Ab dem vierten Lebensjahr wird es plötzlich sehr viel weniger mühselig, mit Kindern etwas zu unternehmen. Vorher haben sie noch zu wenig Geduld, und so quälen Sie sich mit dem Kind durch einen Jahrmarkt, der weder Ihnen noch dem Kind gefällt, oder Sie stehen im Regen zu einer Veranstaltung an, für die das Kind noch kein Verständnis hat. In diesem Alter müssen die Vergnügungen in der Nähe und kurz sein oder von den Eltern so erwünscht, daß ein bißchen weinerliches Gejammere ihnen nicht den Tag verdirbt. Jetzt jedoch, mit Vier- bis Siebenjährigen, werden diese Ereignisse das geteilte Vergnügen, das sich die Eltern immer erhofft hatten. Die Kinder haben gelernt, sich auf etwas zu freuen, im Auto auf dem Weg dorthin ein bißchen Geduld zu haben und es zu genießen, kleine Souvenirs mitzubringen. Bei kleinen Veranstaltungen dürfen sie schon alleine ihr Eis kaufen gehen (natürlich ohne daß die Mama dabei ihr Kind aus den Augen verliert) und sich andere Selbständigkeiten herausnehmen. Einige Grundregeln gelten allerdings nach wie vor. Halten Sie immer nach dem Toiletten-Schild Ausschau, auch wenn momentan noch keiner danach verlangt.
Nehmen Sie noch einen Jogginganzug zum Wechseln mit für den Fall von Regen, Schlamm oder sonstigen Unfällen. Nehmen Sie Obstsaft und Kekse mit, falls es vor Ort keine Erfrischungen gibt. Bereiten Sie die Angelegenheit gut vor, und verlassen Sie sich lieber auf die Ratschläge von anderen Eltern als auf die des Fremdenverkehrsamtes. Noch ein Tip: jetzt, da die Kinder nicht mehr am Laufgeschirr hängen und auch nicht mehr unbedingt an der Hand gehen, sollten Sie bei sehr überfüllten Veranstaltungen Ihren Kindern immer zumindest ein gleiches Kleidungsstück anziehen - also beiden einen gelben Pullover, den gleichen Anorak, karierte Hosen oder was auch immer. Wenn dann eines der Kinder verloren gehen sollte, können Sie das andere an der Hand nehmen und alle Passanten fragen: »Haben Sie vielleicht ein Kind gesehen, das genau so einen Pullover anhat?« Es ist erstaunlich, wie effektiv das sein kann. Gehen beide Kinder verloren, dann haben Sie einfach zu wenig aufgepaßt und können nur darauf hoffen, daß beim nächsten Mal eine Großmama mitkommt. Großmamas sind sehr wachsam, wenn sie nicht gerade zu der Sorte gehören, die selbst verlorengeht. Hier ein paar Vorschläge für Unternehmungen mit Kindern:
THEATER
Das ist die lohnendste aller militärisch genau geplanten Operationen. Kinder sind geborene Schauspieler. Sehen Sie nur einmal einem Kleinkind zu, das sich ein Paar Hosen über den Kopf stülpt und sich dann bewundernd im Spiegel betrachtet. Hüte sind gewöhnlich der erste Schritt zur Verkleidung, weil man damit am schnellsten seine Identität verändern kann. Dann kommen die Schuhe. Beryl Reid sagt, bei einer neuen Rolle muß sie zuerst die richtigen Schuhe finden, alles andere geht dann von selbst. jeder Dreijährige, der in Vaters Gummistiefeln herumstapft, könnte das bestätigen. Es ist ein großer Tag für ein Kind, wenn es die Gummistiefel von Vater oder Mutter anzieht und kein unangenehmes Reiben mehr im Schritt verspürt. Als nächstes kommen Sakkos, Jacken, Schals, Tischtücher, Kissenbezüge und Masken. Danach sollten Sie zumindest eine große Kiste mit alten Kleidern haben (Hemden mit ausgefransten Kragen, verbeulte Regenhüte und diese kleinen buntglitzernden Tops, die Mami in ihrer Discozeit trug, bevor das Stillen ihr eigenes Top unwiederbringlich ruinierte). Offensichtlich gibt es Familien, die ohne große Kleiderkiste auskommen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie. In unserem Haus ist die Kleiderkiste die einzige Rettung davor, daß die Kinder nicht alle anderen Kleidungsstücke zweckentfremden. Warum bloß wollen sie sich nie für die Schule anziehen, wenn sie doch so schnell und geschickt mit Militärjacken, Feuerwehrhelmen aus Plastik, ausgefransten Piratenhosen, dicker Schminke und Hawaiihemden, aus denen Stücke für einen Patchwork Quilt herausgeschnitten wurden, ein Spiel auf die Beine stellen. Aber ich komme vom Thema ab. Theaterspiel ist kein Luxus, sondern ein Instinkt. Er muß lediglich mit ein paar wenigen professionellen oder Laienspielaufführungen genährt werden, und schon entstehen zu Hause stundenlang nachgespielte Aufführungen im heimischen Puppentheater.
Wir leben auf dem Lande und nehmen unsere Kinder sehr oft mit ins Theater. Wohnten wir in der Großstadt, würden wir sie sicher von einer Marionettenbühne zur anderen schleppen. Momentan suchen wir ein bis zwei wirklich gute Kinderstücke pro Jahr aus und verlassen uns sonst ganz auf Pantomimenaufführungen. Verachten Sie die Pantomime nicht! Eine gute Pantomime ist die perfekte Hinführung auf die Freuden des Theaters. Da steckt alles drin: Der Zuschauer lacht, zittert, fühlt mit und fragt sich, wie sie den riesigen Kürbis auf die Bühne gebracht haben. Pantomime ist große Oper, Shakespeare, Zirkus und griechische Tragödie - alles reduziert auf kindliche Proportionen. Manchmal, zugegeben, ist es zu sehr reduziert, so daß selbst Kinder beleidigt reagieren. Doch es gibt auch Dramen nicht Komödien - denen bei entsprechend einfühlsamer Inszenierung schon Siebenjährige etwas abgewinnen können. Aber im großen und ganzen ist eine Pantomime oder ein Iustiges Kinderstück kein schlechter Einstieg. Die Auswahl: Es ist sehr unklug, ein Kind zu seiner ersten Theateraufführung mitzunehmen, wenn man vorher nicht schon alles mögliche über das Stück in Erfahrung gebracht hat. Ist es eine aufwendige Show mit Rock'n Roll-Klängen und zweideutigen Witzen? Wie lange dauert es? Gibt es eine Handlung, die vorher erklärt werden muß? Kritiken helfen, aber Mundpropaganda ist besser.
Für den Anfang eignet sich eine kleine Laienspielaufführung im Gemeindesaal vorzüglich. Kleine Kinder sind so fasziniert von der Vorstellung eines rauf- und runter gehenden Vorhanges und verkleideten Menschen, daß es ihnen gefällt zu sehen, wie jemand tatsächlich den Vorhangmechanismus betätigt. Auch sind Gemeindesäle weniger furchterregend für die Ängstlichen. Die Vorbereitung: Kindern muß man vor dem ersten Theaterbesuch einiges sagen.
Erstens, daß die Lichter im Zuschauerraum ausgehen werden. Zweitens, daß alle Schurken auch Papis von Kindern sind, die sich nur so verkleidet haben. Drittens, daß man ruhig sitzen und zusehen muß oder sehr leise flüstern darf oder raus gehen muß. Ich habe all das versäumt und war in dem Augenblick, in dem die Lichter ausgingen, mit einer Tochter konfrontiert, die wie am Spieß brüllte, wild um sich schlug und eine peinliche Szene herauf beschwor. Da ich außerdem die Grundregel ein-Kind-pro-einem-Erwachsenen beim ersten Besuch vernachlässigt hatte, befand ich mich in der unerquicklichen Lage, ein brüllendes Kind durch die Sitzreihe tragen zu müssen, während ein anderes hinter mir her schrie, ich solle dableiben und mit ihm das Theaterstück anschauen. Die Schauspieler versuchten tapfer, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, während meine zwei ausgerasteten Kinder mich auf dem Gang in verschiedene Richtungen zogen. Mit ein wenig rechtzeitigem Nachdenken meinerseits hätte das alles vermieden werden können. Beim nächsten Theaterbesuch - das ängstliche Kind selbst hatte ihn gewünscht - nahm ich eine »Großmama für Notfälle« mit, die bei dem älteren Kind und seinen Freunden bleiben konnte. Lächelnd und voller Zuversicht verkündete meine Tochter, daß sie keine Angst haben würde. Der Vorhang ging auf, hübsche Mädchen tanzten auf die Bühne - zufriedenes Lächeln. Dann PENG! Der Dämonenkönig erscheint in roten Strumpfhosen und eingehüllt in eine orangerote Nebelwolke mit einem hämischen HAHAHAHAHA! Diesmal hatten wir in weiser Voraussicht Plätze am Ende der Reihe gekauft, und ich floh in Panik mit einem kreischenden Bündel unter dem Arm aus dem Theater. Im Foyer dann eine Lagebesprechung. Zehn Minuten später ein vorsichtiger Blick an der hinteren Eingangstür.
Noch einmal zehn Minuten später saßen wir wieder auf unseren Plätzen. Eigentlich nur auf meinem Platz. Sie klammerte sich an mich, bis ihr Selbstvertrauen wieder zurückgekehrt war. Unglücklicherweise kam es mit solcher Macht zurück, daß sie gegen Ende des Stückes ohne Schuhe auf ihrem Sitz stand und lauthals brüllte: »VERPISS DICH, DU BÖSER DÄMON DU! « Oh, die Schande! Aber die Sache war es wert. Die beiden Kinder waren noch monatelang damit beschäftigt, das Gesehene nachzuspielen, und lernten dabei vieles hinzu: daß die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen, daß es manchmal hilft, zu schreien und seine Gefühle auszudrücken, daß Rollen vertauscht, Ausflüchte erfunden und Konflikte zu gangbaren Lösungen ausgearbeitet werden können. Und daß wir alle, zumindest zu Hause vor dem Spiegel, das Recht haben, Helden unserer eigenen wundervollen Geschichten zu sein.
KINOS
Hier gelten in etwa die gleichen Vorsichtsmaßregeln. Kino ist weniger hautnah als Theater, aber intensiver als Fernsehen und auf jeden Fall einen Besuch wert. Allerdings müssen Filmbesuche noch genauer vorbereitet werden als Theateraufführungen. Einige sogenannte »Kinderfilme« - ein ziemlich schwammiger Begriff - sind eigentlich nicht für Kinder unter 13 geeignet. Der schlimmste Fehler vieler Filme, sofern es um kleine Kinder geht, ist die lästige Angewohnheit ständiger Anspielungen. Man nimmt einfach an, daß alle Kinder völlig in eine bestimmte amerikanische Schulkultur integriert sind und deshalb alle Anspielungen verstehen. Ein Sechsjähriger aus Europa versteht da sehr oft nur Bahnhof. Die guten, alten Disneyfllme jedoch sind immer ein Erfolg. Superman paßt für Kinder über sieben ebenso wie meiner Meinung nach die Spielberg-Filme. Noch eine Warnung: Kinobesitzer erweisen sich oft als sehr unsensibel gegenüber Kindern und zeigen vor dem Hauptprogramm eine Vorschau auf einen geschmacklosen Erwachsenenfilm oder einen relativ furchterregenden Vorfilm. Einmal (und nie wieder) ist mir das passiert. Rufen Sie vorher an und fragen Sie.
MUSEEN
Sie haben plötzlich die Kinder als Zielgruppe entdeckt. Vorbei sind die Zeiten mit Reihen von langweiligen Glasvitrinen und der gedämpften, muffig-wissenschaftlichen Atmosphäre. Museen sind fast zu perfekt geworden mit beweglichen Dinosauriern und Maschinen, die man selbst in Gang setzen darf. Schwierig wird es nur, wenn Sie heutzutage ein Kind haben, das eben gerade sehr gerne die Zähne von Flugsauriern in Glasvitrinen betrachtet. Als wir einmal mit dem speziellen Vorhaben, Ritterrüstungen zu betrachten, ins Stadtmuseum von York gingen, empfanden wir es durchaus als störend" daß wir gezwungen waren, einem vorgegebenen Weg nachzugehen, vorbei an Reproduktionen von alten Läden, Puppenhäusern und allen möglichen anderen Dingen, ehe wir an unser Ziel gelangten. Unsere Laune war dahin! Unsere Kinder entdeckten ihre Liebe zu Museen mit den tausend interessanten Dingen, die man in aller Ruhe erklären kann (»Diese Münzen sind hier vor tausend Jahren vergraben worden und wurden jetzt gerade freigelegt. Die Wikinger benutzten sie. Was, meinst du, haben sie sich dafür gekauft?«), oder bei größeren Geschichts- und Technikmuseen, die dem Besucher anschaulich einen Leuchtturm aus dem 19. Jahrhundert oder den Fahrersitz einer Straßenbahn demonstrieren. Gehen Sie nie davon aus, daß ein einfaches Museum für Kinder unbedingt langweilig sein muß. Ich habe einmal meine Kinder aus dem einzigen Grund in das Norwich Castle Museum geschleppt, um dem strömenden Regen zu entgehen. Wir haben dann schließlich zwei geschlagene Stunden damit zugebracht, ausgestopfte Tiere zu betrachten und die Beschriftungen auf Mumlenkästen zu entziffern. Eine zusätzliche Attraktion ergab sich aus dem Heizsystem mit Gitterrosten im Boden, auf denen sich ein kleines Mädchen wie Marilyn Monroe fühlen kann, wenn ihr der warme Luftzug von unten das Röckchen hochweht. Museen können Kindern auch eine sehr gute Lektion in Geschichte erteilen. In Portsmouth besichtigten wir einmal an einem Tag die Schiffe Mary Rose (16.Jahrhundert), die Victory (18. Jahrhundert) und die Warrior (19. Jahrhundert). Später sahen wir dann noch eine Reproduktion eines Wikingerschiffes aus dem 11. Jahrhundert. Seither überlegt Nicholas immer, wenn er etwas zeitlich einordnen möchte: »War das, als Mary Rose auf dem Meer unterwegs war? Oder später? Aber doch vor der Victory, oder?« Er kann geschichtliche Ereignisse ganz bequem nach verschiedenartigen Schiffsformen einordnen. Das gleiche funktioniert auch mit Schlössern, Architektur, technischen Neuerungen, eigentlich mit allen Bereichen.
KUNSTAUSSTELLUNGEN
Auch sie sind erstaunlich interessant für Kinder. Kleine Kinder sollten einfach frei herumlaufen dürfen und nicht dazu gezwungen werden, systematisch alle Bilder anzuschauen oder etwa gar Namen der Künstler zu lernen, wenn sie nicht selbst danach fragen. Ab sieben Jahre können Sie mit Kindern das Spiel spielen, das Christina Hardyment in ihrem Bericht über eine Europatour mit Kindern beschreibt: Sie läßt sie am Postkartenstand eine Karte von einem Gemälde aussuchen. Dann dürfen die Kinder losgehen, sollen das Original im Museum finden und es ihr zeigen. Kindern sollte man vorher sagen, daß man in Kunstmuseen nicht wild herum toben darf und nur über die Bilder reden sollte. Darüber hinaus sollten Sie möglichst wenig verbieten, damit das Kind nicht die Lust verliert. Lächeln Sie das Aufsichtspersonal besonders freundlich an. Die meisten sind sehr verständnisvoll, besonders wenn die Kinder wirklich die Bilder anschauen. »Sieh mal! Da liegt ein Löwe neben seinem Fuß! Hat der Mann denn keine Angst, von ihm gebissen zu werden?«
FREIZEITPARKS
Genug von der Kultur, jetzt ist Spiel und Spaß an der Reihe. Warum auch nicht? Weinen Sie auch den Rummelplätzen von früher nach mit ihren messingglänzenden Maschinen und der barocken Blumenverzierung? Die moderne Version ist eher schrill, in Farben wie in Formen, laut im Ton und manchmal auch nicht einmal kindersicher (Ausnahmen gibt es, aber die scheinen alle in Holland zu sein). Sie sind eigentlich eher für Teenager gedacht, nicht für Kinder. Also sind Freizeitparks nach amerikanischem Muster entstanden mit wunderschönen Karussellfahrten, freundlichen, flauschigen Bären, die umherwandern und jedem zuwinken, süßen kleinen Eisenbahnen, ausreichenden Toilettenanlagen und sehr strengen Bestimmungen. Auch sind meist mit dem Eintrittspreis sämtliche Fahrten abgegolten, eine nicht unwesentliche Tatsache für den elterlichen Geldbeutel. Wenn es um die Gestaltung eines ganz besonderen Tages geht, kann nichts anderes mithalten. Aber der Lack ist auch ganz besonders schnell ab. Ein Besuch pro Sommer ist sicherlich ausreichend.
AUSSTELLUNGEN, PFERDEMÄRKTE, JAHR MÄRKTE
Sie haben meist sehr viel Lokalkolorit. Mit Kleinkindern noch eine echte Pein, werden daraus mit älteren Kindern wirklich lohnende Ausflüge, vor allem dann, wenn Sie selbst nichts Besonderes suchen, sondern mit den Kindern einfach ziellos herum wandern. Wählen Sie Ihren Besuch je nachdem aus, ob Ihr Kind mehr an Maschinen oder an Pferden interessiert ist. Die Karussells, Buden, Flohmärkte etc. drum herum werden immer wieder das gleiche sein.
RITTERSPIELE & CO
Verschiedene Gesellschaften und Vereine sind offensichtlich ganz wild darauf, historische Schlachten und Ritterspiele wieder aufleben zu lassen. Selbst die sanftmütigsten Kinder scheinen daran Gefallen zu finden. Zwei Dinge sollten Sie beachten: Setzen Sie sich nicht zu nahe an den Ort des Geschehens, denn nicht alle Spieler können wirklich mit ihren Äxten, Lanzen etc. gut umgehen. Und sehen Sie einigen Wochen mit totalem Chaos in Ihrem Haus gelassen entgegen. Machen Sie das Beste daraus, und schmuggeln Sie ein bißchen echte Geschichte ein, auch wenn Sie (so wie ich) die Fakten immer wieder in einer Kinderenzyklopädie nachlesen müssen.
FERIEN
Auch Ferienreisen werden mit Kindern ab vier Jahren viel einfacher. Kinder, die zeichnen, Bücher anschauen oder ihrem Walkman zuhören, sind kein Problem mehr im Auto, in Zügen oder in Flugzeugen. Womit ein Kind am besten abzulenken ist, ist ganz individuell, und es würde mir nie im Leben einfallen, Ihnen da zu enge Grenzen zu setzen. Manchmal helfen kleine Spielsachen, manchmal Brettspiele, einige Kinder schauen gerne durch bunte Kaleidoskope, mit Papier und Bleistift können alle etwas anfangen. Das Beste ist allerdings ein gleichaltriges Kind. Von einer Absprache mit anderen Familien profitieren alle Beteiligten. Nur noch ein kleiner Rat, ehe es losgeht. NEHMEN SIE NICHT ZU VIEL MIT. Ich packe grundsätzlich sehr wenig ein, und doch habe ich nie all die Kindersachen gebraucht, die ich eingepackt hatte. Nicht ein einziges Mal! Packen Sie ein Minimum ein und nehmen dann noch rigoros zwei Sachen pro Kind heraus. Aber nicht den Teddy! Gut überlegen sollten Sie sich allerdings, was für Ferien Sie mit Ihren Kindern machen. Sind Sie als Erwachsener auf die Türkei oder auf Venedig oder auf eine Kreuzfahrt im Mittelmeer fixiert, dann müssen Sie zusehen, wie Ihre Kinder da hineinpassen, oder ob Sie sie lieber vierzehn Tage zu Hause lassen und zu einem späteren Zeitpunkt dann etwas anderes mit ihnen unternehmen. Kinder über fünf Jahre lassen sich sehr gut in einen exotischen Erwachsenenurlaub integrieren, aber das erfordert eine Menge Arbeit.
Und das Ergebnis ist für die Kinder nicht immer so optimal, daß das teure Flugticket gerechtfertigt ist. Die wunderschönen griechischen Strände sind vielleicht voller Kies und übersät mit gefährlichen Seeigeln. Die romantischen Hotelbalkons können für kleine, gelangweilte Kletterkünstler die reinsten Todesfallen sein. Selbst Kreuzfahrtschiffe und Segelyachten können für Kinder, die lieber Fußball spielen, die reinste Qual sein. Erinnern Sie sich, was die Kinder von früheren Ferien erzählt haben. Wovon haben sie geschwärmt? »Oh«, antworten sie mit leuchtenden Augen, »am besten hat mir gefallen, als Papi auf dem Weg zum Flughafen den Reifen wechseln mußte und wir mit dem Wagenheber helfen durften. « Nachdem ich verschiedene Urlaubsarten ausprobiert und mich auch mit Freunden besprochen habe, bin ich zu dem erstaunlichen Schluß gekommen, daß Kindern recht spartanische Ferien am liebsten sind. Ist es nicht jammerschade, daß unser wohlorganisierter westlicher Tourismus Urlaub in einem spanischen Hotel billiger anbietet als Ferien im eigenen, oft unbekannten Land. Billiger oder nicht, einfacher ist es allemal, in ein Reisebüro zu gehen, auf die entsprechende Seite im Katalog zu zeigen und alles andere den Reisebüroexperten zu überlassen.
Am Flughafen wird ein Bus bereitstehen, eine freundliche Reiseleiterin wird Sie durch den Zoll schleusen, und der Hotelmanager vor Ort wird Ihre Muttersprache sprechen und wissen, was Cornflakes sind. Und wenn etwas schiefgeht, können Sie sich immer noch beim örtlichen Reiseleiter beschweren. Ferienmachen ist etwas sehr Passives geworden. Man macht die Ferien eigentlich nicht, sie werden gemacht. Wie anders waren da doch die Ferien unserer Kindheit! Im Zeitalter vor dem Pauschaltourismus erlebten wir mit, wie unsere Eltern Zugfahrpläne und Fährenabfahrtzeiten studierten, Reiseführer lasen und Landkarten studierten. Welcher Pauschaltourist schaut sich heute noch einen Atlas an? Nach der Umfrage eines Relsejournalisten konnte nur einer von fünfzig britischen Touristen in Spanien, denen eine Landkarte gezeigt wurde, genau zeigen, wo er sich befand. Auch die deutschen Touristen schnitten nicht viel besser ab. Die altmodische Sommerfrische in einer kleinen Pension ist auf dem Rückzug, weil wir Erwachsenen es so wollen. Wir wollen Sonne, Meer, jemanden, der das Essen kocht, und eine Disco für den Abend. Weder Herausforderung noch Bildung sind sonderlich gefragt. Und wenn uns etwas nicht paßt, schreiben wir das nicht aufgeregt in unser Reisetagebuch, sondern wir beschweren uns an geeigneter Stelle. So verhält sich eben ein Tourist im Gegensatz zu einem Reisenden. Aber wie ist das mit den Kindern? Sie brauchen Herausforderungen und eine Horizonterweiterung.
Das Beste für das Kind zu tun, bedeutet nicht unbedingt, ihm den größten Freizeitpark zu zeigen oder es im Flugzeug ans Mittelmeer mitzunehmen. Kinder sind nicht so sehr auf die Sonne erpicht wie Erwachsene und auch nicht so übersättigt in punkto Unterhaltung. Sie mögen einfache Dinge, sie mögen in Pfützen herum hüpfen und den Wellen zusehen, die im Sturm über die Seepromenade schlagen. Oft finden sie Ebbe und Flut an den nordischen Stränden aufregender (»Oh, Mami, hat der liebe Gott das getan?« fragte mein Sohn, als plötzlich Wasser in dem von ihm gebuddelten Graben stand) als gezeitenlose, südliche Strände, die täglich mit riesigen Staubsaugern von Unrat gesäubert werden müssen und an denen man ständig über einen sich faul bräunenden Erwachsenenkörper stolpert. Wie auch immer, dreiviertel des kindlichen Vergnügens macht die Tatsache aus, beide Eltern um sich zu haben. In unserem modernen Leben bekommen die Kinder eine sehr wesentliche Erfahrung nicht mit, weil sie ihre Eltern so selten bei der Arbeit beobachten können. Die Welt der Erwachsenen und ihre Gedanken sind ein Geheimnis. Zwar sehen sie ihre Mutter bei der täglichen Hausarbeit, nie aber ihren Vater beim Verdienen des Lebensunterhalts. Väter verbringen ihren Tag für gewöhnlich in geheimnisvollen Büros und Fabriken, wo sie unverständliche Dinge tun. Bei Müttern ist das in zunehmendem Maße ebenso. Deshalb ist ein gemeinsamer Urlaub doppelt wichtig. Früher hatten die Kinder bei einem Urlaub Gelegenheit, auf eigene Faust zu beobachten, wie ihre Eltern Probleme lösten Zelte, die nicht stehenbleiben wollten, oder Züge, die keinen Anschluß hatten. Das Kind hatte die Chance, an der Lösung des Problems mitzuhelfen. Eine von Gwenda Cornell für das Buch Cruising with Children befragte Mutter sagte: »Auf dem Meer sah mein Sohn seinen Vater wirklich arbeiten, sah, wie er Probleme löste, als beispielsweise bei einem heftigen Sturm das Steuerruder brach. Vorher hatte er seinen Vater immer nur kurze Zeit gesehen, müde nach des Tages Arbeit. Jetzt hat Jeff mehr Respekt für seinen Vater, und die beiden verstehen sich prima.«
Nicht jeder wird ein solches Wagnis wie eine Atlantiküberquerung mit Kindern unternehmen, aber das Prinzip bleibt das gleiche. Meine Kinder sprechen beispielsweise immer noch von dem Urlaub, in dein wir alle an einem öden irischen Strand mit einem Campingofen zum Teemachen entlang stapften, von den drei Tagen, in denen wir in einem, nun ja, notdürftig ausgestatteten Planwagen mit einem Pferd, das jeden Abend angepflockt werden mußte, durch Norfolk zogen, von dem Schloß, in dem wir auf der Flucht vor dem britischen Regen Zuflucht suchten, oder von dem schrecklichen Hausboot, das den stürmischen Winden kaum standhielt. An die Pauschalreisen erinnern sie sich kaum. Vielleicht gerade noch an die hilflosen Eltern, die zusammen mit fünfzig anderen Passagieren um Mitternacht wütend auf einem fremden Flughafen warten mußten. Passive Eltern, Eltern, die sich einer gebieterisch en Reiseleiterin fügten, Eltern, denen Plätze zugewiesen wurden und die ihre Pässe rüberreichen mußten. Ist das eine Ferienerinnerung, die den Rest des Jahres bereichern kann? Kinder können im Ausland wundervolle Ferien erleben. Manche Pauschalreisen lassen wenigstens ein bißchen Raum und Freiheit für individuelle Unternehmungen. Aber wenn es finanziell nur für einen Wohnwagen oder ein Zelt auf einem Zeltplatz in der Nähe des Heimatortes reicht, dann machen Sie sich nichts beziehungsweise das Beste draus.
Die Kinder werden genauso viel, wenn nicht mehr, davon haben. Sie werden Seesterne oder Kaninchenlöcher entdecken, Heimatmuseen besuchen, Sagen und Legenden kennen lernen, Karten zeichnen und die Wegstrecke des nächsten Tages vorbereiten lernen. Und sie werden echte Erinnerungen haben, an einen Urlaub, der vielleicht manchmal unbequem war, aber doch unverwechselbar - Ihr ganz privates Familienabenteuer. Das einzige Problem bei diesen sandknirschenden Pionierurlauben mit Kindern ist, daß die Eltern danach meist das Bedürfnis nach einem Erholungsurlaub haben. Vielleicht ein verlängertes Wochenende zu zweit in Paris? Lassen Sie die Kleinen zu Hause bei den Großeltern. Sie werden sich an den schon halbvergessenen Spielsachen freuen, während die Photos beim Entwickeln sind, das feuchte Zelt und die Schlafsäcke langsam in der Garage vor sich hin trocknen und Mami und Papi Muscheln am Montmartre essen. Nun, zumindest träumen wir davon. Geschafft haben wir es bisher noch nicht.