Die Frau von gestern, die Frau von heute, die Frau von morgen? Gibt es denn letzten Endes etwas als die Frau schlechthin, die es gestern auf die Art von gestern gewesen ist und heute auf die Art von heute ist und morgen auf die Art von morgen sein wird? Die Frau wird stets mißverstanden werden, das heißt die Männer werden um so weniger eine Ahnung davon haben, wie die Frau in Wirklichkeit ist, je weniger sie sie so nehmen werden, wie sie eben ist und je mehr sie sie so oder anders "wünschen" werden. Um es gleich kurz herauszusagen: das Problem der modernen Frau ist nicht so sehr ein Problem der Frau selbst, sondern vielmehr ein Problem des modernen Mannes. Abhängig vom Manne, wie die Frau ist, und in einem absolut relativen Verhältnis zum Manne stehend, wird die Frau eines wirklichen Mannes schon ganz von selbst so sein oder werden, wie sie gewünscht wird. Ist aber der Mann kein wirklicher Mann, ist er vielmehr durch Zivilisation reduziert und verändert, so ist es begreiflich, daß auch die Frau, als das von ihm abhängige Element, keine wirkliche und unbefangene Frau sein kann. Zwar ist sie, bei ihrer Existenz in der Moderne, in ihrer ganzen Veranlagung weniger betroffen und beschädigt, als der Mann es in der seinigen ist, aber ähnlich wie eine Rebe, die an einem zerbrochenen Spalier nicht aufwärts kann und nur den Boden planlos umwuchert, gebärdet sich die Frau in den Händen eines in welchem Belang immer nicht ganz integren Mannes wie die scheugewordene Relativität selbst.
Gibt es aber einen besseren Beweis für die effektiv vorhandenen Defekte des modernen Mannes als den, daß die Frau heute sich bemüßigt fühlt, männliche Berufe zu usurpieren, daß die Frau überhaupt auf die Idee der Gleichstellung mit dem Manne kommen konnte, daß sie anfängt, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die ihr normalerweise nicht in den Sinn gekommen wären, kurz: daß die Frau sich irgendwie dazu gedrängt fühlt, alles das nachzuholen, was der Mann versäumt! Es hätte keinen Sinn, das Problem der Geschlechter etwa vom sozialen oder wirtschaftlichen Ende her aufzäumen zu wollen. überhaupt kann das Soziale und Wirtschaftliche, so sehr man es heute in seinen Einflüssen auch überschätzt, niemals die Bedeutung irgendeines zwar primitiveren aber menschlicheren Problems gewinnen, wie etwa, in unserem Fall, des erotischen oder sexuellen, und niemals wird etwa das Erotische sich einer sozialen Notwendigkeit, immer aber wird das Soziale sich einer auftauchenden erotischen Notwendigkeit beugen. Die Liebe hat sich nicht verändert, ob nun die Menschen im Ochsenkarren oder im Auto fahren, aber der Ochsenkarren hat sich zum Auto verändert, nicht weil es der "technische Aufschwung mit sich gebracht" hat, sondern weil man schneller reisen wollte. Das menschliche Problem diktiert, nicht das soziale oder technische. Man kann also auch nicht sagen, die moderne Frau sei so geworden wie sie geworden ist, weil die moderne Zeit, die herrschenden sozialen und zivilisatorischen Zustände sie zu dem gemacht hätten, was sie ist, es verhält sich vielmehr so, daß sowohl das soziale wie das Frauenproblem sich aus dem Zusammenbruch eines führenden, menschlichen Elements, also aus dem Kataklysma der integren Männlichkeit des Herren und des Mannes erst entwickelt haben. Überhaupt ist ja schon das Sehen von Problemen ein Schwächezeichen, denn für wirkliche Kräftigkeit gibt es nur mehr oder minder schwierige Lösungen, keinesfalls Probleme als solche. Immerhin werden wir uns mit der Tatsache abzufinden haben, daß es heute mehr Probleme gibt denn je, daß sie fortwährend zur Diskussion stehen und daß wir nichts davon haben, konstant denjenigen anzuklagen, der durch seine Problematik schuld daran ist, daß es so viele Probleme gibt: nämlich den modernen Mann, der allein (unter anderem) das Problem der modernen Frau geschaffen hat. Weil aber alles Moderne um einen Tag voraus ist, so ist das Problem der Frau von heute das der Frau von morgen, und es ist typisch problematisch, daß wir da einander auch noch fragen, "wie wir diese Frau wünschen".
Als die Frau von vorgestern, die erfreulich gewesen sein soll, zur Frau von gestern oder gar zur Frau von heute wurde, hatte man, weiß Gott, genug Unannehmlichkeiten vom Krampf ihrer Verwandlung, aber daß eben jetzt die Frau von heute zu der von morgen wird, ist wiederum erfreulicher, denn über das Ärgste ist sie ja jetzt schon hinaus, und es steht zu hoffen, daß die Frau von morgen so ähnlich sein wird, wie wir sie wünschen. Ich persönlich habe mich zwar mit solchen Spekulationen noch nicht abgegeben, aber wenn ich drei Wünsche in bezug auf die Frau von morgen frei hätte, so würde ich wünschen, daß sie erstens um Gottes willen keine "Frau von morgen" werden möge, daß sie zweitens nicht so werden möge, wie soundso viele Männer von heute sie sich "wünschen", und daß sie drittens eine ganz gewöhnliche, im übrigen aber hübsche, gutgewachsene, sympathische nicht geistreiche aber kluge, nicht liederliche aber auch nicht langweilige, kurz: eine ganz normale Person sein solle, wie sie seit Adam bis zum jüngsten Tag immer gesucht worden ist und immer wieder gesucht werden wird. Das alles klingt wohl recht flach, das scheint sich mit all den Problemen nicht auseinandersetzen zu wollen mit denen die Frau von morgen wird fertigwerden müssen, aber ich sagte doch schon: wirklich wünschenswert ist immer nur das tunlichst Unproblematische, und soll die Frau von morgen wünschenswert sein, so darf sie nicht annähernd so problematisch sein, wie die von gestern es war. Kompromisse haben da keinen Sinn. Es ist der Frau von morgen von ganzem Herzen zu wünschen, daß ihr zur Seite nicht irgend "ein Mann von morgen", eine Art Mann im Mond stehen möge, sondern vielmehr der Mann schlechthin, kurz: es ergäbe eben auch ein Paar schlechthin. Bis dato, das heißt: vom Momente des Hinschwindens der männlichen Souveränität an und seit dem daran gekoppelten Verfall von Familie und Staat, von da an also bis dato wünschte die Frau sich von der mehr und mehr sinnlos und launisch werdenden Herrschaft des Mannes zu befreien Aber es ist klar, daß die Frau an etwas ihr so Ungemäßes wie an ihre Freiheit erst dann denkt, wenn etwas ihr so Gemäßes wie ihre Unfreiheit sie nicht mehr befriedigt weil sie da in der Hörigkeit eines Menschen steht, von dem es zwar in der Bibel heißt: "Er soll dein Herr sein!" - der sich aber in Wirklichkeit immer mehr zum komischen Sklaven seiner Sklavin entwickelt.
Mit allem, was sie tut, hat die Frau, sofern sie sich auf ihren Instinkt beschränkt, recht, und wir verübeln ihr das Unwahrscheinliche nicht, das sie in ihrer heutigen kritischen Lage unternimmt, um sich aus ihr zu befreien. Galanter kann man nicht sein, als indem man dem Mann die Schuld für alle Fehler zuschreibt, die die Frau begeht. Und wenn wir der Frau von morgen wünschen, sie möge morgen keine Probleme zu lösen, sondern einen respektablen Mann zur Seite haben, der sie für sie löst, so ist das ebenfalls nur galant. Denn was immer für Frauenberufe und was immer für selbständige Frauen auch noch auftauchen mögen, so glauben wir doch, daß eine Gattin oder eine Geliebte von ihrem Beruf mehr verstehen wird als die flinkeste Stenotypistin, die beste Ärztin und die gerissenste Politikerin von dem ihren.