Beim gegenwärtigen Umgestaltungsprozeß in der Kirche wächst es der Frau zu, dafür zu sorgen, daß die Möglichkeiten des Laienstandes voll zu ihrem Recht kommen. Dies ist die Funktion, die sie in unserer Zeit wahrnehmen muß und bei der man ihr keine ernstlichen Hindernisse in den Weg legen kann. Theoretisch wird sicher jeder dieser bescheiden klingenden These zustimmen, aber sobald es um die Reichweite der praktischen Verwirklichung geht, ergeben sich Schwierigkeiten.
Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt die Frage nach der Möglichkeit des besonderen Priestertums für die Frau, die schon von Edith Stein aufgegriffen ist [11] und heute durch die Entwicklung zur Ordination der Frau in verschiedenen evangelischen Landeskirchen auch von uns gestellt werden muß.
Bisher waren als Gegengründe angeführt: die historische Tatsache, daß Jesus nur Männer zu Aposteln bestimmte; zwar nicht eine praktische Unfähigkeit der Frau zur Seelsorge, wohl aber eine direktere Zuordnung im Wesen des Mannes zur Öffentlichkeit und daher zu den Aufgaben des Priestertums; eine Ähnlichkeit zwischen Christus als Mann und dem Priester als Mann (Zeugen sei Mannessache); eine hierarchische Überordnung des männlichen Geschlechtes über das weibliche.
Betrachten wir diese Gründe nun ein wenig näher. Die historische Tatsache, daß die zwölf Apostel Männer sind, erklärt sich hinlänglich aus dem Alten Testament und der Analogie zu den zwölf Stämmen Israels. Jesus von Nazareth hat für die Frauen seiner Zeit das Äußerste getan, was er damals unter den gegebenen jüdischen Verhältnissen tun konnte. Religionsgeschichtlich gesprochen, ist er vielleicht der einzige von den »Stiftern« der Hochreligionen, bei dem sich keine negative oder beschränkende Äußerung über die Frau findet. Er bewahrte die Frau aber auch davor, in ein mythisches Priestertum abzugleiten, wie es bei manchen Mysterienkulten der Fall war. Indem er die Frauen zu seiner Jüngerschaft und Nachfolge zuließ, ihnen die im Judentum versagte religiöse Bildung erschloß und die Zeugenschaft seines Todes und seiner Auferweckung anvertraute, hat er die bisherige Zurücksetzung von ihnen genommen und sie in menschlicher wie religiöser Hinsicht dem Manne gleichgestellt.
Wir haben uns zu Beginn dieser Schlußbetrachtung vergegenwärtigt, daß auch der Begriff der Öffentlichkeit sich wandelt und das Verhältnis des Menschen zur Öffentlichkeit nicht zu allen Zeiten gleich ist. Heute besitzt jeder Mensch, ob Mann oder Frau, eine direkte Hinordnung zur Öffentlichkeit. Deshalb stimmt auch nicht mehr die Unterscheidung vom Öffentlichkeitscharakter des Mannes und Verborgenheitscharakter der Frau. Zu bedenken bleibt auch, daß in der alten Kirche selbst Sklaven zu den Weihen zugelassen wurden, obwohl sie ihrem Stande nach keinen Öffentlichkeitscharakter hatten.
Seit man aus der Biologie weiß, daß bei der Zeugung Mann und Frau gleichwertig zusammenwirken, sich nicht wie aktives Formprinzip und passive Materie zueinander verhalten, sondern miteinander das neue Leben hervorbringen, ist auch die Übertragung auf die übernatürliche Zeugung als »männliche Tat« nicht mehr haltbar.
Der letzte Grund einer angeblichen Überordnung des einen Geschlechtes der Menschheit über das andere erledigt sich aus der biblischen wie philosophischen Grundeinsicht von der gleichen Ursprünglichkeit des Menschseins im Mann wie in der Frau.
Wir müssen also der Redlichkeit halber zugeben: Es bestehen wohl historische Gründe verschiedenster Art dafür, daß die Frau bisher in der Kirche nicht das besondere Priestertum erlangte, es bestehen aber keine dogmatischen Gründe, daß sie es in Zukunft niemals erlangen kann. Dennoch sind die Argumentationen einzelner Frauen wie Frauenverbände, die gegenwärtig das besondere Priestertum für die Frau zu erkämpfen suchen, theologisch unerleuchtet. Es ist heute noch nicht abzuschätzen, ob jemals in Zukunft das Priestertum der Frau in der Kirche notwendig wird, aber sicher ist, daß es heute, in der jetzigen Situation der Kirche, weder notwendig noch möglich ist. Im kirchlichen Leben müssen erst ganz andere Dinge selbstverständlich werden. Um dies zu erläutern, können wir nicht umhin, die Frage nach der Wiederbelebung des Diakonats einzubeziehen, für die auf dem Konzil nicht mehr als ein zaghafter erster Schritt getan ist. Für oder gegen die Diakonatsweihe des verheirateten Mannes kann man aus verschiedenen Gründen sein. Dagegen ist man gewöhnlich aus reaktionären Absichten, dafür aber aus einer weltoffenen und fortschrittlichen Einstellung. Man kann jedoch auch aus eben dieser Einstellung gegen die Wiederbelebung des Diakonats sein. Denn wenn man es auch »Laiendiakonat« nennen sollte, so ist es doch so, daß der Diakon eben kein Laie mehr ist, denn das Diakonat bleibt die erste Stufe vom Sakrament der Priesterweihe. Es ergibt sich die Gefahr, daß alle neu erwachten schöpferischen Kräfte nicht im Laientum zu ihrer Entfaltung kommen, sondern daß das, was ein normaler Christ tun kann, dem Diakon vorbehalten wird. Übrig bleibt als Laienstand die Masse des mehr oder weniger uninteressierten Kirchenvolkes bzw. die Frauen. In diesem Sinne schließt die Wiederbelebung des Diakonats, auch wenn sie nicht so gemeint ist, die Gefahr neuer Abwertung des Laienstandes in sich.
Vorgesehen ist die Wiederbelebung des Diakonats hauptsächlich für die Missionsländer. Ein Beispiel aus den mir bekannten Verhältnissen in Japan: Es gibt dort auf jeder größeren Missionsstation den Katechisten und die Katechistin, die kollegial zueinander stehen und dem jetzt noch meist ausländischen Missionar als Vorgesetzten unterstellt sind. Sie bilden die Brücke zur Gemeinde, er mehr zu den Männern, sie mehr zu den Frauen. Der Katechist überwindet durch den christlichen Glauben (und selbstverständlich auch durch die modernen Verhältnisse) sein altes konfuzianisches Menschenbild, wonach die Frau immer der Bevormundung des Mannes bedarf. Wenn nun der Katechist zum Diakon geweiht wird, die Katechistin aber bleibt, was sie war, so tritt an die Stelle der Kollegialität eine Abhängigkeit. Die Katechistin wird ihren Prestigeverlust durch Steigerung ihrer Katechumenenzahl zu kompensieren versuchen, aber ihre menschliche und religiöse Ebenbürtigkeit wird ihr verloren scheinen zugunsten jener patriarchalischen Strukturen, die sie mit ihrer Taufe und ihrem katechetischen Dienst überwunden glaubte.
Wie ist es nun, wenn das Diakonat als lebenslange Funktion für Mann und Frau eingeführt wird, was aber bislang außerhalb der ernsthaften Diskussion ist? Die altchristliche Diakonissin hatte bekanntlich eine Zwischenstufe von Diakonat und Subdiakonat inne, der Diakon war weisungsberechtigt über sie, der Sub-diakon nicht. Die Funktionen des Diakons überschritten die der Diakonissin[12] Angenommen, es würde heutzutage auf gleicher Ebene ein männliches und weibliches Diakonat eingerichtet, nicht als Startpunkt einer aufsteigenden Laufbahn, sondern als Lebensaufgabe, so bliebe darum doch bestehen, daß die Frau im niedrigsten Grad der klerikalen Ämterfolge eingegliedert wäre und sich damit in eine neue Art von Abhängigkeit begäbe, die ihre auf anderer Ebene schon erreichten Zuständigkeiten wieder relativieren würde.
Diejenigen Aufgaben, für welche das Diakonat wieder eingerichtet werden soll, sind weitgehend schon längst in Händen von männlichen und weiblichen Laien, die aufgrund der Missio canonica oder ihres Arbeitsvertrages in kirchlichen Berufen stehen. Sei es Katechetik, Seelsorgearbeit, Fürsorge oder Sozialarbeit im weitesten Sinne, wir tun alle diese Dinge schon längst, und wir können sie tun kraft unserer kirchlichen Gliedschaftsfunktionen aus Taufe und Firmung.
Der kirchenrechtliche Boden für die Aufgaben des Laienstandes und seine Zuständigkeiten, ob Mann oder Frau, liegt in den kirchlichen Gliedschaftsfunktionen. Die Sendung durch den Bischof ist bei den seelsorglichen und katechetischen Berufen notwendig, aber nicht die Diakonatsweihe. Der Verzicht auf diese würde deutlicher machen, daß Laienarbeit in der Kirche alles andere ist als Ersatz für fehlende Priester. Sie ist die besonders intensive, berufliche oder auch ehrenamtliche Verwirklichung dessen, wozu uns die Gliedschaftsfunktionen in der Kirche berechtigen und verpflichten.
Das Gebiet der Seelsorge ist weiter als das der Sakramentenspendung, und da die Menschheit aus Männern und Frauen besteht, will auch die Aufgabe der Seelsorge von Mann und Frau gemeinsam verwaltet sein. Eine Herausnahme aus dem Laienstand aber ist auch dazu nicht unbedingt erforderlich. Die Frau ist nicht Lückenbüßer für den Mann, und der Laie ist nicht Lückenbüßer für den Kleriker, sondern jeder arbeitet aufgrund eigener Zuständigkeit. Die Gliedschaftsfunktionen der Laien beinhalten mehr, als nur die Profanbereiche mit christlichem Geist zu durchseelen. Es bestehen Wechselwirkungen zwischen der Stellung der Frau in der menschlichen Gesellschaft und ihren Entfaltungsmöglichkeiten in der Kirche. Wenn die Frau in den bürgerlichen Rechtsordnungen nicht aus dem Stadium der Unmündigkeit herausgetreten wäre, könnte sie jetzt auch nicht am kirchlichen Leben in neuer Weise teilnehmen. Diese intensivere Teilnahme der Frau am kirchlichen Leben ist jedoch alles andere als ein Abklatsch soziologischer Zustände oder eine unerlaubte Übertragung profaner Lebensformen auf innerkirchliche Verhältnisse. Aufgrund der heute immer mehr anerkannten Gleichberechtigung von Mann und Frau im Laienstand, in den kirchlichen Gliedschaftsfunktionen, kann die Frau eine ganz neue Art von Spiritualität entwickeln. Wenn der Christ der Weltlichkeit der Welt gegenübersteht, der Widersprüchlichkeit von Glaube und Unglaube, Heil und Unheil, so vermag er dies nur, weil er aus den Geheimnissen des christlichen Glaubens lebt. Dann aber ist er auch zuständig, über diese Glaubensgeheimnisse Aussagen zu machen.
So ist die Theologie wenigstens der Möglichkeit nach eine Angelegenheit aller Christen, des ganzen Volkes Gottes. Priester und Laie können in der Kirche viele Dinge gemeinsam tun, wie es ja auch schon praktisch gehandhabt wird. Diese Gemeinsamkeiten können den Erfordernissen entsprechend noch ausgedehnt werden, indem Laien bei genügender Vorbildung oder charismatischer Begabung und Bewährung der Wortgottesdienst und die Homilie anvertraut würde. Die Funktionen der Weihe- und Hirtengewalt blieben dem Klerikerstande in der Stufung vom Presbyterat zum Episkopat vorbehalten. Was an kirchlichen Funktionen darüber hinausgreift, könnte partnerschaftlich von Klerikern und Laien ausgeübt werden. Solche Zusammenarbeit der innerkirchlichen Stände, wobei die kirchenrechtlichen Grenzen streng eingehalten sind, würde die missionarische Kraft nach innen und außen verstärken. Solange aber in dieser Hinsicht noch längst nicht alle Möglichkeiten entfaltet sind, ist ein Streben nach dem besonderen Priester-tum der Frau absurd. Wer sich zum Priestertum gedrängt fühlt, kann diese Anlagen auch in einem theologischen, katechetischen oder sozialen Beruf verwirklichen. Für die Weihe- und Hirtengewalt des Priesters gibt es im eigentlichen Sinne keine Begabung oder Anlage, die bei der Frau notwendig unerfüllt bleiben müßte, sondern nur einen Auftrag.
Nach der Reformation wurde in der katholischen Theologie das besondere Priestertum der Ordinierten einseitig betont. Seit einigen Jahrzehnten ist wieder das allgemeine Priestertum der nichtordinierten Getauften in den Blick gerückt. Ebenso muß auch neben dem besonderen Laientum der getauften Nichtordinierten wieder das allgemeine Laientum betont werden, dem die Ordinierten zuzuzählen sind. Denn der Begriff »Laos«, von dem das Wort Laienstand abgeleitet ist, bedeutete ursprünglich das ganze Volk Gottes einschließlich seiner Vorsteher. Wenn die Kirche sich dazu entschließt, das Diakonat nicht nur wieder einzuführen, sondern auch auszubauen, so dürfte dies auf keinen Fall eine neue Benachteiligung der Frau in der Kirche mit sich bringen.
Versteht sich die Frau als Laie und nicht als potentieller Kleriker, so könnte sie ein besonders deutliches Zeichen dafür sein, daß es in der Kirche nicht nur die vertikale Struktur des kirchlichen Amtes gibt, sondern auch die horizontale Struktur der Jüngerschaft aller Getauften. Sie bildet das Gegengewicht und die Ergänzung innerhalb der hierarchisch verfaßten Kirche. Durch diese Jüngerschaft aller Getauften entsteht eine Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit auch zwischen denen, die im kirchenrechtlichen Sinne einander über- und untergeordnet sind.[13] Weil die Menschen im Geiste Christi einander Brüder und Schwestern geworden sind, muß dieses auch im kirchlichen Leben zum Vorschein kommen. Die kirchliche Gemeinschaft besteht nidit bloß aus Söhnen und Brüdern, sondern auch aus Schwestern und Töchtern, obgleich dies in der Sprache der amtlichen Verlautbarungen noch nicht deutlich wird.
Der gegenseitige Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den innerkirchlichen Ständen ist dasjenige, das heute der Kirche nottut. Dann kann auch das Charismatische wieder stärker bemerkbar werden, das der Geistverheißung Jesu gemäß immer in der Kirche bleibt, bei Klerikern und Laien, bei Männern und Frauen. Das Charisma ist nicht etwas frei Schweifendes, das in jedem Falle Bildung und Zuständigkeit ersetzt, sondern kann gerade auch an diese Dinge anknüpfen.
Auf der Ebene der sachlichen Zuständigkeit einerseits und der charismatischen Begabung anderseits liegt also in unserer Zeit das Aufgabengebiet der Frau in der Kirche. Sachliche Zuständigkeit würde bedeuten, daß die theologische Arbeit der Frau nicht bloß als ihr Privatvergnügen gelten würde, daß ihr missionarischer Einsatz auch außerhalb des Ordens eine kirchliche Bedeutung hätte, daß die soziale, katechetische und seelsorgliche Tätigkeit der Frau nicht als untergeordnete Funktion mit Kurzausbildung angesehen würde, sondern daß alles dies sich zu innerkiichlich voll anerkannten Laienberufen und damit auch Frauenberufen entwickelt. Wenn z. B. eine Katechetin und ein Katechet, der Priester ist, an einer Schule zusammenarbeiten, dann ist nicht er aufgrund seiner Priesterweihe für das Fach der Zuständigere.
Bei diesen kirchlichen Laienberufen bedarf es auch eines weiteren Ausbaus der Berufsorganisationen, damit sie ihre Interessen vertreten können. Bei der Frage des klerikalen Beirats ist zu beachten, daß das hierarchische Prinzip als solches nicht überall in der Kirche spürbar sein sollte, wohl aber eine gegenseitige Verständigung und Hochachtung der innerkirchlichen Stände. Alles Aufsehenerregende, jede Sensation im innerkirchlichen Leben ist zu vermeiden, die notwendigen Erneuerungen müssen mit Selbstverständlichkeit und Entschiedenheit durchgeführt werden, wie etwas, das schon lange fällig war.
Wenn die Frau sich in ihrer Arbeit auf Tüchtigkeit, sachliche Zuständigkeit und innere Freiheit