Im Jahre 1793 überreichte die Bürgerin Olympe de Gouges dem Revolutionstribunal eine Denkschrift, darin mit Hinweis auf die Menschenrechte die politische Gleichberechtigung der Frauen und Männer gefordert wurde. Der große Befreiungskampf der Frauen begann mit der französischen Revolution. Er wurde in den folgenden Jahrhunderten auf vielen Fronten und mit unterschiedlicher Taktik fortgeführt, in Amerika, in England, in Rußland, in Deutschland. Noch heute ist er im Prinzip nicht beendet, da es in Europa Staaten gibt darin den Frauen das Stimmrecht versagt und die Rechtslaufbahn verschlossen ist. Doch an dem endgültigen Siege dieser hundertdreißigjährigen Revolution gegen den Mann kann fürs erste nichts mehr gerüttelt werden. Die Welt sieht anders aus, seitdem die Frauen in den Parlamenten, in der Wohlfahrtspflege, im Schulwesen in der Sozialpolitik, in den Krankenhäusern tätig sind; ob glücklicher wird schwer zu erweisen sein, jedenfalls gerechter, ausgeglichener in ihren Gegensätzen, differenzierter in ihrer inneren Ordnung, liebenswerter in ihrer Oberfläche.
Kein vernünftiger Mann, der die Berufs- und Bewährungsfreiheit der Frau nicht billigte, der nicht weiterhin wünschte, das allgemeine Weltbild durch ihr lebensvolles und eifriges Wirken vertieft zu sehen. Außerdem wissen wir, daß ihr Freiheitskampf nicht nur ihr selbst, sondern großen überpersönlichen Ideen zum Siege verholfen hatte. Am Ende des Sklavenhandels sind entscheidend amerikanische Frauen beteiligt gewesen und das Ende der Reglementierung verdanken die Prostituierten der großen Josephine Butler. Wie solchermaßen die Welt in ihren sozialen Vernietungen und Beziehungen durch die Frau verändert wurde, war es kein Wunder, daß sich auch unter der Oberfläche Revolutionäres begab. Ja, hier, in der Ehe, in dem Verhältnis der Geschlechter zueinander, war nach und nach ein verborgener Kriegsschauplatz entstanden, darauf bis in unsere Tage mit Zähigkeit und Erbitterung gerungen wird. Denn langsam hatte sich der Akzent des Befreiungsproblems vom Juristischen auf das Menschliche verschoben. Die Werke Strindbergs, Ibsens, Wedekinds bezeichnen an hoffnungsloser Stelle den Untergang der alten Ehe, darin der Mann unter dem Aufbruch neuer und vielfach verwirrter Ansprüche der Frau in eine wütige Verteidigungsstellung geriet, während sie, instinkthaft geschleudert, nicht eigentlich wußte, was sie trieb und warum die alte Ehekaserne ihr erwachtes Selbstgefühl zu entwürdigen schien. Diese Apoplexie einer lang bewährten und sanktionierten Gemeinschaft bezeichnet deutlich den Zerfall aller der Säulen, die der Mann einst zwecks Sicherung seiner sexuellen Interessen errichtet hatte. Er war nicht prüde gewesen, wo es die eigene Freiheit zu enthüllen galt, doch von konservativer Strenge gegenüber Gattin und Töchtern. Und wie die europäische (nicht die amerikanische!) Welt in allen Teilen sich als eine Schöpfung männlicher Logik, sonderlich der rationalistischen Logik des bürgerlichen Mannes erwies, so dürfen wir auch die Moral der Geschlechter ganz allein als das Werk des Mannes bezeichnen.
Es scheint, daß diese Moral endgültig ihren normativen Wert verloren, daß auch auf diesem Gebiete das Freiheitsstreben der Frau triumphiert hat. Freilich sehen die Zustände hier noch sehr verworren aus. Auf dem Lande hat sich nichts verändert Die Ehen in den kleinen Städten tragen nur in einer dünnen Oberschicht gelegentlich ein anderes Gesicht, und in den großen Städten flimmern die Bilder der Ehen kaleidoskopisch zwischen festvernieteter Typenmoral und erotischem Pluralismus. Es ist hier eben alles sozusagen nebeneinander vorhanden und da jeder nur innerhalb der ihm gemäßen Kreise verkehrt, gibt es keinen Ausgleich durch Beziehungen mit Andersdenkenden. So gilt für die mittleren und älteren Generationen eigentlich ein verschwimmendes Gewoge gegensätzlicher Auffassungen; der Gleichheitsgedanke der modernen Frau hat hier nur streckenweise sich Terrain erobert. Doch in der Jugend bestimmt er bis in proletarische (wenn auch nicht bäuerliche Kreise hinein das Denken, und von ihr aus wird der neue Freiheitskampf mit ähnlicher Energie geführt, wie diese vor Zeiten das politische Streben der sich emanzipierenden Frau bezeichnete. Für diese jüngere und jüngste Generation hat die politische Freiheit stark an Interesse verloren, ja man wird ohne viel Übertreibung behaupten dürfen: wo von "Freiheit der Frau" gesprochen wird, denkt man zuerst an die Beziehungen der Geschlechter, an die erotische Freiheit.
Die Radikalen unter ihnen scheuen sich nicht, GIeichheitsanspruch zu stellen und die Begrenzung der Libido dem eigenen Ermessen zuzubilligen. Was ist angesichts dieser Lage von beiden Seiten zu erwarten? Folgendes: Der Mann hat nicht nur grundsätzlich und nicht nur auf öffentlichem Plane die weibliche "Freiheit" anzuerkennen, sondern auch innerhalb der Geschlechtsbeziehungen ihr das volle Selbstbestimmungsrecht zuzubilligen. Das klingt vielen Männern nicht gut in die Ohren, denn sogleich ist die Furcht zur Stelle, sie könnten verlieren, was allein zu besitzen ihnen wohltut. Eine schlecht vermummte und törichte Angst machte sie zu Tyrannen, welche einkerkern mußten, weil sie der bezwingenden Kraft ihrer Liebe nicht sicher waren. Doch welcher Macht bedürfte wohl ein Mann, um eine Frau zu binden, die entweichen will Gewalt ist das sicherste Mittel, alte Gefühle zu ersticken und neue Leidenschaften zu entflammen. Es nützt uns nichts, seitdem wir der Frau im Staate das Recht der Arbeits- und Wahlfreiheit verliehen haben, müssen wir es ihr konsequenterweise auch für die intimen Lebensbezirke zuerkennen. Das heißt, daß die große Entwicklung und Verselbständigung der Frau ohne entsprechende Veränderung des Mannes zu einem sinnlosen permanenten Kleinkriege führen müßte, bei dem wir Männer am Ende doch unterliegen würden, weil das Recht nicht auf unserer Seite steht. Indessen braucht das nicht befürchtet zu werden. Vielmehr ist zu erwarten, daß die Ehen ohne Anwendung van de Veldescher Rezepte ganz von selber immer glücklicher sein werden. Es scheint, daß wir über den Krisenpunkt hin. aus sind. Die jüngere und jüngste Generation hat einen Mannstyp hervorgebracht, der, ohne gleich als ideal bezeichnet zu werden, zumindest bedeutend verständnisvoller weiblichem Freiheitsbegehren gegenübersteht als alle seine Vorfahren. Darum dürften kommende Konflikte weniger auf der Transingenz und Tyrannis des Mannes beruhen, als auf einer Überspannung der Rechte durch die Frau. Mißversteht sie die Begriffe "Gleichheit" und "Freiheit", gefährdet sie damit in Zukunft auf das schwerste den Bau ihres revolutionären Werks. Freiheit ist nicht Fessellosigkeit, sondern Ordnung des Lebens nach selbstgegebenen und wesensgemäßen Begrenzungen. Die Enthaftung der Frau ist vollzogen; wo sie nicht vollzogen ist, wird die Zeit ihr helfen und die neuen Rechtsgedanken allgemein zur Geltung bringen.
Die Hauptfrage der zukünftigen weiblichen Emanzipations-Philosophie wird daher nicht der Freiheit als solcher, sondern der Fixierung ihrer Grenzen zugewandt sein müssen. Versuchen wir die Frage so abgekürzt wie möglich zu formulieren: Sind die "männlichen Freiheiten" allgemeine Normen, welche somit ohne weiteres von der Frau übernommen werden können? Oder zielt die Emanzipationsbewegung auf eine der männlichen nur "ähnliche", spezifisch weibliche Freiheit mit besonderen Rechten und Normen hin? Es kann kein Zweifel bestehen, daß nur diese Freiheit dem Gedanken der Emanzipation zugrunde liegt, und letztlich die ganze Bewegung auf Selbstbestimmung im eigenen Bezirke und relative Rechtsgleichheit in den gemeinsamen Lebensgebieten hindrängt. Denn so wie absolute Freiheit sinnlos ist, kann auch absolute Gleichheit nicht gefordert werden, weil die Welt nun einmal von Bestimmung her ungleich ist und aus dieser Ungleichheit allein die schöpferische Kraft des Menschen erwuchs. Alle Gleichheitskämpfe strebten, wo sie Sinn hatten, nur ein Ausbalancieren überspannter Proportionen an und die Gleichheit der Menschen konnte nur "in bezug auf etwas hin" als urtümliches Recht stabilisiert werden. Das heißt, es sind der Frau Provinzen einzuräumen, darin sie so gut wie ausschließlich Herrin sein wird, und solche, in denen sie bei gleichem Arbeitsrecht obendrein noch besonderen Schutz ihrer veränderlichen Gesundheit, ihres Mutterrechts, ihrer geringeren physischen Kräfte beanspruchen darf. (Törichterweise sind von den fanatischen angelsächsischen Frauenrechtlerinnen 1926 in Paris Ausnahmebestimmungen für arbeitende Frauen abgelehnt worden.)
Doch daneben finden sich nicht nur Wirkungs- und Lebensbereiche, in denen dem Manne unbedingte Priorität zukommt, sondern auch erweiterte Rechte zugebilligt werden müssen. Zu diesen gehört die Erotik. Solange die Welt steht, haben sich Frauen das Recht auf eine freie Gemeinschaft erkämpft, ob dies ihnen abgesprochen wurde oder nicht, es hat an ihrem geheimen Glück wenig geändert. Man wird es danach als vernünftig empfinden, daß in die Enge der Legitimitäts-Moral ein freierer Geist einzieht, daß diese Enge Schritt für Schritt sich weitet und auch den Mädchen das Recht zuerkannt wird, ihr Glück sich nötigenfalls durch eine Reihe von Enttäuschungen und flüchtigen Freuden zu erkämpfen. Doch welch ein Unterschied zwischen dieser Erotik eines die Liebe suchenden und von dunkler Sehnsucht nach ihr erfüllten Mädchens und der ziellosen des Mannes! Für den Mann ist der Sexualvorgang nur dort wesentlich, wo er liebt, und er liebt sehr selten, seltener als die Frau, obwohl flüchtig gesehen, das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Zugleich aber besteht für jeden gesunden Mann die Möglichkeit, sich ohne jede Spur von Liebe sexuell stimulieren zu lassen, zu kommen und davonzugehen, der Begegnung kaum nachhaltiger gedenkend als eines Trunks, der ihm den Durst löschte. Dies wird von Frauen meist als Gefühllosigkeit, ja Roheit bezeichnet (schon ein Beweis, daß sie nachhaltiger empfinden), während es im Grunde nichts anderes als Ausübung einer biologisch leicht. begründbaren Funktion ist. Die Kultur eines Mannes beweist sich demnach auch nicht im tieferen Empfinden, sondern im taktvollen Verbergen seiner untiefen Empfindung. Unterschiede bestehen, doch es sind solche gradueller, nicht substanzieller Art. Wo aber ein Mann nicht liebt, schafft auch größere Erregung keine Liebe herbei. Dies nun ist ersichtlich der Fall bei der Frau, die, wo sie heftig in ihrer Erotik gepackt wird, in den allermeisten Fällen das Erlebniszentrum erschüttert fühlt. Sehr natürlich, denn was beim Manne die vielleicht wichtige, dennoch sekundäre Rolle einer Entspannung ausübt, berührt bei ihr die Tiefenzone ihrer Mutterschaft. Wenn nun dem Manne schon aus Gründen physischer, geistiger und seelischer Hygiene widerraten werden muß, von seiner erotischen Freiheit unbegrenzten Gebrauch zu machen, wie muß dies erst für die Frau gelten, die mit zunehmender Zahl ihrer rein sexuellen Erlebnisse sich immer weiter von dem eigentlichen Ziel weiblicher Sehnsucht, dem Geliebtwerden, entfernt. Denn für jede nicht ganz in ihren Gefühlen erstorbene Frau wird die Erotik ein Weg zur Liebe sein, wofern er nicht der geradeste Weg zur gewollten Mutterschaft ist. Ohne allen Zweifel führt die Linie ihrer inneren Freiheit nicht in diese Richtung. Wohin aber führt sie?
Und ist mit der Verbeamtung und formalen Entfesselung der Frau alles erreicht, was erwartet werden konnte, so daß es sich in Zukunft nur noch um Verbreiterung und Ausbau der gewonnenen Positionen handeln würde? Das wäre wohl das innere Ende einer Revolution, die jetzt in ihre geistige Phase eintreten sollte und für die Zukunft zu beweisen hätte, daß eine "freie" Frau zugleich eine geistige sein muß. Aber hüten wir uns, Geistigkeit hier mit Intellektualisierung gleichzusetzen! Bezeichnen wir so scharf wie möglich den Unterschied dieser Begriffsgebilde, ja, haben wir den Mut, "erotische Freiheit" und "lntellektualisierung" mit Szylla und Charybdis zu vergleichen, und der modernen Frau für den einen wie für den anderen Ausweg keine Hoffnungen zu lassen. Sie wird nicht drum herum kommen - und dies ist ihre große Aufgabe für die nächste Zukunft den neuen Typus durchzusetzen, der sich jetzt nur in einer dünnen Lage in der breiten Schicht moderner Mädchen und Frauen findet, jenen Typus einer vitalen und instinkthaften Geistigkeit. Bemerken wir gleich, daß sich auch hier das Wesen der Frau von dem des Mannes deutlich abhebt, indem Geist für sie nicht dasselbe ist und sein kann, was er in seinem Falle als spezifischer Ausdruck männlicher Lebenserfassung bedeutet. Je mehr sie also in diese Richtung vorstößt, und die sonderliche Art ihrer inneren Schau durch logische Schulung zu verdrängen sucht, wird sie an Wesentlichkeit verlieren und dafür nur an sekundären Werten gewinnen, eben an Intellektualisierung, was eo ipso dazu führen muß, in der großen Konkurrenz zu unterliegen. Weibliche Geistigkeit kann nie männlicher Geist werden, denn seine Macht liegt als schöpferische Dynamik letztlich in seiner männlichen Anlage als Zeugender begründet. Die Geistigkeit der Frau muß sich ihrerseits auf die dem entsprechende urtümliche Gegebenheit zurückbeziehen, d. h. sie wird in bedeutendem Verstande Empfängerin und Mittlerin sein. Moderne Frauenrechtlerinnen haben erklärt, daß die Frau nur darum heute noch nicht "dasselbe" wie der Mann zu leisten verstünde, weil sie infolge Jahrtausende währender Unterdrückung und Bindung an festgelegte Aufgaben (Geburt, Hauswesen, Kinderpflege) innerlich verbildet sei. Ein verhängnisvoller Irrtum, der die dominierende Kraft des Unbewußten unterschlägt; von ihm aus wird die Frau, wie sehr sie sich auch dagegen blind stellen mag, unweigerlich mitbestimmt. Tatsächlich stellen sich heute die Spitzentypen der modernen Frau als geistig in einem Sinne dar, der den Prophetien ihrer radikalen Führerinnen, Gott sei Dank, durchaus widerspricht. Dieses "Gott sei Dank" ist nicht vom Manne ausgerufen, sondern vom Menschen, der vor allem andern in der Höchstentfaltung des Menschlichen, des nicht nur Mütterlichen und nicht nur Verstehenden, sondern des Miterlebenden und Mitleidenden einen Hauptwert sieht.
Der Mann hätte vielmehr Grund, diesen edelsten Zweig des neuen Frauentypus mit zwiespältigen Empfindungen zu beobachten, denn er ist alles andere als "männerlieb". Und gibt doch gerade das Höchste her, was ein Mann an einer Frau gewinnen kann, die menschliche Wärme der Freundin, der Gefährtin, der Geliebten. Ich nenne sehr absichtsvoll die Geliebte zuletzt und nenne sehr bewußt nicht die "Ehefrau". Denn diese Sonderart des Weibes wird als solche in Zukunft immer mehr an Bedeutung verlieren. Sehr natürlich, da das moderne Mädchen nicht mehr für den Mann, sondern für sich selbst erzogen wird, und das alte Weltbild, darin alles auf den Mann ausgerichtet war, von Jahr zu Jahr mehr verwittert. Der echte Ehemann wird diese Entwicklung als heillose Demoralisation kennzeichnen, obwohl es sich in Wahrheit nur um die logische Konsequenz des Befreiungsaktes handelt, der eine automatische Fixierung der verheirateten Frau auf den ehelichen Katechismus nicht mehr zuläßt. Legen wir indessen moralische Standpunkte unserer Betrachtung zugrunde, so können wir ohne große Übertreibung von der Entwicklung dieses Frauentyps inskünftig die besten Frauen erwarten. Wo nämlich die Frau nicht liebt, wird sie eine eheliche Bindung gar nicht erst suchen, wo sie aber liebt, dem Manne eben in ihrer Rolle als Gefährtin und Geliebte viel mehr sein können, als sie, auf das korrekte Ehefrau-Ideal hin bezogen, jemals war. Sie wird also eine gute Ehefrau sein, aber nur darum, weil sie eine liebende und wissende Kameradin und eine kluge und gütige Mutter ist. Nun aber zu ihr selbst. Ich sagte, sie wird die Ehe gar nicht suchen, und dies, daß ihr Leben nicht nur vom Manne abhängt, wird sich als eins der wesentlichsten Momente für ihre Artverbesserung herausstellen.
Dadurch entsteht zwar ein leicht amazonenhaftes Geschlecht, das unter dem Zeichen der Artemis, nicht der Here lebt, aber es ist, mit dem alten Hennentypus verglichen, ungleich edler, freier, widerstandsfähiger und läßt somit auch für die Aufzucht der Kinder die besten Prognosen zu. Diese Spitzentypen der modernen Mädchen und Frauen, welche ich mir gern als Mütter kommender Generationen denke, sind in ihrer ganzen Wesensart herb, kühl, und bei aller unantastbaren Freiheit der Haltung von einer vorbildlichen inneren Sauberkeit. Unbedingt dominiert in ihnen der Leistungswille, denn, vergessen wir nicht, sie sind Töchter der großen Emanzipation, welche von der Frau das Äußerste an Arbeitshingabe forderte und damit die ethischen Fundamente für ein ausgeprägtes Pflichtbewußtsein legte. Wenn ich sie nun "leicht amazonenhaft" nannte, so denke ich dabei an das hohe Maß von Mut und Stolz, das mir bei den Mädchen dieses Typus auffiel und sich auch in der Ehe nicht verlor. Dieser freien Haltung können wir heute schon vereinzelt, aber in ausgeprägter Form, im Proletariat begegnen, wo sie doch am allerschwersten zu bewahren ist. Beweis genug, daß die Befreiungstat der großen Führerinnen sich bereits als charakterbildendes Segment abgesetzt und den Körper zu durchdringen begonnen hat. (Übrigens ist an dieser Entwicklung die Jugendbewegung stark beteiligt. Ich habe darüber ausführlich in meiner "Erziehung zur Freiheit" gesprochen.) Im allgemeinen werden die vorzüglichsten Frauen vorwiegend aus alten Familien gestellt. Und so widerspruchsvoll das dem flüchtigen Eindruck erscheint, man kann an ihnen feststellen, wie Traditionszucht, selbst dort, wo die alte Tradition endgültig aufgegeben wurde, sofort zur deutlichen Ausprägung bestimmter Disziplinen führt. Diese Mädchen und Frauen, obwohl längst nicht mehr dem Schutze der bewährten Hausgesetze unterstellt, gaben sogleich ihrer Freiheit Normen und Grenzen und legten so, ohne es zu wissen, den Grundstein für die Bildung einer neuen und eindeutigen Moral. Ein Jahrhundert weiblichen Erwachens zeigt uns das erstaunliche Bild eines geistigen Aufstiegs, der nun am ewigen Scheidewege des Herkules steht. Kein Mann kann ihr zum Entschlusse helfen. Versagt sie, wird er über sie besitzgierig herfallen. Wählt sie den richtigen Weg, wird er Mühe haben, ihr nachzufolgen. Nichts Besseres wünsche ich ihr und ihm.