November

Sonnabend 1ten
Heute strahlt der Himmel, und gestern mußten die armen Patrone im ärgsten Wetter das Theater besichtigen! Wir werden uns wohl an diese Schicksalssprüche gewöhnen müssen. Heute findet noch eine Sitzung der Delegierten statt, es wird ein einfacher Aufruf zur Subskription, von Dr. Stern[1] verfaßt, angenommen. Mittagessen mit Pr. N., Freund Heckel und Malwida, sehr heiter und hübsch; Nachmittag gehen wir zum Theater, welches sich herrlich darstellt. Abends dieselbe Gesellschaft mit Dr. Stern dazu; sehr heitere Laune R.'s, im Ernste spricht er dann über die deutsche Sprache, ihre aufgehaltene Entwickelung, die großen Geister, sich nach fremden Mustern umsehend - »ist es möglich, noch jetzt auf den Quell zurück zu gehen? des Reichtums der Flexionen sich wieder zu besinnen u.s.w.«. Freund Nietzsche teilt uns allerlei Trauriges über des vortrefflichen Fritzsch's Lage, seine Gesundheit und sein Geschäft [mit]. Auch teilt der Freund mit, daß er seitens der Internationale gepeinigt würde, eine Frau Nilsson, Freundin von Mazzini, hat sich ihm angezeigt als Dienerin des Dionysus-Kultus, sie will auch Fritzsch Geld vorschießen und womöglich dessen Geschäft an sich ziehen. Unser Freund über die Seltsamkeit in großer Aufregung! Er hat die zudringliche Frau zur Türe gewiesen, diese habe gedroht u.s.w. - Unserem Kieler Pr. Rohde ist angezeigt worden, daß er niemals ordentlicher Pr. würde. Seltsame Lage.
Sonntag 2ten
Allerseelentag! Ich gehe zu Beichte und Abendmahl -der Dekan teilt es aus. Gemeinsamkeit mit allen, den Abgeschiedenen, den Geschiedenen, den Verschiedenen; mit denen die ich kränkte, mit denen die mich kränkten, mit den Niedrigen und Hohen - alles nur Leiden, jede Bosheit ein ärgstes Leiden; am Altar einzige Gemeinsamkeit mit dem Volke, Sorge, Kummer, in Reue und Andacht sich verlierend, nicht nur kein Zweifel, sondern kein Gedanke möglich in dieser Wahrhaftigkeit des Glaubens - o könnte diese Stimmung andauern, doch daß sie möglich ist, ein hehrster Segen! Keiner ist ausgeschlossen, nicht der welcher gestorben, nicht der welcher draußen ist, die Sünde, so tief erkannt, quält nicht, sondern verschwebt im Gebet der Reue; unausgesprochene Liebe waltet, und meine Seele begrüßt die ernsten gefurchten Bauernantlitze, das bist du, und alles bist du, alles zum Leib geboren, zum Heil erkoren; ewige Ruhe, kein Wunsch ist wach, keine Sorge sehrt, kein Leiden kränkt, keine Sünde quält, in allen Tiefen ist Ruh, keine Regung spurest du, und nun ruhst du auch! - Ich glaube nicht, daß ein Wunsch hier ausgesprochen wird, daß die Mutter die Erhaltung ihres kranken Kindes von Gott erfleht, denn alles wird dahingenommen oder nichts bedacht, alles ist Schein und Trug und fällt als solches zusammen. - Abschied von Freund Nietzsche, der uns tiefe Sorge einflößt. - Ich bin sehr ermüdet den ganzen Tag und kann, trotz herrlichem Wetter, nicht ausgehen. Boni auch leidend, leistet mir Gesellschaft, angenehmer Eindruck von dem gesetzten Wesen dieses Kindes, dessen Kraft und Harmonie in der Zurückhaltung liegt. In »Luther« gelesen.
Montag 3ten
R. hatte einen Brief von Bon Erlanger, welcher sich bereit erklärt, nach Kräften das Unternehmen zu fördern. R. schreibt an den König, ihn abermals um die Garantie angehend und ihm seinen Besuch in München für den 15ten anmeldend. - In das Haus, welches vorwärtsgeht, ich im Treibhause, bis der Mondschein die Blätter bescheint. Abends mit R. geplaudert, da Malwida nicht kommt.
Dienstag 4ten
Herrliches Wetter, das ich aber mit Tapezierer Vornahmen verbringe. R. schreibt doch eine Seite an seiner Partitur. Nachmittags im Garten, abends »Luther«. Mit der Monarchie in Frankreich scheint es vorbei zu sein, nachdem Graf Chambord[2] sehr schicklich den Franzosen gezeigt hat, daß sie selbst nicht mehr wüßten, wie man mit einem legitimen Fürsten umzugehen hat! Schwere Gedanken meinerseits bezüglich des Hauses - R. immer zu Anschaffungen geneigt, ich beständig besorgt. - Boni immer unwohl.
Mittwoch 5ten
Völliger Frühling, Spaziergang mit den Kindern im Garten. Viel Hausnöte. Nachmittags Kasperl-Theater mit den Kindern, sehr fesselnd und interessant. Beim Hinausgehen helles Leuchten des herrlichen Mondes, schöner städtischer Eindruck, Freude, in der kleinen Stadt zu sein; der oberfränkische Dialekt des Puppenspiels machte mir viel Vergnügen, es entstand ein großes Leben dadurch. - Bei Tisch erzählte uns R. einen wehmütigen Traum, er sah Schnorr wieder, welcher in einer Gluck'schen Oper sang, wußte aber dabei, daß er gestorben sei, und über das Erstaunen und das Sinnen über die Unmöglichkeit sei er aufgewacht. - »Wie schön bist du«, habe er zu ihm gesagt, »du gleichst dem Apoll!« - Abends Luther zu großer Erbauung und Freude, das ist deutsch.
Donnerstag 6ten
Den Morgen mit dem Maler Maurer aus Nürnberg zugebracht; hoffen Gutes gefördert zu haben. Nachmittags wiederum in Kasperl's Theater, mit R. und Malwida; rote Kissen auf unseren Stühlen, und Kasperl R. dankend! Bonichen leider immer unwohl - abends Luther; die geborgte Kutte, mit welcher er nach Augsburg reiste, gab R. das Lob der Armut ein für den Religionseiferer, es will ihm nicht gefallen, daß Bischof Reinkens die Bischofs-Apanage annimmt, das Volk glaubt und traut der Armut. - Fidi's Physiognomie, »ein völliges Wetterleuchten darauf«, sagt R.
Freitag 7ten
Fidi unwohl, Boni mit katarrhalischer Gelbsucht heimgesucht, dazu schönes Wetter, und allerlei trübe Gedanken! Hausbesorgungen gemacht, R. arbeitet, Briefe geschrieben (Herr Wesendonck entschuldigt sich), abends Luther; seine Schrift an den deutschen Adel, herrlich! R. sagt, »ich verstehe dieses Gebet«. - R. scheint es zu bereuen, mich nicht bewegt zu haben, nach Pest zu reisen.
Sonnabend 8ten
Traurige Auseinandersetzung mit R. in Folge meiner Nicht-Reise. Er hat eine Strophe an das Festcomite gedichtet. - Der von mir erfundene Hut, da ich die jetzigen Extravaganzen nicht zu tragen vermag, gefällt R. - Dr. Martin Perels,[3] Redakteur der Schaubühne, bietet Vorträge für Bayreuth über Gemütskrankheiten an!!! - Die Kinder unwohl. R. träumte, ich dirigiere die A dur Symphonie in einem Konzert, welchem Rachel, die er doch tot wußte, beiwohnte, er sollte darauf die 9te dirigieren, ich machte aber meine Sache so gut, daß er sich frug, ob er wohl darauf in das selbe Amt treten könne! - Abends Luther.
Sonntag 9ten
Zur Kirche mit Lusch, unseliges Predigen; ein trauriger Geist beherrscht die jetzige Theologie. So durchgekältet von innen und außen, daß ich gar nicht mehr ausgehn mag. Abends »Luther« - der Zug nach Worms - ganz wundervoll, unbegreiflich, daß noch Menschen Röm-linge blieben, »es gibt eben gute und schlechte Menschen«, sagt R. - Bei dem Ausspruch Luther's, er wisse kaum, ob er jetzt noch so fröhlichen Muts den Zug unternehmen würde, sagt R.: »Ja die Fröhlichkeit, die schwindet.«
Montag 10ten
Wir entsenden eine Strophe nach Pest. Ich wandere mit den Kindern nach dem Theater, das immer herrlicher sich ausnimmt! R. beschäftigt sich mit deutscher Grammatik (Ursprung des Wortes Demut, Dienen etc.), liest viel in Grimm, aus welchem er das Zitat von Lessing (beim Wort >denken<), das unser Herz lachen macht, findet: >Eine Frau, die sich mit dem Denken abgibt, sei wie ein Mann, der sich schminkt.< Abends bringt uns Malwida einen sehr angenehmen Russen, Fürsten Mestschersky, recht gebildet und lebhaft.
Dienstag 11ten
Winter ist da. R. arbeitet, ich bin in Häuslichkeiten so ziemlich vergraben. Spaziergang mit den Kindern; Fidi bleibt zu Hause; R. rät auf Backzähne. Wie er nachmittags beim Kaffee bei uns sitzt und selig für sich spielt, sagt R.: »So ungefähr, denke ich, war ich auch, Puppentheater schnipseln; in späteren Jahren war ich voller Romantik, durchlief die Gegend und hatte von früh auf die Sucht, Instrumente nachzumachen, die Geigen, wie sie mir schienen, flüsternd pfeifend usw.« Fidi sang frei aus sich, »so beginnt das Komponieren«, sagt R. - Abends Luther zu Worms; sein Gebet ergreift uns zu Tränen. Nachts ergreift mich ein bitteres Gefühl davon, daß ich nicht zum Jubiläum des Vaters hinreiste. Ich muß weinen über diese Scheidung.
Mittwoch 12ten
Sehr schönes Wetter, wenn auch kalt. Spaziergang mit den Kindern. Mittagessen mit Malwida. R. arbeitet. Der König läßt sagen, er könne R. nicht empfangen, ohne Weiteres von der Garantie zu sagen!... Abends Luther; herrlicher Brief an den Kurfürsten, wie er [die] Wartburg verläßt. - Macht des Glaubens! Herrlich findet R. auch, was Luther an Karlstadt (?)[4] schreibt über das Festhalten der traditionellen Gebräuche, >wirf das für andere nicht weg, woran du großgezogen worden bist und dich gestärkt hast, nun du, Gestärkter, es nicht brauchst. R. meint, der Pr. Overbeck hätte daran in seiner Broschüre anknüpfen können.
Donnerstag 13ten
Gedanken, Sorgen. Die Arbeit dieses Tages besteht für mich in einem Brief an den Erzbischof Hajnald, meine Eindrücke über das Fest*(* Dem Heft liegt ein Zeitungsausschnitt bei (vermutlich Weimarische Zeitung zwischen 11. und 13. November) über das Liszt-Jubiläum in Pest am 10. November 1873; danach wurde Franz Liszt vom Erzbischof Hajnald begleitet.) sowie über meine Nicht-Anwesenheit zusammenfassend. Spaziergang um Mittag. Das Haus eine Qual für R. - Abends durch Mißverständnis der Dekan und der Konsistorialrat, welche annehmen, das Kränzchen sei bei uns. R. hatte die Kopisten und nahm mit ihnen die Egmont-Ouvertüre und die Es dur[5] Symphonie durch. Wehmut darüber, daß so wenige diese Auffassungsweise kennen und danach gar keine Tradition sich bildet. Der Charakter der E.-Ouvertüre ist durchweg Aufgeregtheit des Akzentes, wobei man sich vor allem vor Jagen hüten muß; es muß alles singen, nur sehe man zu, daß man nicht einschlafe. Überall in der Musik muß man nach dem Gesang sehen, wo keiner zu finden ist, ist die Musik schlecht. Bei Kadenzen, formalistischen Phrasen kann man nicht schnell genug sein, u.s.w. R. bespricht mit dem Konsistorialrat die ursprüngliche Form der Choräle, wie viel schöner diese gewesen sei, welche Kraft des Glaubens die Menschen, die das sangen, darin ausdrückten, welcher Ansatz zu einer ganz volkstümlichen freien Kultur darin läge. Man habe nun das 1,2,3,4, den Militärmarsch hineingelegt und sie gänzlich trivialisiert. - Vom König erzählt der Dekan, er habe zwei Tage hintereinander sich für sich allein, im Opernhause, bis in die Nacht halb zwei, Ballett und französische Stücke spielen lassen.
Freitag 14ten
Verschiedene Schriftsendungen**(**Ein beiliegender Zeitungsausschnitt (undatiert, um den 13. November) schildert ein Pariser Konzert Pasdeloups mit der Tannhäuser-Ouvertüre; danach ein Höllenskandal, wie der Korrespondent berichtet: »Als ich meinen Nachbar wegen dieses sonderbaren Beginnens fragte, antwortete er mir: >Les sifflets sont pour le Prussien, les applaudissements sont pour le Compositeur.< (Das Pfeifen gilt dem Preußen, der Beifall dem Komponisten.)«, eine fr. Broschüre über R., also adressiert: ä R. Wagner Prussien son admirateur quand meme; und eine deutsche Broschüre »Sozialismus und Kunst«, welche R. bezeichnet als die letzte Erscheinung aristokratischer Kunst. - R. schreibt an Düffl., um zu wissen, ob denn die Garantie gewährt wird; Hoffmann kündigt seine Ankunft an, und nun muß man wissen, ob man bestellen darf. »Das Schlimme ist«, sagt R., »daß ich nicht wie Luther: >ein feste Burg ist unser Gott< singen kann, denn Gott kümmert sich wenig um die Kunst, sie ist ihm ganz gleich.« - Nachmittag zum Hause mit R. Abends geplaudert und aus dem 2ten Teil des »Faust« gelesen. Wundervoller Eindruck; Erschaffung des Homunculus, diese Kürze, und doch dieser Reichtum an Witz; man braucht sich dabei nichts zu erklären, der Vorgang fesselt so. Auch der Baccalaureus mit Mephisto, herrlich, alles so human. Greife und Sphinxe, Chiron lesen wir auch mit wahrhaftem Entzücktsein, wer wird je dieses Werk genügend kennen?...
Sonnabend 15
R. arbeitet sehr emsig, es ermüdet ihn aber, die gute kleine Dönhoff schickt einen Patronatsschein, sonst geht es sehr lau mit unserer Sache. Mit R. zum Haus; im Haus Tapeziererangelegenheiten. Abends in Luther wieder gelesen, die Predigten nach der Rückkehr von Wittenberg, wundervoll; alles von innen, nichts Revolutionäres wie die Franzosen, gewähren, bestehen lassen, kein Bilderstürmen, kein gewaltsames Abschaffen, sondern immer nur das Wort predigen! Er kann den Kurfürsten mehr schützen als dieser ihn! Unsäglich erhebend und ergreifend: Der wahre Volksheld.
Sonntag 16
Wir sprechen noch lange über den Eindruck der Predigten; wie anders die Reformatoren und Revolutionäre in Italien und Frankreich, wie anders Savonarola.[6] Das ist eben das deutsche Wesen. -Wie ich R. frug, wie er geschlafen, erwidert er: »Mit Sorgen! Mit Sorgen geh ich zu Bett, mit Sorgen stehe ich auf. Selbst hier mit meinen Leuten zu sprechen ist mir peinlich.« - Malwida zu Mittag nicht, aber zum Abend, es ist zu kalt (erster Schnee). Wir lesen für uns in »Luther« weiter. - R. will über den Ursprung des Namens Parcival sich klarwerden. Er suchte ihn in Griechenland, die Kelten (Germanen) zuerst mit den Griechen in Kontakt gekommen. - Lusch stellt mir Fragen in Bezug der Hölle, des Himmels, der Seele, ich antworte so gut ich kann, auf das Evangelium sie verweisend; R. sagt, daß ich die Seele an der Veränderlichkeit der Erscheinung ihr als das Unveränderliche bezeichnen kann. Im Bezug auf die Art, wie Kinder zur Welt kommen (ob Gott sie knete, aber in der Schule sagten die Mädchen, die Mütter seien immer dabei krank), fragt sie Malwida, ich bitte diese ihr zu sagen: Durch die Mütter wie die Tiere. - R. spricht von der Aktion von Rom durch die Beamten, welche römisches Recht einführten, Entnervung des kriegerischen Sinnes der Deutschen. Friedrich der Große kaum seinem Volke trauend, die Adligen zu Offizieren in seinem Testament empfehlend. - Abends spielt R. Klärchen's Hinscheiden aus Egmont. »Wie Erscheinungen prägen sich diese Sachen einem ein, ich weiß, als Knabe traf ich die Egmont-Musik bei meiner Schwester Luise in Leipzig, wie unauslöschlich war der Eindruck, es begleiteten mich seither gerade diese Töne von Klärchen's Tod.« - Von der fr. Broschüre sagt R., es sei ihm nicht möglich, derlei zu lesen, und ich mußte zugeben, daß bei Richtigkeit des Gefühles der Franzosen Urteil zu konfus und ungebildet sei, sie sagen Meyerbeer und Beethoven, Wagner und V. Hugo. Die Italiener noch ärger, Dante und Rossini ist für sie eins.
Montag 17ten
R. arbeitet fleißig, er instrumentiert jetzt die Scene von Waltraute und Brünnhilde. Nach Tisch, wie wir lachend von dem Spiel der Kinder sagen: Diese Töne, wie zerreißen sie mein Ohr, kommen wir auf die Jungfrau v. Orleans zu sprechen, »prachtvoll«, sagt R., »hat Schiller das Problem hingestellt, aber es ist eben nur hingestellt, man glaubt an die Liebe zu Lionel nicht«. R. gibt mir recht, wie ich sage, daß er, Schiller, vielleicht lieber, gleich R. in Tristan und Isolde, hätte erzählen lassen sollen (er blickte mir in die Augen, das Schwert ich ließ es sinken u.s.w.), ihre Begegnung mit dem Briten. R. meint, ja, einige Soldaten sollten die Bemerkung machen, sie sei nicht mehr wie sonst, da, in dieser Begegnung, habe ihr wilder Mut plötzlich sich gebrochen, sie hört es und erkennt, daß das Gelübde gebrochen sei und ihre Stärke die Keuschheit gebrochen. -»Es lag eben nichts vor«, sagt R., »und da sieht man, was der lebendige Mythus ist und wie man ihn nicht verlassen kann, ohne leblos zu werden; Lionel ist in der Geschichte der Jungfrau nicht da. Ophelia aber ist in der Sage, von einem Mädchen soll er erforscht werden, nun denkt sich Shakespeare dieses Mädchen. Auch wäre das Verhältnis von Siegfried zu Brünnhilde nie zu erfinden gewesen; die Sage oder die Geschichte muß die Züge angeben, der Dichter sieht dann die Figuren.« - Von Fidi sagt R.: »Das ist eine Glorie. Der führt es durch, er ist der Dritte im Bund. Sonst habe ich keinen.« R. besucht Feustel und kommt schweren Herzens heim. Dieser ist der Ansicht, man solle die Konferenz mit Brandt und Hoff mann absagen. R. ist dagegen, ohne allerdings zu wissen, woher Hilfe kommen soll; denn Wesendonck schweigt! Abends unser lieber Luther, dem auch kein Kelch erspart blieb!...
Dienstag 18ten
R. entwirft den Plan einer Reise nach München, um Rat Düfflipp zu sprechen, da dieser schweigt. Die Arbeit fällt bei der beständigen Präokkupation R. sehr schwer. Unterbrechung durch Maler Maurer aus Nürnberg- ich bin in allem Bestellen zaghaft und befürchte, daß hier auch über die Kräfte hinausgegangen wird. Ich wüßte keine Entbehrung, die mir nicht leichter zu tragen wäre als diese Sorge!... Zum Glück treten immer die geistigen Interessen dazwischen und zerstreuen augenblicklich von den Sorgen. So - da ich mit Daniella die Geschichte der Kreuzzüge lese - sprach ich mit R. von der Geschichte des 90jährigen lateinischen Reiches in Constantinopel und bat ihn, an Villehardouin[7] für seine Bibliothek zu denken, er geht darauf ein und spricht von der großen Bedeutung dieser Geschichte, meinend, da ist die Vermählung von Faust und Helena geschehen. Wir sprechen dann von Ludwig IX. von Frankreich, seiner Größe und seiner Beschränktheit, »ja«, sagt R., »das ist die produktive liebenswürdige Periode von Frankreich. Voller Eigenschaften, die sie als liebenswürdig erscheinen lassen, sind sie, es fehlt ihnen aber die Besonnenheit, das Maß; der Leichtsinn begleitet alle ihre Tugenden«. Gestern kam ein neues Modebild an, und wir erschraken über die Unanständigkeit desselben. - Als sei die ganze Frau nur von hinten anzusehen, wenn man ihr nachsieht! Großer Ekel vor dem Volke, das das erfindet, und Scham für das Volk, welches dies nachahmt. - Abends Luther's Heirat, sehr schön; R. kommt immer wieder auf die Idee seines Lustspiels zurück. Man muß die Dürer'schen Frauen (in Bamberg) gesehen haben, um diese Ehen zu verstehen. Da ist allerdings nichts von der verzehrenden Liebe, welche den Mann auffrißt, wie Tristan, wie [in] »Antonius und Cleopatra«, in welch letzterem noch dazu die Erkenntnis ist, daß das Weib ein schlechtes ist. Diese Liebe ist es, die Brünnhilde verherrlicht, und es war sehr merkwürdig, daß ich inmitten der Nibelungen-Arbeit das Bedürfnis hatte, dieses Eine, das in dem großen Gedicht nicht erschöpft werden konnte, bis zum äußersten darzustellen, und Tristan entwarf. Alles unbewußt, nur immer getrieben. Bei den Rheintöchtern ist die Liebe nur ein Naturergebnis, und dazu kehrt es am Schluß zurück, nachdem es aber durch Brünnhilde zur Weltvernichtung, Welterlösung geworden ist. -Wiederum auch von der Jungfrau von Orleans gesprochen: das Grauen vor ihrer alles weibliche Maß übersteigenden Tätigkeit müßte sie ankommen, ausgesprochen werden, vor der Begegnung mit Lionel, und hier ist auch zu viel dem Spiel der größten Tragödin anheimgestellt, und die Erscheinung des Lionel muß zu erhaben sein — es ist dem Zufall zu viel überlassen. - Dies ungefähr unser Gespräch; darauf R. aus dem Egmont spielt und darauf die Scenen von Klärchen's Not und Tod mir vorliest; wer wird das je hören, wie er es liest: »Ich wandle schon in seligen Gefilden«, so einfach und herzzerreißend! - Brackenburg's Monolog hilft uns über unsere Tränen hinweg, wir lächeln und können wieder über die Dichtung sprechen. Malwida kam nicht, was mich betrübt und mich befürchten läßt, daß sie uns - der Gesundheit wegen - bald verlassen muß.
Mittwoch 19ten
R. arbeitet, ich bin viel mit den Kindern. Traum von Hans, wehmütig. Mit R., Gedenken früherer schwerer Zeiten, vor fünf Jahren nun kam ich zu ihm. Er behauptet, ich hätte den anderen Morgen zu ihm gesagt: »Nun gehe an den Siegfried.« - Er geht zu Herrn Feustel und stellt seine Abreise für morgen fest! Lediglich um zu zeigen, daß er keine Unruhe scheut - ohne jegliche Hoffnung! — Abends in »Luther« gelesen, den ersten Band von Meurer beendigt. Wir lesen das Kapitel Katharina von Bora in dem jesuitischen »Leben Luther's« von Audin[8] nach und erschrecken über diese Gemeinheit und diese Nichtswürdigkeit. Aus Schandliedern und Bildern entnimmt [er] das Urteil über dieses so einfache schlichte Verhältnis - wie wenn man später R.'s Leben aus gleichzeitigen Zeitungsnotizen schreiben wollte.
Donnerstag 20ten
R. am Morgen um elf Uhr fort mit Herrn Feustel samt Frau! - Gottes Segen mit ihm - Leere und Öde zu Haus. Um ein Uhr an R. geschrieben. Den Abend mit Malwida zugebracht, Köppen's Geschichte des Buddhismus[9] begonnen. Tiefer Eindruck, Definition des Brahma!... Abends noch an R. geschrieben.
Freitag 21ten
Lauter häusliche Sorgen, dazu zwei Depeschen; beiliegend.*(*Nicht vorhanden.) Malwida zu Tisch, viel mit ihr gesprochen über die Kinder. Ob mein Wunsch, daß die eine entsagungsvoll dem Vater sich widme, in Erfüllung gehn wird? Ich bezweifle es. Sie werden wohl meinen Lehren nicht glauben, die eigenen Irrungen durchmachen und die Seligkeit nicht darin suchen, mit Begeisterung das Kreuz auf die Schulter zu nehmen - es zu wählen. Wie traurig macht mich das, nichts wird meine Erfahrung ihnen ersparen können. Abends mit den Kindern, später bei Malwida in Koppen vorgelesen.
Sonnabend 22ten
R. ist unterwegs - schlimmes Wetter; ich arbeite im Haus, räume, um nicht bei der Übersiedelung zu viel zu tun zu haben; dabei die Erklärung der Vedantas beständig im Sinne; seltsam, daß diese Lehre des sich von sich selbst entfernenden und zu sich zurückkehrenden Brahmas mich so ergreift; selbst die Kasteneinteilung verstehe ich, tiefe Erkenntnis der Welt spricht sich darin aus. Einzig über der Legende des Buddha steht die Legende von Christus, weil hier alles Handlung des Herzens ist, die Krippe, das Mahl, das Kreuz - Buddha ergreift nicht, er lehrt, Christus lehrt dadurch, daß er uns ergreift. R. um 3 Uhr zurück, ich empfange ihn mit Fidi. Er ist froh, wieder da zu sein - sagt, wie er München wiedergesehen und gedacht, ich habe dort gelebt, sei ich ihm vorgekommen wie Giordano Bruno unter den Pfaffen! - Er hat Hoffnung auf des Königs Entschluß durch Rat Düfflipp, welcher ihn zärtlichst empfangen, erhalten. Vom König selbst aber erschreckliche Nachrichten; jeden Tag habe er einen Einfall, der ihm kaum ausgeredet sei, als er wieder darauf zurückkommt. Er ginge gar nicht mehr an die Luft, speise zu Mittag um 7 Uhr, ließe in einer kleinen Stube 60 Kerzen anzünden, bleibe darin, um um 11 Uhr wieder zu speisen, um 2 Uhr nachts zu Bett zu gehen, nicht schlafen könnend zu medizinieren! Er sähe niemanden als den Stallmeister, dieser habe einen Verweis an den Adjutanten Grafen Hohenstein überbracht - worüber dieser seine Entlassung genommen!... - Sorgen auf Sorgen. Ich kann kein Auge schließen. Abends lese ich R. eine seltsame Beschreibung des Pester Festes, Comtessen, Zigeuner, Journalisten, Erzbischof, dazu der Vater immer sich gleich, unvergleichlich, Aufführung des »Christus«, rein persönlicher Enthusiasmus. Nachher lange mit R. über die Inder gesprochen, Verhältnis der Sankhja-Philosophie[10] zu den Vedanta (letzteres Religion, ersteres eben Philosophie). - Wie ich gar nicht schlafen kann, erwacht auch R. plötzlich, erzählt, er habe von mir geträumt, ich habe Fidi einen Verweis gegeben, weil er mal wieder sein Fleisch habe geben wollen, worüber R. selbst mir Vorwürfe machte! »Ein Blick von dir«, sagt mir R., »belehrt einen über die Scheindinge.« —
Sonntag 23ten
Wehmütiger Morgen, ich suche R. zu überreden, unsere Hauseinrichtung nicht durch Aufnahme von Geldern zu beschleunigen. - Er nimmt dies nicht gut auf, findet mich ängstlich. Ich muß weinen, da mir gar kein Wunsch mehr eigen ist und ich nur Sorge um Katastrophen, die ich von überall hereinbrechen sehe, hege. Ich suche mich schnell zu fassen und hoffe, keiner Wehmut mehr den Ausdruck zu geben. Malwida's Leiden betrübt uns auch. Die Kinder (Daniella und Blandine) spielen mit Puppentheater*(* Beigelegt handschriftlicher Theaterzettel: »Sonntag, am 23. November, zum 1. Mal: Das geraubte Mädchen, oder: Auf Regen folgt Sonnenschein. Schauspiel in 6 Aufzügen, Anfang präzis 4 Uhr, Ende gegen 6«.), Boni überraschend durch Witz und Ruhe, Daniella, aufgeregt, leitet das Ganze. R. spielt Ouvertüre und Zwischenakts-Musik. Abends liest R. die kleine Skizze der »Sieger«[11] uns vor. - Wie herrlich. Ich hoffe zu Gott, der mich beschirmt, daß er auch dieses Werk schaffen wird - Gott wird mich erhören, und ich will, ich möchte ihn zwingen durch das Gebet der Tat!... In Burnouf die »Ursprüngliche Legende« gelesen. R. sagt, mit dem 70. Jahre schreibt er Parcival, mit dem 80. die Sieger, ich sage mit 65 und 70. Er sagt, wenn ich ihn mit meinem Kleinmut nicht hemme und ihn rasch das Haus fertig machen lasse, wir lachen; ich immer mit zurück gedrängten Tränen. Über die pedantische Ausarbeitung der Inder, ihre Einteilungen, Kreise u.s.w., es sieht pedantisch aus, und betrachtet man es näher, so ist es immer tief sinnig wie z. B., daß aus der Ehe des Cudra mit einer Brahmanin die Tschandala entstehen, der schlechte Samen in edlem Boden bringt Entsetzliches hervor. Die Griechen haben auch diese Pedanterie, wie mir scheint, gehabt, sie ist wie die Arithmetik der Musik; das Christentum, die Mystiker kennen das nicht in diesem Grad. Es ist, als ob diese Hülfe notwendig sei, gleichsam des Tauchers Apparat, um in die Tiefe zu kommen. - R. kommt auf den Einfall, daß die von den Brahmanen überwältigten Kschatrijas die Germanen seien - die kriegerische Kaste.
Montag 24ten
R. träumte vom Pfad, der immer enger wird, »schon gut«, habe er sich beim Erwachen gesagt, »diesen kenn ich schon, habe ihn einige Male schon geträumt«. Er ist nicht ganz wohl und will nicht ausgehen. Ich beginne die Weihnachtswanderungen, freundliches Mittagessen mit den Kindern. Abends mit Malwida in »Luther's Leben« gelesen; der Sakramentsstreit, wie wichtig und bedeutend Luther's Entscheidung; wie unreligiös Zwingli,[12] gerade an diesen Punkt zu rühren, über welchen kaum zu sprechen ist; die Schrift, das war der Halt und Haft Luther's -jetzt, wo der Rationalismus so überhand genommen hat, begreift man ihn kaum, und doch war seine Entscheidung so wichtig.
Dienstag 25ten
Mit R. wieder über die Inder gesprochen. Die Konzeption der skandinavischen Mythologie, einer neuen Erstehung der Welt nach der Götterdämmerung, am Ende ein wilder Sprößling von der indischen Religion. Die Regelung aller Handlungen durch Riten - wirkliche Religion und Ausscheidung des menschlichen Lebens vom tierischen. Natürlicher Hang der Deutschen zu Korporationen, welche die individuelle Freiheit beschränken. Noch einmal auf das Formelle zurückgekommen, wie der menschliche Geist der Schranke bedürfe. Ankunft meiner Büste, die macht R. Freude, er stellt sie über seinen Schreibtisch und singt: »Mir ist auf der Welt nichts lieber[13] als das Stübchen wo ich bin, denn mir stehet gegenüber meine schöne Nachbarin.« Abends gehen wir in das Dilettanten-Konzert; Egmont-Ouvertüre und R.'s Ouvertüre (vom Geburtstage), er lacht darüber, daß gerade, wie sie zum ersten Male aufgeführt wurde, sie mit der Egmont-Ouvertüre - welche noch seiner Mutter besser gefiel - zusammen auf das Programm kam. Abends lesen wir das Stück »Die Familie Posa« von Herrn von Meyernü...
Mittwoch 26ten
R. war gestern über den Musikdirektor Zumpe sehr erschrocken, er hatte mit ihm die Egmont-Ouvertüre und die Mozart'sche Symphonie vorgenommen, und nichts hatte sich der gute Mann gemerkt, oder alles übertrieben; »ich werde wieder etwas sagen über Tempi«, sagt R., fragt sich, ob er etwa in der Jugend so gewesen wäre, so roh und unaufmerksam. - Er arbeitet, ich gehe zu Malwida, und da sie sich elend in ihrer Behausung fühlt, bitte ich sie dringend, zu uns zu ziehen, was mir, da sie es endlich annimmt, einiges im Haus einzurichten gibt. Besuch des Dekans, er spricht sehr schön über das Elend der jetzigen protestantischen Kirche, die Geistlichen könnten sich nicht darin ergeben, Pastoren zu sein und nicht mehr Beamte, er suche vergebens ihnen zu beweisen, daß ihr Einfluß über Kinder, Arme und Leidende ihnen nie benommen werden könnte, sie schimpften auf Preußen und Bismarck und rechneten auf den »lieben Gott, der noch das Regiment führe und drein hauen könne!« Eine Reform in der Kirche wäre das einzige, was uns helfen könnte, und diese kann nicht kommen, weil durch unser Verschulden das Volk ganz indifferent geworden sei. - Der Dekan spricht mit Besorgnis von dem König. Ach! Überall Sorgen. -R. liest jetzt des Morgens in Freytag's »Bilder aus der Vorzeit«[14] und ist sehr zufrieden mit dieser leichten Lektüre; er erzählt uns Züge aus dem Leben und der Kultur der alten Deutschen, die sehr fesseln. »Schade, daß alles verschwunden sei - vielleicht ist Moltke noch der letzte Repräsentant dieses deutschen Wesens.«
Donnerstag 27ten
Üble Nacht - ich glaube in Folge der Einrichtungs-Beschwerden, die heute noch für mich sind - Freude an dem Einzug unsrer Freundin. R. arbeitet. Wie gestern der Dekan von meinem Bilde (Büste)*(*<) Eingefügt) sprach, spielte R. das Thema von Brünnhilde (bei ihrem Erscheinen mit Siegfried in dem Vorspiel zur Götterdämmerung), das sei der Ausdruck dieses Gesichtes. - Wir nehmen abends Freund Martin wieder vor, lesen seine Ablehnung des Mainzer Bündnisses mit wahrer Bewunderung. - R. ging heute mit Fidi spazieren, dieser erzählt: Papa habe ihm gesagt, er würde Trommeln an den Füßen bekommen, wenn er einst reiten würde. R. empfing unsre Freundin mit: »In diesen heiligen Hallen kennt man die Rache nicht«, was uns sehr erheiterte. Die im Konzert aufgeführte Symphonie ließ uns viel wiederum über Mozart sprechen, die göttliche Anmut seiner Themen und der schreckliche Formalismus ihrer zuweiligen Durchführung.
Freitag 28ten
R. träumte von Rus, überfahren lag er wie schattenhaft da, gestorben, regte sich aber wieder unter R.'s Liebkosungen, ob er wohl zu erwecken sein würde durch Liebe? R. beordert eine Tragbahre, es wird eine Chaise herbeigeführt, welche aber von Frauen besetzt ist, R. wütend, will sie hinauswerfen, da hört er den Trab eines Pferdes und Wagen-rollen — der Ofen war's, der wuwerte, er wachte auf. - R. arbeitet; erstes Mittagessen mit unserer Freundin. Trübes Wetter; um 3 Uhr Ankunft des Maschinisten und Malers, letzterer hat in Passau seine Skizzen - die Hauptsache! - liegen lassen. Verdrießlicher Zufall, dazu übles Wetter. Abendunterhaltung: Möglichkeit, den Termin des Jahres 75 einzuhalten! Eigentümliche Obstination von Maler Hoff mann, wir fragen uns: Ist er sehr bedeutend, oder einfach Faseler? ... Die Skizzen werden uns erwidern.
Sonnabend 29ten
Die Skizzen kommen erst um 3 Uhr nach, so sind zwei Tage verloren durch Ungeschicktheit. Brandt und Hoff mann sehen das Theater an und finden es gut und schön. Brandt erzählt von Semper in Wien, daß er Brandt gefragt hätte, ob sie nicht den mystischen Raum in dem neuen Hofburgtheater anbringen könnten? Mich ärgert es, daß die Leute so zerfetzt R.'s geniale Gedanken einführen, wirken können sie doch nur im Zusammenhang. - Nachmittags die Skizzen angesehen -schöner mächtiger Eindruck, einzig bedenklich die Hintansetzung der dramatischen Intentionen, einer landschaftlichen Detailführung zulieb. In Hunding's Haus, vor allem in Gunther's Hof, das sehr sinnig ausgeschmückt, doch viel zu prachtvoll ist, tritt dies besonders störend entgegen. Schwieriger Stand, den R. dabei hat. — Doch ist Herr Hoffmann ein ernster Mann und, glaube ich, wird er sich trotz großer Obstination in R.'s Ideen doch fügen. Den Abend mit Brandt und Hoffmann zusammen verbracht. Die Halle Gunther's wird der Gegenstand heftiger Debatten, R. will keine Pracht und erklärt, wie er sich von solchen Gegenständen wie Lohengrin, Tannhäuser entfernt habe, um der äußeren Pracht ganz zu entbehren und den Menschen ohne jede konventionelle Zutat vorzuführen. - R. ist abends sehr müde. In Berlin haben sie die Meistersinger neu einstudiert und, wie es scheint, mit ungeheurem Beifall aufgeführt.
Sonntag 30ten
Noch einmal bei Tag die Skizzen gesehen. Wirklich schöner Eindruck; das Walhall ganz vollständig schön erfunden. Die Skizze zu dem Weckrufe der Wala ganz wunderschön. Mittagessen mit dem Bürgermeister und dem Maler, welcher letzterer sich als gebildeter Mann erweist, der sich, wie es scheint, der Wiener Seichtigkeit gegenüber steif und pedantisch herausgebildet hat. Er scheint aber großen Respekt vor R. zu haben, und ich glaube, daß ein Verständnis möglich sein wird. Die große Frage ist nur, wie werden die Mittel herbeigeschafft werden? ... In den Zeitungen heißt es, das Theater habe sich gesenkt, und der häßlichen Lügen mehr - dabei kommen aber immer rührende Zeugnisse der Teilnahme zum Vorschein, vereinzelt freilich, doch innig und mächtig. Des Abends ruhig mit R. und Malwida verplaudert.