Die zweite Welle der Frauenbewegung, zu der dieses Buch nur eine Äußerung unter vielen war, ist zur Flut geworden. Die Bewegung ist riesig und ohne Führung. Sie spiegelt sich im Bewußtsein der Frauen aller Gesellschaftsschichten. Es wäre absurd und arrogant behaupten zu wollen, dieses Buch hätte das bewirkt: ganz im Gegenteil ergab sich der Erfolg dieses Buches unmittelbar aus seiner Zeitlosigkeit. Nur deswegen konnte es durch Tageszeitungen und Frauenmagazine so weite Verbreitung in England finden, weil die Herausgeber wußten, daß das Thema, ganz unabhängig von der Qualität meines Diskussionsbeitrages, aktuell war. Weibliche Energie entlädt sich gerade in einer riesigen Kettenreaktion: der Beweis ist zu sehen in den Massenmedien, wo Journalistinnen und Filmemacherinnen die Sache in die Hand nehmen, in der Industrie, wo Tausende von unterbezahlten Frauen an Streiks ohne Streikunterstützung teilgenommen haben, in vollem Bewußtsein, worum es ging, trotz konzertrierter Pressekampagnen, die auf Verteufelung und Streikbruch hinarbeiteten.
Von diesen Frauen kam die beste und sachkundigste Kritik an meinem Buch. Jenen Kritikern, die mir vorwerfen, ich hätte es nicht vermocht, eine Strategie zu entwerfen, muß ich antworten, daß dieses Unvermögen Taktik war, denn es ist nicht meine Absicht, in einem wesentlich kooperativen und wahrhaft anarchischen Unterfangen eine Führerrolle zu spielen. Wenn Frauen mir sagen, ich habe kein Verständnis für die Probleme einer Frau, die ums reine Überleben zu kämpfen hat, so gebe ich den Fehler zu und erwarte von ihnen, daß sie mir sagen, wie das ist. Jenen, die sagen, ich könne nichts über die Frau aussagen, da ich keine Kinder habe, muß ich entgegnen: Euer Argument stimmt nicht.
Die Liste der Kritiker könnte endlos sein: es hätte keinen Sinn, sie zu widerlegen oder zu beantworten. Ich habe ein paar eigene kritische Anmerkungen, auf die es keine Antwort gibt. Das Buch hat keine Autorität und beansprucht auch keine. Jede Stelle muß durch Erfahrung überprüft und, sofern unzulänglich, verworfen werden. Im Idealfall wird der Dialog bald einen Punkt erreichen, wo dieses Buch überflüssig wird. Sein einziger bedeutsamer Beitrag wird dann darin bestehen, sich selbst überflüssig gemacht zu haben.
Jetzt, da Die neue Weiblichkeit die Grenze der Sprache, in der sie ursprünglich geschrieben wurde, hinter sich gelassen hat und Länder mit anderen sozialen und wirtschaftlichen Strukturen erreicht, kann sich der Dialog noch vertiefen und ausweiten. Die Verfasserin wird in diesen Jahren ebenfalls reisen und lernen, aber die wichtigen kritischen Stimmen und Beiträge werden von Frauen kommen, die ihre eigene Situation richtig verstehen und den Mut und die Ehrlichkeit besitzen, sie zu analysieren. Heute schon weiß ich, nach ein paar Wochen im Mittleren Osten, daß meine heiteren Vorstellungen vom Status der Frau in landwirtschaftlichen Gesellschaften falsch waren. Ich hoffe sehr, daß jede Frau, die meine Worte liest, sich als ihre eigene Autorität in der >Frauenfrage< versteht und in ihrer Gemeinschaft zu diskutieren beginnt, von der die revolutionäre Aktivität der Frauen ausgehen wird.
Seit Veröffentlichung meines Buches Mitte 1970 habe ich erstaunliche Frauen in vielen Ländern kennengelernt: die Liste der Frauen, denen dieses Buch gewidmet ist, könnte um Tausende erweitert werden.
Germaine Greer, März 1971