1. Die Hauptschulrektoren
Zu einem Zeitpunkt, an dem das bisherige Bildungsziel der Volksschule in Frage gestellt wird, neue Lehrpläne konzipiert, die Lehrinhalte didaktisch aufgearbeitet werden, schien es notwendig, von Schulleitern in Erfahrung zu bringen, inwieweit solche Veränderungen bereits realisiert wurden oder wie sie glaubten, sie mit den in der Hauptschule verbleibenden Schülern realisieren zu können.
Es stellte sich heraus, daß die meisten der befragten Rektoren in bezug auf die Beurteilung der Begabung, das unterschiedliche Interesse von Jungen und Mädchen, in bezug auf die gesellschaftlichen Aufgaben der Frauen, in bezug auf das Bildungsziel der Hauswirtschaft sowohl als auch in bezug auf die generelle Ausrichtung der Hauptschule den überkommenen Vorstellungen anhängen.
Fast alle Rektoren hielten nur eine Minderheit der in der Hauptschule verbleibenden Kinder für geeignet, weiterführende Schulen zu besuchen, entweder wegen fehlender oder einer nur praktischen Begabung und aufgrund des Sozialisationsprozesses, dem sie im Elternhaus unterworfen wurden. Sie seien auch nur dann fähig, ein zehntes Schuljahr zu absolvieren, wenn Schwerpunkte für Neigungen und Interessen geschaffen oder besondere berufsbezogene Fächer eingeführt würden, welche die im achten und neunten Schuljahr erweiterte Arbeitslehre, insbesondere ihren praktischen Teil, weiterführten.
Das Interesse der Mädchen für Mathematik und Physik halten 70% der Rektoren für gering. Dieser Unterricht stelle zu viele Anforderungen an ihr Abstraktionsvermögen; hingegen könne der Chemieunterricht nach Auffassung von wiederum 70% durch viele Experimente und durch eine Orientierung an der Hauswirtschaft so angereichert werden, daß er ihrem Bedürfnis nach Anschaulichkeit entgegenkomme.
In diesen Äußerungen spiegelt sich ein altes Vorurteil wider. Die unterschiedlichen Formen des Abstrahierens werden überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Der komplexe Prozeß des Denkens und der Entwicklung des Denkens als wissenschaftliches und pädagogisches Problem stellt sich ihnen in der täglichen Schulpraxis offenbar nicht, denn sie trennen starr Abstraktion und Anschauung voneinander, ohne deren wechselseitige Verflechtung zu reflektieren. Hinzu kommt, daß sie willkürlich Anschauung und Abstraktion auf die Geschlechter verteilen. In bezug auf den Lernprozeß der Mädchen wird die Anschauung einerseits idealistisch überhöht, andererseits wieder abgewertet, indem sie auf traditionelle hauswirtschaftliche Aufgaben begrenzt wird. Der Bereich handwerklich-technischer Betätigung, in dem eine bestimmte Art von Anschauung eine ebenso entscheidende Rolle spielt, bleibt den Mädchen im Schulunterricht verwehrt. Diese Einstellung steht nicht im Widerspruch zu der relativen Gleichgültigkeit der Rektoren gegenüber dem Hauswirtschaftsunterricht. Er ist eine Domäne der Lehrerinnen, um deren Unterricht sie sich nicht kümmern. Auf die Frage nach dem Bildungsziel des Hauswirtschaftsunterrichts reproduzieren sie (70%) die in den Lehrplänen festgelegten Bildungsinhalte: Die Rollenideologie (70%)), die ökonomische Ideologie der Hauswirtschaft (60%), die Doppelrolle der Frau (20%). Obwohl sie wahrnahmen, daß Mädchen bei dem Angebot an Wahlfächern oder Arbeitsgemeinschaften vorwiegend eine durch Tradition bestimmte Auswahl treffen, hielten sie es nicht für angebracht, die Wahl zu beeinflussen und damit ihre vielleicht latenten Begabungen zu wecken. Jedoch scheint es ihnen (8o°/o) als eine legitime Aufgabe der Kultusverwaltungen, durch ein Angebot einer Vielzahl von Fächern Begabungen generell zu stimulieren. Weiterbildung und Berufsausbildung seien von jenen auch auf lange Sicht zu lenken, unabhängig von dem jeweils unmittelbaren Bedarf an Arbeitskräften, da Bildung prinzipiell langfristige Perspektiven haben müßte. Nicht alle Rektoren jedoch erkannten, daß dazu eine enge Zusammenarbeit zwischen Kultusministerien und Berufsplanungsinstitutionen nötig wäre. Aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus konnten alle Rektoren bestätigen, daß die Berufswahl der Mädchen traditionellen Berufsbildern folgt, einmal, weil sie sich nicht aus dem vorgegebenen Rollenkonzept lösen können und weil sie in einer großen Anzahl von Berufen kaum reüssieren werden. Daß die Berufsberatung eine geschlechtsspezifische Berufslenkung wahrscheinlich macht, entgeht ihnen, obwohl alle Rektoren bestätigen konnten, daß Mädchen ausschließlich von Beraterinnen und Jungen von Beratern der Arbeitsämter über Berufe unterrichtet und ihre Eignung getestet wurde. Nur einige Rektoren befürchteten, daß die Nachfrage von Industrie, Handel und Handwerk nach Lehrlingen die Beratungen beeinflussen könnte. Obwohl allen Rektoren gegenwärtig war, daß Rationalisierung der Produktion und Verwaltung, die Steuerung der Betriebsabläufe mit Hilfe der EDV fortschreiten und infolgedessen andersartige Anforderungen an Arbeiter und Angestellte in verschiedenen Bereichen der Industrie gestellt werden, war die Reaktion auf diese Perspektiven unterschiedlich. Die einen (50%) plädierten für eine breite Grundlegung der Fächer, so daß den Schülern selbst bei fortschreitender Technisierung der Anschluß an eine anspruchsvollere und differenziertere Ausbildung möglich wird. Diese Grundlegung schien ihnen bereits durch die Reform der Hauptschule verwirklicht insofern, als die Allgemeinbildung gesichert und ein breites Angebot an Fächern erreicht sei. Dies kontrastiert jedoch mit der unveränderten Praxis der Berufsvorbereitung durch berufsspezifisches Rechnen, technisches Werken für Jungen, Hauswirtschaft für Mädchen, durch Betriebsbesichtigungen, Berufserkundungen und Praktika, deren Wert umstritten ist. Die anderen (50%) befürworteten eine stärkere Schwerpunktbildung in naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fächern; sie waren sich jedoch bewußt, daß die Lehrpläne noch nicht hinreichend den wachsenden Anforderungen an naturwissenschaftlichen Kenntnissen angepaßt sind und die Arbeitslehre in ihrer brüchigen Konzeption dafür nicht ausreicht. Nicht bekannt war den Rektoren, wieviele Jungen und Mädchen ohne Berufsausbildung eine Arbeit aufnehmen; sie schätzten, es sei nur ein kleiner Teil, der, von dem Wunsch getrieben sogleich Geld zu verdienen oder wegen der Interesselosigkeit der Eltern oder aus einem Fluchtbedürfnis vor den unbewältigten Schwierigkeiten im Deutsch- und Rechenunterricht die Erwerbsarbeit wähle.
2. Die Ergebnisse der Befragung der Realschul-Direktoren
Von den befragten 11 Realschulleitern bestätigten 9 die offizielle Auffassung von der Zubringerfunktion der Realschule zu den mittleren und gehobenen Berufen. Nur je ein Befragter meinte, daß sie diese Funktion nicht mehr habe oder nur noch teilweise erfüllen könne.
8 Direktoren waren sich darüber im klaren, daß die Realschule eines Tages in der integrierten Gesamtschule aufgehen würde; 2 dieser Schulleiter bedauern es, während die übrigen diese Tendenz begrüßen, da sie meinen, die Bildungsziele der Realschule würde die Sekundarstufe I weitgehend mitbestimmen. Nur 3 Schulleiter sind der Auffassung, daß die Realschule auch in Zukunft als gesonderter Schultyp erhalten bleibe, weil sie die ihr zugewiesene Funktion weitgehend erfüllt habe und die »Gesellschaft« ihre Schüler brauche.
Alle Befragten identifizieren sich mit dem jetzigen Bildungsziel der Realschule so weit, daß sie die hier erworbene mittlere Reife der Obersekundareife eines Gymnasiums vorzogen. Sie hielten das Unterrichtspensum in allen Fächern für in sich »abgeschlossen«, jedoch niemand war in der Lage, die »Abgeschlossenheit« einer Realschulbildung anders zu definieren als durch eine gezielte Vorbereitung für eine Berufsausbildung oder durch »Vollständigkeit« des Stoffes — z. B. des Erdkunde- und Geschichtsunterrichts.
10 Schulleiter bestätigen ferner die in den Schulverwaltungen vertretene Auffassung von der besonderen Begabungsart der Realschüler, die sich durch ihre theoretisch-praktische Ausrichtung gerade für diesen Schultyp eignen sollen. Nur ein Direktor war der Auffassung, daß dieser Schultyp die gegebene erste weiterführende Schule für alle Kinder sein könne. Die auf der Hauptschule in den oberen Klassen zurückbleibenden Kinder werden von 7 Leitern als minderbegabt angesehen; von dreien jedoch nicht.
An den weiterführenden Schulen wird Hauswirtschaftsunterricht in der Bedeutung für die Bildung der Mädchen geringer eingeschätzt als an der Hauptschule. Das gilt auch für die Realschule. Sie strebt eine Auslese der Schüler nach Leistungs- und Aufstiegswillen an. In dieses Konzept paßt die Hauswirtschaft weniger gut hinein. Trotzdem bleibt sie in einigen Bundesländern ein Pflichtfach für Mädchen; in anderen wird sie als Alternative zu anderen Fächern angeboten. Die traditionelle Entscheidung der Mädchen wird gutgeheißen, wenn auch 75%) der Direktoren meinen, daß diese Wahl beeinflußt werden könne. Nur 5 Schulleiter stimmten mit der offiziellen Begründung des Hauswirtschaftsunterrichts überein, sechs meinen, daß auf ihn verzichtet werden könne.
Aus ihren Unterrichtserfahrungen konnten neun Schulleiter nicht bestätigen, daß Mädchen weniger für Mathematik, Physik, Chemie und technisches Werken begabt seien. Jedoch gaben sieben zu, daß wegen des traditionellen Rollenverhaltens es so scheinen könne, als ob sie weniger interessiert seien. Ein minderes Interesse der Mädchen für Mathematik hatten fünf Direktoren, für Physik sechs, für Chemie vier und für technisches Werken drei beobachtet. Auch in der Realschule wurde die Erfahrung gemacht, daß Schülerinnen typische Frauenberufe wählen, selbst dann, wenn sie in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern keine Schwierigkeiten gehabt hatten. Alle Direktoren bestätigten, daß die Mädchen durch Berufsberaterinnen und die Jungen durch Berufsberater über ihre Berufsmöglichkeiten orientiert wurden; jedoch war nicht bekannt, welche Berufe konkret empfohlen wurden. Sechs Direktoren nahmen an, daß bei der Beratung die Nachfrage von Industrie, Handel und Handwerk ausschlaggebend gewesen sei; sieben nahmen an, daß der Nachwuchsmangel bei bestimmten Berufen entscheidend gewesen sein könne.
Im Gegensatz zu den Rektoren der Hauptschulen neigen die Direktoren der Realschulen eher zu der Auffassung, daß die Lehrpläne schneller und gründlicher den Fortschritten der Rationalisierung und der Technologie angepaßt werden sollten wegen der starken beruflichen Orientierung dieses Schultyps. Die gleichzeitige Betonung der allgemeinbildenden Funktion der Realschule steht in einem seltsamen Widerspruch zu der forcierten Orientierung der Lehrpläne an den drei wichtigsten Berufsfeldern: Wirtschaft, Technik, Sozialpädagogik.
Die Befragung beider Gruppen - der Hauptschulrektoren und Realschulrektoren — hat keine neuen Ergebnisse über Auffassungen und Einstellungen gebracht. Sie bestätigte aber die Hypothese, welche der Konzeption der Leitfäden zugrunde lag, daß die Schulleiter kaum wagen, von den Lehrplänen abweichende Auffassungen zu vertreten, daß sie sich mit den offiziellen Versionen identifizieren. Dafür gibt es einleuchtende Gründe: sie sind für die Durchführung der Lehrpläne verantwortlich; sie haben Rechenschaft darüber abzulegen; sie werden durch die Schulaufsichtsbehörde kontrolliert; sie haben den vorgeschriebenen Stoff in einer vorgeschriebenen Zeit »durchzunehmen«. Um die Kinder etwas lehren zu können, müssen sie das, was sie lehren, für wahr halten, sonst können sie keinen Unterricht erteilen. Er verlangt stündlich eine Identifikation mit dem Lehrstoff und mit dem Lehrziel. Eine »pädagogische Haltung« verlangt die Anerkennung von Verhaltensmustern, zu denen die Schüler erzogen werden sollen.
In einer Zeit, in der diese in Frage gestellt werden, neue Verhaltensweisen sich nur sporadisch und in kleinen Gruppen durchsetzen, müssen die Lehrer sich entweder zu einer Konformität bekennen, die nunmehr nur durch eine Überidentifikation stabilisiert werden kann, oder sie müssen als Nonkonformisten sich ganz neuen Erziehungszielen verschreiben. Dazu wäre eine Erneuerung der Lehrerbildung notwendig, in der nicht die Übermittlung von »Lehrgut«, von »Bildungsgut«, dominiert, sondern das Erarbeiten von theoretischem Wissen und von didaktischen Methoden, das Erlernen von Arbeiten im Team. Schulreform ist ohne Ausbildungsreform und ohne Erneuerung der Lehrbücher zum Scheitern verurteilt.
Unter den Befragten gab es einige wenige, die sich aktiv an den Reformen auf allen Stufen des Unterrichts, der Lehrerbildung und der Schulbücher seit Jahren beteiligt hatten. In der Unterredung mit ihnen konnte die Überzeugung gefestigt werden, daß eine Reform auf allen Stufen gleichzeitig vonstatten gehen muß.
3. Die Ministerialreferenten für Haupt- und Realschulen
Die Referenten für die Ressorts Hauptschule und Realschule bemühten sich, so ausführlich und so konzis wie möglich, den gegenwärtigen Stand der Entwicklung darzustellen. Dabei verteidigten sie die jeweilige Konzeption ihres Ministeriums und die Autonomie der Kultusverwaltungen und schirmten das Erreichte gegen die anderen Bundesländer und deren Reformen ab. Distanz bewahrten sie gegenüber der Mädchenbildung. Die meisten wollten nicht verantwortlich sein für die jeweilige Konzeption der Hauswirtschaft und der Nadelarbeit. Es hatte auch den Anschein, als hielten sie es für unter ihrer männlichen Würde, von diesen Fächern etwas zu verstehen. Sie seien eine Domäne der Frauen; in den Lehrplankommissionen hätten diese die Führung. Wenn die Lehrinhalte von ihnen sanktioniert seien, müsse angenommen werden, daß diese dem neuesten Stand des Wissens entsprächen. Die passive Einstellung zu diesen Fächern rechtfertigen sie mit dem »Selbstbestimmungsrecht« der Frauen. Hinter dieser Gleichgültigkeit verbirgt sich einerseits das stille Einverständnis mit der bisherigen Rollenverteilung, deren Tradierung gern den Frauen selbst überlassen wird, andererseits eine Verachtung der Hauswirtschaft als einem der Verwissenschaftlichung nur sehr beschränkt zugänglichen Fach.[1] Einen Wissenstransfer von Hauswirtschaft zu anderen Fächern halten die meisten der befragten Referenten für nicht möglich. Die Freiheit unter den Wahlfächern und Arbeitsgemeinschaften wählen zu können, wollte keiner der Befragten einschränken. Auch lehnten sie es ab, die Interessen der Mädchen auf naturwissenschaftliche und technische Fächer zu lenken. Die Erweiterung des Fächerangebots genüge, so meinen sie, ohne zu berücksichtigen, daß Mädchen aus der Tradition heraus, die zu bewahren die Schule bislang selber aktiv mitgewirkt hat, bestimmte Fächerkombinationen wählen, insbesondere die der musischen, sozialpädagogischen, sozialpflegerischen und kaufmännischen Richtung. Die Schule, die in der »Mädchenbildung« immer ein retardierendes Element darstellte, soll auch jetzt noch nicht emanzipatorische Tendenzen in der Berufswahl der Mädchen nachdrücklich unterstützen, sondern sich abwartend verhalten, denn es sei noch nicht zu erkennen, ob die »gesellschaftliche Entwicklung« eine entscheidende Veränderung in der gesellschaftlichen Stellung der Frau bringen werde. Zu der Begabungshöhe der Volksschüler äußerten sie sich sehr zurückhaltend oder überhaupt nicht, weil eine Entscheidung in der einen oder anderen Hinsicht eine »Gewissensfrage« sei. Der Mangel an Untersuchungen als Grund für die Zurückhaltung wurde nicht erwähnt.
In bezug auf die Begabungsarten gaben alle befragten Realschulreferenten die gängige Auffassung von der Dreigliederung wieder, mit der sie auch den Fortbestand der vertikalen Gliederung des Schulwesens entweder überhaupt oder für die nächsten Jahre rechtfertigten, bis ausgiebige Schulversuche gezeigt hätten, ob die integrierte Gesamtschule das leisten könne, was ihre Befürworter sich von ihr versprächen. Die Realschulreferenten neigten aber eher dazu, eine »eigenständige« Realschule zu verteidigen. Aus der Untersuchung von Hitpass leiteten sie keine Bedenken gegen diese Schulart, sondern eine Bestätigung ihrer Existenz ab.
Die Hauptschulreferenten stellen sich eher positiv zur Gesamtschule ein, weil sie von der Trennung der Schularten eine weitere »Aushöhlung« des Schülerbestandes der Hauptschule befürchteten, was unweigerlich zu einem Abwandern der besseren Lehrer zur Realschule führen müsse. Von den gegensätzlichen Auffassungen der Ressort-Referenten läßt sich auf Auseinandersetzungen in den Kultusministerien über die zukünftige Schulstruktur schließen. Wenn auch oft nur aus pragmatischen Gesichtspunkten scheint die Einstellung der Hauptschulreferenten eher fortschrittlich im Sinne einer Integration der Schulformen zu sein. Die Realschulreferenten verteidigen sowohl aus Standes- oder verbandspolitischen als auch aus gesellschaftspolitischen Interessen das vertikale Schulsystem. Diese Trennung von Hauptschule und Realschule wird mit einer Reihe von vordergründigen Argumenten gerechtfertigt: die Gesamtschule sei ideologisch zu belastet; die bisher erarbeiteten Lehrpläne für die Gesamtschule seien zu heterogen, daher sei ein Pragmatismus der Schulverwaltung eher am Platz als eine überstürzte Reform. Die Haupt-schule würde in den einzelnen Fächern immer andere Lehrinhalte haben, wie es an der Arbeitslehre besonders deutlich zu sehen sei. Sie befürworten eher die Trennung von Elementarbildung und Weiterbildung. Nur etwa die Hälfte der Befragten will eine Verbindung zwischen Haupt- und Realschule durch Verwissenschaftlichung der Elementarbildung, zu der auch eine Verwissenschaftlichung der Didaktik gehöre.
Für die nächsten Jahre befürwortet eine Mehrzahl der Realschulreferenten, den bisherigen Niveauunterschied des Hauptschulunterrichts gegenüber dem der Realschulen beizubehalten. Das Recht auf Förderung der individuellen Fähigkeiten halten alle für vereinbar mit der Notwendigkeit, die Wirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen. Die große Zahl der Berufe ließe einen solchen weiten Spielraum, innerhalb dessen die Fähigkeiten der Menschen sich voll entfalten könnten. Zwar wird das Recht auf Förderung der individuellen Fähigkeiten ohne Einschränkung bejaht; jedoch unterbleibt eine Problematisierung dieser Forderung im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Wirtschaft mit Arbeitskräften zu versorgen. Daß der Bedarf an Arbeitskräften als alleiniger Maßstab für eine Bildungsplanung gelten könne, hielten nur wenige der befragten Ministerialbeamten für richtig; die Mehrheit bekannte sich zu einer Autonomie von Schul- und Bildungsplanung. Zu diesen gehören auch die Realschulreferenten, die in der berufsfeldbezogenen Aufgliederung der Realschule die Rechtfertigung sehen, diesen Schultyp selbständig neben Hauptschule und Gymnasium zu erhalten. Sie waren sich der Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen nicht bewußt oder sie leugneten eine solche mit dem Hinweis, Autonomie schlösse eine auf Berufsfelder bezogene Schulbildung nicht aus, was nicht identisch sei mit der Anerkennung des Bedarfs einer wachsenden Wirtschaft.