Meine vermuteten Antworten auf die Rätsel des Hanes Taliesin waren:
Babel
Lot oder Lota
Vran
Salome
Ne-esthan
Hur
David
Taliesin
Kai
Kaleb
Hu Gadarn
Morvran
Gomer
Rhea
Idris
Joseph
Jesus
Uriel
Weiter konnte ich nicht gehen, falls ich nicht die Kreuzworträtsel-Methode übernehmen wollte, die darin besteht, bereits gesicherte Antworten als Schlüssel zur Lösung der übrigen, schwierigeren Rätsel zu nutzen. Gewisse Fortschritte machte ich aber mit dem Rätsel: »Ich war drei Epochen im Kerker von Arianrhod.« Arianrhod (»Silberrad«) kommt in der 107. Triade als die »silber-umwundene Tochter des Don« vor und ist eine Hauptfigur der Romance of Math the Son of Mathonwy. Niemand, der mit den vielfältigen Varianten dieser Sage in allen europäischen Mythensammlungen vertraut ist, wird über ihre Identität im unklaren sein. Sie ist die Mutter des immer wiederkehrenden göttlichen Fisch-Kindes Dylan, das, nachdem es den immer wiederkehrenden Vren getötet hat (wie es das NeuJahrs-Rotkehlchen am St. Stephen's Day tut), zu Llew Llaw Gyffes (»der Löwe mit der festen Hand«) wird, dem meist schönen und verdienstvollen Sonnen-Heros mit dem üblichen himmlischen Zwilling an der Seite. Arianrhod nimmt somit die Gestalt von Blodeuwedd, der üblichen Liebesgöttin an, vernichtet (wie üblich) Llew Llaw durch Verrat die Geschichte ist so alt wie das babylonische Gilgamesch-Epos - und wird alsdann in die übliche Eule der Weisheit und danach in die übliche alte Bache, die ihre Ferkel frißt, verwandelt; so verzehrt sie das Fleisch des toten Llew. Aber Llew, dessen Seele die Gestalt des üblichen Adlers angenommen hat, erwacht danach wie üblich zu neuem Leben. Die Geschichte wird in unserem 17. Kapitel ausführlicher erzählt. Mit anderen Worten, Arianrhod ist ein weiterer Aspekt von Caridwen oder Cerridwen, der Weißen Göttin des Lebens-im-Tod und des Todes-im-Leben. Und im Kerker von Arianrhod sein heißt, in einem königlichen Purgatorium zu sein und der Auferstehuhung zu harren. Im Glauben der Ur-Europäer kam nur Königen, Häuptlingen und Dichtern oder Magiern das Privileg der Wiedergeburt zu. Zahllose andere, weniger vornehme Seelen wanderten ungetröstet über die eisigen Gründe des Schlosses, damals noch nicht durch die christliche Hoffnung der allgemeinen Auferstehung erquickt. Gwion selbst beschreibt dies in seiner Marwnady Milvelb (»Elegie auf die Tausend Kinder«).
Unvorstellbar war ihre Zahl,
Festgehalten in eisiger Hölle,
Bis zur fünften Epoche der Welt,
Bis Christus die Gefangenen erlöste.
Wo aber befand sich dieses Purgatorium? Wir müssen es vom keltischen Himmel unterscheiden, der die Sonne selbst war - ein Lichtglanz (wie wir aus der armorikanischen Überlieferung wissen), verursacht durch das gemeinsame Leuchten tausend reiner Seelen. Und wo dürfen wir erwarten, es zu finden? In einer Gegend, wo die Sonne niemals scheint. Und wo ist das? Im kalten Norden. Wie weit im Norden? Jenseits vom Ursprung Boreas', des Nordwindes; »hinter dem Nordwind« - eine Wendung, mit der schon Pindar das Land der Hyperboreer lokalisierte - ist immer noch ein geläufiges gälisches Synonym für das Totenreich. Aber wo genau, hinter dem Ursprung des Nordwindes? Nur ein Dichter mag so hartnäckig sein, diese letzte Frage zu stellen. Der Dichter ist wie ein unzufriedenes Kind, das es wagt, die schwierige Frage zu stellen, die sich aus der Antwort des Lehrers auf seine einfache Frage ergibt, und danach die noch kompliziertere Frage, die sich aus der Antwort auf diese ergibt. Überraschenderweise gibt es dieses Mal eine Antwort. Caer Arianrhod (nicht die versunkene Stadt vor der Küste von Caernarvon, sondern das wirkliche Caer Arianrhod) ist, so meint Owen im Welsh Dictionary, das Sternbild »Corona Borealis«. Nicht »Corona Septentrionalis«, »die Krone des Nordens«, sondern »Corona Borealis«, »die Krone des Nordwindes«. Vielleicht haben wir damit die Antwort auf die Frage, die Herodot beschäftigte: »Wer sind die Hyperboreer?« Waren die Hyperboreer die »Männer hinter dem Nordwind«, Angehörige eines Nordwind-Kultes, ähnlich wie die Thraker vom Marmarameer? Glaubten auch sie, daß ihre Seelen nach dem Tod von Hermes, dem Seelenführer, zu dem stillen, silberumwundenen Schloß hinter dem Nordwind geführt wurden, dessen Hüter der Heile Stern Alpheta war? Eine so phantastische Vermutung dürfte ich gar nicht aussprechen, wäre da nicht die Erwähnung von Oinopion und Tauropolos durch den Kommentator in Apollonius Rhodius' Argonautica. Diese Corona Borealis, auch »die kretische Krone« genannt, war in alter Zeit einer kretischen Göttin, der Gemahlin des Dionysos geweiht, und diesem Kommentator zufolge war sie die Mutter von - das heißt, sie wurde angebetet von - Staphylos, Thoas, Oinopion, Tauropolos und anderen. Diese Männer waren die eponymen Ahnen pelasgo-thrakischer Clans oder Stämme, die auf den ägäischen Inseln Chios und Lemnos, auf der thrakischen Chersonesos und in der Krim siedelten und kulturelle Verbindungen nach Nordwesteuropa hatten. Die Göttin war Ariadne (»die Heiligste«), alias Alpheta - da alpha und eta der erste und letzte Buchstabe ihres Namens waren. Sie war die Tochter oder eine jüngere Erscheinungsform der alten kretischen Mondgöttin Pasiphae (»die für alle scheint«), und die Griechen machten sie zur Schwester ihres alten Wein-Heros Deukalion, der die große Flut überlebte. Ariadne, von der Arianrhod abgeleitet scheint, war eine orgiastische Göttin, und Sagen aus Lemnos, Chios, Cheronesos und der Krim beweisen, daß männliche Menschenopfer wichtiger Bestandteil ihres Gottesdienstes waren, ähnlich wie bei den vorrömischen Anhängern der Weißen Göttin von Britannien. Orpheus selbst, der »unter den wilden Kaukoniern« nah bei Oinopions Heimat lebte, war ein geheiligtes Opfer ihrer Grausamkeit. Er wurde von einer Horde wahnsinniger Weiber zerfetzt, die durch Efeu, und, wie es scheint, auch durch den Dionysos geweihten Fliegenpilz, berauscht waren. Eratosthenes von Alexandrien zitiert die Bassarides des Aischylos und berichtet, daß Orpheus sich weigerte, die lokale Religion anzuerkennen und statt dessen »die Sonne, der er den Namen Apollon gab, für den größten der Götter hielt. Er erhob sich in der Nacht und stieg noch vor der Dämmerung zum Berg Panalon hinauf, um als erster die Sonne zu sehen. Darauf geriet Dionysos in Zorn und sandte die Bassariden nach ihm, die ihn in Stücke rissen...« Dies ist eine falsche Wiedergabe der Geschichte. Proklos hält sich in seinem Kommentar zu Platon mehr an die Wahrheit: »Weil Orpheus der Führer der dionysischen Riten war, erlitt er, wie man sagt, das gleiche Schicksal wie der Gott.« Doch das Haupt des Orpheus fuhr fort zu singen und zu weissagen, ähnlich wie das des Gottes Bran. Laut Pausanias wurde Orpheus bei den Pelasgern verehrt, und die Endung - eus ist bei griechischen Namen immer ein Beweis dafür, daß diese sehr alt sind. »Orpheus« wird von Grammatikern - ähnlich wie »Erebos«, der Name der Unterwelt, über welche die Weiße Göttin herrschte - aus der Wurzel ereph abgeleitet, die soviel bedeutet wie »verdecken« oder »verbergen«. Es war nicht der Sonnengott, sondern die Mondgöttin, die ursprünglich Orpheus inspirierte. Das deutlichste Zeichen dafür, daß wir in Arianrhod die alte matriarchalische Dreifältige Göttin oder Weiße Göttin vor uns haben, liegt darin, daß sie ihrem Sohn Llew Llaw einen Namen und Waffen gab. Denn in der patriarchalischen Gesellschaft ist es immer der Vater, der beides verleiht. Llew Llaw hat in der Romanze gar keinen Vater und muß anonym bleiben, bis seine Mutter durch einen Trick dazu gebracht wird, ihn zum Mann zu machen. Zuerst meinte ich, Gwions Rätsel um Caer Arianrhod müsse ergänzt werden um »das Herumwirbeln ohne Bewegung zwischen drei Elementen« . Die drei Elemente sind eindeutig Feuer, Luft und Wasser, und die Corona Borealis dreht sich, verglichen mit den südlichen Sternbildern, auf sehr enger Bahn. Aber anscheinend wurde Gwion belehrt, daß Arianrhods Schloß nicht innerhalb des »Polarkreises« liegt, wozu die zwei Bären und der Wagenlenker gehören, und daß die Sonne, wenn sie im Zeichen des Krebses steht, in die nördliche Hemisphäre überwechselt und sich erst wieder befreit, wenn der Sommer vorbei ist. Es wäre ungenau, wollte man dies als »Herumwirbeln ohne Bewegung« beschreiben; dies tut nur der kleine Bär, der sich um den Polarstern dreht.( Wie ich im 10.Kapitel zeigen werde, gehört das Herumwirbeln ohne Bewegung zu einem Rätsel, dessen Antwort Rhea ist; aber hier will ich diese Ausführungen nicht vorwegnehmen.)
Aber selbst, wenn ich wußte, was »eine Epoche im Kerker von Arianrhod« bedeutete konnte ich auch das Rätsel beantworten? Wer verbrachte dort drei Epochen?
Die aneinander gereihten »ich war« oder »ich bin«, die in so vielen Barden-Dichtungen aus Wales und Irland - die frühesten zweifellos in vorchristlicher Zeit - vorkommen, haben offenbar verschiedene, wenn auch verwandte Bedeutungen. Die Ureinwohner Europas glaubten ja nicht an eine individuelle Seelenwanderung auf die vulgäre indische Art - einmal eine Schmeißfliege, dann eine Blume, das nächstemal vielleicht ein Brahminirind oder eine Frau, je nach dem eignen Verdienst. Das »Ich« ist der Apollon ähnliche Gott, in dessen Namen der inspirierte Poet singt, nicht aber der Dichter selbst. Manchmal spielt der Gott mythisch auf seinen täglichen Kreislauf als Sonne - von Morgendämmerung zu Morgendämmerung - an; manchmal auf seinen Jahreszyklus von Wintersonnwende zu Wintersonnwende, wobei die Monate Stationen seines Weges sind; manchmal vielleicht sogar auf seinen großen Zyklus von 25 800 Jahren um den Tierkreis. All diese Zyklen sind gegeneinander austauschbare Typen; wie wir ja auch vom Abend oder Herbst unseres Lebens sprechen, wenn wir das Alter meinen. Am häufigsten bezieht sich das »ich war« auf den Jahreszyklus, und wenn wir diese Jahreszeitlichen >Ich-war<-Sätze untersuchen, so finden wir meist (obwohl die Reihenfolge aus Gründen der Geheimhaltung immer absichtlich verkehrt ist), daß sie eine komplette Reihe von Symbolen des Jahreskreises enthalten.
Ich bin Wasser, ich bin ein Zaunkönig,
Ich bin ein Arbeiter, ich bin ein Stern,
Ich bin eine Schlange;
Ich bin eine Kammer, ich bin ein Spalt,
Ich bin ein Gefäß des Gesangs,
Ich bin ein Gelehrter, usw.
Hinter der irischen Sage von Tuan MacCairill, einem der königlichen Einwanderer aus Spanien, der eine Reihe von Metamorphosen in Hirsch, Eber, Falke und Lachs durchmachte, bevor er als Mensch geboren wurde, hat man die pythagoräische Theorie der Seelenwanderung vermutet, wie sie aus den griechischen Kolonien in Südfrankreich importiert worden war; doch dies ist unwahrscheinlich, denn die vier Tiere sind, wie ich zeigen werde, allesamt Jahreszeit-Symbole. Die poetische Sprache der Mythen und Symbole, wie das alte Europa sie kannte, war im Prinzip nicht schwer zu verstehen, aber mit der Zeit wurde sie verwirrt, und zwar durch die häufigen religiös, gesellschaftlich und sprachlich bedingten Verschiebungen, sowie durch die Tendenz der Geschichte, die Reinheit des Mythos zu verwässern -das heißt, die zufälligen Ereignisse im Leben eines Königs, der einen göttlichen Namen trug, wurden in den Jahreszeiten-Mythos aufgenommen, der seinen Anspruch auf die Königswürde stützte. Eine weitere Komplikation war dadurch bedingt, daß die poetische Ausbildung in alter Zeit - wenn wir aufgrund des irischen Book of Ballymote urteilen, das einen kryptographischen Schlüssel enthält - darin bestand, die Sprache so schwierig wie möglich zu gestalten, um das Geheimnis zu wahren; so mußte der irische Ollave-Schüler in den ersten drei Jahren seiner Lehrzeit einhundertfünfzig Zahlenalphabete erlernen. [1]
In welcher Beziehung steht Caer Sidi zu Caer Arianrhod? War es ein und derselbe Ort? Ich glaube nicht, denn Caer Sidi wurde als Puffin Island vor der Küste von Anglesea und auch als Lundy Island im Severn identifiziert: beides Insel-Elysien der üblichen Art. Ein Schlüssel zu der Frage liegt vielleicht darin, daß - obwohl Caer Sidi oder Caer Sidin im walisischen »das kreisende Schloß« heißt und obwohl kreisende Inseln in der walisischen und irischen Sagenwelt geläufig sind - das Wort Sidi offenbar eine Übersetzung des gälischen Wortes Sidhe ist, eine runde Bergfeste, die den Aes Sidhe (kurz: Sidhe), den Hauptmagiern von Irland gehörte. Es gibt in Irland mehrere »Burgen der Sidhe«, die bedeutendsten sind Brugh-na-Boyne (heute >New Grange<), Knowth und Dowth am nördlichen Ufer des River Boyne. Auf ihre Datierung und ihre religiöse Bestimmung müssen wir ausführlicher eingehen. New Grange ist die größte dieser Burgen, und angeblich residierte dort ursprünglich der Dagda selbst, der Vatergott der Tuatha d√© Danaan, der dem römischen Saturn entspricht; später aber sein Apollon ähnlicher Sohn Angus, der ihm die Feste durch einen legalistischen Trick abnahm. Als der Dagda nach Irland kam, war er offenbar ein Sohn der Dreifältigen Göttin Brigit (»der Hohen«); doch der Mythos wurde durch spätere Bearbeitungen entstellt. Erst hieß es, er habe die Dreifältige Göttin zur Frau genommen. Dann hieß es, er habe nur eine Frau mit drei Namen - Breg, Meng und Meabel (»Lüge, Tücke und Undankbarkeit«) gehabt, die ihm drei Töchter gebar, alle Brigit geheißen. Dann hieß es, nicht er, sondern drei seiner Nachfahren - Brian, Iuchar und Iuchurba - hätten drei Prinzessinnen - Eire, Fodhla und Banbha - geheiratet, die gemeinsam über Irland herrschten. Er war der Sohn von »Eladu«, was die irischen Sprachforscher als »Wissenschaft von der Weisheit« erklären, was aber auch eine Form des griechischen elate (»Tannenbaum«) sein kann; Elatos (»Tannen-Mann«) war ein früher achäischer König von Kyllene, einem Berg in Arkadien, der der Demeter geweiht und später für seine Akademie weiser und sakrosankter Herolde berühmt war. Der Dagda und Elatos wurden also vielleicht beide mit Osiris oder Adonis oder Dionysos gleichgesetzt, der von einer Tanne geboren und von der gehörnten Mondgöttin Isis oder lo oder Hathor aufgezogen wurde.
New Grange ist ein flacher runder Hügel von etwa einer Viertelmeile Umfang und 55 Fuß Höhe. Doch er besteht nicht aus Erde, sondern ist aus auf geschichteten Steinen erbaut, manche 5000 Tonnen schwer, und war ursprünglich mit weißen Quarzkieseln bedeckt; dies war ein bronzezeitlicher Bestattungsbrauch zu Ehren der Weißen Göttin, der zum Teil jene Sagen über Könige erklären mag, die nach dem Tode in gläsernen Schlössern weilten. Zehn gewaltige Steinsäulen, jede 8 bis 10 Tonnen schwer, stehen im Halbkreis um die südliche Basis des Hügels, und früher stand auch eine auf dem Gipfel. Wir wissen nicht, wie viele Säulen im Lauf der Zeit aus dem Halbkreis entfernt wurden, aber die Lücken weisen auf eine ursprüngliche Zahl von zwölf hin. Ein Wall aus etwa hundert langen flachen Steinplatten, Kante an Kante gesetzt, läuft im Kreis um die Basis. Tief im Innern des Hügels befindet sich eine Korridor-Grabkammer, erbaut aus großen Steinplatten, von denen einige bis zu 7 X 4 Fuß messen.
Der Grundriß zeigt die Form eines keltischen Kreuzes; man betritt das Gewölbe durch eine Dolmenpforte am Fuß des Kreuzschaftes. Dieser besteht aus einem schmalen Korridor, etwa 60 Fuß lang, durch den man auf Händen und Knien kriechen muß. Er führt zu einer kleinen Rundkammer Mit 20 Fuß hohem bienenkorbförmig gemauertem Gewölbe; dort finden sich drei Nischen, die die Kreuzbalken bilden. Als diese Höhle 1699 wiederentdeckt wurde, enthielt sie drei große leere, bootförmige Steinbecken, die an der Innenseite eine Streifengravierung trugen. Zwei unbeschädigte Skelette lagen neben einem Altar in der Mitte, als Beigaben Hirschgeweihe, Knochen, und sonst nichts. Römische Goldmünzen aus dem vierten Jahrhundert nach Christus, Goldbarren und Reste von Eisenwaffen wurden später auf dem Gelände der Burg, nicht in der Höhle gefunden. Die Burg wurde von den Dänen geplündert, aber nichts deutet darauf hin, daß diese oder frühere Invasoren die Grabkammer oder deren Ausstattung beraubt hätten.
Die Steinplatten des Eingangs und des Innenraumes sind mit Spiralmustern ausgeschmückt, und in den Türsturz sind verästelte Blitze eingraviert. Nachdem die alten Dichter berichten, daß jede Hügelfestung unter der Oberhoheit einer Zauberin stand, und nachdem die Sidhe, wie wir sehen werden, so begabte Dichter waren, daß sogar die Druiden sie um Zauberformeln baten, die sie benötigten, scheint es doch wahrscheinlich, daß das ursprüngliche Caer Sidi, wo der Kessel der Inspiration stand, ein Hügel in der Art von New Grange war. Denn diese Hügel waren oben Burgen und unten Grabstätten. Die irische Banshee-Fee ist eine Bean-Sidhe (»Frau vom Hügel«); als Priesterin der großen Toten klagte sie in warnender Prophetie, wann immer ein Mensch von königlichem Geblüt sterben mußte. Eine Begebenheit aus der irischen Romance Fionn's Boyhood läßt darauf schließen, daß der Eingang zu Samhan, also am Allerseelentag - der auch zu diesen Begräbnishöhlen im alten Griechenland als Fest des Todes gefeiert wurde, offen gelassen wurde, um den Seelen der Helden freien Ausgang zu ermöglichen; und daß das Innere die Nacht über, bis zum ersten Hahnenschrei, beleuchtet wurde. An der Ostflanke des Hügels, dem Eingang diametral entgegengesetzt, wurde 1901 ein Stein entdeckt, auf dem drei Sonnen eingraviert sind; zwei davon sind samt ihren Strahlen in einen Kreis eingeschlossen, wie in ein Gefängnis; die dritte ist frei. Darüber findet sich eine viel gröber ausgeführte, nicht eingekreiste Sonne, und über dieser, auf einer geraden Linie eingraviert, die Buchstaben B und I des Ogham-Alphabets - die, wie ich gleich erläutern werde, der Anfangs- und Schlußbuchstabe des alten irischen Alphabets und der Empfängnis, bzw. dem Tod gewidmet sind.
Die Sache verhält sich ganz einfach: die heiligen Könige im Irland der Bronzezeit, die nach den für sie geltenden Tabus und nach den vermeintlichen Folgen ihres Handelns für Ernte und Jagd zu urteilen - Sonnenkönige ganz ursprünglicher Art waren, wurden unter diesen Hügeln beerdigt; doch ihre Seelen zogen nach Caer Sidi, dem Schloß der Ariane, nämlich nach Corona Borealis. So konnten die heidnischen Iren New Grange als Spiralsschloß bezeichnen und, zur Erklärung den Zeigefinger kreisen lassend, behaupten: »Unser König ist nach Spiral Castle gegangen; mit anderen Worte, er ist tot.« Ein kreisendes Rad vor dem Tor einer Burg ist in den gälischen Sagen ein geläufiges Bild. Laut Keating wurde die magische Burg der Zauberin Blanaid, auf der Isle of Man, von einem solchen Rad beschützt - niemand konnte eintreten, bevor es still stand. Vor dem Eingang zu New Grange befindet sich eine große, mit Spiralen gravierte Steinplatte, die Bestandteil des Steinwalles ist. Es sind doppelte Spiralen: folgt man mit dem Finger ihren Linien von außen nach innen, so findet man im Mittelpunkt den Anfang einer weiteren Spirale, die sich in umgekehrter Richtung windet und einen wieder aus dem Labyrinth herausführt.
Dieses Muster versinnbildlicht Tod und Wiedergeburt; wiewohl, nach Gwions Gedicht Preiddeu Annwm, »nur sieben jemals von Caer Sidi zurückkehrten«. Es könnte sein, daß in diesen Begräbnishöhlen einst Orakelschlangen gehalten wurden und daß dies die Schlangen waren, die St. Patrick - vielleicht auch nur metaphorisch - vertrieb. Delphi, die Heimat Apollons, war einst ein solches Orakelgrab mit einer spiralförmig geringelten Python und einer prophetischen Priesterin der Erdgöttin, und der »Omphalos« oder »Nabelschrein«, wo die Python ursprünglich hauste, war unterirdisch im selben Bienenkorb-Stil gemauert, der sich ursprünglich vom afrikanischen masabo, dem Geisterhaus, herleitet. Die in New Grange gefundenen Geweihe gehörten wahrscheinlich zum Kopfputz des heiligen Königs, ähnlich wie das Geweih, das der gallische Gott Cernunnos trug, wie die Hörner Moses', wie die des Dionysos und die auf den Münzen abgebildeten Hörner Alexander des Großen. Die Herkunft der Bienenkorb-Grabkammer mit Korridor-Eingang und seitlichen Nischen ist kein Geheimnis. Sie kam aus dem östlichen Mittelmeerraum, über Spanien und Portugal, nach Irland, und zwar gegen Ende des dritten Jahrtausends vor Christus.
Die aus versetzten Steinen gemauerte Gewölbedecke von New Grange findet sich auch in Tirbradden, Dowth und Seef in. Aber zu den acht Doppelspiralen am Eingang, die nur nebeneinander gestellt, nicht aber im kretischen Stil geschickt verflochten sind, gibt es Parallelen im mykenischen Griechenland; dies legt den Schluß nahe, daß die Gravuren von den Danaern angebracht wurden, die die Kultstätte von den früheren Besitzern übernahmen, nämlich den in der irischen Geschichte als Partholan und Nemed bekannten Stämmen, die, über Spanien aus Griechenland kommend, in den Jahren 2048 und 1718 v. Chr. in das Land eindrangen. Verhielt es sich so, dann wäre dies eine Erklärung für die Sage, die berichtet, wie der Gott Angus den Tempel durch Arglist von seinem Vater, dem Dagda, gewann. Die Ankunft der Danaan in Irland wird, wie in Kapitel 3 gesagt, im Book of Invasions auf die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts v. Chr. datiert. Dies ist plausibel: somit wären sie Nachzügler der Rundhügel-Stämme, die, aus Britannien kommend, um 1700 v. Chr. in Irland eintrafen. Daß sie Helden der früheren Kulte zu versöhnen suchten, ist eine erwiesene Tatsache. Ihre Nahrungsgefäße finden sich in den Korridorgräbern. - Eine originelle Ansicht über New Grange vertritt R. S. Macalister in seinem Ancient Ireland (1935).
Er meint, es sei von den Milesiern erbaut worden, die, wie er annimmt, um 1000 v. Chr. aus Britannien, nicht aus Spanien kamen. Diese Annahme geht von der Tatsache aus, daß der Korridor und die Grabkammer eine Reihe von Ornamentalsteinen enthalten, einer davon mit beschädigtem Muster, das willkürlich wieder zusammengesetzt wurde, und daß auf einem dieser Steine die Gravuren durch Abspitzen beschädigt wurden, wie es auch an den Trilithen von Stonehenge geschah. Dies könnte beweisen, daß es sich um eine Antikisierung in einem mehrere Jahrhunderte älteren Stil handelt: eine Theorie, der sich bislang kein anderer Archäologe von Rang angeschlossen hat. Allerdings meint auch Macalister, daß die Milesier den Orakeltempel von den Danaern übernahmen Und ihn, wo er Anzeichen von Verfall zeigte, mit Ornamentalsteinen ausbesserten, die sie anderen Grabstätten entnahmen. Eine andere Vermutung desselben Autors ist überzeugender: daß nämlich Angus' Brugh (»Palast«) nicht New Grange war, sondern ein riesiger kreisförmiger Wall, nicht weit entfernt an einer Biegung des Boyne-Flusses gelegen, der möglicherweise als Amphitheater für Obsequienspiele im Zusammenhang mit den vielen Grabstätten der Umgebung diente.
Die meisten Irland-Archäologen sind sich heute einig, daß New Grange von einem matriarchalischen, Korridorgräber anlegenden Volk erbaut wurde, das erstmals um 2100 V. Chr. in Irland eintraf, allerdings erst, nachdem sie etwa 500 Jahre später festen Fuß gefaßt hatten und in der Lage waren, diese riesigen Arbeiten zu bewältigen. Die Spiralen haben zwar ihre Parallelen in mykenischen Schachtgräbern um 1600 v. Chr., doch sie könnten weit älter sein, denn es finden sich auch auf Malta Exemplare dieser Art, deren Alter unbestimmt ist. Auf einem der äußeren Steine ist ein Symbol eingraviert, das an ein kretisches Ideogramm erinnert und offenbar ein Schiff mit hohem Bug und Heck und einem einzigen großen Segel darstellt. Daneben finden sich vertikale Linien und ein kleiner Kreis. Christopher Hawkes, mein wichtigster Informant zu diesem Thema, schrieb mir, daß nicht nur die Skelette und Geweihe nicht gleichen Alters sind wie die Gebäude, sondern daß möglicherweise eine ganze Reihe von Plünderungen stattgefunden hat, bevor diese dort untergebracht wurden. Die ursprüngliche Grabausstattung läßt sich nicht vermuten, denn es ist in neuerer Zeit kein unberührtes Tunnelgrab dieser Art geöffnet worden; wir müssen also warten, bis das Cairn der Königin Maeve geöffnet ist. Dieses überragt die Sligo Bay.
Es besteht aus etwa 40000 Tonnen Gestein, und der Eingang ist zerstört. Vielleicht müssen wir noch lange warten, denn die Leute von Sligo sind abergläubisch und würden eine Entweihung der Grabstätte für ein großes Unglück halten: Maeve ist Mab, die Königin des Feenlandes. Was die Becken einst enthielten, können wir aus Exodus 24 schließen. Nachdem Moses am Fuße des Heiligen Berges zwölf steinerne Hermen oder Säulen errichtet hatte, brachte er Stieropfer dar und verspritzte die Hälfte des Blutes gegen eine dreizehnte Herme in der Mitte des Kreises oder Halbkreises. Das übrige Blut tat er in Becken, die von beträchtlicher Größe gewesen sein müssen. Dann machten sich sein Gefährte Aaron und zweiundsiebzig Männer daran, das geröstete Opferfleisch zu verzehren. Bei dieser Gelegenheit wurde das Blut in den Becken als Heiligungszauber auf das Volk verspritzt; im Orakelschrein aber diente das Blut stets als Nahrung für den Geist des toten Helden. Es sollte ihn verlocken, aus Caer Sidi oder Caer Arianrhod zurückzukehren und wichtige Fragen, die man ihm vorlegte, zu beantworten. In diesem Sinn müssen wir auch den Besuch des Äneas - einen Mistelzweig in der Hand - in der Unterwelt verstehen, wo er seinen Vater Anchises befragte. Äneas opferte einen Stier und fing den Blutstrahl in einem Trog auf, worauf der Geist des Anchises (der die Liebesgöttin Venus Erycina geheiratet hatte und durch einen Blitz getötet worden war - und der eigentlich ein Gottkönig vom üblichen Herakles-Typ war) das Blut trank und bereitwillig die künftige Größe Roms prophezeite. Natürlich schlürfte der Geist nicht wirklich das Blut, sondern in der Dunkelheit war ein schlürfendes Geräusch zu hören; tatsächlich trank die Sibylle, die Äneas in die Tiefe geleitet hatte, das Blut, und es rief bei ihr die gewünschte prophetische Ekstase hervor. Daß die Sibyllen dergleichen taten, wissen wir aus dem Beispiel der Mutter-Erde-Priesterinnen in Aigira (»Schwarzpappel«, ein den Heroen heiliger Baum) in Achäa.
Das Piepsen und Murmeln der Geister bei solchen Gelegenheiten ist verständlich: zwei oder drei Bibelstellen sprechen von den seltsamen fledermausähnlichen Stimmen, mit denen Dämonen oder ähnliche Wesen durch den Mund von Propheten und Prophetinnen sprechen. Stierblut war das stärkste magische Zaubermittel und wurde in Kreta und Griechenland benutzt, um - verdünnt mit großen Mengen Wasser Obstbäume zu düngen. Rein genossen galt es als Gift, das jeden außer einer Sibylle oder einer Priesterin der Mutter Erde tötete. Jasons Vater und Mutter starben an einem Stierblut-Trank. So auch der eselsohrige König Midas von Gordium. Daß Stierblut auch in Irland für die Wahrsagerei benutzt wurde, ist kein bloßer Aberglaube. Das »Stierfest« ist ein Ritus, der im Book of the Dun Cow erwähnt wird: »Ein weißer Stier wurde geschlachtet, und ein Mann aß reichlich von dem Fleisch und trank von der Brühe; während er nach dem Mahl schlief, wurde ein Wahrheitszauber über ihm gesprochen. Im Traum sah er die Gestalt und Erscheinung des Mannes, der zum König gemacht werden sollte, sowie die Art der Arbeit, mit der er gerade beschäftigt war.«
Der weiße Stier erinnert an die heiligen weißen Stiere des gallischen Mistel-Ritus; an den weißen Stier, auf dem der Thraker Dionysos ritt; an die weißen Stiere, die auf dem Berg Alban und auf dem römischen Kapitol geopfert wurden; und an den weißen Stier, der im apokalyptischen Buch Henoch den wahren Samen Israels repräsentiert. Jetzt begreifen wir das geheimnisvolle Preiddeu Annwm (»die Reste von Annwm«), in welchem - zwischen Gwions eingeschobenen Spötteleien über die Dummheit des Heinin und der anderen Hofbarden - ein gewisser Gwair ap Geirion darüber klagt, daß er nicht aus Caer Sidi entweichen kann. Der Refrain lautet: »Außer sieben Seelen kehrte niemand aus Caer Sidi zurück.« Wir kennen wenigstens zwei, die zurückkehrten: Theseus und Daidalos, beide attische Sonnen-Helden. Die Geschichten von Theseus' Fahrt in die Unterwelt und von seinen Abenteuern im kretischen Labyrinth von Knossos sind eigentlich zwei Seiten eines einzigen entstellten Mythos. Theseus (»der, der bestimmt«) geht, bis auf seine Löwenhaut unbekleidet, zum Mittelpunkt des Labyrinths, tötet dort das stierköpfige Ungeheuer der Doppelaxt - der labris, von der das Wort Labyrinth abgeleitet ist - und kehrt unbeschadet zurück: die Göttin, die ihn zu dieser Tat befähigt, ist die Göttin Ariadne, die bei den Walisern Arianrhod hieß.
Im zweiten Teil des Mythos scheitert seine Fahrt in die Unterwelt: er muß sich von Herakles retten lassen, und sein Gefährte Peirithous bleibt zurück - wie Gweir - ewig nach Erlösung schmachtend. Der Mythos des Heros, der den Tod besiegt, wurde von den griechischen Mythographen mit einem historischen Ereignis verwoben: mit der Plünderung des labyrinthischen Palasts von Knossos durch die aus Griechenland um 1400 v. Chr. einfallenden Danaer und der Niederlage des Königs Minos, des Stier-Königs. Daidalos (»der Strahlende«) konnte ebenfalls - geführt von der Mondgöttin Pasiphae- aus dem kretischen Labyrinth fliehen, ohne aber Gewalt anzuwenden; er war ein Sonnen-Heros der ägäischen Kolonisten von Cumae, wie auch der Sardinier und der Athener. Caer Sidi wird im Preiddeu Annwm in jeder der sieben Strophen mit einem anderen Synonym bezeichnet. Einmal heißt es Caer Rigor (»das königliche Schloß«), möglicherweise mit einer Anspielung auf das lateinische rigor mortis; dann heißt es Caer Colur (»das düstere Schloß«); Caer Pedryvan (»das viereckige Schloß«, »das vier mal kreisende«); Caer Vediwid (»das Schloß der Vollkommenen«); Caer Ochren (»das Schloß an der abfallenden Seite«); Caer Vandwy (»das Schloß auf der Höhe«). Ich weiß nicht, wer jene kanonischen Sieben waren, doch Anspruch auf die Ehre könnten Theseus, Herakles, Amathaon, Arthur, Gwydion, Harpokrates, Kay, Owain, Daidalos, Orpheus und Cuchulain erheben. (Als Cuchulain, den Gwion in einem Gedicht erwähnt, die Hölle heimsuchte, brachte er drei Kühe und einen magischen Kessel mit.) Äneas ist wahrscheinlich keiner der Sieben; er starb nicht wie die anderen.
Er besuchte lediglich eine Orakelhöhle, ähnlich wie König Saul zu Endor, oder Kaleb zu Machpelah. Die Burg, die sie betraten - kreisend, fern, königlich, düster, erhaben, kalt, der Sitz der Vollkommenen, mit vier Ecken, betreten durch eine dunkle Pforte an der abfallenden Seite eines Hügels - war die Burg des Todes, der Dunkle Turm, den Childe Roland in der Ballade betrat. Diese Beschreibung trifft auf die Begräbnishöhle von New Grange zu, aber viereckig bezieht sich, wie ich glaube, auf die Methode der Kasten-Bestattung, die von den vorgriechischen Einwohnern Nordgriechenlands und der Inseln um Delos erfunden worden war und sich dann durch bronzezeitliche Einwanderer, die Rundhügel-Menschen, in Westeuropa verbreitete: der Kasten war ein kleiner, rechteckiger Steinsarg, in dem der Leichnam in hokkender Stellung bestattet wurde. Von Odysseus könnte man sagen, er sei drei Epochen im Schloß von Arianrhod gewesen, denn er betrat mit zwölf Gefährten die Höhle des Kyklops und entkam; er wurde von Kalypso gefangengenommen und entkam; und von der Zauberin Kirke auf Anea - einer weiteren Begräbnisinsel -, und er entkam wieder. Doch es ist unwahrscheinlich, daß hier Odysseus gemeint ist.
Ich glaube vielmehr, daß Gwion sich auf Christus bezieht, den Dafydd Benfras, der Dichter des zwölften Jahrhunderts, ein keltisches Annwm besuchen läßt und der aus der düsteren Höhle im Hügel entfloh, in die Joseph von Arimathia ihn gelegt hatte. Aber wieso war Jesus drei Epochen im Schloß von Arianrhod? Diese Aussage halte ich für eine Häresie, die Jesus - als zweiten Adam - zur Inkarnation Adams und zum davidischen Messias, also auch zur Inkarnation Davids macht. Die Epoche Adams und die Epoche Davids werden in Gwions Divregwawd Taliesin ausführlich geschildert. Jesus erscheint dort, noch immer auf den Anbruch des Siebten Zeitalters wartend: »Fuhr er nicht auf in den Himmel, als er von hinnen schied? Und am Tag des Gerichts wird er bei uns sein. Denn das fünfte Zeitalter war das von David dem Propheten gesegnete. Das sechste Zeitalter ist das Zeitalter Jesu, und es wird dauern bis zum Tag des Gerichts.« Im siebten Zeitalter aber würde er Taliesin heißen.
PREIDDEU ANNWM
(Die Reste von Annwm)
Gelobt sei der Herr, der Oberste Herrscher der Himmel,
Der sein Reich an die Küsten der Welt ausgedehnt.
Vollkommen war Gwairs Gefangenschaft in Caer Sidi
Durch den Haß von Pwyll und Pryderi.
Niemand vor ihm ging dorthin;
Fest hielt eine schwere blaue Kette den Jüngling,
Und düster singt er für die Reste von Annwm,
Und bis zum jüngsten Tag wird er singen sein Lied.
Dreimal die Fülle von Prydwen, so gingen wir hinein;
Und außer Sieben kehrte keiner von Caer Sidi zurück.
Bin ich nicht Anwärter auf den Ruhm, wie in dem Lied zu vernehmen?
In Caer Pedryvan, dem viermal kreisenden,
Das erste Wort aus dem Kessel, wann ward es gesprochen?
Durch den Odem von neun Maiden wird er sanft erwärmt.
Ist es nicht der Kessel des Häuptlings von Annwm, in seiner Art
Mit einem Perlenkranz am Rande eingefaßt?
Darin keine Speise kocht für den Feigling, den Meineidigen,
Ein Heil funkelnd Schwert wird ihm gebracht
und gelegt in die Hand von Lleminawg,
Und vor den Pforten des Kalten Palastes werden die Hörner des
Lichts brennen.
Und als wir mit Arthur zogen, bei seinen herrlichen Taten,
Kehrte, außer Sieben, keiner von Caer Vediwid zurück.
Bin ich nicht Anwärter auf den Ruhm, wie in dem Lied zu vernehmen?
In dem viereckigen Gemäuer, auf der Insel der starken Pforte,
Wo das Zwielicht und die Schwärze der Nacht sich vereinigen,
Funkelnder Wein war der Trank der Schar.
Dreimal die Fülle von Prydwen, so fuhren wir auf das Meer,
Kehrte, außer Sieben, keiner von Caer Rigor zurück.
Ich singe kein Lob den Fürsten der Literatur.
Jenseits Caer Wydr erblicken sie nicht Arthurs Kühnheit.
Dreimal zwanzig-hundert Männer standen auf der Mauer.
Schwer war es, mit ihrem Wächter zu sprechen.
Dreimal die Fülle von Prydwen, so zogen wir mit Arthur.
Kehrte, außer Sieben, keiner von Caer Colur zurück.
Ich singe kein Lob den Männern mit schleifenden Schilden.
Sie wissen nicht, an welchem Tag, oder wer es versah,
Oder in welcher Stunde des herrlichen Tages Gwy geboren war,
Oder wer ihn hinderte, in die Täler von Devwy zu gehn.
Sie kennen nicht den gescheckten Ochsen, mit seinem festen
Stirnband
Und siebenmal zwanzig Knoten in seinem Halsband.
Und als wir mit Arthur zogen, voll trauerndem Erinnern,
Kehrte, außer Sieben, keiner von Caer Vandwy zurück.
Ich singe kein Lob den Männern mit sinkendem Mut,
Sie wissen nicht, an welchem Tag der Häuptling erstand
Oder zu welcher Stunde des herrlichen Tages der Eigentümer geboren
war;
Oder welches das Tier mit dem silbernen Kopf, das sie halten.
Als wir mit Arthur zogen, von düsterem Streit,
Kehrte, außer Sieben, keiner von Caer Ochren zurück.
Pwyll und Pryderi waren nacheinander Herrscher der »Afrikaner« von Annwm in Pembroke, der frühesten Invasoren in Wales; als sie starben, wurden sie - wie Minos und Rhadamanthys von Kreta - Herrscher der Toten. Es war Pryderi, Sohn des Rhiannon, dem Gwydion das heilige Schwein stahl, und Gwair ging wahrscheinlich, begleitet von Arthur, auf einen ähnlichen Raubzug; denn sein Gefängnis, das in Triad 61 als Burg von Oeth und Anoeth bezeichnet wird, ist das gleiche Gefängnis, aus dem, laut Triad 50, Arthur von seinem Knappen Goreu, Sohn des Custennin, befreit wird. Gwair steht also zu Arthur im selben Verhältnis wie Peirithous zu Theseus, und Goreu ist für Arthur derselbe wie Herakles für Theseus. Möglicherweise legt Gwion es in der Romance darauf an, daß die Hofbarden als Antwort auf »Ich war drei Epochen im Schloß von Arianrhod« nicht »Jesus«, sondern »Arthur« rieten, denn in Triad 5o heißt es, Arthur sei von diesem Goreu aus drei Gefängnissen befreit worden; aus der Burg von Oeth und Anoeth; aus der Burg von Pendragon (»Herr der Schlangen«); aus dem Dunklen Kerker unter dem Stein - allesamt Todes-Gefängnisse. Oder will er insgeheim Jesus als Inkarnation Arthurs ausgeben? Prydwen war König Arthurs Zauberschiff; Llaminawg, in dessen Händen Arthur das funkelnde Schwert zurückließ, kommt in Morte d'Arthur als »Bedivere« vor. Caer Wydr ist Glastonbury oder Inis Gutrin, vorgestellt als das gläserne Schloß [2] in dem Arthurs Seele nach dem Tod wohnte; Glastonbury ist auch die Isle of Avalon (Insel der Apfelbäume), wohin sein Leichnam durch Morgan la Faye überführt wurde. Die schwere blaue Kette ist das Wasser rund um die Insel des Todes. Wie der Mythos von Gwair und Arthur ist auch jener von Cwy nicht mehr erhalten, aber »das Tier mit dem silbernen Kopf« ist vielleicht der weiße Rehbock, nach dem wir suchen, und der Name für das Stirnband des Ochsen ist eines der zentralen bardischen Geheimnisse, das nicht zu besitzen Gwion in seinem Cyst Wy'r Beirdd (»Tadel der Barden«) dem Heinin höhnisch vorwirft:
Der Name des Firmaments,
Der Name der Elemente,
Und der Name der Sprache,
Und der Name des Stirnbandes.
Hinweg, ihr Barden -
Etwa hundert Jahre bevor Gwion dies schrieb, hatten die Mönche von Glastonbury sechzehn Fuß tief aus der Erde einen Eichensarg geborgen, den sie als Arthurs Sarg ausgaben; und sie fälschten eine gotische Inschrift auf einem einen Fuß langen bleiernen Kreuz, das sich angeblich in dem Sarg befunden hatte und das Giraldus Cambrensis sah und für echt hielt. Wahrscheinlich wollte Gwion hier sagen: »Ihr Barden glaubt, daß Arthur in diesem Sarg in Glastonbury endete. Ich aber weiß es besser.« Die Inschrift lautete: »Hier ruht begraben der berühmte König Arthur, mit Guenevere, seiner zweiten Frau, auf der Insel Avalon.« Man wird einwenden, daß der Mann einen ebenso gültigen Anspruch auf göttliche Verklärung habe wie die Frau. Dies trifft nur in beschränktem Sinn zu; göttlich ist er nicht als Einzelperson, sondern in seiner Zwillingschaft.
Als Osiris ist der Geist des zunehmenden Jahres stets eifersüchtig auf seinen Gegenspieler Set, den Geist des abnehmenden Jahres, und vice versa; er kann nicht beide zugleich sein, es sei denn in einer intellektuellen Anstrengung, die seine Menschlichkeit zerstört, und dies ist der elementare Mangel des Apollon- oder Jahwe-Kultes. Der Mann ist ein Halbgott: immer steht er mit dem einen oder mit dem anderen Bein im Grab. Die Frau ist göttlich, weil sie mit beiden Beinen am gleichen Ort sein kann - ob im Himmel, in der Unterwelt oder auf dieser Erde. Der Mann beneidet sie und erzählt ihr Lügen über seine eigne Vollkommenheit, und dabei macht er sich selbst elend; denn wenn er göttlich ist, dann ist sie nicht mal eine Halbgöttin - sie ist nur noch Nymphe, und seine Liebe zu ihr verwandelt sich in Haß und Hohn. Die Frau betet das männliche Kind, nicht den erwachsenen Mann an: ihre Leidenschaft gilt aber erwachsenen Männern, denn die Haßliebe, die Osiris und Set ihretwegen füreinander empfinden, ist ein Tribut ihrer Göttlichkeit. Sie versucht beide zu befriedigen, aber dies kann sie nur, indem sie den einen oder den anderen mordet, und der Mann will darin den Beweis ihrer fundamentalen Schlechtigkeit sehen, nicht aber seiner eigenen unvereinbaren Ansprüche an sie. Der Witz ist nun, daß die Mönche anscheinend wirklich den Leichnam Arthurs oder Gwions gefunden hatten - oder wie auch immer der ursprüngliche Name des Helden von Avalon war. Christopher Hawkes beschreibt in seinen Prehistoric Foundations of Europe diese Form des Begräbnisses:
»Die Erdbestattung (und seltener die Beisetzung - nach der Verbrennung - in Baumstammsärgen unter einem Hügel) wurde schon seit Beginn der Bronzezeit in Schleswig-Holstein praktiziert... Wahrscheinlich stellte der Sarg ursprünglich einen Einbaum vor, und hier sehen wir die ersten Anfänge der Vorstellung von einer Reise übers Meer in die andere Welt, möglicherweise letztlich durch Ägypten beeinflußt, und zwar durch die über die Bernsteinroute laufenden Verbindungen des Ostseeraumes mit dem Süden. Dieser Ritus der Boot-oder Sargbestattung tritt gleichzeitig in Britannien auf, um die Mitte des zweiten Jahrtausends, als der Handel über die Nordsee blühte, und drang, der Südküste folgend, in die Wessex-Kultur ein, wo die Gräberstätte Hove, bekannt für ihre skandinavischen Einflüsse (dort fand sich ein Henkelkrug aus Ostsee-Bernstein), diesem Typ angehörte - ausgeprägter aber an der Ostküste, besonders in Yorkshire, wo die irische Route über die Pennines (Tauschhandel von irischem Gold gegen Ostsee-Bernstein) das Meer erreichte. Das klassische Beispiel ist das Sarg-Grab von Gristhorpe bei Scarborough (ein Eichensarg, der das Skelett eines alten Mannes enthält, darüber Eichenäste und anscheinend Mistelzweige), aber das jüngst entdeckte unberührte Grab in dem großen Hügel von Loose Howe, in den Cleveland Moors, das nicht weniger als drei Einbäume enthielt, führt nunmehr die Reihe dieser Grabstätten an und zeigt uns, wie der gleiche Ritus sich zwischen 1600 und 1400 v. Chr. bei den Seefahrern an beiden Gestaden der Nordsee einbürgerte.«
Die neun Maiden des Kessels erinnern an die neun, von Pomponius Mela beschriebenen Jungfrauen, die im frühen fünften Jahrhundert die Insel Sein in der westlichen Bretagne bewohnten. Sie besaßen magische Kräfte und konnten von denjenigen aufgesucht werden, die hinausfuhren, um sie zu befragen. [3] Der Sakralkönig ist also ein Sonnenkönig und kehrt nach dem Tode zur universellen Mutter, der Weißen Mondgöttin zurück, die ihn im äußersten Norden gefangen hält. Warum im Norden? Weil dies die Gegend ist, aus der die Sonne niemals scheint, aus der der Wind den Schnee heranführt. Nur tote Sonnen gibt es im kalten Polarnorden. Der Sonnengott wird an Mittwinter geboren, wenn die Sonne am schwächsten ist und ihre südlichste Position erreicht hat; darum wird sein Stellvertreter, der Sonnenkönig, zur Sommersonnwende getötet, wenn die Sonne ihre nördlichste Position erreicht.
Die Beziehung zwischen Caer Sidi und Caer Arianrhod ist anscheinend die, daß die Begräbnisstätte des toten Königs auf einer Insel im Fluß oder im Meer lag, wo sein Geist unter der Obhut orgiastischer Orakelpriesterinnen weilte; aber seine Seele wanderte zu den Sternen und hoffte dort auf ihre Wiedergeburt in einem anderen König. Und der Fund des Eichensarges auf der Isle of Avalon weist klar auf den Ursprung des Arthur-Kults im östlichen Mittelmeerraum hin, von wo er zwischen 1600 und 1400 v. Chr. über die Bernsteinroute, die Ostsee und Dänemark eingeführt wurde; obgleich der Kult anderer Orakelhelden in Britannien und Irland wahrscheinlich noch sieben bis acht Jahrhunderte älter ist. In Britannien hat sich die Überlieferung des Spiralschlosses im österlichen Labyrinth-Tanz der ländlichen Dörfer erhalten; die Labyrinthe heißen in England »Troy Town«, in Wales »Caer-droia«. Die Römer benannten sie wahrscheinlich nach dem Troja-Spiel, einem labyrinthischen Tanz aus Kleinasien, der in Rom zur frühen Kaiserzeit von jungen Adligen zum Gedenken ihrer trojanischen Herkunft aufgeführt wurde; aber Plinius berichtet, daß auch latinische Kinder ihn tanzten.
In Delos hieß er der Kranichtanz und erzählte angeblich von Theseus' Flucht aus dem Labyrinth. Nach Britannien kam der Labyrinth-Tanz mit den neusteinzeitlichen Einwanderern des dritten Jahrtausends vor Christus aus dem östlichen Mittelmeerraum, denn rohe Steinlabyrinthe der gleichen Art wie die englischen finden sich in Skandinavien und im Nordosten Rußlands. Auf einer Steinplatte nahe Bosinney in Cornwall sind zwei Labyrinthe eingemeißelt; ein weiteres ist in einen massiven Granitblock aus den Wicklow Hills eingehauen, der sich heute im Dubliner Nationalmuseum befindet. Auch diese Labyrinthe haben die gleiche Form: das Labyrinth des Daidalos, wie kretische Münzen es zeigen.