichsten Humor.
Mittwoch 5ten
R. sehr aufgeregt, keine Nachrichten von nirgendswo zu erhalten! Ich sehe die Bücher nach, Einteilung nach Mark. Nachmittags gehe ich zu Herrn Feustel, um noch ein Mal verschiedenes zu besprechen; R. entschließt sich nach Brüssel zu Konzerten, wenn ihm die Summe von 40000 frcs, welche Herr Brassin angegeben hat, garantiert wird. -Herr Jauner schreibt sehr unbefangen, ohne Kenntnis des Briefes des Finanz-Prokurators, Tannhäuser wird weiter gegeben, die äußerste Unannehmlichkeit ist also wenigstens nicht angebrochen. - R. entsendet 100 Th. durch Neffen Jachmann an Kinowsky, welche er ihm längst zugedacht, indem er sich nicht durch das schmähliche Benehmen der Schwägerin abhalten lassen will, einem armen Mann zu helfen. Benutzt sie dies später zu einer erneuerten Pression, so soll die Polizei daran. Abends Besuch des Regierungsrats Scherer, er erzählt von den Ausgrabungen in Steinach. Sorgenvolle Entschlüsse für die ältesten Kinder. - Ich wollte gern R. dazu bewegen, wieder an die Biographie zu gehen, er bittet mich nur zu warten, bis diese schlimmste Zeit sich entschieden hätte! Er denkt an Aufgebung der Sache und an seine Darstellung der Sache! Unser Leben darauf; ich schlug Herrn Feustel heute vor, mein Vermögen zu verpfänden und deshalb sich an meinen Vater zu wenden, er verspricht mir, es zu tun, wenn »alle Stricke reißen!«
Donnerstag 6ten
R. träumte, daß er die 9te Symphonie zu dirigieren habe, in Dresden oder München, vorher sehr hungrig durch eine Eisenbahnrestauration gegangen, wo Frankfurter Würste, sich welche dort bestellt; gekommen, sie zu holen, sieht er zwei Männer seine Portion essen, und die Person des Büffets maliziös impertinent, auch die Wirtin, nicht nur die Würste, sondern auch Bier ihm verweigernd; er ist heftig, dann gibt er gute Worte, alles vergebens. Endlich verläßt er fluchend das Lokal, kommt zum Saal, durch das Orchester, wird mit Applaus empfangen, hat aber zu klettern, verläßt sich auf seine Behendigkeit, kommt aber an eine Stelle, die zu tief ist; wo er nicht springen kann, erwacht!... Er sagt: Es brauchen bloß die Gehirnkräfte durch schlimme Erfahrungen an der Tätigkeit, für welche sie bestimmt sind, verhindert zu sein, um daß alle Dämonen sich ihrer bemächtigen und nichts als scheußliche Bilder hervorbringen! ... Entschlüsse betreffs meiner Daniella; ich behalte Blandine im Haus. Wir beginnen den »Pilger«[3] von Lope, finden aber kein Vergnügen daran und lesen eine Novelle von Boccaccio. - Bon Seydlitz meldet, daß er bei Born Schl, war, dieselbe, anstatt niedergeschlagen, freudig hoffnungsvoll gefunden, dieselbe hätte mir wohl schon telegraphiert; kein Telegramm kommt Herr O. Wesendonck meldet, daß er den Vorschuß nicht leisten könne.
Freitag 7ten
Abschied von Daniella, ich empfinde deutlich, daß hier die große Prüfung meines Lebens mir auferlegt ist. Der Tag ist trübe, der Abend auch. R. und ich voller Sehnsucht, daß er an die Arbeit könnte!...
Sonnabend 8ten
Hansen's Geburtstag; ich mache ihn zu einem Tag des Insichgehens! Arbeite mit den Kindern; Fasten, Besuch meines Grabes, feierliches Gelübde, alles Schwere und Schlimme als gerecht dahin zu nehmen!... Zum Theater gewandert, oben Brandt und Brückners getroffen, R. kommt auch hin, wir fahren heim; abends Vorhang der Gibi-chungen-Halle ausgesucht. Einzig erheiternd die Beschäftigung mit diesen künstlerischen Dingen!... R. liest weiter in der »Geschichte der Araber« und erzählt uns ergötzliche Geschichten daraus. Er spricht auch von dem Unterschiede, wenn plötzlich das christliche Wesen eintritt, der Tod des h. Ferdinand's[4] wie rührend! Wie uns heimisch! Die Demut ist es darin, welche uns so ergreift. Mit innigen Gedanken an Hans eingeschlafen.
Sonntag 9ten
R. träumte von einem Tintenklecks, welchen er auf einer Partiturseite zu seinem großen Ärger gemacht, dann kam es heraus, daß die Partitur nicht von ihm sei. Morgenandacht mit den Kindern -dann auf das Eis mit ihnen. R. hat gute Nachrichten über Herrn Unger, Gott gebe, daß hier keine Enttäuschung keime! Mimi Schi, schreibt, rät zu einer Petition an den Reichstag seitens des Verwaltungsrates, Bucher meine, die Stimmung sei günstig. Auch ist in einer so schweren Lage kein Schaden mehr möglich, da nichts nützt!... R. trüber Stimmung, ich suche ihn zu bewegen, morgen die Biographie wieder zu beginnen, er verspricht es. Gott gebe keine Verhinderung!
Montag 10ten
In der ersten Frühe Kinderunterricht, dann Diktat![5] Nachmittags auf dem Eise mit den Kindern und abends vor Tisch mit ihnen gearbeitet. R. war bei dem Bürgermeister, dieser ist sehr gegen eine Petition an den Reichstag. R. schreibt an Hofrat Düfflipp, um anzufragen, ob S.M. diese Übel vermerken würden! - Abends einige Scenen aus »Hamlet«.
Dienstag 11ten
Dieselbe Tagesordnung wie gestern, heiter wehmütige Bilder der Vergangenheit steigen auf, meiner Schwester Wesen webt zwischen uns! - Alles dahin!... Nachmittag Brief von unserem Neffen Jachmann über die Fürstner'sche Angelegenheit. R. denkt daran, nach Berlin zu reisen. Abends erschreckt uns Marke durch ein klagendes Heulen, Brange war fort! Tiefer Eindruck dieses tierischen Lautes. —
Mittwoch 12ten
Kein Diktat heute! R. denkt an Geschäfte; an den Reichstag verwiesen zu sein, während er an die Gnade des Kaisers appellierte, empört ihn tief! Nach Tisch kommen wir auf das Schicksal des Tannhäuser's zu sprechen; an dieses Werk knüpft sich eine unaufhörliche Reihe von übelsten Erfahrungen. (Sehr erschrickt es mich zu erfahren, daß Pusinelli[6] niemals bezahlt wurde (5000 Th. circa), und hier mache ich es Siegfried, meinem Sohne, feierlich zur Pflicht, wenn er je in [den] Besitz einer größeren Summe Kapitals kommt, diese Schuld an die Nachkommen Dr. Pusinelli's zu tilgen.)*(* (   ) Diese Zeilen am Rande, mit großen Klammern gekennzeichnet.) Abends trübe Stimmung.
Donnerstag 13ten
Mit Boni von 9-11 gearbeitet, von elf bis halb eins Diktat, dann mit den Kindern auf dem Eise; von fünf bis 7 mit Boni und den Kleinen gearbeitet, abends mit R. in Gibbon »Mahomet« gelesen.
Freitag 14ten
Briefe, einen sehr guten von Standhartner mit Abrechnung der Tantiemen, dann einen schönen wie immer des Königs, einen traurigen von Hofrat Düfflipp, die Not der Hofkasse klagend; R. telegraphiert, daß er sich entschlossen hat, nicht an den Reichstag zu gehen und in Bruxelles Konzerte zu geben. In der Tat ergab eine gestrige Konferenz mit Feustel und dem Bürgermeister, daß der Notstand nicht ein so drängender sei und daß eine Abschlagung des Reichstages unsere ganze Sache diskreditieren würde, Bismarck wahrscheinlich auch nur diese Abschlagung wünscht, um sein eigenes Benehmen zu rechtfertigen. Abends Schluß der »Geschichte der Araber« von Dozy[7]: Motamit! R. sagt, daß sie ihm weniger symphatisch seien als die kastilianischen christlichen Helden.
Sonnabend 15ten
Es ergibt sich, daß R. wiederum bei einem Kontrakt betrogen worden ist, in Wien haben sie darin ausgelassen das Abonnementquantum, so daß, wenn das Theater (und zwar höchstwahrscheinlich durch ihn) sich hebt, das Abonnement bedeutender wird, er eine bedeutende Einbuße erleiden wird, weil er sich darauf verlassen, daß man seiner Bestimmung (nach der Berliner Einrichtung) so wie wörtlich auch schriftlich nachgekommen sei!... - Arbeit mit den Kindern und Diktat. R. schreibt an Direktor Jauner, hierüber reklamierend.
Sonntag 16ten
Neffe Jachmann meldet, daß die Anwesenheit R.'s nicht unbedingt notwendig sei; wir feiern die Rückkehr R.'s*(* Rubinsteins.) aus Berlin. - Abends spielt uns Herr Rubinstein einiges vor, unter anderem auch Mi-halovich's Komposition »Hero & Leander«, welche bei Zeugnisse von dezidiertem Talente uns sehr nachdenklich stimmt.
Montag 17ten
R. schrieb ein Thema, welches ihm abends angekommen, auf und findet, daß das Gegenthema bloß in der Umkehr bestehen könne; im Ohre gebe es Melodienspektra wie im Auge Lichtspektra. Diktat; Besuche mit R. - Herr Groß bringt eine Notiz von Feustel, dieser habe einen Brief aus Berlin erhalten, wonach es doch gut erscheine, sich dem Reichstag und dem Fürsten persönlich mit dem Gesuch vorzustellen. R. sehr dagegen. Bismarck's Sekretär schreibt etwas unklar, aber auch meinend, die Schwierigkeiten würden geringer sein, wenn man sich an den Reichstag wendete! R. erwidert, daß er nicht um einen Vorschuß sich an den Reichstag wenden kann, auch appelliere er an die Gnade des Kaisers, an die Einsicht des Reichskanzlers, nicht aber an die Ansicht der Herrn vom Reichstag.
Dienstag 18ten
Der König schickt seine lebensgroße Photographie; Dr. Strecker[8] (B. Schott's Söhne Nachfolger) besucht uns und bringt die Partitur von Siegfried. Er erfreut uns durch ein sehr artiges Benehmen. Immer Diktat und Arbeit mit Boni. - Abends beginnen wir die Broschüre: »Über die jetzige Lage des deutschen Reiches«, welche Pr. de Lagarde mir geschickt, welche Vortreffliches enthält (Aufgabe Österreichs, Kritik der jetzigen Schulen), aber viel konfuse theologische Beimischung.
Mittwoch 19ten
Diktate und Arbeit. Dazu Ankunft von Tantiemen und Berechnung der Ausgaben. Bon Hofmann schreibt vom schlechten Besuch des Theaters; überall herrscht völliger Schrecken über die finanzielle Kalamität. »Daß nur ein Mann wie Bismarck uns helfen konnte«, sagt R., »zeigt, daß wir verloren sind.« — Direktor Jauner telegraphiert, daß er die Angelegenheit in R.'s Sinn ordnen wird, meldet auch zugleich, daß Herr Scaria als Bedingung seiner Mitwirkung 2500 Thaler vom 15ten Juli ab jetzt vorbezahlt [verlangt], dies empört R. so, daß er augenblicklich verzichten will, doch telegraphiert er noch an Betz, welche seine und Nie-mann's Ansicht sei. - Abends weiter in Pr. Lagarde's Schrift.
Donnerstag 20ten
Weiteres Diktat und Unterricht; R. erhält von Herrn Betz die Meinung, daß man auf Scaria zu verzichten habe. R. schreibt in diesem Sinne an Dr Jauner. Wie wird nun Frau Materna sich benehmen?... Andere Tagesordnung (Speisen um 3 Uhr), Gouvernanten- und Kammerjungfer-Zank, dazu für mich noch Augenleiden!...
Freitag 21ten
Unterricht und Diktat; R. zu Feustel's Geburtstag gratulierend, Abends weiter in Pr. Lagarde's Broschüre gelesen. Vieles Vortreffliche darin gefunden. Immer mehr bedenken wir, R. und ich, die Erziehungsfrage; Gedanken der Errichtung einer Musterschule, mit Nietzsche, Rohde, Overbeck, Lagarde. Ob der Schutz des Königs dafür zu erlangen?...
Sonnabend 22ten
Immer gleiche Tätigkeit; R. beschäftigt sich weiter mit den Arabern durch das Werk von Bon Schack; Abends »R. II.« von Shakespeare, unter den historischen Stücken mein Liebling - ein Akt gelesen, gibt Veranlassung zu endlosem Staunen, Bewundern, Wiederlesen, Besprechen, es ist, als ob man nie alles erfaßt hätte - eine völlige Offenbarung! ...
Sonntag 23ten
Diktat; Spaziergang; abends Besuche, Symphonie von Haydn und das neue Bild aus dem Ring des Nibelungen von Rubinstein.
Montag 24ten
Das gleiche Leben, Stunden, Diktat, nur dabei noch viele abzuwickelnde Geschäfte für mich; abends Schluß von »R. II.«, welcher mich so ergreift, daß ich darüber meinen Nacht-Schlaf verliere.
Dienstag 25ten
Müder Tag - gestern schrieb ich an Freund Bucher, ihm die Gründe anzugeben, weshalb wir nicht an den Reichstag gingen, und zu bitten, daß keine offizielle Bescheidung uns treffen möge bis zu unserem Aufenthalt in Berlin (März). - Abends in »Heinrich IV.«
Mittwoch 26ten
R. nicht ganz wohl; unerfreut über einen Brief von Betz; Fricke[9] wird empfohlen zum Hagen, abends Ball bei dem Regierungspräsidenten!... Worauf für R. und mich bei der Heimkehr eine trauliche Stunde!
Donnerstag 27ten
R. bringt den Tag zu mit einem Schreiben an den König, ich mit Unterricht und Geschäften, abends »Don Quichote«.
Freitag 28ten
Diktat, meine Augen machen mir Not; schöner indischer Spruch: Wer sein Leben [hinjdurch schöne Werke hervorbringt, hat die Sinnlichkeit überwunden. Brief des Redakteurs der Weser-Zeitung Hofmann,[10] er sagt, wenn man offen die Presse in Bezug auf R. angreifen wollte, hätte man die ganze Meute hinter sich. Herr Bauernfeld hat ein Stück herausgegeben, worin R. lächerlich gemacht wird, heißt es, und der Redakteur einer großen Leipziger Zeitung empfiehlt das Buch als nützlich, erwünscht u.s.w.
Sonnabend 29ten
Diktat und Unterricht; Besuch bei unserem armen guten Freund Schenk; R. mißgestimmt. Lothar Bucher schreibt, jetzt nur nichts zu unternehmen, der Fürst sei der einzige, auf welchen man sich verlassen könne, und er sei krank. - Abends »Don Quixote«.
Sonntag 30ten
Brieftag, die Kinder sind frei! An R. L.* (* Fürst Rudolph Liechtenstein) geschrieben, auch Diktat. Abends Bayreuther Geselligkeit, durch Frau v. Staff bereichert.
Montag 31ten
Kinder-Arbeit und Diktat. R. hat am Nachmittag eine Konferenz, von welcher er tief niedergeschlagen heimkommt! Es will wie eine Tollkühnheit aussehen, daß man die Aufführung in das Auge faßt! 488 Patrone erst sind gewonnen! Dabei steigern sich die Ausgaben, die Presse selbst für Ankündigungen gesperrt! In Paris hat der Figaro, wie es scheint, einen Schmähartikel über R. gebracht, ein Herr Ullmann[11] bittet R. zu erwidern, wenn es auch nur um des Lohengrin willen wäre, welcher in Paris aufgeführt werden soll!... R. antwortet, daß er keine Zeitungen liest und daß die Erwiderung denen zukäme, welche die Presse mit ihrer Aufmerksamkeit beehren. - Seinerseits scheint Hans auch dieser Elendigkeit unserer öffentlichen Zustände in Amerika preisgegeben!