Freitag 1ten
Stürmisches Wetter! Doch aber Plan, morgen abzureisen. Abends Diner bei Herrn Ionides, Bruder von Charicleas Dannreuther. Bekanntschaft des Dichters Herrn Morris[1] gemacht. - D.'s Kind erkrankt.
Sonnabend 2ten
Reise durch Sturm unmöglich; in Westminster Abbey die Caxton-Feier[2] miterlebt; sehr seltsamer Eindruck; Lobgesang von Mendelssohn ebenso ungehörig dort wie die Monumente - abends Diner bei Herrn Schlesinger, dessen hübsche Frauen (Frau und Schwägerin) voll des Londoner Lebens sind.
Sonntag 3ten
Fahrt nach Hampton-Court mit R. und Dannreuthers, Heimkehr über Richmond, schöner Eindruck; abends noch bei der sehr angenehmen Schwester von D.s.
Montag 4ten
Abschied von London! Sehr gemischte Empfindungen dabei. Ruhiges Meer, R. guter Dinge, ich schwermütig wie bei jedem Abbrechen irgend eines Zustandes! Enge Kabine und Lager, »der Breitengrad muß hier sehr gering sein«, lacht R.
Dienstag 5ten
Um 6 Uhr Ankunft in Ems, wo R. die Kur gebrauchen soll. Die Kinder (außer Loldi!) am Bahnhof; Fidi's Blick zärtlich mitleidig auf seinen Vater. Im Bayreuther Tagblatt sollen wirklich schmähliche Aufsätze über die Londoner Konzerte gewesen sein; der Knabe scheint davon vernommen zu haben und blickt seinen Vater nun so an!
Mittwoch 6ten
Siegfried's Geburtstag! Meines Herzenskindes! Allgemeine Bescherung! Baukasten für Fidi, von R. selber in London acquiriert. Schlechtes Wetter, daher keine Partie. Briefe von Feustel! Rebellion der Leute, welche auf die Konzerte von London vertröstet waren. Ich ersuche R., über meine 40 000 frcs zu disponieren, mit den Londoner Einnahmen macht das ungefähr 50 000 Mk. Ich glaube fest, daß meine Kinder mir das nicht übel anrechnen werden, und weiß, daß Gott es ihnen segnen wird. - Mit Leipzig sind die Verhandlungen abgebrochen, mit Hannover angeknüpft; Herr Unger hoffentlich nach seinem Benehmen in London abgetan. - Sei gesegnet mein Kind!
Donnerstag 7ten
R. beginnt seine Kur. Der Ort ist hübsch und das Wetter heute gut. Spaziergang im Wald; R. schreibt an Herrn Feustel. Nebst der großen Sorge Not im Hause, wo durch die nachlässige Arbeit der Bayreuther bedeutende Reparaturen notwendig sind.
Freitag 8ten
Ich beginne die Abschrift des Parsifal und nehme den Unterricht der Kinder wieder auf. Fahrt nach der Gruft des Herrn von Stein;[3] Spaziergang im Schweizertal, drei Stunden zu Fuß. Ich lese die »Souvenirs« von meiner Mutter. R. liest »Abelard« von Remusat auf meine Empfehlung hin und findet großes Vergnügen daran.
Sonnabend 9ten
Immer Geschäfte, Parsifal und Unterricht, nachmittags zum Pavillon. Tannhäuser-Ouvertüre von der Ferne. -
Sonntag 10ten
Rheinfahrt, Diner in Bingen; Erinnerungen an vor 14 Jahren![4]... Ich bin sehr müde.
Montag 11ten
Ich erfreue mich Parsifal's. - Große Hitze. R. macht uns ergötzliche Beschreibungen der Damen am Brunnen, dick, mißwollend aussehend, ja boshaft, und dabei Rosen auf den Hüten. Er denkt an die Spartaner, welche alles Überflüssige umbrachten.
Dienstag 12ten
Gleiches Leben, welches leider durch den Hintergrund von Sorgen gedrückt bleiben muß!
Mittwoch 13ten
Mit den ältesten Mädchen in das französische Theater, welches hier für den Kaiser spielt; »Tigre du Bengale« recht ergötzlich, dagegen ein vorangehendes Stück das ganze Elend der jetzigen Pariser Literatur vorbringend.
Donnerstag 14ten
Feustel schickt die Papiere zur Unterzeichnung; Brief des Königs, außer sich über die Notiz, daß R. nach Amerika übersiedeln wolle. R. hatte nämlich an Feustel geschrieben, daß er vielleicht würde nach Amerika müssen, dann aber auch käme er nicht mehr heim! - »Sans illusion, mais plein d'esperance«,[5] sagt Guizot von Cromwell in der Geschichte der e. Revolution, welche R. jetzt liest. - Von gewissen Menschen sagt R.: >Es hieße Natur bei ihnen das, was bloß schlechtes Komödienspiel sei.<... »Zu allem wird Musik gemacht«, sagt R., noch bei der Beschreibung der Gesellschaft, »das ist mir das merkwürdige.«-Viel Vogelgezwitscher, neulich Nacht bei vollem Gewitter, Nachtigallenschlag, R., dem ich es mitteile, sagt: »Sie glauben, der Donner sei Applaus.«
Freitag 15ten
R. nicht mit seiner Kur zufrieden, glaubt, daß die Ärzte sich geirrt haben. Ich schreibe weiter an der Abschrift des Parsifal. R. immer bedrängt durch seine Situation. Ich bin tief bekümmert, allein wie könnte wohl Kummer anders als mit dem Leben enden?
Sonnabend 16ten
Ankunft des Kaisers. Gar wenig Enthusiasmus, aber bedeutende Hitze. - R. entschließt sich, anstatt Emser Marienbader Wasser zu trinken.*(Danach gestrichen: »Schöner Brief des Königs«. ) - Mit R. und den Kindern abends die Illumination besichtigt.
Sonntag 17ten
In die Kirche mit den Kindern, einfacher Gottesdienst. Spaziergang zum Kursaal. R. entwirft seinen Plan, nach München zu gehen, um möglicherweise die Bayreuther Spiele dort von der Intendanz aufnehmen zu lassen.
Montag 18ten**
(** Fälschlich: »17ten«, Datierung in der Handschrift irrig bis einschließlich Sonnabend, 23. Juni 1877) Für mich Parsifal's Abschrift und Unterricht der Kinder, für R. die Geschichte von Guizot und einiges Geschäftliche mit Feustel. Mein Vater schickt einen Brief von Herrn v. Bronsart an ihn, wobei es herauskommt, daß Herr von Hülsen ganz feindselig gegen die Aufführung des Nibelungenwerkes in Hannover sich verhält, »sind Sie denn blind gegen das Fiasco in Bayreuth und das Fiasco in London, wo die Leute scharenweise aus dem Konzert bei den Fragmenten aus dem Nibelungenring liefen«, schreibt Hülsen an Bronsart. Hier also der Erfolg des lügnerischen Zeitungsgeredes! Im übrigen ist die Nicht-Aufführung in Hannover R. jetzt ganz recht.
Dienstag 19ten
Der letzte Band von der Biographie von Glasenapp[6] ist erschienen und rührt mich tief. R. sagt nur: Das, was er von andren hat, ist nicht immer ganz richtig, was von ihm kommt, ist sinnig und tief. Math. Maier besucht uns. Auch eine Schwester Malwida's lernen wir kennen, und R. auch den Abgeordneten Windthorst, Chef der ultramontanen Partei, sehr witzig sein sollend. Leider sehen wir ihn zwischen zwei Pfarrern, eifrig eine Zeitung lesend, welche diese ihm gebracht, kein hübscher Anblick.
Mittwoch 20ten
Die Worte Hülsen's an Bronsart haben R. sehr verstimmt; diese Ohnmacht der Lüge und der Feindseligkeit gegenüber! Ich gräme mich nicht mehr, es ist mir nur, als ob ich schwände, nichts mehr wirklich von mir da wäre, außer ein seltsames Nebelbild.
Donnerstag 21ten
Daniella und die Kinder immer des Morgens mit R. zum Brunnen, dann kehren sie [zu] mir zurück, um mit mir zu arbeiten. - Besuch eines unserer liebenswürdigsten Patrone, Graf Pourtales.[7] Gespräch über die Deutschen; die national-liberale Partei, welche Bismarck Schwierigkeiten macht!... Es ist mit den Deutschen gar schwer, vorwärts zu kommen! - Abends kommt Herr Heckel, R. glaubt, um ihm Bericht zu erstatten, Vorschläge zu machen; doch nein! Nichts geschieht, und ohnmächtig sich fühlend wird die Partei nun untätig. R. sehr niedergeschlagen.
Freitag 22ten Sonnabend 23ten
R. überläßt mir Herrn Heckel, da er seine Antwort an den König entwerfen will. Ich gehe mit dem Freund spazieren, und nebst manchem Unerquicklichen muß mir der Gute melden, daß die Neue Freie Presse nun anzeigt, daß sie Briefe an eine Putzmacherin[8] von R. aufgekauft hat und dieselben nun herausgeben und kommentieren will. Wenn R. nun davon spricht, nach Amerika auszuwandern, fehlt mir der Mut, ihm entgegen zu sprechen. Leider vollendet sich meine Abschrift des Parsifal, welche mir die reale Welt gänzlich verbannte. Besuch von Herrn Voltz; R. erklärt, keine Briefe von Herrn Batz mehr empfangen zu wollen.