Montag 1ten
Fidi zu Bett, seines Geschwüres wegen. Arbeit mit den Kindern, Vorkehrungen zu Lusch's Geburtstag. R. arbeitet; er meint abends, der Parsifal sei ein reiner Unsinn inmitten der Interessen unserer Tage!... Er leidet an seinem Fuß. Abends Herodot wieder vorgenommen.
Dienstag 2ten
Arbeit mit den Kindern. Fidi noch zu Bett. R. versucht einen längeren Spaziergang, befindet sich aber darauf nicht wohl, sein Fuß schmerzt ihn. Er sagt mir aber: Melle Condrie macht mir zu schaffen; ein Zeichen, daß seine Arbeit ihn beständig beschäftigt. Abends Herodot gelesen.
Mittwoch 3ten
Böser Tag für mich, Auslöhnung, allerlei Häusliches und Kindliches, wovon der Erfolg gar böse Kopfschmerzen sind. - Abends begnüge ich mich mit R., den »Barbier von Sevilla« von Beaumarchais [zu lesen].
Donnerstag 4ten
Wiederum ganz wohl und mutig, R. sagt, er habe mit der laide demoiselle zu schaffen. Abends Dr Strecker. Großer Kampf, er will das Idyll haben und die Dichtung des Parsifal zur Tilgung der Schuld. Ich biete Jugendwerke von R. an!...
Freitag 5
Morgendliche Unterhandlung mit Dr Strecker! O wäre diese Schuld nicht! Wahrscheinlich werde ich müssen das Idyll preisgeben, um frei zu werden! Tiefe Schwermut. R. in Korrespondenz mit der Schule. K. Klindworth kann nicht kommen. Wenig Aussichten. Doch R. arbeitet, und damit ist Sonnenschein durch das ganze Leben. Das übrige nenne ich den Kampf um's Nichtsein; diesen führen wir, uns die Gnade zu erwirken, nicht zu sein, in gewöhnlichem Sinn! - Er beschäftigt sich mit der »laide demoiselle«, wie Kundry in Chretien de Troyes[1] heißt.
Sonnabend 6ten
R. arbeitet, und ich überziehe das zweite Blatt. Abends Herodot. R. ärgert sich sehr über die Produktion der Sonate in As dur und der »Grenadiere«[2] in Berlin durch Herrn Tappert, er hält diese Kompositionen für seiner unwert und sagt, daß höchstens Fidi nach unserem Tode dies alles als »Kuriosum« wird herausgeben. Jetzt aber sei die Bekanntmachung ihm widerwärtig. So wird denn wohl das arme »Idyll« geopfert werden müssen!
Sonntag 7ten
Vielerlei Geschäftliches am Morgen; R. arbeitet, er sagt mir: »Ja die Tonarten, daß man sich ja hüte, nicht zu bunt zu werden!« — Um Mittag Ankunft Isolden's!... Abends geht alles früh zur Ruh. Ich bin etwas angegriffen, wir lesen nicht, besprechen mancherlei und mancher-mann, und R. beschließt das Gespräch mit den Worten: »Ich hafte einzig an dem Größten, was mit mir vorgegangen, alles übrige ist mir einerlei, aber auch alles, Mann wie Weib.«
Montag 8ten
Viel Orthopädie; R. aber nicht zur Arbeit gestimmt! Er beginnt für den Druck eine Kopie des Parsifal!... Nicht gar gute Nachrichten wegen der Schule; Herr Hey macht gar große Forderungen! Die Druckschriften gehen hinaus in die Welt, bis jetzt kamen keine Anmeldungen; R. lacht und sagt: »Wenn meine Schule nicht zu Stande kommt, eine schöne Blamage für mich.« - Abends spielt er mir ein herrliches Thema zu einer Symphonie und sagt, er habe so viele solcher Themen, jeden Augenblick fiele ihm etwas ein, er könne alles das Wohlige aber nicht für Parsifal gebrauchen. Unsäglich lieb und gut ist er gegen mich! Mir kommt dabei einzig in den Sinn: Für dich möchte[3] ich in den Tod gehen.
Dienstag 9ten
R. arbeitet und sagt mir abends, ich sollte ihm gratulieren, denn er habe gefunden, wonach er gesucht. - Ernste orthopädische Übungen unter meiner Aufsicht. R. schreibt »Parsifal« für den Druck ab; er ersucht den Bürgermeisters-Sohn hier, einen angehenden Literaturprofessor,[4] die Kopie zu übernehmen, dieser hatte der Vorlesung beigewohnt, und R. nahm an, daß diese Arbeit ihn freuen würde; seltsames Zögern, er hat sein Dr.-Examen zu bestehen etc.! R. nimmt gleich seine Anfrage zurück, Befragen, was er denn eigentlich nur es wieder zu dozieren [ ]*(* [ ] Satz unvollständig.). Wie er fort ist, lachen wir, R. und ich, bemerkend, daß der Vater (der Bürgermeister) doch ein ganz anderes Wesen, »ja«, sagt R. »bei uns, wenn so [ein] Kegeljunge es zu etwas bringt, dann bringt vor lauter Glück und Übermut [er] solch einen Sohn zu Stand!« Gar viel Lachen darüber (der Bürgermeister hat sich nämlich als Kegeljunge sein Studiengeld erworben). Daran anknüpfend sage ich zu R., wie ich von je die großherzige Naivität bewundert habe, mit welcher er angenommen habe, daß diejenigen, welche es könnten, ihm gern behülflich seien; während ich die gewöhnliche Engherzigkeit empfinde, niemand gern verpflichtet sein zu wollen. Wir sprechen dabei von den Bettlern der Hindus, welche dazu werden, um andren die Wohltat zu gewähren, wohl zu tun. - Freilich ist diese Art zu empfinden, welche so oft gekränkt wird, wohl von den gewöhnlichen ehrlosen Bittgesuchen zu unterscheiden. - Nachricht von E. Devrient's Tod, R.: Ein falscher Zahn ist mir herausgefallen.
Mittwoch 10ten
Beim Frühstück sagt mir R.: »Wenn du das nächste Blatt bekommen wirst, wirst du sehen, daß ich viele Not damit gehabt; ich wollte einen 3 Takt etwas gedehnt haben für Amfortas' Zug, um*(* In der Handschrift »und«) nun die Rede Gurnemanz' dahinein passend**(** In der Handschrift »passen«) zu machen. Kein künstlicher Einfall kann einem da helfen, denn es muß klingen, als ob es so sein müßte. Jetzt aber habe ich es gefunden.« - Ich erinnere R. daran, daß wir vor 24 Jahren zum ersten Male uns gesehen haben. Am Nachmittag schreibt R. an seiner Kopie, und abends plaudern wir mit unserem angenehm gebildeten und unterrichteten Freund, das Gespräch führt uns auf die Nibelungen von Geibel und Hebbel, R. liest einiges daraus vor, und unter großer Hilarität können wir uns kaum darüber beruhigen, daß derlei Produkte nicht mit Hohn und Schmach von der deutschen Literatur zurückgewiesen werden.
Donnerstag 11
ten Arbeit mit den Kindern; R. bei Parsif al; ich mache einen langen Spaziergang mit Herrn v. Wolzogen in Wohnungsangelegenheiten. Abends liest R. den Runenberg[5] vor, der uns schön umspinnt und von welchem R. sagt, daß er in seiner Jugend ihm einen gewaltigen Eindruck gemacht.
Freitag 12ten
Lusch's Geburtstag; allerlei - die Gabe für mich ist die Nachricht, daß Hans sich wohler befindet! R. arbeitet, abends Musizieren, er spielt mit Lusch die Coriolan-Ouvertüre, dann spielt er uns das Vorspiel zu Parsifal. (Pr. Hey macht große Forderungen, München immer zweideutig.)
Sonnabend 13ten
Immer gleiches Leben, R. nur durch seinen Fuß gepeinigt, er kann nicht weit gehen. Ich erhalte ein Schreiben des Benediktiner-Paters, welcher Isolde getauft hat, nun zum Altkatholizismus übergegangen ist (Pfarrer in Thiengen geworden)*(* (Eingefügt) und diesen verläßt, um zu heiraten. Rührende Erinnerungen!... Freund Nietzsche schickt ein hübsches Manuskript eines Dr. Eiser[6] aus Frankfurt; meldet aber Schlimmes von seiner Gesundheit.
Sonntag 14ten
Tag, einzig unseren Gefühlen geweiht!... Spazierfahrt nach Eremitage. Abends »Das laute Geheimnis« von Calderon. Herrliches Wetter.
Montag 15ten
R. arbeitet; gestern abends zeigte er mir in seiner Westentasche eine Karte, auf welcher er ein Thema aufgeschrieben. - Nachmittags Spaziergang, R. klagt aber sehr über seinen Fuß und besonders die große Zehe. Abends Besuch von Pr. Bernays. R. erhielt einen Brief vom Pr. Hey mit eingehender Aufzeichnung seiner Ausgaben; R. zeigte uns die wunderliche Art, wie dies aufgesetzt, und sagt, er habe zuerst geglaubt, der Schreiber habe ein Gedicht auf ihn gemacht! Viel Lachen, da die Aufzählung keine geringe ist; es handelt sich nun darum, wird man sie ihm gewähren können?... Viel über Parsifal mit Pr. B. gesprochen; über Wolfram[7] und Gottfried, R. meint, die Einleitungen der beiden Gedichte (Blancheflour & Rivalin, Gamuret & Herzeleide) verhielten sich zum Gedicht wie die große Leonoren-Ouvertüre zum »Fidelio«.
Dienstag 16ten
Arbeit für R. und für mich. Erneuerter Besuch von Pr. Bernays. Viel von Goethe und Schiller, viele Xenien. Abends spielt uns R. das Vorspiel!... Bon Loen verlangt die Erlaubnis, Rheingold aufzuführen.
Mittwoch 17ten
Arbeit R.'s und mancherlei Besuch. Frau von Staff uns sehr wert. Pr. Bernays, abends liest R. »Parsifal« vor. Er ist aber müde und wäre gern mit mir wiederum allein. - Sehr trübe Nachrichten von der sehr schweren Erkrankung unseres Freundes Pusinelli.
Donnerstag 18ten
Lulu durfte gestern der Vorlesung des »Parsifal« beiwohnen; ich gedenke des Segens, welcher dadurch über das Kind herabkommt, und wünsche und hoffe, daß es fruchte!... Pr. Bernays speist mit uns; der Mittagstisch vergeht heiter gesprächig, so auch der Abend, da der wohlunterrichtete feurige wunderliche Mann R. wirklich zu verstehen scheint. Gar vieles, Literatur, Religion, Gesellschaft durchgesprochen, insbesondere das Theater, welches so »ordinär« geworden. R. spricht von seinem Stoff zu einer Komödie: Lessing und Friedrich der Große, General Tauentzien[8] in Breslau. Mißverständnis und Freude der zwei großen Männer bei so großem zu einander Gehören.
Freitag 19ten
Wiederum Arbeitsstille und Regelmäßigkeit. Ich entsende den ersten Akt von Parsifal dem kranken Freunde in Dresden. R. leidet sehr an seinem Fuß! Jeder Spaziergang fällt ihm schwer; heute zumal, wo die drei Hunde Jagd auf alles, Katzen, Kinder, Enten, Schafe, Hühner machen. - Abends lesen wir die von Herrn Glasenapp mit rührender Emsigkeit aufgefundenen Nekrologe von Ludwig Geyer und Adolph Wagner. - Vor 22 Jahren zum ersten Mal Tannhäuser-Ouvertüre gehört, überhaupt R.'s Werk für Orchester. Bestimmung meines Schicksals dadurch, Verlobung mit Hans und all das Freud und Leid, was zu Teil uns wurde!
Sonnabend 20ten
Einsetzung meines Bildes, »in Klingsor's Zauberwerkstatt die Kundry«, wie R. sagt. Er schreibt an der Abschrift für den Druck. Sehr bekümmert es mich, daß er durch sein Fußleiden daran verhindert wird, auszugehen, wessen er so sehr bedarf. Abends »Intermezzo« von Cervantes, »Die Plauderer« und »Der Gauner als Witwer«.
Sonntag 21ten
R. vollendet seine Abschrift. Er erhält den Brief eines Theaterdirektors in Melbourne, wonach dort im vorigen Monat Lohengrin auch seinen feierlichen Einzug gehalten hat. - Herrliches Herbstwetter, R. leider ohne Genuß davon. Abends Freund Groß, Besprechung des Blattes; es sind keine Anmeldungen für die Schule noch gekommen.
Montag 22ten
Vaters Geburtstag. - Brief von Freund Pohl mit Meldung, daß das Konzert in Baden einen großen künstlerischen, aber keinen finanziellen Erfolg gehabt. R. begibt sich wieder zur Arbeit. Nachmittags gehen wir wieder langsam, seines Fußes wegen, im Garten spazieren, eine junge Sängerin hält ihn an und meldet sich für die Schule, singt das Gebet der Elisabeth. R. schreibt mehrere Briefe, gewährt das Rheingold ohne Bedingungen dem Bon Loen. Abends zwei der korinthischen Reden von Demosthenes und aus dem Gedicht »Alexander« vom Pfaffen Lamprecht.[9] - (R. träumte von einem großen Zahn, den er sich auszog).
Dienstag 23ten
R. hatte wiederum eine üble Nacht; Unterleibsbeschwerden - er liest im Darwin (Descent of man), fühlt sich kalt. Ich kann nicht sagen, wie traurig mich dies macht, daß jetzt beim Beginn seiner großen Arbeit er durch körperliches Leiden so gehemmt wird. Doch arbeitet er am Morgen. Nachmittags schreibt er einen langen Brief an Dr. Eiser in Frankfurt, welcher einen eingehenden Bericht über den Gesundheitszustand unseres Freundes Nietzsche geschrieben hat; R. sagt: »Er wird (N.) auf den befreundeten Arzt eher hören als auf den arztenden Freund.« Abends liest uns Freund Wolzogen seine Vorrede zu den Bak-chen.
Mittwoch 24ten
R. hatte eine schlimme Nacht, ich treffe ihn an, Darwin lesend!... Einrichtungen im Haus; am Nachmittag fahre ich aus mit R.; allein das Wetter ist trübe, und er fühlt sich nicht wohl. Ich gedenke einer letzten Spazierfahrt mit Daniel in Berlin am Ende Oktobers! Heimgekommen werde ich bald von R. gerufen, welcher sich nicht wohlfühlt, nach mir verlangt, »wenn ich nur kein Herzleiden habe«, sagt er. Wir wandern im Saale auf und ab, das Laub ist fahl, die Sonne geht bleich unter, die Stimmung in mir ist schwer, doch verlasse ich R. erheitert, er begibt sich an die Arbeit bei Lampenschein. »Mit der Tinte!« Ich gebe Stunde. Abends liest R. uns aus »Alexander« von Pfaffen Lamprecht vor; gar wenige Poesie und wenig Kunst, wie überragend die Heldengedichte, weil da die Dichter bei sich waren. - Not wegen Fidi, der ersehnte Knabenumgang ergibt sich als überaus gemein!
Donnerstag 25ten
Endlich wieder eine gute Nacht für R. und Arbeit. Ich überziehe wiederum ein Blatt, das er mir gab; er arbeitet, sagt mir am Schluß, er benütze jede Gelegenheit, ein kleines Paradies musikalisch zu gewinnen, so z. B. Amfortas' Weg zum See. Nachmittags geht R. im Garten spazieren, während ich für die heute abend eintreffende Frau von Wolzogen die Räume herrichte. Brief von Herrn Pollini aus Hamburg, er wünscht die Walküre. R. erwidert, daß er die Walküre nur denjenigen Direktoren und Intendanten gewähren würde, welche den ganze Nibelungen-Ring aufführen wollten. Ankunft von Frau v. W., erste Ansiedelung unsertwegen in Bayreuth.
Freitag 26ten
R. hatte eine wenigstens erträgliche Nacht. - Gestern nachmittag, wie er mit der Tinte arbeitete, sagte er mir: Ich habe »ein paar gute Einfälle gehabt«. - Abends spielt er 4händig mit Herrn Seidl, mit nicht vieler Freude.
Sonnabend 27ten
R. schlief nicht recht gut; doch arbeitet er; zu Mittag teilt er uns mit, wie die häßliche Verdrehung seiner Empfehlung von der Alt-Geige ihn dazu gebracht habe, an den Redakteur der Augsburger Abendzeitung mit der Bemerkung, dies nicht zu veröffentlichen, zu schreiben. Abends schreibt er an Hofrat Düffl., wann sie wohl in München an »Siegfried« gingen, da er ihn den anderen Bühnen nicht würde vorenthalten können. Dann an Herrn Fritzsch wegen Verlegung der »Bayreuther Blätter«. - Um die Mittagszeit spielte er mir, was er bis jetzt »mit Tinte« verarbeitet habe, ungeahnte Strömungen des Erhabenen fließen über die Seele und erweichen alles Weh und alles Leid! - Abends nimmt er den lten Akt vom Holländer mit Herrn Seidl vor; vom Holländer zum Parsifal, wie groß der Weg und doch wie gleich das Wesen! - Nach der Musik spricht R. von den Einflüssen des »Kosmos«, der äußern Welt, auf Naturen, welche, gut angelegt, vielleicht nicht genug Kraft haben, um dem zu widerstreben, und welche nun ganz besonders schlecht, pervers werden. »Nichts von außen kommt ja wohltätig solchen Naturen entgegen!« - Wie wir uns gute Nacht bieten, sagt mir R.: »Wir verstehen uns bis zum Tod!«
Sonntag 28ten
R. hatte eine gute Nacht. Ich gehe in die Kirche mit den Kindern. Wie neulich in Sorge ich erwachte, um zu sehen, ob R. schlief und er wirklich ruhte, betete ich meinen Dank, fühlte ich, wie nahe die Gottheit meiner Freude war! O nimm jeden Stachel aus dem Herzen, nimm alles, was »ich« ist, das allein zu Fürchtende; schmilz jede Härte, brich jedes Wollen, aus der Tiefe flehe ich zu dir!... Gern sag ich in der Kirche dieses Gebet... R. meldet mir vor Tisch, daß er große Kopfschmerzen gehabt, daß aber er sie wegkomponiert habe!... Die Kronen der Bäume haben nur noch das gelbe Laub; »die Heimkehr steht bevor«,[10] die Heimkehr in die Ewigkeit, vorher strahlt noch der goldene Schein um die Wipfel; unserer Heimkehr gedenke ich sinnend. Frau Lucca meldet die Aufführung des Fl. Holländers in Bologna und die des Lohengrin in Rom, beklagt sich über R.'s kärgliches Schreiben, R. antwortet ihr humoristisch, er habe nicht geschrieben, weil er sie sonst nur hätte können um die Hälfte ihres großen Vermögens angehen! - - Die Musikalische Zeitung bringt recht törichte Beschlüsse des W.-Vereines in Berlin, sie wollen nicht bloß den W.'schen Tendenzen dienen, sondern der Kunst überhaupt! - In den indischen Sprichwörtern gelesen.
Montag 29ten*
(• Fälschlich »30ten« datiert) - R. hatte eine erträgliche Nacht und arbeitet, doch wie er zu Tisch herunterkommt, klagt er sehr über Unterleibsleiden. - Ich muß leider meiner Augen wegen das Überziehen der Bleistift-Skizzen unterbrechen, doch beginne ich dafür die Übersetzung in das Französische vom Parsifal, wir lachen sehr mit R. über die Not, welche mir aus der spröden prosaischen Sprache erwächst. Spaziergang mit R. nach der Gegend von Konradsreuth; er spricht von dem »prachtvollen, nie überbotenen« Fugensatz im Finale der C dur Symphonie von Mozart und klagt, daß gleich darauf das banale »schrum schrum« kommt, was das Ganze so stillos mache. Der Spaziergang ist schön, leider aber schmerzt darauf R.'s Fuß sehr! - Herr Groß bringt mir einige Nachrichten; Bon Perfall schreibt, daß der König möglichst bald die Aufführung des »Ringes« wünscht und daß, um diesem Wunsch nachzukommen, Herr Seitz[11] und andere von der Münchner Hofbühne nach Bayreuth kommen würden, um das Inventar aufzunehmen und die in München gebrauchten Dinge zu beziehen. Freund Feustel schreibt, man möge sich bedenken, bevor man irgend etwas von dem Material des Theaters [hingibt], da die mit Mühe und Not zurückgehaltenen Forderungen der Gläubiger augenblicklich dann in eine gerichtliche Klage ausgehen würden. Herr v. P. sagt, er wolle auch ein Konzert für den eisernen Fonds geben! — Herr Porges schreibt, daß Pr. Bernays sich bei dem W.-Verein in München beteiligt und mit seinem Namen den Aufruf dort unterzeichnete. - Abends 2ten Akt von Holländer, dann die Scene von Lanzelot G[ ]tto*;(Teilweise unlesbar, s. Anm.) R. sagt: Man müsse immer diese Sachen einzeln lesen, sonst kenne man sie nicht, denn jede Pause, jedes Komma, jeder Punkt sei wichtig. Viel Heiterkeit und dann zwischen uns viel Zärtlichkeit. R. liest die Arbeit von Dr Eiser und freut sich ihrer; es bringt ihm die Erinnerung der Teilnahme seiner Sänger in rührender Weise zurück; er sagt, er wolle sie alle zu einem Mahle um sich versammeln im nächsten Jahre, denn es sei außerordentlich, was sie geleistet hätten, bedenkt man, aus welcher Atmosphäre sie kommen und was ihre Gewohnheiten seien - auch Betzen's gedenkt er, besonders mit Anerkennung des Vortrefflichen in seiner Leistung. Verschiedene Anfragen betreffs der Schule.
Dienstag 30ten
R. arbeitet, ich mit den Kindern und ein wenig an der Übersetzung. Trotz November-Wetter geht R. ein wenig spazieren und fühlt sich etwas wohler. Er schreibt an Dr. Eiser über seine Arbeit, sehr schön, abends 3ter Akt vom Holländer. Herr Pollini schreibt an R., er geht auf die Bedingungen R.'s ein, will aber mit der Walküre beginnen; er gibt einen Vorschuß von 16000 Mark, welcher im Jahre 80 abbezahlt sein wird; bis dahin 4 Prozent Tantiemen und von da ab 8.
Mittwoch 31ten
R. arbeitet, ich überziehe ein klein wenig, übersetze und gebe den Kindern ihre Stunden. R. schließt mit Herrn Pollini [ab]. So wird das herrliche Werk nun vergeben! R. sagt immer wieder: Er möchte ein Mal sein letztes Wort der Welt sagen! — Doch bleibt ihm sein göttlicher Humor; wie wir von Arithmetik sprechen, u. a. von Planometrie,[12] sagt er: Die kenne ich, ich habe sie in einer 30jährigen Ehe geübt, bin aber nicht fertig mit ihr geworden. Abends eine Novelle von Lope de Vega, nichtssagend. Föhnsturm, Gedenken Tribschens. R. entsinnt sich aber auch, daß ich ein Mal die Büsten von Kietz nicht gut fand, das schmerzt ihn, weil er die meinige sehr liebt, mich macht es auch traurig, daß ich es gesagt, wir weinen, klagen und umarmen uns. Ach! Ich stecke die Liebe auf, sagt R., ich mache es wie der Gesangslehrer Schmitt, in meinem Alter ist sie zu intensiv.