Kindergeburtstage können traumhaft schön sein, aber sich auch zum absoluten Alptraum auswachsen. In der Traumsequenz sitzen ein Dutzend kleine Gesichter mit leuchtenden Augen an einem langen Tisch, auf dem ein riesiger Kuchen in Form einer Lokomotive steht. Die Kerzen verbreiten ein sanftes Licht, und helle Kinderstimmen singen Happy Birthdayl, ehe sie sich mit kleinen, aufgeregten Schreien (aber immer schön gedämpft und artig) in das nächste Spiel stürzen. Im Alptraum haben Sie es mit einer unkontrolliert kreischenden, kuchenwerfenden Rasselbande zu tun, einem wilden Haufen, in dessen Mitte der kleine Asthmatiker fast zu Tode gequetscht wird und Ihr eigenes Geburtstagskind leise wimmernd am Rand der Schlacht steht. Ich mag Kinderfeste und bin eher optimistisch. Ich habe auch ein Haus, das sich gut für Kinderfeste eignet (alt, mitgenommen, keine Teppichböden und nicht ganz neu tapeziert). Bis jetzt haben wir hier zwölf Geburtstagspartys, sechs Weihnachtsfelern, zwei improvisierte Kinder-Gartenfeste im Sommer und eine kurzfristig angesetzte Miniparty für alle jüngeren Geschwister, die nie zu irgend jemandes Geburtstag eingeladen werden, veranstaltet.
Wenn der unausweichliche Tag kommt, an dem meine Kinder vor-teenagerhaft angewidert maulen und ein Theaterbesuch oder eine Burger-Session in einem Nepplokal fordern, werde ich tödlich beleidigt sein und wahrscheinlich darauf bestehen, daß sie entweder eine richtige Geburtstagsfeier zu Hause bekommen können oder gar nichts. Mit Götterspeise. Dabei quassele ich immer recht hochgestochen daher, wie wichtig es ist, daß Kinder schon in jungen Jahren mit offiziellen gesellschaftlichen Ereignissen in Berührung kommen, für den Fall, daß sie eines Tages in den Buckingham Palace eingeladen werden. Aber wenn man mir ein buntes Plastiktischtuch und eine Schachtel voll Partygags in die Hand drückt, bin ich nicht mehr zu bremsen. Mit geradezu unmoralischem Eifer stürze ich mich in die Vorbereitungen. Doch, ich habe auch Lehrgeld bezahlt. Es gibt Grundregeln, die beachtet werden müssen, was ich in der Vergangenheit nicht getan habe. Einen Haufen Kinder mit einem Haufen Luftballons in einem Raum aufeinander loszulassen, ergibt noch keine Party. Höchstens Tränen. Organisation ist alles. Eine Mutter ist ein Impresario, und eine gute Party ist wie eine Theateraufführung, ein Drama in drei Akten mit viel Improvisation um ein Rahmendrehbuch herum.
1. Akt: Die Spiele
Auf den Einladungen sollte immer eine Uhrzeit für Anfang und Ende des Festes angegeben sein. Also zum Beispiel 15.30 Uhr - 17.30 Uhr. Im Idealfall sollten alle Gäste rechtzeitig da sein, und das erste Spiel sollte losgehen, sobald alle die Mäntel ausgezogen haben. Das gilt besonders für Geburtstage von Vier- und Fünfjährigen. Ältere Kinder haben schon mehr Verständnis dafür, nur ein bißchen plaudernd herumzustehen und Geschenke aufzumachen, ohne daß es ihnen gleich langweilig wird oder sie zu raufen anfangen. Mütter, die zu spät kommen, sind ein Ärgernis. Und wenn Mütter schon bleiben (manche kleineren Kinder bestehen darauf), dann sollten sie sich tunlichst raushalten, sich nicht einmischen und ganz allgemein versuchen, die Atmosphäre nicht zu stören. Eine Mutter jedoch sollten Sie sich als Assistentin anheuern. Sie muß Kinder zum Klo bringen, aufgegangene Haarschleifen bei aufwendig zurechtgemachten Mädchen neu binden und Pflaster auf aufgeschlagene Knie kleben. Das erste Spiel sollte etwas mit Auf- und Abhüpfen zu tun haben. Das löst die Spannung und stellt sicher, daß alle, die zum Klo gehen wollen, es auch rechtzeitig vor dem Essen tun und deutlich die entsprechenden Symptome verspüren. Für Kinder über vier Jahre alt empfiehlt sich meiner Erfahrung nach ein anspruchsvoller gestaltetes Spiel, etwas, das sich am Motto der Feier orientiert - Piraten oder Zirkus oder Ballerinas. (Übrigens, wenn Sie einen Kindermaskenball veranstalten, sollten Sie auf jeden Fall ein paar Extra-Piraten-Taschentücher, Clownhüte oder was auch immer bereithalten - es ist immer ein Kind dabei, dessen Mutter die Einladung nicht gelesen hat oder die gerade ein Baby bekommen hat und alles andere vergißt.) Die Spiele unter einem bestimmten Motto sind leichter zu dirigieren, wenn Sie es mit Schulkindern zu tun haben. Es wirkt auf mich wie ein Wunder, daß sich eine große, bedrohliche, amorphe Masse von sechzehn Kindern in eine disziplinierte Klasse verwandeln kann. Wenn die Kinder erst einmal Schulerfahrung haben, dann können es auch Spiele sein, die ein paar einleitende Erklärungen erfordern. Klatschen Sie einfach laut und vernehmlich in die Hände, und sagen Sie:
»ALLE MAL HERHÖREN! jeder ist jetzt ein Pirat. Wir haben zwei Piratenmannschaften. Also bildet jetzt zwei Gruppen - rot und blau - hier sind eure Rosetten. jetzt ist es eure Aufgabe, den Schatz zu finden ... « Und so weiter. Im Vorschulalter machen Sie es einfacher. Wir hatten einen durchschlagenden Erfolg mit Papierschlangen, die durch das ganze Haus führten, Kletterstangen hinauf und Rutschen hinunter, durch einen provisorischen Tunnel, bei einer Tür hinein, bei der anderen hinaus, bis hin zu einer Pirateninsel voll mit Schokoladengeld. Vor einiger Zeit beschloß ich, gegen das ewige Wettbewerbsdenken anzugehen, und dachte mir ein Spiel aus, bei dem es keine Gewinner gibt. Die Kinder waren alle Astronauten auf einer Raumfahrtmission, die vielen verwundeten außerirdischen Ungeheuern helfen sollten. jedes Kind hatte eine Art Puzzlekarte, auf der ein Teil eines Tintenfischfangarmes zu sehen war. Mit kleinen Hinweisen und selbstklebenden grünen Fußabdrücken wurden die Kinder zu einem verletzten Tintenfisch aus Pappe in einem anderen Zimmer geführt, wo sie die einzelnen Puzzlestücke zusammensetzen mußten, bis der Tintenfisch wieder ganz war. Ohne das Zusammenwirken aller Kinder konnte das nicht bewerkstelligt werden, deshalb achteten die großen Kinder mit Argusaugen auf die kleinen, die in der Aufregung sehr gerne ihre Puzzlekarte verloren. Das Spiel wurde ein voller Erfolg. Natürlich hätte ich das am liebsten dem wettbewerbsfreien Teamgeist zugeschrieben. Nur widerwillig muß ich zugeben, daß es auch etwas mit einem weniger idealistischen Aspekt des Spiels zu tun gehabt haben könnte. In einem Zimmer trafen die Kinder auf meinen Mann als 1,90 Meter großer kreischender Papagei mit grünen Federn. Es lohnt sich immer, ein paar Überraschungen einzubauen. Im nächsten Jahr war er ein Bär.
2. Akt: Limo, Kakao und Kuchen
Das klingt einfach. Ich hoffe, ich verletze Sie nicht, wenn ich Sie daran erinnere, daß es immer Kinder gibt, die keine Süßigkeiten mögen, aber sich dafür auf Würstchen, Chips oder Käsestangen stürzen. Manche Kinder mögen auch keine Butter auf den belegten Broten. Abgesehen davon sind Ihrer Phantasie und Ihrer Arbeitswut keine Grenzen gesetzt. Sie können acht Stunden damit zubringen, Hexenhüte aus Eiskrem zu formen und Kuchen mit Gesichtern zu verzieren, oder aber einfach in den Supermarkt gehen und alles kaufen. Schwieriger wird es dann schon mit den Kindern, die es nicht gewohnt sind, an einem gemeinschaftlichen Essen teilzunehmen, weil sie normalerweise vor dem Fernseher oder zwischen Tür und Angel abgefüttert werden. Diese Kinder sind entweder total fasziniert von einem hübsch gedeckten Tisch mit Kerzen und Knallbonbons, oder sie verderben den anderen das gemütliche Beisammensein, weil sie ständig aufstehen und herum rennen. Aber ein wenig Disziplin muß schon sein. Hiermit bestätige ich, daß ein 1,90 Meter großer grüner Papagei einen unschätzbaren disziplinarischen Wert hat: Einmal kreischen, Und alle sitzen mucksmäuschenstill an ihrem Platz. Der Kuchen ist natürlich wichtig. Allerdings werden kleine Kinder bei Geburtstagsfesten so mit Essen vollgestopft, daß sie den Kuchen kaum anschauen. Sie können also genauso gut einen Schuhkarton mit Glasur überziehen. Wenn Sie Ihr Kind fragen, was der Kuchen denn für eine Form haben soll, dann wird es entweder heißen: »Er soll wie ein Traktor aussehen« oder »wie eine Ballerina«. Und wenn Sie dann kein Spitzenkonditor sind, werden Sie ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Mit einigen Tricks sollten Sie deshalb lieber das Gespräch auf machbarere Dinge bringen, wie etwa auf einen Zirkusring (rund und flach) oder eine Lokomotive (aus einem rechteckigen Biskuitteig mit einem Messer ausschneiden). Mein bislang ehrgeizigstes Projekt war eine Galeone - ist nicht so kompliziert, wie es klingt. Ich bat eine Freundin um zwei Bleche ihres so wunderbar formbaren, ziemlich festen Biskuitteigs, schnitt Schiffsbug und Heck aus, schmierte die Buttercremeglasur drauf, setzte Smarties als Bullaugen ein und fertigte mit Bleistiften und Fäden Mast und Takelung (lassen Sie sich nicht einreden, daß an so einem Kuchen unbedingt alles eßbar sein muß). Wenn Sie eine Künstlerin mit Glasuren und Verzierungen sind, gratuliere! Wenn Sie darin keine große Expertin und eher hilflos sind wie ich, dann tun es auch Bleistifte, Gummiband und ein Bugspriet aus rohen Spaghetti. Natürlich werden Sie ein besonderes Auge darauf haben, wenn der Kuchen gegessen wird, und vorher schnell die nicht eßbaren Teile entfernen. Die Überraschung war perfekt, als wir die Kerzen anzündeten und die Takelage Feuer fing.
3. Akt: Die Randale
Limo und Kuchen garantieren ein fröhliches Beisammensein, bei dem das Eis gebrochen wird. Leckeres Speiseeis hält vor Übermut berstende Kinder brav am Tisch. Das für nach dem Kakao vorgesehene Spiel endet meist in einem unentwirrbaren Knäuel von kreischenden Kindern. Wir versuchten bei unserem Astronautenfest ein Spiel, bei dem in jedem Fangarm des Tintenfischs eine Leckerei versteckt war. Manche Eltern versuchen die Kinder bei Laune zu halten, indem sie nach jeder Spielrunde einen Purzelbaum machen oder ein Lied singen müssen, aber die Randale bleibt unausweichlich. Es gibt zwei Möglichkeiten, sie in den Griff zu kriegen. Entweder Sie engagieren einen professionellen Geburtstagsclown mit einem Kasperltheater oder einigen Zaubertricks. Es ist sehr beruhigend, aus dem Nebenzimmer eine in Kinderunterhaltung geübte Stimme zu hören: »Seid ihr alle da?« Und dann ein gehorsames »jaaaa!« aus vielen Kinderkehlen. Bei Kindern unter fünf Jahren besteht allerdings die Gefahr, daß sie in hysterischen Schrecken verfallen, wenn der Unterhalter auch nur im entferntesten furchterregend aussieht, und wenn er das nicht tut, kann er wiederum die brodelnde Randale nicht verhindern. Einen wirklich guten Zauberclown für Kindergeburtstage erfahren Sie nur durch Mundpropaganda oder indem Sie das Risiko auf sich nehmen, das Fest im Chaos oder in einem Flop enden zu lassen. Mein Traum ist immer noch, einen netten jungen Mann mit einer Gitarre zu finden, der alle Kinder zu einem friedlichen Abschiedssong vereint. Die andere Möglichkeit, die Randale nach dem Essen unter Kontrolle zu halten, ist, sie in eine Ihnen genehme Richtung zu lenken. In dem Jahr, in dem Paul als Bär verkleidet war, führten wir das Spiel Jagd-den-Bär-und-bindet-ihn-mit-Papierschlangen-fest. Das funktionierte sehr gut - Schreckens-und Freudenschreie hielten sich die Waage. Bei einer anderen Feier sauste ein Wolf herum, den die Kinder mit Wasserpistolen jagen durften (das war natürlich im Garten). Einmal war Paul als Clown verkleidet, und die Kinder durften ihn mit Schaumgummitorten bewerfen. Natürlich war das chaotisch, aber die Kinder konnten sich abreagieren, und das war gut so. Im allgemeinen rate ich Ihnen, damit erst zwanzig Minuten vor der offiziellen Rausschmißzeit anzufangen. Wenn dann die Mütter auftauchen und ihre lieben Kleinen mit Buttercreme beschmiert und mit Papierschlangen behängt vorfinden, werden sie sie schweigend an der Hand nehmen und zu Hause in die Badewanne stecken.
Epilog: Die Partytüte.
Das ist eine nette Einrichtung. Jedes Kind bekommt zur Erinnerung an die Geburtstagsfeier ein kleines Tütchen mit nach Hause. Der Inhalt muß den Kindern Spaß machen, muß sie überraschen und für eine Welle glücklich machen und darf nicht viel kosten (auch wenn Sie das Geld haben. Wenn Sie die Sache zu hoch schrauben, dann werden Sie sich den gerechten Zorn der anderen Mütter zuziehen). Ich nehme meistens ein kleines Tütchen Süßigkeiten oder eine Schokoladenfigur, einen Luftballon, etwas Quietschendes (wenn so etwas gerade für ein paar Groschen zu bekommen ist), einen ganz billigen, kleinen Gegenstand (etwa einen winzigen Bleistift oder ein schreckliches Fünf-Pence-Plastikarmband) und einen billigen, aber interessanten Gegenstand. Wie ich schon in dem Spielzeugkapitel geschrieben habe, sammle ich diese Kleinigkeiten das ganze Jahr über. Der Dachboden ist voll von seltsamen Faseroptik Miniaturleuchten und sonstigen Zauberdingen.
Zu guter Letzt: Der Stargast.
Irgendwo im Freundeskreis Ihres Kindes muß ein Kind (meistens ein Junge) existieren, der nie Angst hat, sich nie aus der Ruhe bringen läßt, äußerst gesellig ist und einfach alles mitmacht. Ob Ihr Kind ihn mag oder nicht, setzen Sie ihn auf die Einladungsliste. Bei keiner meiner Kinderfeten darf ein gewisser Patrick fehlen, weil ich weiß, daß, wenn ich fröhlich sage »Wer kann am schnellsten einen Tischtennisball mit der Nase bugsieren? Das Ziel ist dort unten«, er der erste sein wird, der loslegt, noch ehe ich meinen Satz ganz zu Ende gesprochen habe. Und die anderen werden mitziehen. Wenn ich sage »Wer kann am höchsten springen?«, klebt Patrick schon an der Decke. Wenn ein kleineres Kind nicht weiß, wie ein bestimmtes Spiel geht, braucht es nur Patrick zuzuschauen und kann mitmachen. Ein Hoch auf Patrick und auf alle Patricks überall auf der Welt. In einigen Jahren wird er Star und Liebling der Klatschreporter sein. Wer könnte ihm das verdenken?