Irgendwann zwischen Babystrampler und Hochzeitskleidung entwickeln Kinder ein Gefühl für Kleidung. Je später das passiert, um so glücklicher können Sie sich schätzen. Bei einem Kind, das von vier Jahren bis zur Volljährigkeit immer nur einen ausgebeulten Trainigsanzug in ansteigenden Größen tragen will, haben Sie lediglich das Problem, es gelegentlich für besondere Gelegenheiten ein wenig herauszuputzen. Das geht mitunter nicht ohne Schwierigkeiten ab (Nur allzu gut erinnere ich mich an meine eigene Taktik, das ganze Haus zusammenzubrüllen, als man versuchte, mir ein rotes Samtkleid mit Spitzenkragen anzuziehen). Aber es spart Geld und schützt vor ganz anderen Problemen. Kinder sehen in schönen Kleidern zauberhaft aus, aber ein allzu modebewusstes Kind ist eine Qual für Ihre Seele und Ihren Geldbeutel. Was immer ein solches Kind anziehen möchte, ist entweder in der Wäsche, zu klein oder kostet siebzig Pfund. Außerdem gibt es nichts Schlimmeres als ein kleines Kind, das ständig in den Spiegel schaut. Mit einem gesunden, aktiven, unbefangenen Racker lebt sich's leichter. Die meisten Kinder sind irgendwo zwischen diesen Extremen anzusiedeln, kümmern sich um wenig, außer um Bequemlichkeit, aber haben natürlich Phasen, in denen sie für bestimmte Sweatshirts oder Pullover mit eingestrickten Motiven schwärmen. Zu welcher Gruppe Ihr Kind auch gehören mag, es ist augenfällig, daß im Alter zwischen drei und sieben die Kleidung plötzlich einen anderen Stellenwert bekommt. Windeln gehören der Vergangenheit an, Milch spucken wird seltener, und - das Wichtigste - das Kind lernt sich selbst anzuziehen.
Diese kostbare Errungenschaft (kostbar für Sie, weil Sie in der Früh wieder in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken können) sollten Sie mit leicht anzuziehender Kleidung, großen Halsausschnitten und Taillengummizug fördern. Kleine Jungs sehen wunderschön aus in echten Hemden mit Manschetten, aber die Nachteile liegen auf der Hand. Kinder im Schmutzfinkenalter brauchen viele Kleider, oft muß alles, einschließlich des Pullovers, täglich gewechselt werden. Da bleibt gerade noch Raum für eine bis höchstens zwei »gute« Kleidungsstücke für besondere Gelegenheiten. Wofür in dieser Zeit des Wachstums sicher kein Platz ist, ist Mode. Wenn Sie klug sind, werden Sie nie, niemals einem so kleinen Kind etwas einreden wollen, weil es »modisch« oder im Trend« ist. Das Zitat einer geplagten Mutter mit einem schlauen, mürrischen Mädchen im Schlepptau: »Sie ist aus allem heraus gewachsen, sagt sie, oder es ist aus der Mode - oder umgekehrt.« Ihre Tochter ist sechs Jahre alt. Natürlich wird die Mode beeinflussen, was Kinder tragen, weil nur das in den Kaufhäusern zu haben ist. Aber das noch willentlich zu unterstützen, ist der schiere Wahnsinn. Nach meiner, zugegebenermaßen leicht exzentrischen, Ansicht ist es ebenso unsinnig, kleine Mädchen dazu anzuhalten, sich besonders weiblich zu kleiden. Dafür ist später noch Zeit genug. Jetzt sollten Sie sie unbeschwert und unbefangen in Jungenkleidung herum toben lassen. Schließlich ist das eine Freiheit, die ihnen Frauen erkämpft haben. Wenn sie bislang gut mit abgelegten Babysachen zurecht kamen, sollten Sie jetzt wissen, daß der lukrative Kinderbekleidungsmarkt sehr gut durchstrukturiert ist.
Achten Sie also darauf, in welchen Laden Sie hinein stolpern. Hier die Ratschläge einer Zynikerin: Die oberen Zehntausend: Dank der Fruchtbarkeit der noch bestehenden europäischen Königs- und Fürstenhäuser, gab es eine Renaissance von sehr vornehmen Kinderkleidern. In jeder größeren Stadt bekommt man heute die cremefarbenen Wollmäntel mit Samtkragen, bestickte Baumwollbatisthemden, Pullover, die nur gereinigt werden dürfen, und rohseidene Ballkleider für vierzehnjährige Mädchen. Die kurzen Hosen für Jungen haben Bermudalänge und Aufschläge, die Schuhe sind aus weichem Leder. Alles muß natürlich sorgfältig mit dem Dampfbügeleisen gebügelt werden. Es wird Ihnen das Herz brechen. Diese Kleider werden für Eltern mit Kindermädchen gemacht, deren Lebensaufgabe darin besteht, die Kleider viermal täglich zu waschen, zu stärken und zu bügeln. Natürlich kosten diese Kleider auch sehr viel, und ihr einziger VorteiI besteht darin, daß sie 50 Jahre in der Familie weiter vererbt werden können (sofern sie fleckenlos geblieben sind). Es darf auch nicht untersagt bleiben, daß diese wunderschönen Stoffmäntel, die ganz nach Erwachsenen Schnittmustern gearbeitet werden, für Fünfjährige an den Armen verteufelt unbequem sind. Ich muß es wissen, ich hatte einen solchen. Très, très trendy: Während sich die oben genannten Läden vor allem von Königshäusern, Pseudokönigshäusern, Neureichen und hoffnungslos altmodischen Schwärmern ernähren, wenden sich andere mehr an die neue Oberschicht: an Popstars, deren Kinder ständig in irgendwelchen Zeitschriften zu sehen sind, an Schauspielerinnen mit Schuldkomplexen, weil sie wochenlang auf Tournee sind, an Partygänger, die glauben, sie würden sich besser fühlen, wenn sie auch ihre Kinder entsprechend ausstaffieren. Diese Läden verkaufen ausgeflippte Röcke, Stufenpetticoats wie sie in den fünfziger Jahren modern waren, Röhrenjeans für Jungen, die kaum über die armen, kleinen Knöchel zu ziehen sind, vielfarbige Patchworkjacken aus Bali, goldbetreßte Jacken für kleine Jungen und jede Menge geschmacklose Ballettanzüge für kleine Mädchen. Diese Kleider sind auch sehr teuer, aber keiner der Designer hat natürlich an Kleinkinderbäuchlein, Waschmaschinen oder die Notwendigkeit, schnell mal aufs Klo gehen zu müssen, gedacht. Innerhalb einer Woche werden sie denn auch entweder aufgeribbelt, eingelaufen oder verblichen sein. Aber das macht nichts, denn inzwischen sind sie aus der Mode, und wenn Sie sie gekauft haben, hatten Sie ohnehin zu viel Geld. Teuer, aber gut: Die Kleidung in diesen Läden kommt meistens aus Italien oder aus Amerika, ist wunderschön in Design und Ausfertigung und entsprechend teuer. Der Stil ist klassisch mit modernem Pfiff (pinkfarbene Latzhosen), die Sachen lassen sich wunderbar weiter vererben. Kaufen Sie etwas zu groß, denn Ihr Herz wird brechen, wenn Ihr Kind zu schnell raus wächst.
Die einzige Art und Weise, Kinderkleidung von guter Qualität wirklich sorgenfrei zu genießen, ist, wenn man eine nette, gut situierte Nachbarin hat, deren Geschmack unübertrefflich und deren einziges Kind ein Jahr älter ist als das eigene. Mehrere Jahre war meine Tochter so mit wunderbarer Kleidung versorgt: Sie war bequem, schön und pflegeleicht. Dann wuchs sie plötzlich um fünfzehn Zentimeter und war größer als das ältere Nachbarskind. Das war nicht gerade im Sinne des Erfinders. Während eine normale Mutter in den ersten beiden Ladenkategorien nur ihr Geld läßt, wenn sie der Teufel reitet, sind diese Läden doch gelegentlich in Betracht zu ziehen, besonders wenn man eine größere Familie oder eine Reihe von Neffen und Nichten hat, die man beerben kann. Viele dieser Kleider sind so gut, daß Sie sie auch verkaufen können, wenn in der Haushaltskasse mal Ebbe herrscht.
Kettenläden:
Wahrscheinlich die Haupteinkaufsquelle für die meisten von uns. Jogginganzüge, T-Shirts, Sweatshirts (vorzugsweise ohne aufgedruckte Werbung für irgendwelches Spielzeug), Hosen mit Gummizug in der Taille, damit faule kleine Jungs nicht Reißverschluß und Knopf zumachen müssen, T-Shirtkleider für kleine Mädchen, die sich leicht über den Kopf ziehen lassen, Unterhosen und Socken im Sechserpack. Das ist das A und 0 der Kindergarderobe. Und Kinder muß man hauptsächlich wie körperliche Arbeiter sehen. Ihre Kleidung muß robust, fröhlich und getrost zu vergessen sein. Wie sind in unseren Breiten bestens mit Kettenläden ausgestattet. Ärgerlich sind die allgegenwärtigen Werbesprüche auf den Kleidern (Warum sollte ein unschuldiger Fünfjähriger Werbung für eine Firma machen oder mit der unsinnigen Aufschrift Surf City oder Cool Dude herumlaufen?) und das mangelnde Verständnis dafür, wie schnell und unvorhersehbar Kinder wachsen. Sie gehen immer noch davon aus, daß man sich im September mit warmer Kleidung eindeckt, so daß man im Januar (wenn es wirklich kalt ist) nur Frühlingskleider und Hawaiihemden in den Regalen findet.
Versandhäuser:
Für Landbewohner und berufstätige Mütter sind sie ein wahrer Segen. Zugegeben, es kommt vor, daß jedes zweite Kind im Dorf den gleichen buntbedruckten Rock und den Pullover mit dem eingestrickten Känguruh hat, aber das ist für gute Kleidung zu vernünftigen Preisen wohl zu verschmerzen. Außerdem sparen Sie sich die Parkplatzsuche und das ewige Herumziehen in verschiedenen Läden. Die meisten Kinder gehen ohnehin nicht gerne Kleidung einkaufen. Warum also nicht gleich mit einer Postkarte bestellen? Allerdings sind die Bestellkarten so abgefaßt, daß Sie verführt werden, mehr zu kaufen, als Sie ursprünglich wollten.
Kaufhäuser:
Die meisten Kaufhäuser haben eine Kinderkleiderabteilung. Mit der Qualität hapert es jedoch häufig. Billige Stoffe werden schlampig verarbeitet. Nach ein- oder zweimaligem Waschen hat man die Bescherung. Die meisten von uns können sich jedoch nichts anderes leisten, vor allem, wenn die Kinder sehr schnell wachsen. Betrachten Sie besonders billige Kleidung besonders kritisch. Prüfen Sie noch im Laden, ob der Ärmel einem festen Ruck standhält. Oft sind Sie besser dran in:
Secondhandläden:
In guten Geschäftslagen großer Städte tauchen oft die erstaunlichsten Kinderkleider (zum Teil auch aus den Läden der oberen Zehntausend - siehe oben) in den Secondhandläden als »Sonderposten« auf. Da sollten Sie schamlos zugreifen. Roses heiß geliebtes Partykleid, das sie drei Jahre trug, kostete mich ein Pfund. Außerdem schnappte ich mir bei der Gelegenheit für 50 Pennys pro Stück wunderbare Shorts und T-Shirts für den Sommer - reine Baumwolle und sehr hübsch geschnitten.
Selbstgenäht:
Natürlich immer noch das Beste. Aber auch dazu ein Wort der Warnung: Eine mir bekannte junge Frau kaufte für acht Pfund einen flauschigen Stoff für einen Jogginganzug, nähte drei Stunden daran und sah dann in einem Sonderangebot einen fast identischen um sechs Pfund. Tugend zahlt sich nicht immer aus.