Die konzentrierte Essenz der druidischen wie der orphischen Philosophie der Griechen war Rheo, »ich fließe hinweg«, Gwions Buchstaben-Name für R - Panta Rhei, »alle Dinge sind im Fluß«. Das Hauptproblem des Paganismus ist in Riuben enthalten, dem anderen Namen für R, falls dieses für Rymbonao steht: »Müssen alle Dinge auf ewig umherschwingen? Oder kann man dem Kreislauf entgehen?« Dies war das Problem des geblendeten Sonnenheros Samson, als er an die Getreidemühle von Gaza gekettet wurde; und beachten wir, daß das Wort »Getreidemühle« in der griechischen Philosophie auch den kreisenden Himmel meinte. Samson löste das Problem souverän, indem er die beiden Säulen des Tempels niederriß, so daß das Dach auf alle herabfiel. Die Orphiker fanden eine andere, friedlichere Lösung, und sie gravierten sie in Ziffern auf goldene Tafeln, die sie ihren geliebten Toten um den Hals hängten. Sie lautete: nicht vergessen, sich zu weigern, das Wasser des von Zypressen umschatteten Lethe zu trinken, wie durstig man auch sei, und nur das Wasser des heiligen (von Haselsträuchern beschatteten) Teichs der Persephone anzunehmen und damit unter die unsterblichen Herren der Toten einzugehen, die vom weiteren Kreislauf des In-Stücke-Gerissen-und-Vernichtetwerdens, der Auferstehung und Wiedergeburt befreit sind. Die Zypresse war dem Herakles heilig, der selbst den berühmten Zypressenhain von Daphne gepflanzt hatte, und sie versinnbildlichte die Wiedergeburt; und das Wort »Zypresse« ist abgeleitet von Zypern, das nach seiner Mutter, der zyprischen Aphrodite, benannt war. Der Kult der heiligen Zypresse ist minoischen Ursprungs und muß aus Kreta nach Zypern gelangt sein.
Der Herakles-Gott der orphischen Mystiker war Apollon, der Hyperboreer; und im ersten Jahrhundert n. Chr. berichtet der römische Historiker Elian, daß die hyperboreischen Priester regelmäßig Tempel im Norden Griechenlands aufsuchten, wo sie Apollon anbeteten. Diodorus Siculus verdeutlicht mit seinem Zitat nach Hekataios, daß im sechsten Jahrhundert v. Chr. das »Land der Hyperboreer«, wo Apollons Mutter Leto geboren und wo Apollon vor allen Göttern verehrt wurde, Britannien gewesen sein muß. Dies widerspricht nicht Herodots Bericht über eine ganz andere, wahrscheinlich albanische hyperboreeische Priesterschaft, die am Kaspischen Meer lebte; auch nicht der Auffassung, daß in Älians Zeiten vielleicht das außerhalb des Römischen Weltreichs liegende Irland das »Land der Hyperboreer«, war; oder auch der von mir später in diesem Buch vertretenen Auffassung, daß die ursprünglichen Hyperboreer Libyer waren. Edward Davies hat mit Recht diese britischen Priester als eine Art Orphiker betrachtet: denn es gab enge Parallelen in Kleidung, Lehre, Ritus und Nahrung. Und nachdem das Câd Goddeu, wie wir sahen, wohl eher eine Schlacht der Buchstaben als eine Schlacht der Bäume war, ist seine Vermutung, daß der berühmte Tanz der Bäume zur orphischen Lyra eher ein Tanz der Buchstaben war, historisch wie auch poetisch sehr sinnvoll. [1] Orpheus gebrauchte, wie Diodor berichtet, das pelasgische Alphabet. Daß Gwion den Himmlischen Herakles des Boibel-Loth mit dem orphischen Apollon gleichsetzte, ergibt sich aus dieser völlig eindeutigen Passage, die in die rätselhaften Labyrinthe des Câd Goddeu eingebettet ist:
Es ist lange her, daß ich Hirte war.
Ich wanderte über die Erde
Bevor ich Gelehrter wurde.
Ich bin gewandert, ich ging im Kreis,
Ich schlief auf einhundert Inseln,
Ich weilte in einhundert Städten.
Gelehrte Druiden,
Kündet Ihr von Arthur?
Oder bin ich es, den sie feiern?
Das »Ich« dieses Abschnitts kann nur Apollon sein. Er war Hirte bei Admetos, dem minyischen König von Pherai in Thessalien, etliche Jahrhunderte bevor er in Delphi als Anführer der Musen eingesetzt wurde. Und als vorgriechischer Orakelheros war er auf hundert heiligen Inseln zur Ruhe gebettet worden. Nachdem es den Griechen gefallen hatte, ihn als ihren Gott der Heilkunst und Musik zu übernehmen, waren Hunderte von Städten bereit, ihn zu verehren, und in klassischer Zeit durchlief er seine tägliche und jährliche Kreisbahn als die sichtbare Sonne. Gwion will Heinin und den anderen Hofbarden sagen, daß die wahre Identität des Heros, den sie gedankenlos als König Arthus mit Elogen preisen, Herakles-Dionysos ist, rex quondam, rex-que futurus (»König einst und König dereinst wieder«), der bei seiner zweiten Wiederkunft der unsterbliche Herakles-Apollon sein wird. Aber sie wollen nicht begreifen. »Es ist lange her, daß ich Hirte war«, das bedeutet ihnen nicht mehr als eine Anspielung auf die Trias 85, wo die drei Stammeshirten Britanniens bezeichnet werden als Gwidion, der die Herde des Stammes Gwynedd hütete, Bennren, der die aus 21 000 Milchkühen bestehende Herde des Caradoc, Sohn des Bran, hütete, und Llawnrodded Varwawc, der die ebenso zahlreiche Herde von Nudd Heal hütete. Gwion hatte sein Wissen aus Irland und vielleicht aus Ägypten bezogen, es aber auf einen britischen Stamm aufgepfropft. Denn obgleich der Druidismus als organisierte Religion in Wales seit Jahrhunderten verschwunden war, lebten Relikte der druidischen Überlieferung in der traditionellen Minstrel-Dichtung und in den religiösen Volksbräuchen weiter. Der ursprüngliche Druidenkult, zu dem auch ritueller Kannibalismus nach der Lesung von Omina aus dem Todeskampf des Opfers - gehörte, war von dem römischen General Paulinus im Jahr 61 n. Chr. verboten worden, als er Anglesea unterwarf und die heiligen Haine fällen ließ. Der kontinentale Druidismus, wie er im übrigen Britannien, südlich von Clyde, bereits eingeführt war, war ein ehrsamer Belin- oder Apollon-Kult nach kelto-thrakischer Art.
Aus der Sicht des römischen Imperiums stellte der Belin-Kult keine politische Gefahr dar, nachdem sein organisatorischer Mittelpunkt, der Druiden-Konvent in Dreux, durch Cäsars Sieg über Vercingetorix in seiner Macht gebrochen und die Menschenopfer durch Tieropfer ersetzt worden waren. Die britischen Priester wurden nicht zur römischen Religion bekehrt, denn das römische Pantheon war bereits mit dem ihren verbündet, und der Mithras-Kult der römischen Legionäre war lediglich eine orientalische Version ihres angestammten Herakles-Kults. Daß sie den Kaiser als zeitliche Inkarnation ihres unter verschiedenen Namen bekannten Sonnengottes ehrten, war die einzige religiöse Pflicht, die ihnen auferlegt war, und sie wird ihnen nicht schwergefallen sein. Als das Christentum zur römischen Staatsreligion aufstieg, wurde kein Versuch unternommen, die Eingeborenen der Provinzen zu einem einheitlichen Gottesdienst zu zwingen, und selbst in den Städten waren die Kirchen klein und armselig; die meisten großen heidnischen Tempel blieben, wie es scheint, in Funktion. In Britannien gab es kein Religionsproblem wie etwa in Judäa, bis die Römer ihre Garnisonen räumten und die barbarischen Jüten, Angeln und Sachsen von Osten her eindrangen und die römisch zivilisierten Briten vor ihnen nach Wales oder über den Kanal flohen. Aber die Anwesenheit dieser Barbaren in England bewahrte letztlich die walisische und die irische Kirche vor jeder Einmischung des kontinentalen Katholizismus in ihre religiösen Angelegenheiten, und das Erzbistum am St. David-See blieb bis ins 12. Jahrhundert völlig unabhängig, als die Normannen dem Erzbischof von Canterbury die Herrschaft über es aberkannten, was der Anlaß der anglo-walisischen Kriege war.
Was den frühen Konzilien der Kirche als die teuflischste, allerunverzeihlichste Ketzerei erschien, war die Gleichsetzung des Herakles-Dionysos-Mithras-Stieres, dessen lebendiges Fleisch die orphischen Asketen bei ihrer Initiationszeremonie zerissen und aßen, mit Jesus Christus, dessen lebendiges Fleisch in der Heiligen Kommunion symbolisch zerteilt und verzehrt wurde. Mit dieser Häresie, die aus dem Ägypten des zweiten Jahrhunderts stammte, ging eine andere einher, nämlich die Gleichsetzung der Jungfrau Maria mit der Dreifältigen Göttin. Die Kopten gingen sogar so weit, die »drei Marien«, die der Kreuzigung beigewohnt hatten, zu einer einzigen Figur zu verschmelzen, mit Maria, des Kleophas Weib, als einer Art »Blodeuwedd«, einer Jungfrau von »Arianrhod«, und mit Maria Magdalena als Dritte in dieser althergebrachten Trinität, die in der keltischen Sage als »Morgan le Faye«, König Arthurs Schwester, auftritt. Morgan ist in der irischen Sage »the Morrigan«, d. h. die »Große Königin«, eine Todesgöttin, die die Gestalt eines Raben annahm; und »le Faye« bedeutet »das Schicksal« (fate). Laut Cormacs Glossary wurde die Morrigan im Gefecht angerufen, und zwar mit einer Nachahmung des Rabenkrächzens durch die Schlachthörner. Sie war keineswegs jene freundliche Gestalt, wie der Leser des Morte d'Arthur sie kennt, sondern war, wie die »schwarze kreischende Hexe Cerridwen« in der Romance of Taliesin, »großmäulig, dunkelhäutig, aufbrausend, rußig, hinkend, und schielte auf dem linken Auge«.
Wo immer diese Häresien sich im mittelalterlichen Europa erhalten hatten, verfolgte die Kirche sie mit so schrecklichen Strafen, daß britische und irische Dichter, die mit solchen Gedanken spielten, ein gefährliches Vergnügen daran finden mochten, sie, wie Gwion es hier tut, in rätselhafte Verkleidungen zu hüllen. Wir können mit diesen Dichtern mitfühlen, insofern ihre Vorfahren Jesus Christus ohne Zwang übernehmen und sich das Recht vorbehalten durften, das Christentum im Licht ihrer literarischen Tradition und ohne äußere Einmischung zu interpretieren. Sie sahen Jesus als letzte Theophanie des gleichen leidenden Sakralkönigs, den sie schon seit undenklichen Zeiten unter verschiedenen Namen angebetet hatten. Sobald aber der große Knüppel der Orthodoxie aus Rom oder Canterbury gegen sie geschwungen wurde, einen verständlichen Zorn empfanden. Die ersten christlichen Missionare hatten sich gegenüber den Anhängern des heidnischen Sonnenkults einer gewissenhaften Zurückhaltung befleißigt, mit denen sie manche mystischen Lehren teilten. Keltische und präkeltische Götter und Göttinnen wurden zu christlichen Heiligen - zum Beispiel St. Brigit, deren ewiges heiliges Feuer bis in die Zeit Heinrichs VIII. in einem Kloster zu Kildare in Brand gehalten wurde- und heidnische Feste wurden mit nur geringer Abwandlung der Riten christianisiert. St. Brigit behielt, dem Calendar of Oengus zufolge , ihr ursprüngliches Feuer-Fest, Feile Brighde, am Abend des 1. Februar. Sie war so bedeutend, daß Bischöfe ihr als Gefolgsleute dienten; einer von ihnen, Connlead, soll, ihr angeblich ungehorsam, dafür auf ihr Geheiß den Wölfen vorgeworfen worden sein. Sie wurde in der Hymn of Broccan als »Mutter meines Herrn« und in der Hymn of Ultan als »Mutter Jesu« besungen. (Einstmals war sie die Mutter des Dagda gewesen.) Das Book of Lismore nennt sie »die Prophetin Christi, die Königin des Südens, die Maria der Gälen«. Genau dasselbe geschah in Griechenland und in Italien, wo die Göttin Artemis sich zu St. Artemidos wandelte und die Göttin Venus zu St. Venere; die Götter Merkur und Dionysos zu den Heiligen Mercurius und Dionysius; der Sonnengott Helios zu St. Elias. Als der Hl. Columcille in Irland seine Kirche in Derry (Eichenhain) erbaute, war er »so abgeneigt, gewisse heilige Bäume zu fällen, daß er sein Oratorium nach Norden statt nach Osten ausrichtete« - nach Norden, nach Caer Arianrhod. Und als er nach Schottland kam, erklärte er, daß er »zwar Tod und Hölle fürchte, daß aber eine Axt im Hain von Derry ihm noch mehr Angst mache«. Doch die Zeit der Toleranz hielt nicht lange an; nachdem die irischen Fürsten ihr Privileg verloren hatten, Bischöfe nach eigenem Gutdünken einzusetzen, und die lkonoklasten politisch genügend erstarkt waren, um ihr rechtschaffenes Werk zu beginnen, wurden auf allen heiligen Bergen die Äxte geschwungen.
Es wäre ungerecht, die häretischen Dichter als Apostaten zu bezeichnen. Es ging ihnen mehr um poetische Werte und Beziehungen als um das prosaische Dogma. Es mochte ihnen hinderlich erscheinen, sich beim Dichten durch kirchliche Konventionen einschränken zu lassen. » Ist es vernünftig!« mochten sie ausrufen. »Der Papst, der uns zwar erlaubt, Jesus als Fisch zu versinnbildlichen, als Sonne, als Brot, als Weinstock, als Lamm, als Hirte, als Fels, als siegreichen Helden, sogar als geflügelte Schlange, droht uns dennoch mit dem Feuer der Hölle, falls wir es jemals wagen sollten, ihn in Gestalt der ehrwürdigen Götter zu feiern, deren Platz er eingenommen hat und aus deren Ritus jedes einzelne dieser Symbole abgeleitet worden ist. Oder wenn wir gegen einen einfachen Artikel jenes ungemein schwierigen Athanasianischen Glaubensbekenntnisses verstoßen. Wir brauchen uns nicht von Rom oder Canterbury ermahnen zu lassen, daß Jesus der größte aller Sakralkönige war, die zum Wohle ihres Volkes an einem Baum den Tod erlitten, die durch die Hölle gegangen und von den Toten auferstanden sind, und daß in ihm alle Verheißungen erfüllt sind. Wer jedoch behauptet, daß er der erste sei, den die Dichter dafür preisen, daß er diese wunderbaren Taten vollbrachte, der erweist sich, St. Paulus zum Trotz, entweder als Heuchler oder als des Lesens unkundig. Und also behalten wir uns das Recht vor, ihn bei seiner verheißenen Wiederkunft Belin oder Apollon oder sogar König Arthur zu nennen.«
Beinah dieselbe Auffassung hatte der tugendhafteste und aufgeklärteste unter den frühen römischen Kaisern, Alexander Severus (222-235 n Chr.), vertreten. Er hielt sich selbst für eine Reinkarnation Alexanders des Großen und verehrte, wie sein Biograph Lampridius erzählt, Abraham, Orpheus, Alexander und Jesus Christus als seine Hausgötter. Im Licht dieser von Alexander Severus überlieferten Tatsache sollten wir noch einmal das in Mißkredit geratene Wort »Helio-arkitisch« überdenken, mit dem zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ein hypothetischer, von den Barden als christliche Häresie wiederbelebter heidnischer Kult bezeichnet wurde, bei dem die Sonne und die Arche Noa zentrale Objekte der Anbetung waren. »Arkitisch«, ohne den Zusatz »helio«, sagte zum erstenmal der Altertumsforscher Jacob Bryant 1774 in seiner Analysis of Ancient Mythology; aber diese Wortbildung ist unrichtig, falls damit, wie Bryant es wollte, so etwas wie »arkianisch« oder »arkensisch« ausgedrückt werden Soll, »die Arche betreffend«; denn die Endung »-itisch« verweist auf einen stammesgeschichtlichen oder politischen Ursprung, nicht auf einen religiösen Glauben. Anscheinend hat Bryant das Wort »arkitisch« aus einem alten Werk über Religionen übernommen und mißverstanden.
Es gibt nämlich nur einen berühmten Arkiter in der Religionsgeschichte - eben diesen Alexander Severus, der »Arkiter« genannt wurde, weil er im Tempel Alexanders des Großen zu Arka im Libanon geboren wurde, wo seine römischen Eltern an einem Fest teilnahmen. Seine Mutter Mamea war auf eine Weise Christin. Die Arkiter, die in Genesis 10, 7- und auch auf den um 1400 v. Chr. entstandenen Tel-Amarna-Tafeln erwähnt sind, waren ein altes kanaanitisches Volk, bekannt für seine Anbetung der Mondgöttin Astarte oder Ischtar, der die Arche aus Akazienholz heilig war; aber das Wort »Arka«, das auf den Tel-Amarna-Tafeln als »lrkata« erscheint, hing nicht notwendig mit der indo-europäischen Wurzel arc soviel wie »Schutz« - zusammen, aus der wir lateinische Wörter wie arceo, »ich wehre ab«, arca, »die Arche« und arcana, »religiöse Geheimnisse«, ableiten. Die Arkiter werden in Genesis 10 zusammen mit den Amethitern, den libanesischen Hivitern (wahrscheinlich Achalfiter oder Achäer) und den Gergasitern aus dem unteren Galiläa genannt, die anscheinend aus Gergithion bei Troja stammen und bei denen es sich offenbar um jenes Volk handelt, das Herodot als »die Überreste der alten Teukrer« bezeichnet. Der arkitische Kult, späterhin die arkitische Häresie, war aber die eigene synkretistische Religion des Alexander Severus, und in diesem Sinn des Wortes könnte man Gwion als Arkiter bezeichnen. Die Sonne und die Arche sind tatsächlich die zentralen Elemente des Heraklesmythos, und Ischtar erweist sich im babylonischen Gilgameschepos von der großen Flut als ebenso falsch gegen Gilgamesch, wie Blodeuwedd gegenüber Llew Llaw im Mabinogion oder Dalila gegenüber Samson im Buch Richter oder Deianeira gegenüber Herakles in der klassischen Sage. Es ist sehr schade, daß Bryants enthusiastische Anhänger versucht haben, eine vernünftige These durch unverantwortliche, ja sogar trügerische Elemente zu erhärten.
Die höfliche Verbeugung vor dem Bischofssitz von St. David in Gwions Rätsel - bedenken wir, daß St. David selbst ein von einer keuschen Nonne geborenes Wunderkind war - sowie die anti-englischen Prophezeiungen eines Dichters aus dem zehnten Jahrhundert (der sich ebenfalls Taliesin nannte), die sich in den im Red Book of Hergest versammelten Gedichten Gwions finden, deuten darauf hin, daß Gwion auf den Versuch hoffte, die arkitische Häresie wiederzubeleben und sie zum Rang einer volkstümlichen, pan-keltischen Religion zu erheben, die auch die keltisierten Dänen in der Region Dublin umfassen und die Bretonen, Iren, Waliser und Schotten in einem politischen Bündnis gegen die Angeln-Normannen-Franzosen einigen sollte. Falls es sich so verhielt, wurden seine Hoffnungen enttäuscht. Die Angevilis waren zu stark: Wales war um 1282 eine Provinz Englands geworden, die Normannen hatten sich in Dublin fest etabliert, und das Haupt von LleWeilyn, dem Fürsten von Nordwales und Führer der Nation, war nach London gebracht und auf dem Tower Hill ausgestellt worden - gekrönt mit einem Efeukranz: in verhöhnender Anspielung auf die walisische Prophetie, daß er einst dort gekrönt werden sollte. Gleichwohl wurde Gwions Romanze immer wieder zitiert, der walisische Nationalismus erfuhr gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts eine Wiederbelebung unter dem Prinzen Owen Glendower, der einen zweifelhaften Anspruch erhob, direkter Nachfahr jenes Prinzen LleWeilyn zu sein, des letzten Prinzen des Königsgeschlechts, das in Wales seit dem dritten Jahrhundert n. Chr. geherrscht hatte. Glendower, dessen Anliegen von einem neuen, selbstberufenen »Taliesin« vertreten wurde, führte bis zu seinem Tod 416, mit französischer HiIfe einen planlosen Krieg.
Etwa um diese Zeit geschah es, daß Sion Kent, der Pfarrherr von Kenchurch, Klage gegen offenbar ebendiese arkitische Häresie führte, denn Hu Gadarn, jener Held der de Cymrer von Taprobane (Ceylon) nach Britannien geführt hatte, wurde darin als allegorischer Held walisischer Freiheit angerufen:
Zwei Arten der Inspiration in Wahrheit wert
Bestehen und offenbaren ihr Wirken auf Erden:
Inspiration aus den süßen Worten Christi,
Der Lehre getreu und die Seele beglückend,
Und jene höchst unkluge andere Inspiration,
Befaßt mit falscher und schmutziger Verheißung,
Wie sie den Anhängern des Hu (Gadarn) geworden,
Den ungerecht anmaßenden Barden von Wales.
Die »falschen und schmutzigen Verheißungen« bezogen sich wahrscheinlich auf die Vertreibung der Englischen aus Wales und die wiedererlangte Unabhängigkeit der walisischen Kirche. Kent, dessen Name zeigt, daß er nicht walisischen Blutes war, hatte natürlich Angst um die Zukunft, zumal der Nationalismus einen offenen Rückfall der Menschen zu manchem heidnischen Aberglauben bedeutete, den zu unterdrücken er so viel Mühe aufwandte; und als Dichter war er womöglich auch eifersüchtig auf den Einfluß der Minstrels auf seine Herde.
Daß die Minstrels auch nach dem Sturz Owen Glendowers fortfuhren, mit ihren anti Prophezeiungen das Volk aufzurühren, ersehen wir aus dem unterdrückenden Gesetz, das Heinrich IV. im Jahr 1402 erließ: »Zu vermeiden mancherlei Elend und Ungemach, das vor dieser Zeit in dem Lande Wales durch sonderlich Wegelagerer, Reimer, Minstrels und andere Vagabunden geschehen. Wird erlassen und bestimmt, daß keinem Wegelagerer, Reimer, Minstrel oder Vagabund in keiner Weise verstattet sei, in dem Lande Walses >commorthies< (i. e. kymkorthau, »nachbarliche Versammlungen«) oder Versammlungen unter den Gemeinen dorten zu halten.« Wie Pennant in Tours anmerkt, war der Zweck solcher »commorthies«, »eine genügende Zahl tüchtiger Männer zu sammeln, um einen Aufstand zu machen.«
Es ist durchaus möglich, daß der ursprüngliche Gwion, der den Druidismus in Wales als pankeltische politische Waffe gegen die Engländer wiederbelebte, bereits in der Regierungszeit des Fürsten Owain Gwynnedd lebte, des Sohnes jenes begabten Fürsten Grufudd ap Kynan, der erstmals irische Barden nach Nordwales holte; Owain regierte von 1137 bis 1169 und leistete den Heeren König Heinrichs II. weitaus erfolgreicher Widerstand als die Schotten, Bretonen oder Iren. Cynddelw, in dessen Dichtungen das Wort »Druide« erstmals erscheint, bezeichnet Owain als »Pforte der Druiden«, wobei »Pforte« als Synonym für die fürstliche Eiche im Cad Goddeu gemeint ist. Owain könnte auch jener Held sein, der in dem arg verstümmelten Song of Daronwy aus dem Book of Taliesin besungen wird:
Beim Vertreiben des Unterdrückers über die See
Welcher Baum war da größer als er, Daronwy?
Daronwy heißt »Donnerer«, ein weiteres Synonym für Eiche, und Owain hatte unter schweren Verlusten das Schiffsgeschwader zurückgeschlagen, das Heinrich 1157 gegen Anglesea entsandt hatte.
Falls noch jemand bezweifelt, daß Gwion sich die Griechisch- und Hebräischkenntnisse angeeignet haben könnte, die er brauchte, um sich in Irland dieses Rätsel auszudenken, sei hier ein Abschnitt aus C. S. Boswells Ausgabe des im zehnten Jahrhundert entstandenen irischen Fis Adamnain angefügt, »Die Vision des St. Adamnain«:
»Während die christliche Kirche des teutonischen England ihre Existenz vorwiegend den missionarischen Bemühungen Roms verdankte, waren die älteren keltischen Kirchen, namentlich die Kirche von Irland, enger mit Gallien und dem Osten verbunden. Gallien vor allem verdankte Irland seine Bekehrung, und zwischen den beiden Ländern gab es einen engen, ununterbrochenen Austausch. Doch die Kirche im Süden Galliens - und im frühen Mittelalter war es einzig der Süden, der sich eine nennenswerte Kultur bewahrte oder missionarische Aktivitäten entfaltete - war von Anfang an in engem Kontakt mit den Kirchen des Ostens verbunden. Das große Kloster von Lerins, wo St. Patrick angeblich seine Studien betrieben hatte, war von Ägypten aus gegründet worden, und viele Jahrhunderte lang bekundete die ägyptische Kirche weiterhin lebhafte Anteilnahme an den Entwicklungen in Gallien. Tatsächlich unterhielten nicht nur Lerins, sondern auch Marseille und andere Teile des südlichen Galliens stetige Beziehungen mit Ägypten und Syrien, und die Folge war natürlich, daß viele Institutionen der gallischen Kirche, trotz ihrer seit dem Jahr 244 bestehenden und sich vertiefenden Abhängigkeit von Rom, den Stempel orientalischer Einflüsse trug. Die engen Beziehungen nach Gallien, welche die irischen Kleriker und Gelehrten unterhielten, brachten sie daher zwangsläufig in Kontakt mit ihren ägyptischen und syrischen Brüdern, sowie mit den Ideen und Praktiken, die in diesen Kirchen herrschten. Auch blieb Irlands Verbindung mit dem Orient nicht auf die Vermittlung Galliens beschränkt.
Irische Pilgerfahrten nach Ägypten fanden bis Ende des achten Jahrhunderts statt, und Dicuil berichtet über eine topographische Erkundung dieses Landes durch zwei Iren, Fidelis und seinen Gefährten. Es gibt außerdem dokumentarisches Material, das beweist, daß sogar zu hause gebliebene Iren nicht von jeglicher Bekanntschaft mit dem Orient ausgeschlossen blieben. Das Saltair na Rann enthält eine irische Version des Buchs von Adam und Eva, eines in Ägypten im fünften oder sechsten Jahrhundert entstandenen Werks, von dem außerhalb Irlands keine Erwähnung bekannt ist. Adamnains Werk De Locis Sanctis enthält einen Bericht über das Kloster auf dem Berg Tabor, der für die Schilderung einer irischen Mönchsgemeinschaft seiner Zeit einstehen könnte. Tatsächlich entspricht das ganze System des anachoretischen und koebitischen Lebens in Irland recht genau den Formen, wie sie in Ägypten und Syrien vorherrschten. Die monastischen Gemeinschaften, bestehend aus Gruppen vereinzelter Hütten oder aus bienenstockförmig verbundenen Zellen, wie auch die anderen frühesten Beispiele der irischen Sakralarchitektur, weisen auf einen syrischen Ursprung hin; und G. T. Stokes meint: >Die irischen Schulen waren wahrscheinlich den Formen und Regeln der ägyptischen Lauren nachgebildet<. Doch es waren nicht nur syrische und ägyptische Einflüsse, denen Irland durch seinen Verkehr mit dem südlichen Gallien ausgesetzt war. Die Zivilisation dieses Landes war im wesentlichen eine griechische und ist es noch viele Jahrhunderte nach der christlichen Ära geblieben; und dieser Umstand trug zweifellos zudem bekannten Fortbestand griechischen Wissens an den irischen Schulen bei, lange nachdem es im übrigen westlichen Europa untergegangen war. Wir können nicht annehmen, daß diese Gelehrsamkeit sich durch exakte wissenschaftliche Kenntnisse oder durch eine allgemeine Vertrautheit mit der klassischen Literatur auszeichnete; aber sie beschränkte sich auch nicht nur auf eine oberflächliche Bekanntschaft mit der Sprache oder aus zweiter Hand übernoinmenen literarischen Passagen und Zitaten. Johannes Scotus Erigena übersetzte die Werke des Pseudo Areopagiten; Diciul und Firghil (Virgilius, Bischof von Salzburg) studierten die griechischen Bücher der Naturwissenschaft; Homer, Aristoteles und andere klassische Autoren waren manchen irischen Schriftstellern bekannt; viele irische Theologen waren mit den griechischen Kirchenvätern und anderen theologischen Werken vertraut. Auch in Person waren die Griechen in Irland nicht unbekannt. Viele griechische Kleriker hatten während der lkonoklastischen Verfolgung dort Zuflucht gefunden und Spuren hinterlassen, die noch in Erzbischof Usshers Tagen erkennbar waren; und das alte Gedicht über die Messe von Carman nennt griechische Kaufleute, die dorthin ihre Zuflucht nahmen.
Es ist also offenkundig, daß der irische Schriftsteller über weitläufige Mittel gebot, um sich mit der mündlichen und schriftlichen Überlieferung der griechischen und östlichen Kirchen vertraut zu machen. Das so erworbene Wissen umfaßte auch die apokalyptischen Visionen, wie sich an der inneren Evidenz der irischen Visionen erweist - sei es durch direkte Verweise oder durch die Art ihres Inhalts. Es bleibt noch zu untersuchen, wie weit die Vorliebe, die die irischen Schriftsteller für diese Literaturgattung bekundeten, sowie die besonderen Merkmale, die sie bei ihnen entwickelte, durch ihre Vertrautheit mit ähnlichen Ideen, die sie bereits in ihrer Nationalliteratur vorfanden, bedingt war.
In der fraglichen Epoche war die traditionelle Literatur Irlands offenbar in nicht geringerem Maß in das ganze Leben der Nation eingedrungen als in Griechenland selbst. In mancher Hinsicht war sie sogar noch enger mit den Bräuchen des Volkes und den Strukturen der Gesellschaft verwoben als in Griechenland, denn der literarische Beruf genoß öffentliche Förderung, etwa in der Art einer etablierten Staatskirche, und die ihn ausübten, bildeten eine gesetzlich organisierte Körperschaft und bekleideten eine anerkannte Stellung im Staate.«
Das wiederholte »ich war« oder »ich bin gewesen« aus Gwions Hanes Taliesin legt den Schluß nahe, daß das Boibel-Loth-Alphabet, das ja die Lösung ist, ursprünglich aus zwanzig mystischen Titeln einer einzigen protelschen männlichen Gottheit bestanden hatte, die seinen Jahreszeitlichen Wandlungen entsprachen; und daß diese Titel geheimgehalten wurden, anfangs wegen ihrer Beschwörungskraft, später, weil sie der christlichen Kirche als häretisch galten. Warum aber enthält das Boibel-Loth so viele, aus Genesis und Exodus übernommene Annäherungen an biblische Namen, die in christlichen Zeiten ihre religiöse Bedeutung eingebüßt hatten: Lot, Telmen, Jachin, Hur, Kaleb, Neesthan - alles Namen, die mit dem Sinai, dem südlichen Judäa und dem Edomiterland am Toten Meer zu tun hatten?
Dies ist die Region, in der die Essenergemeinschaft von 150 vor bis 132 n. Chr. siedelten. Die Essener waren anscheinend ein Zweig der Therapeutae oder Heiler, einer asketischen jüdischen Sekte, die am Mareotis-See in Ägypten beheimatet war. Plinius beschreibt sie als die merkwürdigste religiöse Vereinigung der Welt. Obgleich Juden, und sogar eine Art Pharisäer, glaubten sie an das westliche Paradies von dem Josephus bei seiner Schilderung des essenischen Glaubens genau den gleichen Bericht gibt wie Homer, Hesiod und Pindar - und, wie die späteren Druiden, an die Rückkehr der reinen Seelen zur Sonne, deren Aufgehen sie jeden Tag beschworen. Auch mieden sie Tieropfer, trugen Leinengewänder, praktizierten Wahrsagerei, meditierten in magischen Zirkeln, kannten sich mit den Kräften von Pflanzen und Edelsteinen aus und standen, wie allgemein angenommen wird, unter dem philosophischen Einfluß von Pythagoras, dem asketischen Schüler von Abaris, dem Hyperboreer. Sie mieden den Gottesdienst im Tempel von Jerusalem, weil dort der Brauch, sich bei Tagesanbruch nach Osten zu verneigen, aufgegeben worden war, und verhängten die Todesstrafe über jeden, der Gott oder Moses lästerte.
Nachdem Moses, als Mensch, bei den Pharisäern von Jerusalem nicht gelästert werden konnte, mußte er folglich für die Essener eine Art göttliches Wesen sein. Die Geschichte des Moses, wie im Pentateuch erzählt, ist die Geschichte des kanopischen Herakles - des Gottes, der in einer Barke als Wiege auf dem Nil ausgesetzt wurde, große Taten vollbrachte, einen geheimnisvollen Tod auf einem Berggipfel starb und danach ein Heros und Richter wurde. Aber es ist klar, daß die Essener zwischen dem historischen Moses, der die Israeliten aus Ägypten geführt hatte, und dem Halbgott Moses unterschieden; ähnlich wie die Griechen den historischen Herakles, den Fürsten von Tiryns, vom Himmlischen Herakles unterschieden. Später, im fünfundzwanzigsten Kapitel, werde ich Gründe für die Vermutung anführen, daß die Pythagoräer - obgleich die Essener die griechische Formel des Himmlischen Herakles auf ihren Kult um den Halbgott Moses übertragen hatten und obgleich sie anscheinend Schüler des Pythagoras waren - den neuen heiligen Gottesnamen, den die Stämme Amathaons und Gwydions dann um 400 v. Chr. in Britannien einführten, aus einer jüdischen Quelle aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr. übernommen hatten. Laut Josephus wurden die essenischen Novizen darauf eingeschworen, die Namen der Mächte geheimzuhalten, die unter der Herrschaft Gottes ihr Universum regierten. Waren diese Mächte etwa die Buchstaben des Boibel-Loth, die, zusammengenommen, die Geschichte von Leben und Tod ihres Halbgottes Moses erzählten? »David« könnte einem späteren Kontext als die anderen Buchstabennamen angehören, aber er findet sich schon in einer Inschrift aus dem sechzehnten Jahrhundert v. Chr. als Königstitel; und der Pentateuch wurde nicht lange nach König Davids Zeit geschrieben. Außerdem war David für die Essener der Name des verheißenen Messias.
Wenn man nicht nur Jaichin, sondern allen Vokalnamen des Boibel-Loth ein J voranstellt, so wird daraus Jakob, Jose, Jura, Jesu, Jaichin - und das sind Jakob, Joseph, Jerah, Josua und Jachin - allesamt Namen der in Genesis erwähnten Stämme. Die essenische Reihe der Buchstabennamen, bevor Gwidion in seinem Rätsel einige von ihnen zu Namen abwandelte, die dem Neuen Testament, dem Buch Henoch sowie der walisischen und lateinischen Mythologie entstammen, kann nun wie folgt rekonstruiert werden:
Jakob | Babel | Hur | Moria |
Joseph | Lot | David | Gad |
Jerah | Ephron | Telmen | Gomer |
Josua | Salem | Kohath | Jethro |
Jachin | Ne-esthan | Kaleb | Reu |
Von diesen sind nur vier keine Namen von Clans oder Stämmen, nämlich Babel, der Hort der Weisheit; Moria, der heilige Berg Jahwes; Salem, seine heilige Stadt; Ne-esthan, seine heilige Schlange. Es erscheint also möglich, daß die essenische Version der Buchstabennamen des Boibel-Loth in frühchristlicher Zeit nach Irland gebracht wurde, und zwar durch alexandrinische Gnostiker, die die geistigen Erben der Essener wurden, nachdem Hadrian den Orden 132 n. Chr. verboten hatte. Joyce berichtet in seiner Social History of Ancient Ireland, daß ägyptische Mönche in Zeiten der Verfolgung oft nach Irland flohen; und daß ein gewisser Palladius aus Rom entsandt wurde, um Bischof der irischen Christen zu werden, lange bevor St. Patrick dorthin kam.
Das Alphabet selbst war eindeutig nicht hebräischen Ursprungs: es war eine kanopisch griechische Kalenderformel übernommen von den griechisch sprechenden Juden in Ägypten, die es hinter Personen- und Ortsnamen aus der Schrift tarnten. Wie ich in meinem Buch King Jesus darlege, war bei den Essenern wahrscheinlich jeder Buchstabe eine Macht, die dem Menschensohn - dem Moses als Himmlischem Herakles - diente, welcher dem Alten der Tage, nämlich Jahwe als dem transzendenten Gott huldigte. Wir wissen aus Berichten, daß der essenische Novize einen blauen Habit, der Adept einen weißen trug. War es deshalb, weil der Novize sozusagen noch »lotusgeboren«, d. h. noch nicht eingeführt war? Der ägyptische Lotus war blau. In King Jesus äußere ich auch die Vermutung, daß die beiden geheimnisvollen Orden der Essener, die Sampsoner und die Heilker, Adepten der Kalender-Mysterien waren und daß sie sich nach dem Sonnengott Samson (das zweite s ist in manchen griechischen Texten ein p) und nach Helix, dem kosmischen Kreis, nannten. Wenn ein Essener meditierte, isolierte er sich von der Welt durch einen Kreis, den er um sich in den Sand zog.) Die zwanzig Mächte des Boibel-Loth müssen zu jenen gehören, die Paulus in Galater 4,8-10 verächtlich als die »schwachen und dürftigen Elemente (stoicheia)« bezeichnet. Die abgefallenen galatischen Juden beteten diese Mächte also wieder als Götter an, unter sorgfältiger Einhaltung des Kalenders. Im 1. Korintherbrief, 15, 24-25, sagt er, diese würden durch Jesus Christus »aufgehoben«, der das Reich dem Vater »überantworten wird«. Paulus' Einfluß war entscheidend: für die orthodoxe Kirche waren sie alsbald Dämonen, nicht mehr Agenten des göttlichen Willens. Die Essener riefen in ihren Mysterien Engel an. Hier nun stellen wir etwas Seltsames fest: nämlich daß die »Hunde des Jägers Herne« oder die »Hunde von Annwm«, die die Seelen über den Himmel jagen, in der britischen Folklore auch »Gabrielsratschen« oder »Jagdhunde Gabriels« genannt werden. Warum Gabriel? Etwa weil Gabriel, dessen Tag der Montag war, als Bote Scheols (der hebräischen Hekate) diente und ausgesandt wurde, die Seelen zum Gericht zu holen? Dies war Hermes' Aufgabe, und Herne, ein britischer Eichengott, dessen Andenken Im Windsor Forest bis ins achtzehnte Jahrhundert lebendig geblieben ist, wird gemeinhin mit Hermes gleichgesetzt. Gabriel und Herne werden in den aus dem frühen dreizehnten Jahrhundert stammenden Skulpturen am Kirchenportal von Stoke Gabriel in South Devon in eins gesetzt. Der Engel Gabriel blickt von oben herab, aber wenn man eintritt, sieht man zur Rechten den wilden Jäger abgebildet, mit grinsend entblößten Zähnen und einer Haarsträhne im Gesicht, und ihm zu Füßen zwei seiner Hunde. In Ägypten aber war Hermes, und zwar in einem seiner Aspekte, der Gott Thot, in einem anderen der hundeköpfige Gott Anubis, der Sohn von Nephtis, der ägyptischen Hekate; und so läßt Apuleius ihn im Festzug am Schluß seiner Metamorphosen auftreten: »sein Gesicht manchmal schwarz, manchmal Heil, so hebt er das Haupt des Hundes Anubis empor«. Dies erklärt die Gleichung Gabriel = Herne = Hermes = Anubis. Wurde aber Gabriel in alten Zeiten je mit Anubis gleichgesetzt? Zum Glück ist eine ägyptische Gemme gefunden worden, die auf der Vorderseite Anubis mit Palmzweig und Beutel, und auf der Rückseite einen als Gabrier Sabao bezeichneten Erzengel zeigt - was soviel heißt wie »Gabriel Sabaoth«, da die Ägypter, wie immer, aus dem L ein R machten. (Diese Gemme ist in Haas' Bilderatlas beschrieben.) Wäre dann »Annwm«, was eine Zusammenziehung von »Annwfn« ist, eine keltische Version von »Anubis«? Das B in Anubis wäre natürlich im walisischen zu einem F geworden.
Es ist so viel Unsinn über die Essener geschrieben worden, von Leuten, die sich nicht einmal die Mühe machten, bei Josephus, Plinius dem Älteren, Philon von Byblis und anderen nachzulesen, wer sie waren und was sie glaubten, daß ich sie hier gar nicht ins Spiel bringen sollte, geschähe es nicht im Zusammenhang mit enem Gedcht Gwons, betitelt Yr Awdil Vraith (»Mannigfaltiges Lied«). Der Text der Peniardd Handschriften ist unvollständig, in manchen Strophen aber dem des Red Book of Hergest vorzuziehen:
Das All-Wesen schuf,
Drunten im Tale Hebron,
Mit seinen bildenden Händen
Adams lichte Gestalt:Und fünfhundert Jahre
Aller Hilfe entratend,
Lag er dort und weilte
Ohne eine Seele.Abermals bildete Er
Im friedlichen Paradies
Aus einer Rippe der linken Flanke
Die vor Wonne bebende Eva.Sieben Stunden wartete sie
Des Gartens da,
Bis Satan Hader brachte,
Der Höllenfürst.Von hinnen wurden sie getrieben,
Bebend und frierend,
Um ihr Leben kämpfend,
In diese Welt.Um unter Schmerzen zu gebären
Ihre Söhne und Töchter,
Auf daß sie in Besitz nämen
Asiens Land.Zweimal fünf, zehn und acht,
hatte sie selbst geboren,
Die vielfache Bürde
Von Mann-Frau.Und dazumal, nicht verborgen,
Gebar sie Abel und Kain,
den einsamen
Mörder.Ihm und seiner Gefährtin
War eine Schaufel gegeben,
Umzubrechen die Scholle,
Um Brot zu haben.Den Weizen, rein und weiß,
In den Boden zu säen,
Jederman zu nähren
Bis zum großen Julfest.Eine engelische Hand
Brachte, vom hohen Vater,
Die Saat für das Getreide
Daß Eva sie säe;Da aber verbarg sie
Von der Gabe einen Zehnten,
Und säte nicht alles
In die aufgegrabene Erde.Schwarzer Roggen wurd' da gefunden,
Und kein reines Weizenkorn,
Zu zeigen die Bosheit
Des Diebstahls.Für diese diebische Tat
Ist nun verlangt,
Daß alle Menschen entrichten sollen
Den Zehnten an Gott.Vom rötlichen Wein,
Gepflanzt an sonnigen Tagen,
Und dem weißen Weizen, gepflanzt
In Neumondnächten;Der Weizen, reich an Ähren,
Und rot fließender Wein
Bilden Christi reinen Leib,
Des Sohnes Alpha.Die Hostie ist Fleisch,
Der Wein vergoßnes Blut,
Die Worte der Dreifaltigkeit
Heiligen sieDie verborgenen Bücher
Von Immanuels Hand
Wurden gebracht von Raphael
Als Adams Gabe.Als in seinem Alter er,
Bis ans Kinn eingetaucht
In die Wasser des Jordan,
Die Fasten hielt.Zwölf junge Männer,
Vier von ihnen Engel,
Brachten Reiser herbei
Von Eva, der Blume.Hilfe zu geben
In aller Not
In aller Bedrängnis
Solange sie wanderten.Sehr große Sorge
Suchte die Menschheit heim,
Bis sie erlangte
Die Zeichen der Gnade.Moses erhielt
In großer Entbehrung
Die Hilfe der drei
Ruten des Herrn.Salomon erhielt
In Babels Turm
Alle die Wissenschaften
von Asiens Land.Also erhielt ich
In meinen bardischen Büchern
Asiens Wissenschaften
Und die Europas auch.Ich weiß ihre Künste,
Ihren Gang und ihr Schicksal,
Ihr Kommen und Gehen
Bis hin zum Ende.Oh! welch ein Elend,
Durch äußerstes Leid
Wird die Verheißung sich zeigen
An Trojas Rasse!Eine Ketten tragende Schlange,
Der gnadenlose Falke,
Mit geflügelten Waffen
Aus Germanien.Loegria und Britannien
Wird sie überrennen,
Von der Küste von Lychlyn
Bis zum Severn.Dann werden die Briten
Gefangene sein
Der Fremden, beherrscht
Von Saxonien.Ihren Herrn werden sie preisen,
Ihre Sprache werden sie behalten,
Ihr Land werden sie verlieren,
Bis auf das wilde Wales.Bis ein Wandel wird kommen
Nach langer Buße,
Wann gleich gemacht werden wird
Der Stolz der Geburt.Den Briten sollen dann sein
Ihr Land und ihre Krone,
Und der Fremden Horde
Soll spurlos verschwinden.Alle die Worte der Engel
Über Frieden und Krieg
Werden so erfüllt sein
An Britanniens Rasse.
Daß Adam in Hebron erschaffen worden sein soll und nicht im unteren Mesopotamien, ist auffällig; denn vielen Bibelforschern gelten die ersten drei Kapitel der Genesis heute als jerahmeelitische Sage aus dem Negev von Judäa, die von den Israeliten übernommen und während der Gefangenschaft babylonisiert worden war. Jehrahmeel (»Geliebter des Mondes«) ist ein weiterer Name des kanopischen Herakles. Cheyne rekonstruiert den Text von Genesis, 2, 8, als: »Und Gott der Herr pflanzte einen Garten im Eden von Jerahmeel...« Er schreibt dazu:
»Die Jerahmeeliter, von denen die Israeliten die Geschichte übernahmen, lokalisierten das Paradies in einem weiten, hohen Gebirge, manchmal einem Garten, irgendwo auf jerahmeelitischem Territorium. Der Berg mit einem heiligen Hain auf dem Gipfel ist in der Geschichte, wie in Genesis 2 berichtet, verlorengegangen, wird aber bei Hesekiel erwähnt; und in dem äthiopischen Henoch, 24, steht der Baum des Lebens auf einem Bergrücken im Süden. Und was die Lokalisierung betrifft, so könnten wir, falls mit dem hebräischen Ausdruck, »ein Land, wo Milch und Honig fließen«, ein Teil des Negev gemeint war, daraus folgern, daß dieses fruchtbare Land mit Weinreben, Granatapfelbäumen und Feigenbäumen (siehe Genesis 3, 7) einst ein jerahmeelitisches Paradies gewesen ist. Das Tal Hebron im südlichen Judäa liegt 4000 Fuß über Meereshöhe, und bevor mit der Landwirtschaft auch die Bodenerosion einsetzte (die laut Walter Clay Lowdermilks neuerlich erschienener Studie über Palästina dem ganzen Land eine durchschnittlich drei Fuß starke Humusschicht entzog), muß es wunderbar fruchtbar gewesen sein. Offenbar kannte Cheyne dieses Gedicht Gwions nicht, dessen Inhalt nur einer hebräischen Quelle entstammen kann, die nicht mit jenen babylonischen Epen vermischt war, die die Juden während der Gefangenschaft übernahmen; und wen, außer den Essenern, könnten wir uns als diese Quelle vorstellen'~ Besonders da Gwion sagt, daß die Bücher, aus denen er sein Wissen bezieht, ursprünglich durch den Engel Raphael dem Adam von Hebron überbracht worden waren. In den Büchern Tobias und Henoch wird Raphael als Engel der Heilkunst beschrieben und muß daher der oberste Patron der therapeutischen Essener gewesen sein. »Immanuel« bezieht sich auf Jesajas Prophezeiung der Geburt des Göttlichen Kindes durch eine Jungfrau: Jesus als Herakles. Die Geschichte von Adam, der, bis zum Kinn in den Wassern des Jordan, fastete, findet sich in dem im zehnten Jahrhundert entstandenen irischen Saltair na Rann sowie im früh mittelalterlichen Life of Adam und Eve, auf dem das Saltair beruht; als Adam fastete, belohnte Gott ihn mit Vergebung, wie es im Saltair heißt. Dafür, daß Moses durch drei Ruten des Herrn (d. h. des Sonntags) Weisheit zuteil geworden wäre, kennen wir keine Quelle. Vielleicht ist es eine essenische Überlieferung, denn der Sonntag war der hohe Tag der Essener, und es erinnert an die Erwähnung von drei Eschenruten in einem der Iolo-Handschriften. John Rhys hält dieses Manuskript für echt:
»Dann nahm Menw ap Teirgwaedd die drei Ebereschenruten, die aus dem Mund von Einigan Gawr sproßten, und erfuhr alle Arten von Weisheit und Wissenschaft, die auf ihnen eingeschrieben waren, und lehrte sie alles, außer dem Namen Gottes, der das bardische Geheimnis schuf, und gesegnet sei der, der von ihm Kenntnis hat.«
Das Ende des Gedichts, ab Strophe 27, ist nicht Gwions Werk, sondern ein eigenständiger Teil, wahrscheinlich 1210 entstanden, als zur Regierungszeit von König Llewellyn ap lowerth der englische König Johann in Nordwales einfiel und es zeitweilig unterwarf.
lfor Williams drückt seine Verwunderung darüber aus, daß mitten in Gwions Cad Goddeu folgende Triade steht:
Die drei größten Unruhen der Welt -
Die Sintflut, die Kreuzigung, der Tag des Gerichts.
Dies ist anscheinend eine Textvariante der Zeilen, die ich aus der Übersetzung von Nash übernommen habe und die zweimal in dem Gedicht vorkommen:
Und einer von ihnen erzählt
Die Geschichte von der Sintflut
Und vom Kreuz Christi
Und vom Tag des Gerichts, das nahebei.
Williams Version macht auch Sinn im Licht der im Boibel-Loth erzählten Geschichte von Herakles, der im goldenen Kelch auf den Fluten schwimmt, auf dem Berg geopfert wird und nun richtet und Gesetze erläßt. Die gleiche alte Geschichte erzählt das apostolische Glaubensbekenntnis: »empfangen durch den Heiligen Geist« hat, im Licht der Gnosis gelesen, einen direkten kreuzigt ... von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten.«
Es ist möglich, daß das apostolische Glaubensbekenntnis, dessen früheste lateinische Version im zweiten Jahrhundert von Tertullian zitiert wird, ursprünglich von einem gnostischen Christen in Ägypten verfaßt und synkretistisch der Herakles-Formel nachgebildet wurde. Denn »empfangen durch den Heiligen Geist« hat, im Licht der Gnosis gelesen, einen direkten Bezug zur Sintflut. Nach gnostischer Theorie - die Gnostiker treten im ersten Jahrhundert v. Chr. erstmals als Sekte auf - war Jesus in Gottes Geist empfangen, der im Hebräischen weiblichen Geschlechts war und laut Genesis 1, 2 »über dem Wasser« schwebte. Die Jungfrau Maria war das physische Gefäß, in dem diese Idee verkörpert wurde, und »Maria« bedeutete für die Gnostiker »die vom Meere«. Der männliche Heilige Geist ist ein Produkt der lateinischen Grammatik - spiritus ist maskulin - und des frühchristlichen Mißtrauens gegen weibliche Gottheiten oder Quasi-Gottheiten. Die Empfängnis durch ein männliches Prinzip ist an sich unlogisch, und dies ist in der ganzen lateinischen Literatur der einzige Fall, wo sie vorkommt. Die Vermännlichung des Heiligen Geistes wurde gefördert durch eine Bemerkung im 1. Brief des Johannes, wonach Jesus als Paraklet oder Fürsprecher des Menschen bei Gott dem Vater eintreten würde; im Johannesevangelium wird das gleiche Bild Jesus selbst in den Mund gelegt, nämlich in einer Verheißung, daß Gott den Menschen einen Parakleten (meist mit »Tröster« übersetzt) senden werde, nachdem er gegangen sei; und dieser Paraklet, ein maskulines Substantiv, aufgefaßt als mystische Emanation Jesu, wurde fälschlich mit dem archaischen Geist gleichgesetzt, der über dem Wasser schwebte. Die Gnostiker, deren Sprache das Griechische war, setzten den Heiligen Geist mit Sophia, Weisheit, gleich; und Sophia war weiblich. In der frühchristlichen Kirche wurde das Glaubensbekenntnis nur bei der Taufe gesprochen, die eine Zeremonie der Einführung in das christliche Mysterium und anfangs nur den Erwachsenen vorbehalten war; ähnlich war die Taufe Voraussetzung für die Teilnahme an den griechischen Mysterien, nach deren Vorbild die christlichen geschaffen waren, wie auch bei den druidischen Mysterien.
Die Stadt Eleusis, wo die berühmtesten aller Mysterien abgehalten wurden, war angeblich nach dem attischen König Eleusis benannt. Eleusis heißt aber »Advent«, und das Wort wurde in die christlichen Mysterien übernommen, wo es die Ankunft des göttlichen Kindes bezeichnete; im englischen wie im deutschen Sprachgebrauch sind damit Weihnachten und die vier Wochen vorher gemeint. Die Mutter des Eleusis war »Daeira, die Tochter des Okeanos«, »die Weise des Meeres«, und sie wurde mit der minoischen Taubengöttin Aphrodite gleichgesetzt, die alljährlich mit erneuerter Jungfräulichkeit bei Paphos auf Zypern dem Meer entstieg. Eleusis war ein anderer Name für den Getreide-Dionysos, dessen Lebensgeschichte bei den Großen Mysterien, einem Erntedankfest im späten September, gefeiert wurde; und als sein Vater wurde manchmal Ogygos oder Ogyges genannt, jener thebanische König, in dessen Regierungszeit die große Flut fiel, welche die Getreideflächen Böotiens überflutete. In der Frühzeit der eleusischen Mysterien wurde das Göttliche Kind, der Sohn der dem Meer Entstiegenen, von den als Hirten verkleideten Mystagogen den Teilnehmern zur Anbetung ausgestellt; er saß in einem liknos, dem aus Weiden geflochtenen Erntekorb. Nach den entsprechenden Mythen von Moses, Taliesin, Llew Llaw und Romulus zu schließen, erklärten die Mystagogen, sie hätten ihn am Flußufer gefunden, wo er gelandet war, nachdem er in eben diesem, mit Riedgras abgedichteten Erntekorb die Flut überquert hatte. Es ist noch anzumerken, daß der liknos nicht nur als Erntekorb, Krippe und Wiege, sondern auch als Worfelsieb verwendet wurde; die Methode bestand darin, das Getreide bei starkem Wind aufzuschaufeln und durch einen Weidenkorb zu sieben; die Spreu wurde fortgeblasen, und das Korn fiel auf einen Haufen. Die Mysterien gingen wahrscheinlich auf ein Worfelfest zurück, denn sie fanden etliche Wochen nach der Weizenernte und zur Zeit der äquinoktialen Winde statt.
Ein interessantes Überbleibsel dieser Mysterien des Worfelfestes ist das mallorkanische xiurell, eine weiße Tonpfeife, rot und grün verziert mit traditionellen Formen wie Meerjungfrau; geringelte Schlange; stierköpfiger Mann; Frau in weitem Rock mit rundem Hut, die ein Kind in den Armen wiegt, oder mit einer Blume an Stelle des Kindes; dieselbe mit einer von Kuhhörnern überragten Mondscheibe; Mann mit hohem spitzem Hut und anbetend erhobenen Händen; und kleiner Mann, der auf einem hörnerlosen, spitzohrigen, langbeinigen Tier mit sehr kurzer Schnauze reitet. Sie wird zusammen mit einem Quittenzweigen und Zweigen der Eberesche beim Kirchenfest herumgetragen, das in dem Dorf Bonanova bei Palma stattfindet und bei dem die Dörfler in der Nacht zum ersten Sonntag nach dem 12. September (das Fest des Gesegneten Namens der Jungfrau Maria) um einen Berg wandeln - das Datum entspricht dem 23. September des alten Kalenders. Der Zweck dieser Pfeife bestand ursprünglich wohl darin, den zum Worfeln günstigen Nordostwind zu beschwören, der, dem lokalen Almanach zufolge, in dieser Jahreszeit einsetzt und der gegen Ende des Monats vom Atlantik Regenwolken herbeiführt, die den Anfang des Monats gepflanzten Winterweizen gießen. Dies aber ist in Vergessenheit geraten. Das Worfeln findet heute in Mallorca irgendwann nach der Ernte statt und wird ohne festliche Zeremonien begangen. Die Meerjungfrau, bei den Einheimischen »Sirene« genannt, zeigt offenbar Daeira (Aphrodite), die Mondmutter von Eleusis (dem Getreide-Dionysos, der mit ihr zusammen in dem Frau-und-Kind- xiurell dargestellt wird). Der stierköpfige Mann ist der zum erwachsenen Mann herangewachsene Dionysos; der Mann mit Hut ist ein Tutor oder gran mascara; der kleine Reiter ist wahrscheinlich wiederum Dionysos, aber die Gattung seines hochbeinigen Reittiers ist unbestimmt. Die Quittenzweige, Ebereschenzweige und der weiße Ton sollen ebenfalls die Göttin ehren - die nun als Jungfrau Maria angerufen wird. Die Schlange ist der Wind selbst. Die Mallorcaner, die vorwiegend vom Obstanbau leben, fürchten den Scirocco wie den Teufel - die Geldbörse des Bauern, so sagen sie, hängt am Zweig eines Baumes - und man hört auf der ganzen Insel kein Pfeifen, außer in der Jahreszeit des xiurell. Der Pflüger singt, wenn er sein Maultier antreibt, und auch der Schuljunge auf seinem Heimweg von der Schule; ansonsten heißt es furbis, flabis, flebi«s »wer schrill pfeift, wird lange weinen«. Mehr über die Weiße Göttin und den Brauch, um den Wind zu pfeifen, erfahren wir im vierundzwanzigsten Kapitel.
»König Ogygos« ist ein Name, der erfunden wurde, um zu erklären, warum Eleusis auch »Ogygiades« hieß. In Wirklichkeit gab es keinen König Eleusis: Eleusis bedeutete einfach das Kommen des Göttlichen Kindes. Und das Kind war nicht wirklich ein Sohn des Ogygos: es war der Sohn der Königin der Insel Ogygia, nämlich Kalypso. Und Kalypso war Daeira oder Aphrodite - wiederum die Weise aus dem Meer, der Geist, der über dem Wasser schwebt. Tatsache war, daß Eleusis, ähnlich wie Taliesin und Merlin und Llew Llaw und wahrscheinlich in der ursprünglichen Version auch Moses [2] keinen Vater, sondern nur eine jungfräuliche Mutter hatte. Den patriarchalischen Griechen erschien dies schändlich, und daher gaben sie ihm Ogyges oder Hermes zum Vater - meist aber Hermes, wegen der sakralen Phalloi, die bei dem Fest in jenem vielseitig verwendbaren liknos ausgestellt wurden. Auch der Weingott Dionysos hatte einst keinen Vater. Seine Geburt war anscheinend die eines früheren Dionysos, des Fliegenpilzgottes; denn die Griechen glaubten, daß Pilze und Fliegenpilze durch den Blitz gezeugt würden und nicht aus Samen entstünden, wie alle anderen Pflanzen. Als die Tyrannen von Athen, Korinth und Sikyon den Dionysos-Kult in ihren Städten legalisierten, beschränkten sie die Orgien anscheinend, indem sie den Fliegenpilz durch Wein ersetzten; daher wurde der Fliegenpilz-Dionysos mit dem Wein-Dionysos verbunden, der nunmehr als ein Sohn der thebanischen Semele und des Zeus, des Herrn der Blitze, erschien. Semele aber war die Schwester von Agave, die im dionysischen Rausch ihrem Sohn Pentheus den Kopf abriß. Für den gelehrten Gwion waren der Wein-Dionysos und der Getreide-Dionysos beide eindeutig Christus, der Sohn von Alpha - d. h. Sohn des Buchstaben A:
Der Weizen,
reich an Ähren
Und rot fließender Wein
Bilden Christi reinen Leib
Des Sohnes Alpha.
Wie das talmudische Targum Yerushalmi zu Genesis 11, 7 erzählt, nahm Jahwe Staub vom Mittelpunkt der Erde und von allen vier Ecken der Erde und vermischte ihn mit Wasser aus allen Meeren, um Adam zu schaffen. Der Engel Michael sammelte den Staub. Da die jüdischen Rabbinen ältere Überlieferungen, die ihrem neuen Kult des transzendenten Jahwe abträglich scheinen, lieber veränderten als eliminierten, könnte man eine ursprüngliche Geschichte annehmen, in der Michal (nicht Michael) von Hebron, die Göttin, von der David sein Königtum durch die Ehe mit ihrer Priesterin erlangte, die Schöpferin Adams gewesen wäre. David heiratete Michal in Hebron, und Hebron kann aufgrund seiner Lage an einer Stelle, wo zwei Meere und drei alte Kontinente aneinandergrenzen, als Mittelpunkt der Erde bezeichnet werden. Diese Gleichsetzung von Michal und Michael mag vielleicht allzu gezwungen erscheinen, wäre es nicht der Fall, daß der Name Michael erst in den nachexilischen Schriften erscheint und daher nicht Bestandteil der alten jüdischen Tradition ist, und daß in der Abhandlung über Maria von Cyrill von Jerusalem, den Budge in seinen Miscellaneous Coptic Texts angeführt, diese Passage enthalten ist:
»Es steht im Evangelium an die Hebräer (einem verlorenen Evangelium der Ebioniter, möglicherweise das ursprüngliche Matthäus-Evangelium) geschrieben, daß der gute Vater im Himmel, als Christus zu den Menschen auf die Erde kommen wollte, eine große Macht herbeirief, deren Name Michael war, und in deren Obhut gab er Christus. Und diese Macht stieg auf die Erde herab und wurde Maria geheißen, und Christus war sieben Monate in ihrem Schoß, wonach sie ihn gebar ...«
Die Ebioniter, essenische Mystiker im ersten Jahrhundert n. Chr., glaubten an einen weiblichen Heiligen Geist; und jene Mitglieder der Sekte, die sich dem Christentum zuwandten und aus denen im zweiten Jahrhundert die clementinischen Gnostiker hervorgingen, machten die Jungfrau Maria zum Gefäß des Heiligen Geistes, den sie Michael (»Wer ist Gott gleich?«) nannten. Den Clementinern zufolge, deren religiöse Theorie in dem Roman Die Wiedererkennnng [3] dargelegt ist, beruht die Identität wahrer Religion zu allen Zeiten auf einer Folge von Inkarnationen der Weisheit Gottes, deren erste Adam und deren letzte Jesus war. in diesem Gedicht Gwions hat Adam nach seiner Erschaffung noch keine Seele, bis Eva ihn dann besellt. Nun begleitete aber Kaleb, wie das Rätsel aus dem Hanes Taliesin erzählt, den Heiligen Geist nach Hebron, als er zur Zeit Josuas die Anakanim aus dem Heiligtum von Machpelah vertrieb. Machpelah, eine aus dem Fels gehauene Orakelhöhle, war die Grabstätte Adams, und Kaleb zog dorthin, um seinen Schatten zu konsultieren. Der priesterliche Redaktor des Buches Genesis bezeichnet sie auch als Grabstätte von Sara und Jakob (Genesis 23,19; 50,13), und in 35, 29, deutet er an, daß auch Isaak dort bestattet wurde. Der Aussage über Jakob wird in Genesis 50, 11, widersprochen, wo es heißt, daß er in Abel-Mizraim begraben wurde. Außerdem lebte Isaak ursprünglich in Beer-Lahal-Roi (Genesis 24, 62; 25,11), wo er wahrscheinlich einst ein Orakel-Heiligtum besaß, denn Beer-Lahai-Roi heißt »Brunnen des Antilopenkiefers«, und falls Isaak ein Boibalos, also ein Antilopenkönig war, so hätte der Brunnen nach seinem prophetischen Kieferknochen benannt sein können - solche Kieferknochen waren in den Orakelstätten üblich; sie wurden dort offenbar zusammen mit der Nabelschnur des Heros aufbewahrt. Nicht weit davon befand sich eine heilige Höhle, die schließlich eine christliche Kapelle wurde. Es ist also wahrscheinlich, daß weder Isaak noch Jakob noch ihre »Weiber« anfangs etwas mit der Höhle zu tun hatten.
Die Geschichte, wonach sie von Ephron (einer »Macht« aus dem Boibel-Loth, wie ich meine) und den Kindern von Heth, meist Hethiter genannt, gekauft wurde, wird in Genesis 23 berichtet. Dieses Kapitel, obgleich erst später entstanden und vielfach überarbeitet, erzählt offenbar von einer freundschaftlichen Einigung zwischen den Anhängern der Göttin Sara, der Stammesgöttin Isaaks, und ihren Verbündeten, den Anhängern der Göttin Heth (Hathor? Thetis?), der das Heiligtum gehörte - Sara wurde von einem anderen Stamm aus Beer-Lahai-Roi vertrieben und suchte offenbar Zuflucht im nahegelegenen Hebron. Nachdem Sara eine Lachende Göttin war und ihre Nachkommen »zahlreich wie der Sand am Meer« sein sollten, war sie anscheinend eine Meeresgöttin ähnlich einer Aphrodite. Wenn diese Geschichte der poetischen Logik gehorchen soll, dann müßte Kaleb in der jüdischen Überlieferung nur noch eine Frau namens Michal heiraten, die eine Vertreterin der lokalen Meeresgöttin war. Nun, er tat noch ein übriges: er heiratete Miriam. [4] (Die talmudische Überlieferung besagt, daß sie »weder schön noch bei guter Gesundheit« war.) Daraus folgt die Gleichung: Miriam I. = Heiliger Geist = Michal = Michael = Miriam II. Michael galt also als das Werkzeug, das für die Schaffung des ersten Adam erwählt war, und er benutzte dafür den Staub Hebrons und Meerwasser; und Jesus war der zweite Adam; und Michael oder Miriam (»Meerwasser«), die Jungfrau Maria, war entsprechend das Werkzeug seiner Erzeugung. Jesus sollte ja auch die Prophezeiung des 110. Psalms erfüllen: »Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: >Du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks.<« Dies wird im Hebräerbrief des Paulus weiter ausgeführt (Hebr. 7, 1-4) Melchisedek (Genesis 14, 18-20), der Sakralkönig von Salem, der »Abraham« in Kanaan willkommen hieß (»Abraham« ist in diesem Sinn der weitgereiste Stamm, der Ende des dritten Jahrtausends v. Chr. aus Armenien nach Palästina kam), »hatte weder Vater noch Mutter« . Salem bedeutet gemeinhin Jerusalem, und wir können annehmen, daß Salem im Boibel-Loth als Gegenstück zu Melchisedek aufscheint, der ein »Priester Gottes des Höchsten« war. Nun stellt aber J. N. Schofield in seinem Werk Historical Background to the Bible fest, daß die Leute von Hebron bis heute David nicht verziehen haben, daß er seine Hauptstadt nach Jerusalem (das »Heilige Salem«) verlegte, das sie als das »Neue Jerusalem« bezeichnen, als wäre Hebron das authentische Jerusalem. Der Talmud berichtet von einer häretischen Sekte der Juden, den Melchisedekianern, die Hebron aufsuchten, um den Leichnam Adams zu verehren (seinen Geist zu konsultieren?), der in der Höhle von Machpelah begraben lag. Falls diese Melchisedekianer Adam anbeteten, die einzige andere biblische Gestalt, die weder Vater noch Mutter hatte, so identifizierten sie zweifellos Melchisedeks Königtum mit dem des autochthonen Adam. Denn Adam, »der Rote«, war anscheinend der ursprüngliche Orakelheros von Machpelah; es ist wahrscheinlich, daß Kaleb seinen Schatten, und nicht den Abrahams, konsultierte, falls nicht Adam und Abraham Titel ein und desselben Heros sind. Elias Levita, der hebräische Kommentator aus dem fünfzehnten Jahrhundert, berichtet die Überlieferung, daß die Teraphim, die Rahel ihrem Vater Laban stahl, mumifizierte Orakelhäupter waren und daß unter ihnen das Haupt Adams war. Sollte er damit recht haben, dann bezöge sich der Bericht aus Genesis auf eine Eroberung des Orakelheiligtums von Hebron, das Sauls Benjamiten von den Kalebiten übernahmen.
Kaleb war ein edomitischer Clan; was auf die Identität von Edom und Adam hinweist: es ist das gleiche Wort und bedeutet »rot«. Falls aber Adam wirklich Edom war, sollten wir erwarten, eine Überlieferung zu finden, wonach das Haupt Esaus, des Vorfahren der Edomiten, ebenfalls in Hebron bestattet war; und diese ist tatsächlich im Talmud enthalten. Die künstliche Erklärung, die dort gegeben wird, lautet, daß Esau und seine Söhne die Bestattung Jakobs in der Höhle von Machpelah verweigerten, mit der Begründung, daß diese edomitischer Besitz wäre; daß Joseph erklärte, sie habe aufgehört, edomitischer Besitz zu sein, als Esau sein Erstgeburtsrecht an Jakob verkaufte, und nach Ägypten sandte, die diesbezüglichen Dokumente zu holen; daß sich daraus ein Kampf entspann, bei dem die Söhne Jakobs siegreich waren und Esau durch den Schwertstreich eines stummen Edomiters enthauptet wurde; daß Esaus Leichnam fortgebracht und auf dem Berg Seir bestattet wurde; und daß sein Haupt von Joseph in Hebron bestattet wurde.
Daß Melchisedek keinen Vater hatte, ist vorstellbar, aber warum hatte er keine Mutter? Vielleicht läßt sich dies aus den Geschichten von Moses, Llew Llaw und dem kretischen Zeus erklären. In jedem dieser FäIle wird der Knabe, kaum geboren, der Mutter fortgenommen. So hat er tatsächlich keine Mutter; er wird meist von einer Ziege, einer Wölfin oder einer Sau gesäugt, und er gerät unter die Obhut von Mentoren. Dies ist das Übergangsstadium vom Matriarchat zum Patriarchat. [5] In den eleusischen Mysterien wurde das Göttliche Kind von Hirten, und nicht von seiner Mutter oder Amme herbeigetragen.
Unter den Strophen des Yr Awdil Vraith sind die siebte und achte am merkwürdigsten:
Zweimal fünf, zehn und acht,
Hatte sie selbst geboren,
Die vielfache Bürde
Von Mann-Frau.
Und dazumal, nicht verborgen,
Gebar sie Abel,
Und Kain, den einsamen
Mörder.
Dies besagt, so meine ich, daß Eva achtundzwanzig Kinder gebar, wobei sie ihre eigene Hebamme war, dann Kain und Abel und dann... Eine Strophe ist unterschlagen: eine Strophe, die offenbar eine sethianische Häresie enthielt, ein bekanntes Element der clementinischen Theorie, wonach Seth als eine frühere Inkarnation Jesu galt. Wir erinnern uns, daß Rhea im Hanes Taliesin-Rätsel vorkommt Rhea als Mutter des kretischen Zeus wie des Romulus. Die Sage berichtet, daß sie viele Kinder gebar, die alle von Kronos, ihrem Geliebten, auf gefressen wurden, bis sie schließlich Zeus gebar, der verschont blieb und endlich seine Brüder an Saturn rächte, indem er ihn kastrierte. Gwion deutet an, daß Eva, die er mit Rhea gleichsetzt, insgesamt dreißig Kinder gebar - und dann das göttliche Kind Seth. Dreißig waren es zweifellos deshalb, weil »die Herrschaft des Kronos« dreißig Tage dauerte und im Mittwinterfest kulminierte, aus dem anschließend Jul oder Weihnachten wurde. Der Buchstabe R (im Boibel Loth Riuben F oder Rhea oder Reu, und im Beth-Luis-Nion Ruis) ist dem letzten Monat des Jahres zugewiesen. Die Herrschaft des Kronos entspricht daher der christlichen Adventszeit, die dem Geburtstag des Göttlichen Kindes vorausgeht. James Frazer erläutert diese Frist von dreißig Tagen ausführlich in seinem Golden Bough, und zwar in seinem Bericht über den Märtyrer Dasius, aus dem vierten Jahrhundert. Die Clementiner lehnten die orthodoxe Geschichte vom Sündenfall ab, weil sie der Würde Adams und Evas abträglich war, und ähnlich gibt Gwion in seiner Darstellung die Schuld an ihrer Vertreibung ausschließlich Satan.
Die »zwölf jungen Männer, vier davon Engel«, (d. h. Evangelisten) sind offenbar die zwölf Stämme Israels, von denen vier - Joseph, Simeon (Simon), Juda (Judas) und Levi (Matthäus) - den Büchern im ersten Kanon des Neuen Testaments ihre Namen liehen; und möglicherweise repräsentieren sie im Sinne des clementinischen Synkretismus die zwölf Tierkreiszeichen.
Die Strophe
Salomon erhielt
In Babels Turm
Alle Wissenschaften
Von Asiens Land,
bedarf sorgfältiger Untersuchung. »Die Sprachverwirrung nach dem Sturz Babels« wurde von den babylonischen Juden als Einsturz der berühmten zziggorath, der »hängenden Gärten« von Babylon aufgefaßt. Aber die ziggorath wurden, anders als der Turm von Babel, vollendet. Es ist viel wahrscheinlicher, daß der Mythos auf die Sprachenverwirrung zurückgeht, die durch die indo-germanische Eroberung von Byblos, der ägyptianisierten Metropole des Seevolkes zu Anfang des zweiten Jahrtausends v. Chr. verursacht war. Zweifellos gab es in Babylon eine »Sprachverwirrung«, aber dieses war nicht durch irgendeine Katastrophe verursacht, und die »Verwirrten« konnten zumindest in der offiziellen assyrischen Sprache miteinander verkehren. Ob es sich so verhielt oder nicht, daß die Byblier zu der Zeit, als die Stadt gestürmt wurde, mit der Arbeit an einem gigantischen ägyptischen Tempel begonnen hatten und ihn nicht vollenden konnten, das weiß ich nicht; aber falls es so war, wäre ihr Unglück natürlich der Eifersucht Gottes auf ihre neue Erfindung zugeschrieben worden.
Außerdem war »Asia« der Name der Mutter von Iapetos, der in Genesis als Japhet, der Sohn Noas erscheint, des Atlas und Prometheus der »Pelasger«; folglich ist »Asiens Land« in den Strophen 6 und 24 ein Synonym für den östlichen Mittelmeerraum, wenngleich damit, genauer, das südliche Kleinasien gemeint war. König Salomo, der tausend Jahre nach dem ursprünglichen Fall von Byblos regierte - es war derweil noch mehrmals gefallen und wieder aufgestiegen - mochte seine religiösen Geheimnisse aus Byblos bezogen haben, das bei den Juden auch Gebal hieß, denn die Byblier halfen ihm, seinen Tempel zu erbauen. Dies geht aus I. Könige 5, 32 hervor, wenngleich in der King James-Bibel die »Gebaliter« als »Steinmetzen« übersetzt sind: »Und die Bauleute Salomos und die Bauleute Hirams und die Gebaliter hieben aus, und bereiteten zu Holz und Steine, zu bauen das Haus.«
»Gebal« bedeutet »Berghöhe«. Die tiefe Weisheit von Byblos - wovon das griechische Wort für »Buch« (und das Wort Bibel) abgeleitet ist - wird von Hesekiel, jenem Propheten, dem die Essener offenbar am meisten verdankten, mit der von Hirams Tyrus verglichen (Hesekiel, 27, 8-9); Tyrus war ein früh-kretisches Handelszentrum. Salomo erbaute seinen Tempel sicherlich im ägäischen Stil, ähnlich jenem der Großen Göttin zu Hierapons, wie Lukian in De Dea Syria schildert. Es gab seit dem vierzehnten Jahrhundert v. Chr. in der Nähe von Byblos eine Danaer-Kolonie.
Obgleich die Kalebiten »Adam« als das semitische Wort Edom (»rot«) deuteten, könnte es sein, daß der ursprüngliche, in Hebron verehrte Heros der danaische Adamos oder Adamas oder Adamastos war, der »Unbesiegbare« oder der »Unerbittliche«, ein Epitheton, das Homer von der Großen Göttin, seiner Mutter, für den Hades übernahm.