Kinder finden schon erstaunlich früh heraus, daß es mit dem Geld eine besondere Bewandtnis hat. Zweijährige werfen Münzen in Schlitze und krähen dabei: »Geldgeldgeld!« Sie wissen, daß es etwas besonderes damit auf sich hat, anders als bei den Kieselsteinen im Eimerchen. Diese klingenden Münzen werden an bestimmten Stellen verwahrt, immer beiseite geräumt, mit Reißverschlüssen und Druckknöpfen geschützt. Im Geschäft sucht man eifrig danach, sie werden sorgfältig betrachtet und in klingenden Kassen weg gesperrt. Geld ist umgeben von einer Aura der Macht, Geheimnis und Sorgfalt. Geld ist das Stammestotem. Später hören die Kinder, wie die Eltern das Wort »Geld« ängstlich, fröhlich oder traurig aussprechen. »Das ist viel Geld... gut, wenn du das Geld hast... hast du das Geld mitgebracht? Geld ist die allgegenwärtige Entschuldigung für Entbehrungen, Mängel, Enttäuschungen: »Zu viel Geld ... können wir uns nicht leisten ... Papi muß zur Arbeit, um Geld zu verdienen ... Mami geht arbeiten, wenn du in der Spielgruppe bist, damit wir uns schöne Dinge kaufen können ... « Psychologen haben untersucht, wie Kinder Geld kennen lernen. Zuerst ist da das Prinzip des Austausches. Süßigkeiten gegen Münzen über den Ladentisch. Allmählich entwickelt das Kind eine Wertvorstellung (für 40 Pfennig gibt es keinen Ferrari), dann das Prinzip der Teilbarkeit (Ein kleines Mädchen konnte noch nicht begreifen, daß man auch dann einen Zehnpfenniglutscher haben kann, wenn man ein Fünfzigpfennigstück hat).
Als nächste Stufe kommt dann das Geldverdienen (Geld gegen Leistung), der Umlauf (Papi bekommt Geld von seinem Chef, um den Kohlenmann bezahlen zu können) und schließlich das Prinzip des Gewinns (Ladenbesitzer verlangen mehr für die Ware als sie bezahlt haben), und das des Wertzuwachses (Kauf ein Stück Holz und ein Stück Stoff, mach eine Puppe daraus, verkaufe sie mit Gewinn). Als letztes kommt dann noch das Verständnis für Zinsen und Sparen. Damit ist das Kind auf dem besten Weg zu Kreditkarten, Steuerhinterziehung, Eurobondhandel und einem Nummernkonto in der Schweiz. Das wären die Grundbegriffe. Unser Interesse jedoch gilt eher den gefühlsmäßigen und moralischen Begriffen von Geld. Irgendwo muß ein Kind Antwort auf die folgenden Fragen bekommen, die ihn sein Leben lang begleiten werden. Woher weiß ich, wieviel verschiedene Dinge wert sind? Wer bekommt wieviel für seine Arbeit? Ist bezahlte Arbeit mehr wert? Wieviel Gewinn darf man machen? Wann darf man Schulden machen? Sind reiche Leute bessere Menschen als arme? Oder schlechtere? Oder keines von beiden? Warum haben manche Menschen gar kein Geld und hungern, während andere es mit vollen Händen ausgeben?
Was ist der Unterschied zwischen sparsam und geizig? Die Antwort auf alle diese Fragen wird Ihr Kind aus dem heraushören, was Sie und andere Menschen tun und sagen. Dabei ist die Höhe Ihres Einkommens irrelevant. Arme, aber ehrliche Familien können allerdings ebenso einen negativen Eindruck vermitteln wie reiche, gedankenlose Familien. Ich ganz persönlich gebe eher der Philosophie der Kargheit den Vorzug und schwärme immer noch von der romantischen Vorstellung, in einer armen Familie aufzuwachsen, bilde den Charakter. Einerseits möchte ich das gerne glauben, andererseits werde ich nie George Orwells niederschmetternde Beschreibung der Comstock Familie in Keep the Aspidistra Flying vergessen. Sie waren arm und mußten jeden Pfennig umdrehen: »Das Erste, was für ihn daraus folgte, war seine schleichende Ehrfurcht vor Geld. Damals haßte er seine notleidenden Verwandten, seinen Vater und seine Mutter, Julia, alle. Er haßte sie wegen ihrer schäbigen Wohnungen, ihrer Schlampigkeit, ihrer freudlosen Lebenshaltung, den ständig quälenden Sorgen wegen ein paar Pfennigen. Der Satz, der am häufigsten bei den Comstocks fiel, hieß: Das können wir uns nicht leisten.« Das Schlüsselwort hier ist das Wort »freudlos«. Tausende von Autobiographen beschreiben ein ganz anderes Bild von armen Familien. Da wird gelacht, man ist fröhlich und freut sich an Sonne, Mond, frischer Luft und öffentlichen Parks. Die Kinder lesen alles, was sie in der öffentlichen Bücherei kriegen können, und basteln sich geniale Gocarts aus alten Kinderwagen. Kinder wie diese, die in der Familie gelernt haben, sich nicht von der Armut unterkriegen zu lassen, sind bei weitem die besten und glücklichsten Finanzverwalter, wenn sie im späteren Leben zu Geld kommen. Diejenigen, die prassen und protzen oder hinterhältig und niederträchtig werden, hatten Eltern, die im Geld eine zwanghafte, quälende Last sahen. Wir wissen alle, daß Geld eine zwanghafte, quälende Last ist. Nur sollten wir die Kinder Kinder sein lassen und sie nicht damit belasten. Ganz anders ist es in der Familie, in der Geld keine Rolle spielt.
Wie verhindern Sie, daß Ihr Kind sich unbeabsichtigt verletzend oder herablassend benimmt, wenn es seine stinkvornehmen Weihnachtsgeschenke vorführt? Wie bringen Sie Ihre Tochter davon ab, auf verletzende Weise mit ihrem neuen Fahrrad anzugeben? Es mag seltsam klingen, aber im Grunde genommen brauchen Sie nichts anderes zu tun, als den Mund zu halten, um die Angelegenheit nicht noch schlimmer zu machen. Bis zum Alter von etwa zehn Jahren haben Kinder, sofern sie nicht von einer besonders materialistisch orientierten Familie oder Schule verdorben worden sind, sehr ungenaue Vorstellungen vom Wert des Geldes. Sie werden mir ihren »Besitztümern« nicht herum prahlen, wenn Sie sie nicht dazu ermutigen. Es gibt sehr wenige Kinder, die nicht mit irgend etwas angeben könnten. Bleiben Sie neutral. »Lisa hat also kein Pony-Wunderland-Schloß? Wie gut, daß du eines hast. Wenn ihr beide dasselbe hättet, wäre es ja langweilig. Glaubst du, daß du sie wieder einmal besuchen und dir die Züge ansehen darfst, die direkt an ihrem Fenster vorbei rattern?« Vermeiden Sie das Reizwort »arm«, wenn Sie von einer Ihnen bekannten Familie sprechen. Es beschwört Vorstellungen von kleinen Mädchen mit Schwefelhölzern und einer Familienschlafstatt im offenen Viehstall um das einzige Schwein herum herauf. Das kann in einer demokratischen Gesellschaft zu sehr peinlichen Situationen führen. Ich habe von Kindern gehört, die mit ernsthaftem Gesicht den Eltern ihrer Freunde, die irgend jemand gedankenlos als »arm« bezeichnet hatte, ihr Taschengeld angeboten haben. Zumindest haben die Kinder dadurch mitbekommen, wie empfindlich die Erwachsenen reagieren, wenn es um dieses komische Geld geht. Andererseits kann man auch schon kleinen Kindern klarmachen, daß es auf der Welt sehr viel Armut gibt. Nach Aufrufen im Fernsehen zeigen sich gerade die jungen Zuschauer von einer überwältigenden Großzügigkeit.
Da wird Spielzeug hergegeben, Geld für Kinder in der Dritten Welt gesammelt, und es werden Briefe geschrieben - alles Zeichen von echter Anteilnahme und tiefem Verständnis. Wirklich problematisch wird es erst, wenn die Kinder direkt oder indirekt fragen, warum manche Leute reich und andere arm sind. Warum ist das Leben so unfair? Die Versuchung, eine banale Antwort zu geben ist riesengroß. Schließlich geht es hier um eines der größten und traurigsten Probleme der Welt: der reiche Mann in seinem Schloß, der arme Mann am Tor davor. War es wirklich der liebe Gott, der das Schicksal der beiden scheinbar so ungerecht fügte? Sie können Hungesnöte, Dürrekatastrophen und Erdbeben erklären. Sie können einfach von »Glück« reden, sich an irgendeiner Finanzwirtschaftstheorie versuchen (meinethalben auch Marx bemühen, wenn er Ihnen liegt). Sie könnten auch, wenn Sie unbedingt wollen, die sehr beruhigende, aber gewiß unhaltbare Theorie aufstellen, daß gute, hart arbeitende Menschen niemals am Hungertuch nagen werden. Aber es ist schwierig, ehrlich über die Ungerechtigkeit zu sprechen und dabei gleichzeitig zu betonen, daß das Geld weder ein Gott noch ein Dämon, sondern einfach etwas Neutrales ist. Manche Menschen hätten Anspruch darauf, aber bekommen es nicht, andere werden mit dem Silberlöffel im Mund geboren. Manche genießen es, manche zerstören ihr Leben damit. Sie können sagen, daß es nicht das Wichtigste im Leben ist und nicht glücklich macht. Auch Liebe kann man sich nicht mit Geld erkaufen. Aber andererseits sollten Sie Ihre Kinder durchaus dazu anhalten, Geld zu achten und für schlechte Zeiten etwas auf die hohe Kante zu legen. Schütten Sie am besten alle diese Gedanken in einen großen Topf und rühren sie kräftig um, aber vergessen Sie keine der Zutaten.
TASCHENGELD.
Damit sind wir schon mitten in der Praxis. In England hat man in Untersuchungen herausgefunden, daß die Kinder der wohlhabendsten Familien eigenartigerweise am wenigsten Taschengeld bekommen. Eine Fernsehmoderatorin gibt ihrem Achtjährigen lediglich einen Penny pro Tag. Die Kinder in den Arbeiterfamilien bekommen bis zu zwei Pfund die Woche. Natürlich muß man das mit Vorbehalt sehen. In gut situierten Familien kaufen die Eltern sehr viele Sachen ohnehin. Aber trotzdem erscheint es mir unsinnig, einem Kind sieben Pennys oder auch zehn Pennys (20 bis30 Pfennige) pro Woche zu geben. Dadurch hat ein Kind bei unseren heutigen Preisen keinerlei Chance, den Umgang mit Geld zu lernen. Es ist schlichtweg unfair, ein Kind zwei Monate auf einen Eislolli oder ein Comic-Heft sparen zu lassen. Mit derart lächerlichen Summen nähren Sie in Ihrem Kind den Glauben, Ihr Geld sei etwas anderes als seines. Sie spielen Ihre Machtstellung aus. Wenn Sie ein mäßig teures Spielzeug um sieben Pfund kaufen, dann unterstreichen Sie damit, daß ein Erwachsener hundert Mal mehr Geld zum Ausgeben hat wie ein Kind. Das Kind fühlt sich machtlos und gekränkt. Mit einem Pfund (ca. 3,50 DM) Taschengeld hingegen vermitteln Sie Ihrem Kind auch ein gewisses Verantwortungsgefühl. Wenn es ein Jahr lang spart, kann es sich das lang ersehnte Modellauto kaufen. Es trifft Entscheidungen, es teilt sein Geld ein. Einmal wirft es fünfzig Pennys für ein scheußliches außerirdisches Monster raus und bereut seine Tat kurz darauf zutiefst. Es zahlt sein Geld auf ein Sparkonto ein und sieht, wie es mehr wird. Oder es spendet fünfundzwanzig Pennys für eine Familie in Äthiopien, die davon Reis für zwei Tage kaufen kann. So bekommt das Kind einen kleinen Vorgeschmack auf die Verantwortung und die Macht, die mit Geld verbunden ist. Ja, im allgemeinen bin ich dafür, ein großes Taschengeld zu geben, wenn Sie es sich leisten können.
GELDVERDIENEN
ist ebenfalls ein wichtiger Lernprozeß. Für ein Kind von sieben Jahren gibt es wenige legale Möglichkeiten, aber im Kreis der Familie kann das Taschengeld durch verschiedene Taten aufgebessert werden oder gekürzt werden. Ich ziehe ein paar Pennys ab fürs Fluchen, Spucken, Raufereien und so weiter. Und ich zahle extra für Extra-Leistungen im Haushalt (Vorsicht: sechsjährige Kinder können plötzlich sehr berechnend werden und versuchen, sich alles bezahlen zu lassen - vom Tischabräumen bis zum Zimmeraufräumen. Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen). Das erste selbst verdiente Geld ist eine ernste, feierliche Angelegenheit. Zerstören Sie nicht die Stimmung, indem Sie Ihrem Kind großzügig das Doppelte der vereinbarten Summe geben. Das Gefühl, wirklich ehrlich fünf Pennys verdient zu haben, ist besser, als gönnerhaft zwanzig Pennys ausgehändigt zu bekommen.
GELDAUSGEBEN.
Über das erste eigene Geld sollte ein Kind frei verfügen dürfen. In manchen Familien wird das viel zu diktatorisch gehandhabt. Natürlich sollten Sie ein Wörtchen mitreden, wenn das Kind sich nur ungesunde Süßigkeiten oder Kriegsspielzeug kauft, aber ansonsten sollte es keine Vorschriften geben, wofür das Kind sein Geld zum Fenster raus schmeißt. Das schale Gefühl, mit einem aufwendig verpackten, schäbigen Spielzeug übervorteilt worden zu sein, würden wir unserem Kind gerne einsparen, aber wir haben kein Recht dazu. In der britischen Politik gibt es einen Slogan, wenn ein hoher Würdenträger zurücktritt: »Berater beraten und Minister entscheiden.« Eltern sind nur Berater, und das ist ein verdammt schwerer Job. Eine der anstrengensten Aufgaben einer Mutter ist es, stundenlang in Spielzeugläden herumzustehen, während ihr aufgeregtes Kind sehnsüchtig, aber doch preisbewußt alle Preisschilder prüft und versucht, zu einem Entschluß zu kommen. Beißen Sie die Zähne zusammen. Nehmen Sie ein gutes Buch mit. Tun Sie alles, nur mischen Sie sich nicht ein.
TAUSCHEN.
Das sehe ich locker. Ich bin der Ansicht, Eltern haben kein Recht, sich in die eigenartigen Tauschgeschäfte ihrer Kinder einzumischen. Wenn Ihr Kind das allerneuste Superspielzeug um 50Pfund gerne gegen zwei Murmeln und ein Stück Schokolade eintauscht, dann lassen Sie es gewähren. (Es sei denn, man hat es dazu gezwungen. Sprechen Sie, wenn nötig, mit beiden Kindern.) Wenn es die wertlosen Gegenstände vorzieht, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihr Geld abzuschreiben und diese Lehre daraus zu ziehen: Es ist nicht richtig, kleinen Kindern die Wertsysteme Erwachsener aufzuzwingen. Sie können nicht tatenlos zusehen, daß ganze Modellbaukästen aus dem Haus getragen werden? Dann erklären Sie Ihrem Kind, es dürfe nur Sachen eintauschen, die es selbst gekauft hat, nicht Geschenke.
GELD BORGEN.
Hier wird's schon schwieriger. Generell und um des lieben Friedens willen sollten Kinder wissen, daß sie nie ohne Kenntnis der Eltern von irgend jemandem Geld annehmen und auch keines herborgen sollten. Die Angelegenheit gerät zu schnell außer Kontrolle und wird für beide Seiten zum Ärgernis. Vielleicht haben Sie bisher alles richtig gemacht. Aber eine Schwierigkeit steht Ihnen auf jeden Fall noch bevor. Sie haben Ihrem Kind beigebracht, mit Geld einigermaßen vernünftig umzugehen, aber Sie haben immer noch das Problem, Ihrem Kind zu erklären, daß Menschen, denen es schlecht geht, nicht weniger wert oder dumm sind. Ein mir bekanntes Kind aus wohlhabender Familie blieb vor einem Penner in der Nähe von Charing Cross stehen und fragte laut seine Mutter: »Warum hat dieser Mann nicht schon als Kind ein Sparbuch angelegt?« Ein trüber Blick aus glasigen Augen, ein schuldbewußter Fünfpfundschein von der Mutter, der auch nichts mehr retten konnte, und eilends verschwand die Mutter mit ihrem Kleinen im Gewühl der Menge. Die hastig heraus gestotterten Erklärungen verhallten ungehört in der kühlen Abendluft.