Mädchenerziehung und Selbsterziehung der Frau

a) Die Welt des Mädchens

Die kindhafte und jugendliche Seinsweise der Frau kann man als die Wesensform des Mädchenseins bezeichnen. Sie reicht von der frühen Kindheit bis zur Ablösung durch die späteren Wesensformen, braucht aber niemals ganz zu verschwinden, sondern kann später unter den voll entwickelten Wesensformen des Frauseins und des Mutterseins immer wieder aufscheinen, ohne daß dies auf Unreife beruhen müßte. Diese Wesensform kann man beschreiben als eine von der Seele bestimmte und in Erscheinung tretende Seinsverfassung, die gekennzeichnet ist durch die noch in sich selber kreisende Lebensbewegung und das Spiel des Seelischen. Daher ist das Mädchen der stärkste in der menschlichen Welt zu findende Ausdruck von Lebenserwartung und Hoffnung. Sie kann erfüllt oder enttäuscht werden. Die erwachende weibliche Person findet sich gleichsam vor, ohne schon über das eigene Innere gegenständlich zu verfügen, was erst durch die Wesensform des Frauseins in bestimmtem Maße möglich wird.
Jedes Mädchen ist von Natur aus schön, weil von ihm Daseinsfrische ausströmt. Es braucht dazu nicht die klassischen Gesetze der Schönheit zu erfüllen. So sind auch die eigentlich mädchenhaften Qualitäten wie Elastizität, Aufgeschlossenheit, Unmittelbarkeit, Bereitschaft, spielhafte Freizügigkeit etwas Belebendes und Aufmunterndes in der menschlichen Lebenswelt. Heute liegt eine Gefahr darin, daß das Mädchenhafte zu stark von der Vorstellung der Dame überformt bzw. von der Arbeitswelt übermäßig ausgenutzt wird. Die Selbstentfaltung wird gehemmt, wenn Erscheinung, Auftreten und Benehmen des Mädchens zu sehr durch Richtlinien von Zeitschriften und Modeheften dirigiert werden oder wenn zu harte Anforderungen von außen kommen.
Aber dennoch liegt in der Wesensform des Mädchenseins die Tendenz auf Gestaltgebung. Hierfür sind Sport und Gymnastik ebenso wichtig wie die Formen des gesellschaftlichen Umgangs. Vor allem muß das Mädchen fähig werden, seine stimmungshaften Bedrückungen und Reizbarkeiten zu überwinden und in den allgemeinen Lebensrhythmus einzuordnen. Die jugendliche Daseinsweise der Frau ist auf Umwandlung und Zukunft angelegt. Ziele und Aufgaben müssen vorhanden sein, damit nicht eine geistige Trägheit und Sinnlosigkeit eintritt. Aufgaben in der Familie, in der Gesellschaft und in der Kirche sind heute genügend da und warten auf die nachwachsende Frauengeneration. Wenn das junge Mädchen diese Komplexität des Lebens bejaht, dann erscheint ihm niemals die Jugend allein als ein Höhepunkt, der durch spätere Ehe und Mutterschaft wieder verlorengeht.
Viele junge Mädchen von heute stehen aber in einer Ratlosigkeit in bezug auf die Berufsfindung. Viele schwanken zwischen einer nüchtern-pragmatischen und einer romantisch-verklärenden Lebensauffassung und Liebeserwartung hin und her. Oder sie glauben, sie seien modern-sachlich eingestellt, so wie sie sich bisher vor sich selbst gezeigt haben, und entdecken dann plötzlich bei einem bestimmten Erlebnis, wie sehr sie doch noch das Romantische in sich haben; gar nicht zu ihrem Nachteil übrigens. Denn die romantische Anschauung der Kunst, der Geschichte und des menschlichen Lebens war nicht nur Verklärung der Wirklichkeit, sondern der Versuch, die ganze Wirklichkeit in den Griff zu bekommen und die verschiedenen Bereiche miteinander in Beziehung zu bringen.
Manche Mädchen von heute stellen sich während ihrer Jugendjahre ruhig und selbstverständlich auf Ehe und Familie ein, andere dagegen, besonders die stark intellektuell oder künstlerisch veranlagten, haben einen Horror vor Ehe und Familie und sehen die Mutterschaft als Bedrohung, wenn nicht Untergang ihrer geistigen Ziele an. Diese Mädchen verachten dann oft diejenigen, die sich ruhig auf Ehe und Mutterschaft einstellen, weil sie ihnen gegenüber als die naiveren erscheinen, obwohl sie es durchaus nicht zu sein brauchen. Wieder andere Mädchen beobachten kritisch die Ehen ihrer Eltern, sind empfindsam gegen alle Anzeichen der Erstarrung und wollen alles ganz anders machen.
Ein neu entstandenes Problem für die heutige Jugend ist auch die Freizeitgestaltung. Geschwisterkreise, in denen Hausmusik betrieben wird, oder überhaupt Elternhäuser mit einem regen geselligen Leben, das auch   heranwachsende  Kinder  noch  fesselt,  werden immer seltener, was nicht nur auf ein kulturelles Versagen des Elternhauses zurückzuführen ist, sondern zum guten Teil auch auf die Tatsache, daß das Leben der Menschen von heute stärker durch die Öffentlichkeit mitbestimmt wird. Die Öffentlichkeit bricht mit den Kommunikationsmitteln in die Privatatmosphäre unserer Häuser ein und bietet außerhalb des Hauses ein großes kulturelles und unterhaltendes Programm mit allen Entfaltungs- und Abfallsmöglichkeiten.
Im Hintergrund dieser Freizeitprobleme steht für die jungen Mädchen die Frage der Begegnung mit dem gleichaltrigen jungen Mann.  Es  ist  anders,  ob  ein weiblicher Lehrling im Betrieb oder eine junge Arbeiterin in der Fabrik ihren männlichen Kollegen begegnen oder ob beide noch in der schulischen Ausbildung stehen. Vieles von dem, was sich in der Freizeit zwischen den jungen Menschen ereignet, kann sicher auf der Ebene des Spiels verbleiben; nicht in dem negativen Sinne, wie man sagt: Dieses Mädchen spielt bloß mit den Männern und meint es nicht ernst, sondern in dem Sinne, daß bei der psychologischen Struktur der heutigen Jugend durchaus eine spielhafte Weise der Begegnung von beiden Seiten klar bewußt und intendiert sein kann. Dazu gehört aber, daß die jungen Leute nicht so sehr paarweise abgekapselt beisammen sind, sondern gruppenweise. Auf dieser Ebene des Spiels kann es auch zu sozusagen unverbindlichen und nicht zu ernst genommenen Zärtlichkeits formen kommen, die für das junge Mädchen längst nicht das bedeuten, was sie für ihre Mutter bedeutet haben würden. Freilich sollen die Gefahren, die in den heutigen zwangloseren und offeneren Umgangsformen von jungen Männern und Mädchen bestehen, durchaus nicht bestritten werden. Aber man muß doch sehen, daß scheinbar dieselben Dinge doch nicht dieselben sind wie früher und deshalb anders beurteilt werden müssen.
Nun ist aber nicht alles, was sich heute zwischen jungen Mädchen und Männern anbahnt, auf die Freizeitebene und die Kategorie des Spiels zu beschränken. Es gibt auch die Möglichkeit gemeinsamer Diskussionsgruppen und Gespräche zu zweit oder dritt über geistige und arbeitsmäßige Probleme, aus denen eine Verbundenheit erwächst. Vielleicht ist es selten, aber manchmal führen solche frühen Bindungen zu späterer beruflicher bzw. ehelicher Partnerschaft.
Bei einer solchen Vorform der Kollegialität steht naturgemäß das Sachliche im Vordergrund, also diejenigen Wissensgebiete und geistigen Einstellungen, die sich die jungen Leute gerade anzueignen haben. Das Material der gemeinsamen Beschäftigung, seien es Abendkurse oder Arbeitsgemeinschaften, gewährleistet eine gegenseitige Distanz. Es ist wichtig, daß die jungen Menschen selbst sich Gedanken über die Formen ihrer Begegnung machen und auch neue Formen entdecken.
Manchmal vermischen sich diese Formen, oder jede kommt zu ihrer Zeit zu ihrem Recht. Wichtig ist, daß den jungen Menschen Vertrauen entgegengebracht wird und sie dazu angeleitet werden, früh genug ihre Selbsterziehung in die Hand zu nehmen. So entwickelt sich auch das Mädchen organisch dem späteren Frausein entgegen.

b) Das Berufsethos der Frau

Jedes junge Mädchen hat das Recht und auch die Pflicht, bei der Schulentlassung, sei sie mit 14, 17 oder 19 Jahren, eine berufliche Entscheidung zu fällen. Die Kurzschlußlösung, die Mädchen nur möglichst schnell ohne Berufsausbildung verdienen zu lassen, weil der Beruf für sie nur ein Übergangszustand sei, kann nicht mehr länger verantwortet werden. Natürlich darf ein Mädchen, wenn es keine Neigung zu längerer Ausbildung hat, darauf schauen, möglichst schnell an konkrete Arbeit zu kommen. Aber die Einstellung, Beruf sei für ein Mädchen entweder nur Übergangszustand oder Ersatz für Ehe, ist grundsätzlich falsch und überholt. Die menschliche Gesellschaft braucht heute die Arbeitskraft der Frau in Familie und Öffentlichkeit, sie braucht die Lehrerin, die Ärztin, die Juristin, und unsere Wirtschaft müßte zusammenbrechen, wenn sich plötzlich die weiblichen  Kräfte aus ihr zurückzögen. Eine vollgültige weibliche Berufsausübung kann aber nicht erzielt werden, solange man sie nur als Übergangszustand oder Eheersatz ansieht. Die Berufsarbeit mit allem, was dazu verhilft, ist ein lebensmäßiger und geistiger Wert für die Frau.
Die Soziologen sprechen davon, daß künftig drei Phasen im Leben der Frau einander ablösen werden, die Jugend mit dem Erlernen und anfänglichen Ausüben des Berufes, die ersten zwei Jahrzehnte der Ehe, die vorwiegend den Familienaufgaben gewidmet sind, und die daran anschließenden Jahrzehnte, in denen die Frau, wenn sie Mutter von größeren oder erwachsenen Kindern ist, wieder frei wird für außerhäusliche Aufgaben im Rahmen der menschlichen Gesellschaft.
Wie dem auch sei, ob das Mädchen später heiratet oder nicht, ob es den erlernten Beruf zeitlebens ausübt oder nicht, auch wenn er ihr nur zur persönlichen Selbstentfaltung verhilft, das Recht und die Pflicht zur Berufsausbildung hat jede. Eltern müssen daher ein Verständnis für die Berufswünsche ihrer Töchter haben und ihnen auch nach Kräften beistehen, damit sie den erwünschten beruflichen Weg einschlagen können, das ersehnte Studienziel erreichen. Es ist nicht zu rechtfertigen, wenn Eltern ihren Töchtern, bloß weil sie keine Jungen sind, eine geringere Ausbildung geben als ihren Söhnen oder sie in beruflichen Dingen irreführend beraten.
Wird die berufliche Ausbildung in den Augen der Eltern wie der gesamten menschlichen Gesellschaft wirk-' lieh ernst genommen, dann ergibt sich nicht mehr jener beschämende Anschein, als ob das junge Mädchen nach Schulabschluß eigentlich nur auf den Mann warte, der es heiratet. Die Tendenz auf beiderseitige berufliche Ausbildung verstärkt auch das Sachliche in der Begegnung von jungen Mädchen und Männern. Wenn die Ausbildung auf beiden Seiten als etwas Selbstverständliches und Notwendiges angesehen wird, wird vieles leichter.
Die Frau ist in der Vergangenheit nicht auf den Beruf und die Arbeitswelt hin erzogen worden. Auch heute sind die Haltungen und Vorstellungen, die mit ihrem Berufsethos zusammenhängen, noch weitgehend auf die individuelle Initiative angewiesen. Die Frau mußte ihr Berufethos erst entdecken, es aus der neuen Umwelt herauslesen, die gesammelten Erfahrungen auswerten, wie es schon in Edith Steins Arbeit über das Ethos der Frauenberufe geschehen ist. Diese Aufgabe wird jedoch nie ein für allemal gelöst, sondern erwächst jeder jungen Frau von neuem und auf je verschiedene Art, in welchem Beruf immer sie sich einleben mag. Der  heutigen  Berufsarbeit wohnt  eine  rationelle Durchgliederung inne, die das gesamte Lebensgefüge trägt. Sie stammt aus der technischen Entwicklung und behält eine dauernde Nähe zur Technik, selbst wenn sie     sich nicht auf ausdrücklich auf technische Tätigkeiten und Erscheinungen bezieht. Das hier gemeinte Gesamtphänomen läßt sich gut unter dem Begriff der technischen Form zusammenfassen. Die technische Form erstreckt sich sowohl auf das Herzustellende oder zu Leistende als auch auf den Arbeitsvorgang selbst. Zu ihr gehört das Kalkül, d. h., sie muß bis ins einzelne durchrechenbar und überprüfbar sein, hat immer genau zu stimmen.
Die heute das Leben immer mehr erobernde technische Form kann nur deshalb die Menschheit bedeutend prägen, weil sie in sich eine ganz feste  Grundlage    an Ethik enthält. Sie ist bei allem Nihilismus, Pessimismus, Atheismus, aber auch bei allen christlichen Versuchen moderner Weltgestaltung das unumstößliche Ethos der Moderne selbst. In der technischen Form sind deshalb alle Voraussetzungen für die Entfaltung eines modernen Berufsethos gelegen. Die auf den ersten Blick hervorstechenden beruflichen Tugenden sind: Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Exaktheit, korrekte Einstellung, nachweisbares Können, Bewährung; also alles Eigenschaften, die auf einen übernommenen Außenbereich gerichtet sind.
Die Frau ist wie der Mann durch ihre berufliche Beschäftigung der technischen Form eingegliedert und hat sich danach zu richten. Äußerlich ruft diese für Mann und Frau nahezu die gleichen Bedingungen hervor, bei der Frau ist alles nur deshalb entscheidender, weil sie sich neu in den Beruf hineinbegeben hat und auf andere Weise darin steht als der Mann.
Das technische Ethos ist eine Kategorie von größter Allgemeinheit. Es durchschreitet alle politischen und religiösen Gegensätze. Hier liegt seine umfassende Gültigkeit, die uns aber auch aufmerken läßt auf seine Grenzen. Es ist, aus der geschichtlichen Gewordenheit betrachtet, trotz seiner Neuheit ein Restbestand der abendländisch-christlichen oder dem Christentum vorgelagerten natürlichen Ethik. Denn das technische Ethos hat sein Ziel nur mehr im menschlichen Werk. Um seinetwillen wird es erfüllt. Was weiter mit dem Werk geschieht, liegt außerhalb seiner. Das Werk muß nur als solches zustande kommen und erhalten bleiben. In dem Menschen aber, welcher unter dem technischen Ethos steht, bleibt fast immer das berechtigte Gefühl dafür, daß mit ihm noch nicht alles getan ist, daß noch etwas anderes notwendig ist. Dieses andere kann nun bei sonst  gleicher Befolgung des technischen Ethos völlig gegensätzlich und sogar widersprüchlich sein. Das Religiöse kann bejaht oder ausgeklammert werden, das Mitmenschliche kann eine ganz verschiedene Deutung erfahren. Die gegenwärtig vor sich gehende Übernahme der technischen Form auf der ganzen Erde trotz aller weltanschaulichen Verschiedenheiten veranschaulicht dies.
Außer dieser Begrenztheit des technischen Ethos gibt es aber auch ihm immanente Gefahren. Vor allem ist es die, daß die beruflichen Tugenden wie Exaktheit, Genauigkeit, Verläßlichkeit und alles andere nur äußere Spielregeln werden, die angesichts der Konkurrenz, wegen sonst einsetzender Bestrafung oder Ausmerzung aus dem Berufsleben oder auch bloß um des Geldes willen geübt werden. Das Verführerische ist, daß diese beruflichen Tüchtigkeiten auch als veräußerlichte irgendwie ausreichen, um das große menschliche Werk der technischen Weltgestaltung in Gang zu halten.
Das Werk in seiner Anforderung an den Menschen ist so fundamental geworden, daß es nun ebenso die Frau braucht wie den Mann. Es kommt für die Frau, die in die Arbeitswelt hineinwächst, darauf an zu erkennen, daß das moderne technisierte Berufsleben nicht etwas ethisch Indifferentes oder für die Seele Neutrales ist. Wenngleich das technische Ethos substantiell nur den Restbestand dessen ausmacht, was die christliche Ethik seit Jahrhunderten über Pflichterfüllung und Treue im Berufsleben gelehrt hat, so reicht doch dies alles nicht aus, wenn der Mensch sich in der modernen Situation zurechtfinden soll. Die alte Ethik besaß das persönliche und berufliche Gebot in einer inneren Zuordnung und Einheit und kannte kaum die Gefahr, daß beides nebeneinander herlief. Diese aber ist heute höchst akut, denn bei der technischen Vollkommenheit kann eine bestimmte menschliche Vollkommenheit ganz und gar ausgeklammert werden. Nur sofern die persönliche Schuldhaftigkeit sich auch als Vernachlässigung des technischen Ethos auswirkt, wird dieses mitbetroffen, während umgekehrt aber die Person fast immer von der Verletzung des technischen Ethos gezeichnet ist. Für die Frau wird diese relative Unabhängigkeit des technischen vom persönlichen Ethos deshalb besonders erheblich, weil ihr aus ihrer Grundtendenz der Vereinbarung der verschiedenen Anforderungen und Spannungen, unter denen sie steht, besonders eindringlich bewußt ist, daß das technische Ethos vom persönlichen aufgefangen sein muß.
Am Anfang steht der Entschluß, die übernommene Arbeit so gut wie möglich auszuführen, sich nicht nur recht und schlecht durch sie hindurchzuschleppen. So wird die Frau dem Werk inne, beherrscht seine Erfordernisse, ja gewinnt es für sich. Das Werk selbst birgt aber zwei Versuchungen, die dieses erschweren: die eine zielt darauf hin, daß die Frau sich aufgibt, indem sie sich restlos an die Arbeit verkauft und im Werk untergeht. Dabei ist es gleich, welche ideologische Entschuldigung angeführt wird. Die zweite Lockung besagt das Gegenteil, eine Ausbeutung des Werkes auf eigene Vorteile, wie Geld, Ansehen, Position hin, ohne daß das Werk um seiner selbst willen getan würde. Beispiele dieser beiden Verfallsformen sind die Funktionärin und die Weltsüchtige. Bei aller Distanz, welche der Frau dem Werk gegenüber geboten ist, muß sie doch so in die Arbeit hineinwachsen, daß sie in der Weise der Gegenständlichkeit auf das Sein trifft.
Die heute neu hinzukommenden Berufe sowohl des Mannes wie der Frau sind so speziell und fachlich eingeschränkt, und auch die alten wurden unter dem Gebot der technischen Form derartig umgestaltet, daß sich der Mensch kaum noch in ihnen ausgesprochen sehen kann. Der Auftrag des Berufes stößt höchstens noch sehr mittelbar auf das, was wir Schöpfung nennen, eher auf das Werk eines andern, auf Gesetze, Verträge und wirtschaftliche Interessen. Dennoch heißt es, den echten Restbestand an Ethos, der im Werke liegt, mit innerer Bescheidung und Vernünftigkeit zu erfüllen, nicht einen höheren Sinn des Werkes zu erwarten oder ihm zu unterschieben, sondern sich mit seiner Funktion zufriedengeben zu können. Auf diese Weise wird man nicht am Werk schuldig, vielmehr durch die bewußt erlebte Bindung frei und gelöst. Eine solche »Werkgerechtigkeit« gibt der Frau im Berufsleben ihre Sicherheit, ihren Charakter, vermag aber nicht die nur im Glauben erreichbare Erfüllung zu ersetzen, wenngleich das Werk mit seiner Vorspiegelung einer heilen Welt sich oft verführerisch dazu anbietet.
Die nicht das Letzte an menschlicher Hingabe fordernden Berufe unseres technischen Zeitalters harmonieren so auf seltsam paradoxe Art mit dem Wesen des Menschen, da er nie ganz in ein sachliches Werk eingehen kann und darf. Die Angleichung der Frau an einen rationell durchstrukturierten Beruf, sei sie Verkäuferin, Stenotypistin, Laborantin, Journalistin oder Wissenschaftlerin, ist aber aus der Wesensform des Frauseins ohne weiteres zu leisten und braucht nicht notwendig zum Verlust der weiblichen Qualitäten zu führen. Das rein Mädchenhafte reicht auf die Dauer nicht aus, wenn man in der Arbeitswelt bestehen will. Es geht also nicht bloß um Anpassung an die Wirklichkeit, sondern um einen Reifungsprozeß.
Wenn die Frau auch an der geringsten, nicht von großen Ideen gezeichneten Beschäftigung die ethische Seite zu entdecken vermag, was vielleicht nur durch einen Akt der Demut möglich ist, so wird ihre Arbeit Dienst. Heute wie zu allen Zeiten ist die Arbeit begleitet von Mühsal und erfordert Anstrengung. Leichtigkeit gibt es eigentlich nicht, wohl echte Fertigkeit, echte Arbeitsfreude. Das Erfordernis äußerster Konzentration und ihre Gegenseite, die Abgespanntheit, sind solche modernen Mühsale. Aber gerade sie machen die Berufsarbeit wesentlich und prägen ihr die Züge des Heilsamen oder sogar im gnadenhaften Sinne Heilvollen ein. Ein arbeitsreiches Leben nimmt in Zucht und ist sogar Askese. Gerade dieser alte Begriff scheint sich der Berufsarbeit in der Technik gut anzupassen. So zeigt sich, daß die der Frau besonders aufgetragene Berufs-Innigkeit mehr ist als das befriedigende Bewußtsein eigener Tüchtigkeit.
Mit der Berufsausübung tritt die Frau in die mitmenschliche Atmosphäre. Der Arbeitsplatz hat sie in eine neue Beziehung zu den anderen Menschen gebracht. Die Wesensform des Frauseins, aus der das frauliche Berufsethos hervorgeht, macht es möglich, daß Frauen, sofern sie das gleiche tun, nicht zur unbestimmten Masse werden. Die moderne Berufswelt ist durchweg von der Objektivität des Werkes bestimmt, durch welche Mann und Frau in gleicher Weise geprägt sind. Diese Objektivität nun durchformt auch das Verhältnis von Mann und Frau. Wenn es in rechter Weise geschieht, ist die Gefahr einer Erotisierung der Berufsatmosphäre durdi die Frau oder die einer unnatürlichen Neutralisierung, ja selbst die der Vermännlichung der Frau gebannt. Das Werk beansprucht jeden in seiner speziellen Wesensform. Das frauliche Berufsethos mit seiner auf das Werk gerichteten Intentionalität duldet es nicht, daß die Gemeinschaft der Arbeitenden in einem anonymen Arbeitsvorgang ausgelöscht wird.
Die mitbeschäftigte Frau kann sich während der Arbeit von den Männern weder als Dame behandeln, noch magdhaft ausnutzen lassen. Es hat ein ganz bestimmter Respekt zum andern, zu seinem Mannsein, zu ihrem Frausein vorzuwalten. Dadurch wird eine gesunde Berufsatmosphäre gesichert. Aber auch die Frauen untereinander begegnen sich anders, wenn sie sich in ihrer Fraulichkeit respektieren. So kann die Arbeit in jeder Hinsicht menschlich getan werden. Hierher gehört auch, daß kein rücksichtsloser Ehrgeiz aufkommt, Taktlosigkeiten unterbleiben, daß keiner sich zugunsten eines andern dem ihm aufgetragenen Teil der Arbeit entzieht. Eine gleichbleibende Kameradschaftlichkeit, Höflichkeit und sogar Freundlichkeit ist die adäquate Haltung zum Mitbeschäftigten, ob Kollege oder Kollegin.
Nicht die Sympathie, die sich bei der Frau so gern in den Vordergrund ihres Urteils drängt, darf entscheiden, sondern gegenseitige Anerkennung von Fähigkeiten, Tüchtigkeiten und jeweils verschiedenen persönlichen Qualitäten. Auf der Grundlage der Berufstüchtigkeit vermag auch das Christentum neues Ansehen zu gewinnen, indem es sich nicht als eine von der Welt abstrahierende Frömmigkeit, sondern als die Kraft bezeugt, aus der das moderne Berufsethos erst in rechter Weise erfüllbar wird. Durch die menschliche Haltung kann sich also das Christentum in die religiös indifferent gewordene Technik inkarnieren. Die Christin im Beruf ist das stille, aber überzeugende Zeichen einer sich über den Beruf hinaus bekundenden Spiritualität.

c) Die Liebe zum Vergänglichen

Das innere Ja zum beruflichen Streben des Mädchens und der Frau darf aber nicht auf Kosten von etwas anderem gehen, nämlich der Fähigkeit, das menschliche Leben zu ermöglichen, Kinder zu pflegen und einen Haushalt zu führen. Die Gewöhnung an diese Verrichtungen der Alltagsarbeit muß dem Mädchen von klein auf zur Selbstverständlichkeit geworden sein, dann wird sie auch später nicht zur Last. Eine Frau von heute darf nicht die beruflichen Fertigkeiten gegen die häuslichen eintauschen, sondern muß beides prinzipiell zu vereinbaren wissen. Wenn ihr Geschick und Kenntnisse der Haushaltung abgehen, so läßt sich dies durch Kurse aufholen, sofern nur die richtige Einstellung vorliegt.
Berufsarbeit und Hausfrauenarbeit werden in der künftigen Frau sicher enger zusammenrücken, als wir es uns bis jetzt vorstellen können. Dazu ist Disziplin, Rationalisierung und planvolle Arbeitseinteilung von-nöten. Die Kunst des Vereinbarens ist ohnehin ein Erfordernis der Zeit. Wenn man von Doppelbelastung spricht, so meint man gewöhnlich das Nebeneinander von Haushalt und Erwerbs arbeit. Dies ist ein Problem, das jede einzelne Frau aus ihrer Situation persönlich und mit der Familie zu entscheiden hat. Davon abgesehen, stehen aber die meisten Frauen in einer mehrfachen Belastung menschlicher und arbeitsmäßiger Art.
Oft hört man die Klage, daß die jungen Mädchen von heute nicht genügend Lust und Freude an den Verrichtungen der Haushaltsführung haben, daß es ihnen an Liebe zum Vergänglichen fehlt und sie sogar mit Abneigung reagieren. Hier gibt es nur eines: den jungen Mädchen auf dem Wege der Einsicht klarzumachen, wie notwendig diese Dinge zur Lebensermöglichung sind, und daß sie sich niemals ganz und gar wettmachen lassen durch Technisierung, sondern immer menschlicher Beitrag dazu gehört. Wenn die Liebe zum Vergänglichen heute vielleicht nicht mehr eine naturhafte Gabe bei den Mädchen ist, so läßt sie sich doch wiedergewinnen durch bewußtseinsmäßige und geistige Aneignung. Die Liebe zum Vergänglichen ist ein Bildungselement auch für die moderne Frau. Wer die aus ihr hervorgehenden Haltungen und Fertigkeiten nicht beherrscht, ist ungebildet.[10]
Warum kann man alle diese Dinge der Lebensermöglichung mit dem Begriff der Liebe zum Vergänglichen bezeichnen? Dazu einige Überlegungen. Der Mensch lebt überhaupt im Vergänglichen. Was er sieht, hört, anfaßt, und zum größten Teil sogar das, was er denkt, hat nicht den Charakter des Überdauernden, sondern steht im Zeichen des Vergehens. Dies ist eine alltägliche Lebenserfahrung und nicht erst das Ergebnis einer langen philosophischen Überlegung. Sie eignet sowohl dem Mann wie der Frau. Es gibt sogar in den verschiedenen geistesgeschichtlichen Epochen besondere Ausprägungen des Vergänglichkeitserlebnisses: Im Spätmittelalter die gesteigerte Todesverhaftung, das »Memento mori«, sowie die daraus hervorgehende Welt Verachtung, die sich in dem Ruf »Vanitas vanita-tum« Ausdruck verschafft hat und bis in die Barockzeit hinüberreicht, welche das menschliche Dasein als eine schmerzvolle Spannung zwischen dem dahinschwindenden Diesseits und dem ewig beständigen Jenseits empfunden hat. Diese aus der Geistesgeschichte bekannten Erfahrungsweisen der Vergänglichkeit, wobei man vielleicht auch nicht zuletzt an den Nihilismus der Gegenwart erinnert sein darf, entstehen immer aus einem polaren Gegenschlag zu einer ausgesprochenen Weltfreude und Weltzuwendung.
Was die Frau im Alltag als Vergänglichkeit erfährt, ist aber nicht so sehr dieses, sondern wesentlich doch etwas anderes, das zu allen Zeiten gleichbleibt. Es steht auch nicht in Antithese, sondern im Einklang mit ihrer Weltliebe. Aus der Hingabe an die Welt empfängt die Frau geradezu die Kraft, die ihr zuwachsende Vergänglichkeitserfahrung zeitlebens zu ertragen. Denn mehr als der Mann muß sie sich bei ihrem Lebenswerk im Vergänglichen bewegen und inmitten des Vergänglichen etwas schaffen, von dem sie weiß, daß es selbst wieder der Vergänglichkeit unterliegt. In einem gewissen Sinne kann man also in der Lebenswelt der Frau von einer Vergänglichkeit im kleinen sprechen, bei der es nicht wie bei dem geistesgeschichtlich zu ergreifenden Vergänglichkeitsgedanken um das Niederstürzen großer Reiche und Ideen geht, sondern um die scheinbare Vergeblichkeit im Alltäglichen. Das Erstaunliche an der Vergänglichkeitserfahrung im Alltag aber ist die in ihr beschlossene Einsicht, daß das scheinbar Vergebliche am menschlichen Tun und Erleiden nicht auch zugleich das Sinnlose sein muß.
Betrachten wir zunächst die Hausarbeit, das beständige Ordnungstiften der Frau im Hause. Letztlich sind Ordnung und Sauberkeit in jeder Hinsicht die in der Schöpfung Gottes angelegte Norm des menschlichen Daseins, die im Laufe der Geschichte immer von neuem gegen zerstörerische Widerstände durchgesetzt werden muß. Die Frau hat durch ihr täglich neues Bemühen nichts anderes zu leisten, als die menschliche Behausung in dem Zustand zu halten oder sie auch erst in den Zustand zu versetzen, worin ein erfülltes Dasein möglich ist, in welchen sozialen Verhältnissen es sich auch abspielen mag. Sie schafft also mit ihrer Arbeit das, was man Wohnlichkeit nennt. Und doch ist dies eine sehr unscheinbare Tätigkeit, denn sie fällt nicht auf, wenn sie regelmäßig verrichtet wird, vielmehr erregt sie erst dann Aufmerksamkeit, wenn sie unterbleibt und dadurch Unordnung entstanden ist. Diese Unscheinbarkeit ist aber geradezu typisch für das Ordnungstiften der Frau im Hause. Immer muß es unauffällig und selbstverständlich geschehen, denn nichts ist für die übrige Familie bedrückender als eine ständig zur Schau getragene Aktivität in diesen Dingen.
Aus der Bestimmung der Hausarbeit, die menschliche Wohnlichkeit zu schaffen und aufrechtzuerhalten, geht schon hervor, daß dies ein kontinuierliches Tun sein muß, dem jede Unterbrechung schadet. Täglich fällt Staub, Schmutz wird hereingetragen, Kleider, Schuhe und vielerlei Gegenstände werden verbraucht und verschlissen. Wie oft drückt eine Frau gegenüber ihrem Mann mit ähnlichen Worten wie den folgenden ihre Situation aus: Du hast einen wichtigen geschäftlichen Vertrag abgeschlossen, und ich muß jeden Tag dasselbe tun. Oder: Du hast eine lebensrettende Operation durchgeführt, und ich muß jeden Tag die gleichen unscheinbaren Arbeiten verrichten.
Einer gesunden und normalen Frau erwächst jedoch grundsätzlich kein Greuel daraus, daß nach jeder Mahlzeit das Geschirr gespült werden muß, daß jeden Morgen die in den Räumen umherliegenden Dinge des täglichen Lebens nach Aufräumung verlangen sowie die Fenster, Wände und Böden nach Reinigung und Pflege. Man kann im Haushalt nichts ein für allemal tun, sondern jede Arbeit fällt in größerem oder kleinerem Zyklus von selbst wieder an. Schmutz und Staub stellen sich ein als Zeichen des sofort beginnenden Verfalls, wenn das ordnende Tun des Menschen unterbleibt. Es ist also letztlich ein Kampf gegen die Vergänglichkeit, den die Frau mit ihrer Arbeit im Hause zu bestehen hat, aber ein berechtigter und gebotener. Dazu gehört das aus der Erfahrung gewonnene, wenn auch nicht notwendig klar bewußte Wissen, daß das Gesetz der Vergänglichkeit als solches nicht aufzuheben ist, daß der Mensch ihm aber seinen eigenen Lebensraum abringen muß und bei dieser ständigen Bemühung nie unterliegen darf. Ein willenloses Kapitulieren vor der Vergänglichkeit, indem man die Dinge gehenläßt, wie es sich von selbst ergibt, wäre ein verantwortungsloses Versäumnis und ebenso falsch wie ein übertriebenes und verkrampftes Säuberungsbedürfnis. Jedesmal handelt es sich darum, daß man mit der Vergänglichkeit nicht fertig wird, im ersten Falle ist es ein Versagen gegenüber dem Auftrag, welchen die Frau im Dienste der Weltgestaltung zu erfüllen hat, im anderen Fall aber ein unserm jetzigen VVeltzustand gänzlich unangemessener Versuch: man möchte das Gesetz der Vergänglichkeit selbst aufheben, da seine Spuren nicht ertragen werden können.
Jede Frau hält sich gesund und lebensnah, solange sie Mut, Kraft und Selbstvertrauen genug zur Arbeitsbewältigung aufbringt. Das andere wesentliche Element in der Haushaltung ist das Kochen mit seinen vielen verschiedenen Gebieten und seinem ganzen Umkreis an Arbeiten zur Mahlbereitung. Gegenüber dem Waschen und Putzen erscheint es mehr als etwas Schöpferisches, es ist aber nicht weniger mit der Vergänglichkeit verknüpft, was man schon allein daran sieht, daß auch hier alles immer von neuem getan werden muß. Am Kochen zeigt sich die Beziehung zum Vergänglichen und Vergehenden in zwei Richtungen, einmal stärker nach außen, im Hinblick auf Aufwand und Verbrauch, einmal stärker nach innen, das Wesen des Menschen betreffend. Bedenken wir zunächst die Außenseite. Für das Kochen gibt es unumgängliche Vorbereiche. Man kann nicht mit nichts beginnen, vielmehr muß man sich durch Sonderarbeiten erst die Voraussetzungen schaffen, um anfangen zu können. Hierzu gehört in mehr ländlichen Haushaltungen der Gartenbau, der größtenteils der Frau obliegt. Der städtische Haushalt, der ohne Garten auskommen muß, ist stattdessen mehr auf die diffizile und zeitraubende Arbeit des Einkaufens angewiesen, die viel Überlegung und Bedachtsamkeit erfordert. Abgesehen von diesen Energie beanspruchenden Vorbereichen, entfaltet sich dann das Kochen selbst in einem Ablauf vieler einzelner Hantierungen. Man tut es gern, und doch ist es zugleich auch eine Last. Bei den modernen technischen Hilfsmitteln in der Küche kann man zwar Zeit und Arbeitskraft sparen, aber der menschliche Einsatz der Frau wird nicht überflüssig, denn der Wohlgeschmack der Speisen läßt sich niemals rein maschinell erzwingen.
Nach ihrer inneren Seite weist die Arbeit des Kochens auf die Bedürftigkeit des Menschen hin. Sie dient seinem leiblichen Leben und damit der Auf erbauung seines ganzen irdischen Seins. Der Mensch bedarf der Ernährung, um sein Leben zu erhalten. Dieses Bedürfnis, das durch Kochen und Mahlbereitung erfüllt wird, macht uns auf unsere eigene Hinfälligkeit und Vergänglichkeit aufmerksam. Wie es also bei der auf Sauberkeit und Ordnung tendierenden Tätigkeit der Frau darum geht, daß der Mensch wohnen kann, so geht es hier in noch tieferem Sinne darum, daß er leben kann. Mit ihrer Arbeit des Kochens steht die Frau direkt im Dienste der Lebensermöglichung. Nimmt man also diese Innenseite zur Außenseite hinzu, so läßt sich auch vom Kochen sagen, daß es das Gesetz der Vergänglichkeit nicht nur offenbar macht, sondern ihm zugleich in angemessener Weise Einhalt gebietet und die Lebenswelt des Menschen von ihm abringt.
Diese wesentlichen Aufgaben für das menschliche Dasein kann die Frau nur erfüllen, wenn ihr die Liebe zum Vergänglichen eignet, kraft deren sie die Weltdinge so zu lieben vermag, wie sie sind. Es ist daher kein Kompromiß und keine Resignation, daß die Frau im Alltäglichen und in der ständigen Wiederholung selbstverständlich immer alles von neuem tun kann. Derartiger Arbeiten nicht überdrüssig zu werden, ist geradezu ein Prüfstein für die Echtheit und Gesundheit ihrer Lebensintensität und ihrer Welthaltung. Es gibt aber bei allem Leerlauf und aller Vergeblichkeit, die sich im Hauswesen zeigen, auch schon etwas wie eine innerweltliche Erfüllung: im feierlichen Mahl, in der Gestaltung von Sonn- und Feiertag, in der menschlichen Gemeinschaft, die dabei zusammenfindet, und in den religiös-kulturellen Formen, die dazugehören. Aber selbst wenn man von diesen Höhepunkten absieht, wenn man das Vergänglichkeitsgesetz rein als solches nimmt, übt es eine wohltätige Wirkung auf die Frau aus.   Durch   die   von   ihm   hervorgerufenen,   immer gleichbleibenden    Arbeiten    und    Erfordernisse    erwächst ihr über die Jahrzehnte hinweg das Gefühl der Lebenskontinuität, von der sie sich auch bei schweren Schicksalsschlägen tröstend getragen und weitergeleitet weiß.
Den Gegenbegriff zu der das alltägliche Dasein prägenden Vergänglichkeit kann man in der Dauer Gottes erblicken. Was von ihr in dieser vorläufigen Weltform schon spürbar wird, ist das einzig Endgültige. Nicht das Unvergängliche platonischer oder auch humanistischer Prägung läßt sich als Gegenbegriff der Vergänglichkeit namhaft machen, weil beides auf je verschiedene Art eine zu enge Antithese zum Vergänglichen setzt, indem einmal das rein Geistige und einmal das Edel-Menschliche als das Unvergängliche den Weltdingen konfrontiert wird. Aber vor Gott ist alles vergänglich, nur das nicht, was er selbst durch sein Gericht hindurch zur gnadenhaften Umwandlung bestimmt hat.
Es gibt ein menschliches Organ, mit dem dieses Endgültige inmitten der Vergänglichkeit wahrzunehmen ist: die echte Daseinsfreude, die nichts gemeinsam hat mit dem flachen Sinn, den man oft diesem Worte unterlegt. Sie ist weder oberflächlich noch flüchtig, sondern die angemessene Form, in der Vergänglichkeit zu leben, ohne über sie hinwegzugleiten, vielmehr in ihrer Mitte den Keim des Heilvollen entdeckend. Sie stößt im Werdenden und Vergehenden der Welt auf das Übergreifende des menschlichen Lebens, das immer in die einander ablösenden und ins Vergessen entfallenden Situationen zu zerrinnen droht, und daher hat sie auch die Kraft, das ganze Leben, selbst in seinen Düsternissen, zu durchlichten und zusammenzuraffen. Mit einer lang anhaltenden oder festzuhaltenden Stimmung hat die Daseinsfreude nichts zu tun. Sie kommt sowohl als eine Grundverfassung vor, die den Menschen, der sie besitzt, latent immer trägt, wie auch als punkthaftes oder ereignishaftes Aufblitzen. Die Lebensweisheit, die sie vermittelt, ist aber von so unauslotbarer Tiefe, daß daraus auch großes Leid und selbst die Todesbegegnung bestanden werden können. Sie macht sehend für den verborgenen Sinn der Lebenszusammenhänge.
Nun ist aber die Daseinsfreude nicht dem weiblichen Wesen vorbehalten, es gibt viele Beispiele, wo sie dem Manne eignet. Aber doch findet sich die Begabung mit ihr häufiger bei Frauen, weil ihnen auch in größerem Maße das Bestehen der Vergänglichkeit im Alltag aufgetragen ist. Bedrückungen und Belastungen können hingenommen werden, die Vergeblichkeit und der Leerlauf werden aufgefangen, wenn mit der Daseinsfreude die allgemeine Lebensbejahung durchbricht. Der weitläufig im Volksmund zu hörende Ausspruch, die Frau komme über schwere Schicksalsschläge leichter hinweg als der Mann, beruht auf dieser Kraft der Daseinsfreude. Allerdings ist auch sie heute wie die Liebe zum Vergänglichen vom Verlust bedroht und besteht weniger als eine naturhafte, sondern als eine geistig ergriffene und neu angeeignete Gabe.
Sie ist das Organ des Menschen, die innerweltlich so machtvoll herrschende Vergänglichkeit für die jetzige Struktur der Welt bestehenlassen zu können, aber doch über sie hinwegzukommen im Hinblick auf die Dauer Gottes, in welche hineingehoben zu werden, die endgültige Bestimmung des Menschen und seiner Welt ist.