Pietismus und Aufklärung

Zur Vorgeschichte der Jugendschriften Hegels

In der Geschichte der modernen Hegelrezeptionen und -renaissancen spielen die sogenannten theologischen Jugendschriften eine merkwürdige und oft für das Gesamtverständnis Hegels entscheidende Rolle. Das ist um so auffälliger, als Hegel selbst sie nicht zur Veröffentlichung bestimmt hatte, sondern in einem fragmentarischen und ungeordneten Zustand hinterließ, in den ihr Herausgeber Hermann Nohl eine erste, von chronologischen Gesichtspunkten bestimmte Ordnung gebracht hat. Gleichzeitig präjudizierte er aber
auch ihr Verständnis, indem er sie unter dem Gesamttitel >Hegels theologische Jugendschriften< veröffentlichte. Nohl hat damit die Interpretation seines Lehrers Wilhelm Dilthey anerkannt, der sie auf die Frage nach der Entstehung des Hegelschen Weltbildes untersuchte, im jungen Hegel einen mystischen Pantheisten sah und nachwies, daß sich sein Denken am Phänomen der Religion entzündet habe. Hegel sei es mit den Kategorien der Kantischen und Fichteschen Transzendentalphilosophie gelungen, zu einem universalgeschichtlichen Verstehen der Gestalten des Geistes durchzudringen; er habe sich so als der »Begründer der Geschichte der Innerlichkeit des menschlichen Geistes« erwiesen.[1]
Die Untersuchungen Diltheys sind auch heute noch für jede Auseinandersetzung mit dem jungen Hegel grundlegend. Auf die Hegelforschung hatten sie nicht nur positiven und das Verständnis Hegels fördernden Einfluß. Man wird Georg Lukacs zustimmen müssen, daß der ungeklärte Begriff des Mystischen, schon bei Dilthey durch seine Theorie des irrationalen Lebens bestimmt, eine Umdeutung des Hegelschen Denkens, vor allem des jungen Hegel, ins Irrationalistische und Pantragistische vorbereitet hat. Justus Schwarz nimmt den Begriff des Lebens auf, ohne seine besonderen Voraussetzungen zu untersuchen, die seine Bedeutung bei Hegel qualitativ bestimmen und ihn vom Verständnis der Lebensphilosophie abgrenzen. Glockner bringt ihn in eine enge Beziehung zum Schicksalsbegriff, in welchem er einen Fundamentalbegriff des Hegelschen Denkens sieht, durch den Hegel den pantragischen Charakter des Lebens ausgesprochen hat, den die spätere dialektische Wendung seiner Philosophie wieder entschärfte.[3] Die Interpretation der Jugendschriften und die Art ihrer Auslegung haben entscheidende Konsequenzen für das Gesamtverständnis Hegels. Es kann nicht übersehen werden, daß sie vor allem der Polemik gegen den Systemcharakter der Hegelschen Philosophie gedient haben. Der junge Hegel habe das fließende und der Erfassung durch den Begriff widerstrebende Leben noch respektiert und dem Denken unüberwindbare Schranken gesetzt.
Für unseren Zusammenhang wichtiger ist die Deutung, die im jungen Hegel den Revolutionär sieht, der im Übergang zum System seinen eigenen Konsequenzen ausgewichen sei und sie ins Reaktionäre einer Versöhnung mit dem Bestehenden abgebogen habe. So weist Löwith darauf hin, daß die Junghegelianer in den radikalsten Tendenzen ihres Philosophierens beim jungen Hegel anknüpfen konnten.[4]
Die Frage nach dem Zusammenhang des jungen Hegel mit dem Hegel der >Phänomenologie< und der >Logik< kann weder durch den Nachweis eines Bruches noch eines kontinuierlichen Fortganges beantwortet werden. In einer bekannten Briefstelle spricht Hegel selbst davon, daß sich »... das Ideal des Jünglingsalters . .. zur Reflexionsform, in ein System zugleich verwandeln« mußte und daß er in seiner wissenschaftlichen Bildung, » . .. die von untergeordneteren Bedürfnissen der Menschen anfing«, »zur Wissenschaft fortgetrieben« werden mußte.[5] Wenn man mit Walter Schulz die Frage nach der Notwendigkeit des Weges, der Hegel vom »Systemfragment« zum eigentlichen System führte, mit der Notwendigkeit des Denkens selbst, »das sich seiner als Denken ausdrücklich bewußt wird«, beantwortet, dann ist damit das Problem keineswegs gelöst. Das Denken unterliegt nach Schulz nur seiner eigenen Notwendigkeit, die durch keine Erfahrung der Geschichte erreichbar ist und insofern das Denken bei sich selbst läßt.[6]
Der Ansatz des Denkens selbst hat sich im Laufe der Hegelschen Entwicklung geändert; daß dies mit der Bedeutung und Rolle der Religion auf's engste zusammenhängt, zeigt die Verlagerung des Schwerpunkts der Thematik. Es wäre ja auch sonst unverständlich, mit welchem Recht Hermann Nohl die Schriften des jungen Hegel so dezidiert als theologische aus den übrigen hätte hervorheben können. Um aber die Frage nach dem Übergang richtig stellen zu können - von ihrer Beantwortung hängt die nach der Genesis der Hegelschen Philosophie ab - muß geklärt werden, was in diesem Übergang verlassen worden ist und ob in der überwundenen Position die Verwandlung in ein wissenschaftliches System schon angelegt war. Ehe wir uns dieser Frage zuwenden, müssen wir auf die Thesen von Georg Lukacs eingehen, die sich auf das schärfste der bisherigen Auslegung der Hegelschen Jugendschriften entgegensetzen. Sie sind in seinem Buch >Der junge Hegel und die Probleme der kapitalistischen Gesellschaft entwickelt.[7]
Lukacs erklärt, daß die These von der Theologie des jungen Hegel eine reaktionäre Legende sei. Gerade der junge Hegel sei ein Feind des Christentums gewesen. »Denn in seiner Jugend will Hegel noch mit aller Leidenschaft die christliche Religion zerstören.«[8] Das Problem des jungen Hegel sei nicht das Christentum oder die Religion, sondern die bürgerliche Gesellschaft. Um das Begreifen ihrer antagonistischen Strukturen ginge es Hegel. Sein Weg zur Ausbildung der Dialektik sei der einer progressiven Überwindung der metaphysischen und religiösen Vorurteile und der Schranken gewesen, die für ihn aus der Zurückgebliebenheit Deutschlands resultierten. Es sei ihm nicht möglich gewesen, eine Zukunftsperspektive zu gewinnen, durch die er die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Prinzip hätte transzendieren können. Auch Lukacs kann nicht leugnen, daß sachlich die Religion und das Christentum zentral die Reflexionen des jungen Hegel beherrschen. Aber nach Lukacs sei Hegel nur auf die Religion eingegangen, um sie in den Geschichtsgang aufzuheben und ihre sittlichen Wirkungen durch den Idealismus der Philosophie zu ersetzen. In der Tatsache, daß Hegel sich nicht ganz von der Befangenheit durch die Religion als einem allgemeinen, mit dem Menschen als solchen gegebenen Phänomen hatte befreien können, sieht Lukacs die bedauerliche Grenze seiner Philosophie. Ja, er kommt zu dem an sich paradoxen Ergebnis, daß der Idealismus Hegels seine Wurzel gerade nicht in seinem Bewahrungsinteresse für die Religion habe, sondern in der Radikalität, mit der er sie in ihrer Positivität habe destruieren wollen. Hegel negiere nicht nur die falsche Objektivität der Religion, sondern zugleich und mit ihr die Objektivität als solche, die er in einer mystischen Subjekt-Objektidentität aufzuheben trachte, die an sich genauso fiktiv sei, wie die Imaginationen des religiösen Bewußtseins. »Denn das identische Subjekt-Objekt des absoluten Idealismus, die Rückkehr des absoluten Geistes zu sich selbst aus der vollständigen Entfremdung in der Natur, aus der teilweisen Entfremdung in der Geschichte zu der vollendeten Erkenntnis seiner selbst, ist im Grunde genommen nichts anderes, als die Rücknahme aller Gegenständlichkeit in jenes mystifizierte Subjekt, das sie angeblich geschaffen hat: die Aufhebung der Gegenständlichkeit überhaupt.«[9] Das Bemerkenswerte an dem Buch von Lukacs besteht darin, daß seine ständige Berufung auf die Weiterentwicklung der Dialektik durch Karl Marx nicht darüber hinwegtäuschen kann, daß Lukacs nicht der marxistischen Dialektik gemäß argumentiert, sondern von einer positivistischen Wiederspiegelungstheorie ausgeht, nach der ein begreifendes Subjekt einer von ihm unabhängigen Außenwelt gegenüber stehe und ihre nach ökonomischen Gesetzen verlaufenden Bewegungen registriere. Der Sündenfall Hegels besteht nach Lukacs in der aus seinem idealistischen Ansatz resultierenden Unfähigkeit, eine subjektunabhängige Gegenständlichkeit anzuerkennen. Der Versuch, die Positivität der Religion zu überwinden, habe ihn zur Leugnung einer jeglichen Gestalt der Positivität geführt. »Denn die Aufhebung der Positivität erstrebt bei ihm nicht bloß den Nachweis, daß alles gesellschaftlich-positiv Erscheinende in Wirklichkeit ein Produkt der menschlichen Tätigkeit ist, sondern wird idealistisch zu der Forderung der Aufhebung der Gegenständlichkeit überhaupt aufgebläht.«[10]
Die Bedenken, die man gegen diese These Lukacs' haben kann und die nur aus seiner eigenen marxistischen Geschichtskonzeption verständlich ist, nehmen seiner Untersuchung nichts von ihrem Wert für die historische Erforschung der geistigen Entwicklung Hegels. Sein unbestreitbares Verdienst besteht methodisch in der Überwindung der immanent verfahrenden Auslegung Hegels und seiner Herauslösung aus den Zusammenhängen der gesellschaftlichen und politischen Bewegungen seiner Zeit. Lukacs hat gezeigt, daß jede Auslegung Hegels - und das trifft auch für den jungen Hegel zu - von der Voraussetzung ausgehen muß, daß sein Denken zentral von der Französischen Revolution und der Rezeption der politischen Ökonomie Englands bestimmt ist.
Die wirkliche Bedeutung dieser Faktoren für Hegel hat Joachim Ritter in seiner Untersuchung >Hegel und die Französische Revolution<[11] aufgewiesen. Ritter zeigt, daß jede Scheidung der Metaphysik Hegels von seiner gesellschaftlich geschichtlichen Theorie sich auf das Verständnis der Hegelschen Philosophie verhängnisvoll auswirken muß. Die Hegelsche Theorie der Gegenwart sei als Begreifen der Zeit im Gedanken der Vollzug der metaphysischen Erkenntnis, wie sie in der Bestimmung als Identität von Denken und Sein der gesamten abendländischen Philosophie zugrunde läge. Eine Auflösung der Einheit dieses Vollzuges bringe die Philosophie Hegels um ihren Sinn als spekulatives Begreifen der Versöhnung, die bei ihm geschichtlich als Entzweiung bestimmt sei. Als Entzweiung hielte sich der Geist in seiner Substanz als Einheit in der Zeit.
Wenn Ritter den Zusammenhang des Hegelschen Denkens mit der christlichen Offenbarung nicht ausdrücklich betont, um den politischen Sinn der Hegelschen Theorie möglichst stark zu akzentuieren, so kommt seiner Untersuchung jedoch eine weit über ihr Thema hinausreichende Bedeutung zu, insofern es ihm gelungen ist, ein die traditionelle Hegelforschung belastendes und das Verständnis seines Denkens verwirrendes Vorurteil zu beseitigen, als stünden Geschichte und Metaphysik bei Hegel in einem aus Gründen der reaktionären Anpassung nur unzulänglich verdeckten Widerspruch zueinander.
Von diesem Ansatz her ergibt sich in bezug auf den jungen Hegel die Frage: »was es für die Philosophie Hegels bedeutet, daß sie sich in der Auseinandersetzung mit den Problemen der politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit entfaltet, und was es für diese bedeutet, daß ihr Austrag nach Hegel die Philosophie in ihrem spekulativen Begriff erfordert.«[12]
So wie es zweifellos richtig ist, wenn Ritter sagt: »Das Ereignis, um das sich bei Hegel alle Bestimmungen der Philosophie im Verhältnis zur Zeit, in Abwehr und Zugriff das Problem vorzeigend, sammeln, ist die Französische Revolution, und es gibt keine zweite Philosophie, die so sehr und bis in ihre innersten Antriebe hinein, Philosophie der Revolution ist wie die Hegels«,[13] so uneingeschränkt gilt aber auch, daß keine Philosophie bis in ihre innerste Genesis hinein so vom Ereignis des christlichen Glaubens, in Zustimmung und Widerspruch geprägt ist, wie die Hegels. Das Wesentliche besteht hierbei gerade darin, daß sie beides zumal und ursprünglich ist. Es gehört in die noch wenig erforschte Geschichte des Hegelschen Denkens, daß alle Wandlungen, Verschiebungen und Neuansätze seines Philosophierens ihren Grund und ihren Anstoß haben in der Art, wie die beiden grundlegenden Momente seines Denkens sich in ihrem Verhältnis zueinander bestimmen. Eine Auslegung der theologischen Jugendschriften darf nicht unter einer einseitigen Fragestellung behandelt werden, sei es einer metaphysischen, sei es einer vorwiegend gesellschaftlich geschichtlichen, das Phänomen muß vielmehr in der Breite und Komplexität aufgenommen werden, wie es sich in den uns vorliegenden Texten darstellt. Daß beide Interpretationsansätze an ihnen durchführbar sind, hat der Gang der Forschung von Dilthey bis Lukacs bewiesen.
Um einen sachgemäßen Zugang zu den Jugendschriften zu gewinnen, fragen wir nach ihren Voraussetzungen und damit nach den Zusammenhängen der Theologie mit den Mächten der Aufklärung in dem Lande, dem Hegel seine Herkunft verdankt: Württemberg. Die gründlichste Untersuchung der hier in Frage stehenden Probleme verdanken wir Robert Schneider, der in seinem Buch >Schellings und Hegels schwäbische Geistesahnen<[14] mit großem Nachdruck und einer Fülle von Belegen darauf hingewiesen hat, daß es unzulässig ist, bei der Berücksichtigung der Vorläufer und Voraussetzungen des jungen Hegel die theologische Bewegung der schwäbischen Mystik, für ihn repräsentiert durch Oetinger und Bengel, zu unterschlagen, nur weil positive Zeugnisse für eine unmittelbare literarische Einwirkung fehlen. Es ist eine besondere Leistung Schneiders, den von der allgemeinen Geistes- und Philosophiegeschichte zu wenig beachteten Traditionen im Württemberg des 18. Jahrhunderts nachzugehen, da ohne ihre Berücksichtigung ein angemessenes Verständnis der Philosophie des deutschen Idealismus nicht möglich ist. Schneider versucht Hegel aus den Kräften zu verstehen, die das Volkstum und die Landschaft bestimmen, denen Hegel entstammte. »Die unbegreifliche Proletarisierung und Entwurzelung ist rückgängig zu machen: Hegel muß mit seiner Heimat, mit seinem Volkstum versöhnt werden.«[15] Schneider hat sich in der durchaus verständlichen Freude des ersten Entdeckens freilich ausschließlich darauf beschränkt, die literarischen Belege als solche zu sammeln und aufzuzeigen, ohne sie sachlich und systematisch einzuordnen. Hinzu kommt, daß er die Theologie Württembergs von den politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen isoliert und, einem antiaufklärerischen Affekt folgend, zu einer einseitigen Einschätzung der Lage Württembergs kommt. Wenn er z.B. sagt: »... man muß annehmen, daß Hegel das schwäbisch-pietistische Gedankengut kannte, daß es zu seiner tieferen Substanz gehörte, - wie er freilich anderseits sich von der Aufklärung nicht zu lösen vermochte«[16] so kann man dem Bedauern des Nachsatzes entnehmen, daß Schneider zwischen schwäbisch-pietistischem Gedankengut und der Aufklärung eine Kluft sieht, die in dieser Weise gar nicht bestanden hat.
Wir werden demgegenüber zu zeigen versuchen, daß das aufgeklärte Denken in Württemberg auch aus dem Grunde sich nicht als eine eigenständige Größe zu radikalisieren brauchte, weil wesentliche Anliegen der aufgeklärten Kritik am feudalen staatlichen und orthodoxen kirchlichen System von der Theologie in Württemberg selbst wahrgenommen wurden. So hat Ernst Benz zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß »... wohl der auffälligste Zug von Oetingers Entwurf der >güldenen Zeit<«, deren Anbruch er für das Jahr 1836 erwartet, die Vorstellung sei, »daß die Gesellschaftsordnung in der güldenen Zeit eine demokratische sein wird.«[17] Wenn es sich aber als zutreffend herausstellen sollte, daß die Losung des »Reiches Gottes«, unter der sich Hegel mit seinen Tübinger Stiftsfreunden Hölderlin und Schelling angesichts der ausbrechenden Revolution in Frankreich zusammenfand, die Herbeiführung einer demokratischen Rechtsordnung von seinem Ursprungsort in der Theologie Bengels und Oetingers als einen unabdingbaren Inhalt in sich trug, dann wird man zumindest vorsichtiger in dem Urteil sein, daß die vom Rausch des Zeitgeistes erfaßten Jünglinge den sehr sprirituell gemeinten Reich-Gottes-Gedanken illegitim auf einen säkularen Vorgang übertragen hätten. Schwerlich wird man bereits in Oetinger und Bengel Parteigänger der Revolution sehen wollen.
Vielleicht aber ist man in ihrer Deutung als Mystiker zu sicher gewesen. Der Tatbestand ist verwickelter und komplizierter. Denn wie konnte es im Württemberg des 18. Jahrhunderts zur Ausbildung einer sich so weit nicht nur über die Grenzen der Orthodoxie hinauswagenden, sondern sie in ihrem innersten Zentrum zerstörenden Theologie kommen? Zur Beantwortung der Frage weist man gerne auf die Eigenart des Pietismus in Württemberg hin, der eschatologischer in seiner Grundstimmung, realistischer in seiner Weltbeurteilung und geschichtsbezogener in seiner Grundtendenz sei, als die sonst im damaligen Deutschland anzutreffenden sektiererischen Strömungen. Als weiteren Grund weist man auf den schwäbischen Volkscharakter hin, der einen erdverbundenen und freiheitsliebenden Menschenschlag hervorgebracht habe. Dieser Hinweis erklärt wenig und dürfte im entscheidenden Punkt falsch sein. Die Voraussetzungen liegen vielmehr in der Geschichte dieses Landes, seiner Verfassung, seiner soziologischen Gliederung und der Eigenart der Kirche zwischen Staat und Gemeinde. Die landschaftliche Verfassung des Landes ist eine in Deutschland singulare Erscheinung und enthielt unter den Bedingungen des 18. Jahrhunderts im Keim den Gedanken einer rechtsstaatlichen Ordnung. Das Verhältnis vom Herrscher zum Volk vermittelte sich durch die Repräsentation der Landschaften und beide waren dem Recht untergeordnet, das seine Fixierung in einem komplizierten System fand, das aus Verträgen, Privilegien und dem ungeschriebenen Recht des Herkommens stammt.
Die zweite, sehr wichtige Eigentümlichkeit bestand in der kirchenrechtlichen Situation in Württemberg. Nachdem Karl Alexander noch vor dem Antritt seiner Herrschaft im Jahre 1712 zur katholischen Kirche übergetreten war, hatten die Herzöge jeden wirklichen Einfluß auf die kirchlichen Belange in Württemberg verloren. Karl Alexander mußte in den »Religionsversalien« vom 17.12.1753 die feierliche Versicherung abgeben, daß er sämtliche Landesfreiheiten, in Sonderheit den evangelisch-lutherischen Glauben beschützen und keinerlei Änderungen im Religionsstand Württembergs vornehmen wolle.[18] Die Situation ließ also grundsätzlich die verschiedensten Konstellationen im Verhältnis von Kirche und Staat, Fürst und Landständen, Volk und Regierung zu. Während der Herrschaft Karl Eugens, sind nahezu alle denkbaren Möglichkeiten durchgespielt worden. Bruch der in der Verfassung verankerten Rechte der Landstände auf der einen, also brutale Tyrannei, Zusammengehen des Fürsten mit der von ihm geschaffenen Bürokratie gegen die reaktionären Landstände auf der andern Seite, also eine sich liberal aufgeklärt verhaltende Monarchie, dazwischen ein sich immer mehr zu einem Staat im Staate entwickelndes Kirchentum, das mit Hilfe klerikaler Verwaltung eine strenge Kirchenzucht praktizierte und argwöhnisch über die Wahrung der eigenen Rechtshoheit wachte. Es ist nicht merkwürdig, daß bei einer so wandlungsreichen, alle gesellschaftlichen, rechtlichen und religiös-theologischen Fragen der Zeit in der Realität selbst praktizierenden Geschichte, das geistige Leben Züge einer erstaunlichen Intensität und Produktivität trug. Die im christlichen Herkommen des Landes ruhende Sitte und der Zusammenhang mit der lutherischen Überlieferung waren stark genug, um alle aus Gesellschaft und Staat entstehenden Probleme und Nöte als Fragen des Glaubens selbst zu stellen und auszutragen. Aus der Fülle der Gestalten und Ereignisse heben wir nur die heraus, die die Fragestellung der Oetingerschen Theologie unmittelbar und des jungen Hegel im weiteren Sinne vorbereitet haben oder doch zu ihrem Verständnis beitragen.
Die Gestalt Johann Jakob Mosers (1701-1785) bedeutet für die Geschichte Württembergs einen Wendepunkt, da sich in ihm, seinem Schicksal und seinem Denken, der Verfall des alten Württemberg und sein Eintritt in eine neue, durch die Macht der Aufklärung mitbestimmte Epoche anzeigt. Johann Jakob Moser war lutherischer Christ, einer der letzten Staatsrechtler des alten Reiches, württembergischer Landschaftskonsulent und ein politischer Märtyrer, der seinen Kampf gegen die Tyrannei des Herzogs mit langjähriger Haft unter den unmenschlichsten Bedingungen bezahlte. Er hat staatsrechtliche, kirchenrechtliche, theologische, homiletische und religiöse Schriften hinterlassen. In seinen rechtsphilosophischen Schriften tritt er ein für das Gelten des überkommenen, ungeschriebenen geschichtlichen Rechts, und ist damit ein Verteidiger des Rechts der Geschichte und des geschichtlich Gewordenen in allen Fragen der irdischen Ordnung.
So heißt es bei ihm: »Annebst wollen Wir alle und jede unsere Fürstliche Collegia anweisen, und hiermit auch angewiesen haben, in Religions- und Kirchen- auch dahin einschlagenden Ökonomie-Sachen, nach der Observanz und dem Herkommen Unsers Herzogthums, in denen Fällen, wo es nöthig, jedesmalen mit gedachter Landschaft gehörig zu kommunizieren, und in Sachen von Wichtigkeit vor sich nichts einseitig zu verfügen.«[19] Diese durch das Herkommen gestaltete Ordnung ist aber für ihn nichts in sich selbst - es wäre daher falsch, in Moser einen positivistischen Traditionalisten sehen zu wollen - sondern hat ihre Bedeutung darin, dem Glauben zur praktischen Realisierung und damit der Freiheit zu dienen. Wo die Freiheit in der Geschichte Wirklichkeit würde, da wäre das Paradies wiedergewonnen. »Wie glückselig wäre ein Land, dessen Regent, nebst seinen Räthen, Bedienten und Unterthanen, alle wahre Christen wären! Das wäre eine Art eines Paradieses auf dieser Welt.«[20] Der in Württemberg konkret herrschenden Rechtsordnung fühlt er sich aus sehr nüchternen Erwägungen verbunden, z.B. weil sie die Leibeigenschaft ausschließt. »Und wüßten manche Unterthanen wie andere Unterthanen in und außer Deutschland, wo eine harte Leibeigenschaft im Schwange ist, und die Leibeigenen nichts Eigenthümliches an Häusern oder Gütern besitzen dürfen, gehalten werden, nämlich weit ärger als das Vieh selbst, wie würden sie Gott auf den Knien danken, daß sie es noch so haben, wie sie es haben.«[21] Die Aufnahme der lutherischen Ermahnung, daß der Christ der Obrigkeit Untertan sein soll, die bei Moser durchaus zu finden ist, hat also bei ihm einen fortschrittlichen Sinn: eine der relativ am weitesten fortgeschrittenen Verfassungen im damaligen Europa zu erhalten und zu bewahren. Der Erste, der, als die Grundlagen dieser Verfassung durch widerrechtliche Forderungen des Herzogs an die Landschaften, weitere Steuern zu bewilligen, angetastet wurden, die Maxime des leidenden Gehorsams preisgab, war Moser selbst. In seiner Haft zerfiel ihm nicht der Glaube an die Entschlossenheit Gottes, sein Gottesrecht, in welchem für Moser die ewigen Menschenrechte einbehalten waren, durchzusetzen, sondern sein Vertrauen in die irdischen Fürsten, es zu repräsentieren. Die betont pietistische Wendung in die Innerlichkeit, die beim alten Moser zu beobachten ist, trägt Züge der Resignation am politischen Gelingen.
Doch warum empfiehlt es sich in einer Untersuchung, die nach den Voraussetzungen des jungen Hegel fragt, des ehrwürdigen Streiters für das »gute alte Recht« Erwähnung zu tun, da doch Hegel in seiner Schrift zum württembergischen Verfassungsstreit später für den König gegen die Stände Stellung nahm und sich damit gegen die Herrschaft des alten Rechts ausgesprochen hat? Auch Moser hat sich zu seinen Lebzeiten als Konsulent gegen die Landschaften gewandt, als sie immer mehr zu einer Institution der Wahrung partikularer Interessen zu entarten drohten, sich damit gegen das Wohl des Ganzen stellten und reaktionär wurden. Offenbart nicht diese überlegene, sich vom Zufälligen befreiende Sicht auf das Ganze, von dem zwar Moser noch keine Theorie entwickelte, eine gemeinsame Teilhabe an einer konkreten Vernunft, die nichts wegwirft, so lange noch ein Gutes davon zu hoffen ist, und dem geschichtlich Werdenden da sein Recht zubilligt, wo es dem Ganzen selbst zu einer vollständigeren Realisierung entgegenarbeitet?
Gerade die Gestalt Johann Jakob Mosers läßt die Momente deutlich hervortreten, die Hegel mit seiner »württembergischen Vernunft« verbinden und die Struktur seines Denkens grundlegend bestimmten. Erstens die Absage an jeden, dem abstrakt deduzierenden Verstände entspringenden Versuch, die Totalität der sittlich-staatlichen Welt aus dem Begriff heraus zu konstruieren und der Welt, wie sie ist, unvermittelt entgegen zu stellen. Hierfür ein Beleg: Die im Jahre 1802 entstandene Schrift >Die Verfassung Deutschlands< enthält nicht nur den Nachweis, wie sehr das Interesse Hegels am Geschick des Reiches und seinen Institutionen mit dem Denken des Staatsrechtslehrers Johann Jakob Moser übereinstimmt, sondern ist aus einem Geist heraus geschrieben, der die besten Überlieferungen des alten Württemberg bezeugt. So heißt es in der Einleitung: »In ewigem Widerspruch zwischen dem, was sie fordern, und dem, was nicht nach ihrer Forderung geschieht, erscheinen sie (die Deutschen, Zus. d. Verf.) nicht bloß tadelsüchtig, sondern, wenn sie bloß von ihren Begriffen sprechen, unwahr und unredlich, weil sie in ihre Begriffe von dem Recht und den Pflichten die Notwendigkeit setzen, aber nichts nach dieser Notwendigkeit geschieht und sie selbst so sehr hieran gewöhnt sind, teils daß ihre Worte den Taten immer widersprechen, teils daß sie aus den Begebenheiten ganz etwas anderes zu machen suchen, als sie wirklich sind, und die Erklärung derselben nach gewissen Begriffen zu drehen.«[22] Im Unterschied zu Moser konnte Hegel den überkommenen Institutionen nur eine negative Diagnose stellen: das Leben und der Sinn für die Wirklichkeit hatten sie vollends verlassen. Noch stärker als die Absage an jedes nur abstrakt antithetische Verhältnis zur Geschichte, hat ihn die Art der Beziehung der christlichen Religion zum Staat und zur Gesellschaft bestimmt und das Festhalten der substantiellen Bedeutung, die sie für beide hat. Warum die Aufnahme dieser Tradition es Hegel nicht unmöglich machte, ein positives Verhältnis zur westlichen Aufklärung zu finden, ja, ein solches aus theologischen Gründen forderte, soll der weitere Gang unserer Untersuchung zeigen.
Schon bei dem Sohn Johann Jakob Mosers, dem Freiherrn Friedrich Carl von Moser (1723-1798), wird die Beziehung zur Aufklärung deutlicher und gewinnt artikulierte Gestalt. Eine Lektüre seiner Schriften zeigt, wie unhaltbar die Behauptung Lukacs' ist, daß die Beziehung der Religion zum Staat bei Hegel nur den Sinn haben könnte, unter den Bedingungen des zurückgebliebenen Deutschland die Revolution vorzubereiten. Hegel hätte versucht, die erhaltenden Wirkungen, die dem Staat aus der Existenz der Religion zuteil werden, durch ihre theoretische Destruktion aufzuheben. Ein zentraler Satz bei Friedrich Carl von Moser, der wie sein Vater vom christlichen Glauben aus an die Fragen der Zeit und ihre auflösenden Tendenzen herantritt, lautet: »So hat darinnen der Staat gleiche Schicksale mit der Religion.«[23] Was bedeutet dieser Gedanke Mosers, der auch so beim jungen Hegel stehen könnte? Er bedeutet keine einseitige Apologie der Religion, um sie dem wankenden Staat als Therapie besser empfehlen zu können. »Dann gerade heraus es zu sagen: Eine Religion, die den Geist des Menschen beengt, ihm seine Elastizität und Kräfte schwächt und benimmt, eigenes Forschen und Nachdenken verbietet, den Verstand in Fesseln eines blinden Gehorsams und Glaubens gefangen legt, das Herz in seinen Wünschen auf die Ewigkeit in unbefriedigter Ängstlichkeit erhält, das Leben vors gegenwärtige traurig und sorgenvoll vor die Zukunft macht, eine solche Religion, wenn sie Volks-Glaube sein soll, kann unmöglich frohe, vergnügte, mit sich selbst zufriedene, über sich selbst verständigte Menschen machen, ein so gebildetes und geleitetes Volk kann mithin freilich nicht weise, noch die Regierung über ein Volk, das nach Grundsätzen stumm bleiben soll, weder moralisch noch politisch glücklich genannt werden.«[24] Diese Ausführungen sind darum so bemerkenswert, weil Moser ja kein Aufklärer, sondern ein lutherischer Christ war, und weit davon entfernt bleibt, die Religion auf ihren funktionalen Wert für die Erhaltung des Staates zu reduzieren. Moser weiß, daß der Staat als Staat nicht bestehen kann, ohne sich im Glauben seiner Bürger zu begründen und von ihnen getragen zu werden. Die Perspektive eines der Religion beraubten Staates mündet bei ihm in das Bild des Zerfalls und des Untergangs: »Verachtung und Gleichgültigkeit der Religion bricht als eine Fluth durch zerrissene Dämme, an den meisten Höfen, mit Macht herein, und setzt den Staat in eine unheilbare Fäulnis.«[25] Die Zerstörung der Religion führt für Carl Friedrich von Moser die Zerstörung der Grundlagen des Staates und damit des Staates selbst herbei. »Die Grund-Festen des ganzen Staats werden unterminiert, wann die Gesetze ferner, wie bisher mißdeutet, verdrehet, mißbraucht, verdunkelt, gehöhnet und zu Boden getreten werden.«[26] Die Aufklärung erscheint so bei Moser als der Einbruch eines Reichs der Finsternis, weil aus der theoretischen Destruktion des Glaubens ein »practisches Verderben der Welt« folgt. »Zu dem practischen Verderben der Welt kommt nun auch immer mehr die theoretische Verführung. Diese ist nicht mehr das Werk einzelner Zweifler und Spötter, sondern ein sich immer mehr offenbarender geschlossener Plan des Reichs der Finsternis, Vorboten eines einbrechenden allgemeinen Verderbens und schwerer göttlicher Gerichte.«[27] Die Anwendung aufklärerischer Maximen auf die Praxis des Staates wird die Herrschaft unumschränkt und den Gehorsam der Untertanen absolut machen. »Die ganze Staats- und Regierungskunst wird vergiftet... Unumschränkte Gewalt auf Seiten der Regenten und blinder Gehorsam auf Seiten der Untertanen, würde der herrschende Grundsatz aller Regierungen und nach demselben alle anderen Maximen und Regeln angepaßt.«[28]
Die kritische Auseinandersetzung mit seinem Zeitalter führt bei Friedrich Carl von Moser zum Glauben an die Existenz der unsichtbaren Kirche, in die sich Freiheit und Menschenwürde vor dem Zugriff der Zeit geflüchtet haben. »Bey den vielen und sich noch immer polypenmäßig vermehrenden Academien und Societäten der Wissenschaften, des Ackerbaus, der bildenden Künste und wie sie immer heißen, bleibt doch noch eine Anstalt zu wünschen übrig: Eine Bruderschaft der Freiheit und Menschenrechte. Doch, sie ist da, sie existiert, sie lebt, aber nur, wie die unsichtbare Kirche, sie ist zerstreut in alle Welt, sie hat ihre Apostel, Lehrer, Bekenner, Anhänger und Jünger, aber ohne Tempel, Glocken und Thürme, ihr Wind blaset, wo er will und wo er kann, man höret sein Sausen wohl, man weiß aber selten, von wann er kommt, sie hat, wie die Wahrheit, keine bleibende Stätte, sie kennt, aber sie flieht die, so in reichen Kleidern gehen, und in den Häusern der Könige wohnen, sie hält sich zu dem, was gedrückt, verfolgt und verachtet ist vor der Welt.«[29] Auch beim jungen Hegel steht die Idee der unsichtbaren Kirche als eine Stätte der Menschenwürde und Freiheit am Anfang seiner politischen Philosophie.
Mit dem Hinweis Mosers auf die unsichtbare Kirche der Freiheit und Menschenwürde, die in der Welt verborgen ist, stellt sich der Zusammenhang her mit den zahllosen, über das ganze Land zerstreuten Zirkeln der pietistischen Brüdergemeinden. Diese hatten, ohne äußerlichen Druck, sich aus der sichtbaren, offiziellen Kirche zurückgezogen und erharrten in andächtiger Gebetsgemeinschaft das Kommen des Herrn, nicht ohne durch ihre stark auf Separation hinzielende Praxis erkennen zu lassen, daß sie die württembergische, konsistorialverfaßte Landeskirche nicht mit dem Reich Gottes verwechselten. Die Stärke der pietistischen Bewegung in Württemberg fällt mit einer zunehmenden Indifferenz der Frömmigkeit gegen die Gestaltung des politischen und gesellschaftlichen Lebens zusammen, die sehr wohl mit der Spannung harmoniert, mit der sich ihre Theologie der herrschenden Universitäts- und Kirchentheologie entgegenstellte. In der repräsentativen Gestalt, die diese Theologie bei Bengel und Oetinger gewonnen hat, zeigt sich, daß die Entaktualisierung der Frömmigkeit in der politischen Praxis nicht Gleichgültigkeit gegen die Inhalte einschließt, die der Staat nach der überkommenen Meinung lutherischer Theologie zu realisieren hat. Mit dem Einbruch eines neuen Äons, den man für das Jahr 1836 erwartete, sollte sich die Übernahme der weltlichen Herrschaft durch Christus selbst vollziehen, eine jede durch Gewalt definierte Herrschaft aufgehoben und durch eine Rechtsordnung abgelöst werden, die das menschliche Sein in Freiheit setzt. Es ist wohl zu beachten, daß Bengel nicht auf den Vollzug der letzten Dinge, also Weltende und Gericht, sondern einen Geschehens- und Ereigniszusammenhang verweist, der ihnen vorausgeht und sie ankündigt. Während Bengel sich noch vorwiegend auf eine theologische Fundierung und Herleitung konzentriert und in unermüdlicher Auslegung der Schrift und der Weltgeschichte nach den aus der Schrift gewonnenen Auslegungsprinzipien die eschatologische Dimension der Offenbarung wiederentdeckt und mit einer Kraft und Ursprünglichkeit zur Geltung bringt, wie das seit der Reformation nicht geschehen war, entfaltet Oetinger die politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen der Friedensherrschaft Christi.
Die Theologie Bengels beruht auf einem neuen Gesamtverständnis der Schrift des Alten und Neuen Testaments. Dieses ist durch die Auffassung bestimmt, daß in der Schrift ein System enthalten und die Ökonomie der Zeiten offenbart ist, nach der Gott seinen Plan mit der Menschheit nach dem Gesetz von Verheißung und Erfüllung, Schuld und Überwindung der Schuld, aus anfänglicher Verborgenheit zur sukzessiven Klarheit bringt und durchsetzt. »Bey dieser letztern Betrachtung erkennt man erst, warum die heilige Schrift Alten und Neuen Testaments in ihren Büchern so, und nicht anders, gestellet sey, als wie sie von Mose bis auf die Apostel nacheinander verfasset ist, und ein Systema, oder ganze, zusammenhängende Urkunde abgibt: ohne solche Betrachtung aber gehen viele mit der Heiligen Schrift grossen Theils um, wie mit einem Spruchbüchlein.«[30]
Die Offenbarung hat auf ihrem Gang durch die Zeiten »Stufen« zurückzulegen, Äonen und Epochen, in denen nicht nur das, was immer schon war, der Grund vom Anfang als Schöpfung Himmels und der Welt, an Bewußtsein und Durchsichtigkeit zunimmt - eine so spirituelle Auffassung würde die Meinung Bengels gerade verfehlen - sondern die Zeiten gehen mit der Fülle und dem Reichtum der Offenbarungen Gottes schwanger, tragen sie aus und lassen sie als Gestalten der sich wandelnden Welt hervorgehen. Nichts geht dabei verloren: »Wir gehen von einer Stunde zur andern, von einem Tag und Jahr zum andern dahin, und was einmal vorbey gegangen ist in unserm Thun und Lassen und Leiden, das achten wir fast nicht, es ist meistens wie ein Wasser, das dahin geflossen ist. Aber in der Allwissenheit Christi ist alles aufgehoben.«[31] Die Allwissenheit ist bei Bengel Gott allein vorbehalten, der Christ vermag aber im Glauben Anteil an ihr zu gewinnen. In diesem Festhalten an der Vermittlung durch den »Sohn« sind sich Hegel und Bengel einig. Auch Hegel gibt - wie Bengel - im Unterschied zur Gnosis die Positivität der Weltmanifestationen Gottes nicht preis. So entspringen die sehr künstlichen chronologischen Überlegungen und Manipulationen, die Bengel zur Berechnung der in der Schrift geweissagten Zeitenlinie anstellte, der Gott in seinem Handeln folgt, dem Willen, den Gottesplan mit dem Verstandeskalkül zu verbinden. »Die Zeit-Linie gehet durch die ganze heilige Schrift, und ist mit dem Zweck derselben, sofern er die Vorstellung der göttlichen Ökonomie betrifft, innigst verbunden.«[32]
Die Wiederentdeckung der Eschatologie ist bei Bengel die Folge eines gespannten Aufmerkens auf die Geschichte der Zeiten und Völker, die bei ihm zum bevorzugten Ort für das Handeln Gottes wird, und einem gläubigen Bemerken der Zeit und ihrer Zeichen. »Das Meer und die Erde ist noch nicht von den Feinden gesäubert. Das Letzte und Ärgste von der wenigen Zeit des ergrimmten Teufels auf der Erden ist im Gang und kann sich bald in schröcklichen Ausbrüchen zeigen.«[33] Bengel läßt keinen Zweifel, wen er für die Zerstörer der Gotteswelt hält: die Mächtigen und Potentaten, das Salz, das faul geworden ist. »Doch gibt es deren viel, die die Erde verderben und es ist, als ob diejenige, die auf der Erde wohnen, absonderlich die Mächtigen, die sonst so uneins sind, nur darin eins werden, die Erde zu verderben. Solches geschieht, durch Verfolgung und Gewissenszwang, durch unnöthige Kriege...,«[34] Die Schärfe und Radikalität, mit der Bengel die Großen dieser Welt anklagt und zur Rechenschaft zieht, übertreffen die der aufgeklärten Kritik. »O wie geschwind wird Christus mit seynen Feinden fertig seyn! was wird das für eine Änderung bei den Königreichen der Erden seyn, wann alle ihre Könige vertilgt werden, samt ihren Gewaltigen und Armeen.«[35] Streicht man die Berufung auf das Kommen Christi, dann könnte man in dem Autor einen Jakobiner vermuten. Dieser sozial-revolutionäre Zug der Bengelschen Eschatologie beweist, daß das Pendant zur französischen Aufklärung in Deutschland nicht in der zahm philiströsen Popularphilosophie zu suchen ist, sondern in der württembergischen Theologie. Sie geht in ihren sozialen Forderungen über die französische Revolution hinaus und wurde auch durch die sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts nicht übertroffen. Hegel befand sich in voller Übereinstimmung mit dieser Theologie, wenn er darüber triumphierte, »daß der Nimbus um die Häupter der Unterdrücker und Götter der Erde verschwindet.«[36]
Wenn Hegel die Orthodoxie in die Verurteilung des zum Untergang bestimmten Systems einbezieht, so dürfte das ganz mit der innersten Meinung des von seinen vorgesetzten Kirchenbehörden beargwöhnten und kalt gestellten Klosterpräzeptors von Denkendorf übereinstimmen. »Und wie steht es bey den Protestanten? Die Wahrheit hat man lange Zeit in Undank und Bosheit aufgehalten...,«[37] Mit dem Satz »Es läßt sich dazu an, daß die Welt eine andere Gestalt bekommen wird«[38] faßt Bengel sein in eschatologischer Erwartung gewonnenes Urteil über die Zeit und ihr boshaftes Geschlecht zusammen.
Es ist merkwürdig zu beobachten, wie sehr Bengel in der Struktur seines Geschichtsdenkens, der Einschätzung seines Zeitalters im Ablauf der Weltgeschichte und vor allem in seinen an der Zukunft orientierten Zeitspekulationen mit seinem schärfsten Antipoden, der Aufklärung, übereinstimmt. Diese hatte in Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739-92) einen großartigen und einflußreichen Vertreter gefunden. In einer von ihm herausgegebenen, periodisch erscheinenden Zeitschrift >Chronologen< verkündete er das Gericht als nicht von Gott, sondern von der Geschichte verhängt. »Völker! vernehmet eure Geschichte: einst wäret ihr Thiere; die Handlung machte euch zu Menschen; die Philosophie wird euch, wenn ihr wollt, zu Göttern machen.«[39]
Erwartete Bengel vom bevorstehenden Kommen Gottes die Lösung aller innerweltlichen Aporien und eine endgültige Überwindung aller Katastrophen und Widersprüche in der geschichtlichen Existenz des Menschen, so ruft Wekhrlin die Völker zum Handeln auf, um sich selbst die ihnen von den Unterdrückern der Erde vorenthaltenen Rechte zurück zu holen. Sammelten sich die Bengelschen Pietisten als Gemeinde der Endzeit, um die Errichtung einer menschlichen Verfassung der politischen Gewalten von Gott zu erwarten, so erhebt Wekhrlin den Menschen zum Träger der Vernunft, die befähigt ist, die umwälzenden Veränderungen vernünftig zu vollziehen. »Die Gesetzesverfassung - welche eigentlich das öffentliche Gewissen des Staats ist - ist die Seele der Staatskunst. Dieser wichtige Lehrbegriff der bürgerlichen Gesellschaft war den vorigen Zeiten fast gänzlich unbekannt. Wie sollte die Staatskunst einem Jahrhundert bekannt seyn, wo die Macht Alles, und der Gegenstand Nichts war?«[40] Diese aufgeklärte Sprache will wenig zu dem Bild eines idyllischen Württemberg passen. Die Religion ist für Wekhrlin nur die »älteste unter den Leidenschaften des Menschen« und sie diente bald der Unterdrückung zum »Werkzeug, bald dem Geize, bald dem Betrug, dem Blutdurste - oder auch der Tugend.«[41] Der Freiheitsgedanke dagegen wird bei ihm preisgegeben. Freiheit ist ein Phantom, »ein Ding, das niemals in der Welt war, das niemals in der Welt sein kann«, - eine sehr bezeichnende Abweichung von Bengel und Oetinger, die gerade von der Zukunft den Durchbruch zur Freiheit erwarteten.
Schwäbischer Pietismus und schwäbische Aufklärung sind beide auf die Endzeit gerichtet. Die eigene Zeit wird als die große Wende erlebt, in der sich die Verwirklichung der Eschatologie ankündigt, im Hindurchgang durch die Gegenwelt der Aufklärung, als dem ohnmächtigen Versuch, durch die Herrschaft der Vernunft - über eine sich selbst in Besitz nehmende Menschheit - die Last der Geschichte von sich abzuwälzen. Die Gleichartigkeit der Struktur von Eschatologie und aufgeklärtem epochalem Denken gehörte zu den »selbstverständlichen« Voraussetzungen des jungen Hegel. Ein Zeichen dafür ist die Tatsache, daß Hegel einmal den Beginn der neuzeitlichen Freiheitsepoche mit dem Ausbruch der Revolution in Frankreich ansetzen konnte und das andere Mal mit der Reformation.[42]
So sehr die Gesamtauffassung, die dem Bengelschen Geschichtsdenken zugrunde lag, in die Hegelsche Philosophie eingegangen sein dürfte, so schwer ist doch ein unmittelbarer sachlicher Anknüpfungspunkt aufzuweisen. Dafür ist der Abstand zwischen dem Denker des spekulativen Begriffs, der die Einheit der Weltgeschichte als den Prozeß des sich in ihr realisierenden Geistes verstanden hat, und dem Vertreter einer biblizistischen Theologie zu groß. Erst als Oetinger, Bengels bedeutendster Schüler, die Beschränkung auf die Bibel aufgab und die antike Philosophie in seine Theologie des Lebens aufgenommen hatte, war der Zusammenhang hergestellt, an den Hegel anknüpfen und in seinen theologischen Schriften weiterführen konnte.
Schon Robert Schneider hat die Behauptung aufgestellt: »Der junge Hegel verdankt dem Lebensbegriff Oetingers gerade seine anscheinend persönlichsten Gedanken und Formulierungen, vor allem die organische All-Einheitslehre und die Bezeichnung der organischen Ganzheit als Geist.«[43] Wenn das zuträfe, dann läge gerade im vielumstrittenen Lebensbegriff des jungen Hegel ein klarer Verweis auf die Theologie Oetingers, der ja die seine aus der Idee des Lebens abgeleitet hatte. Schneider sagt aber auch: »Die schwäbische Philosophie der Natur endet in der Theologie der Geschichte.«[44]
Die Oetingerschen Naturspekulationen hatten aber ihren Ursprung in der Theologie der Geschichte und setzten sie als Begründung ihrer Notwendigkeit voraus. Das entspricht auch mehr dem geschichtlichen Sachverhalt, denn Oetinger, als Schüler Bengels, bei dem die Theologie der Geschichte im Mittelpunkt stand, schrieb die Abhandlungen, in denen sich die Geschichtsreflexion unmittelbar auswirkt, in einer verhältnismäßig frühen Phase seiner Entwicklung. So stammt zum Beispiel die Abhandlung >Die güldene Zeit oder Sammlung wichtiger Betrachtungen< aus dem Jahre 1759. Wie zentral die Bengelschen Zeitspekulationen zum inneren Grund des Oetingerschen Denkens gehören, mag man daraus entnehmen, daß er in Bengel einen Träger spezieller Offenbarungserkenntnis sah und ihn den Aposteln gleichwertig zuordnete. »Was aber den Aposteln versagt war, ist eine in unserer Zeit erfolgte Gnadengabe. In unserer Zeit sind nach dem Geschenke des Herrn durch den trefflichsten Chronologen, Bengel, die Chronik und die Zeiten aufgeschlossen worden. Dieselben sind jetzt nach Maßgabe unserer Erkenntnis ein höchst würdiger Gegenstand des Glaubens geworden.«[45]
Die Oetingersche Naturphilosophie ist nur in ihrem geschichts-theologischen Zusammenhang zu verstehen; so wie auch beim jungen Hegel die Natur nie abstrakt der Geschichte entgegengesetzt wird, sondern immer nur in der Geschichte und als Geschichte ihre Wirklichkeit hat. Die abstrakten Naturrechtstheorien der Aufklärung, wie die poetisierte Natur der romantischen Dichtung sind nicht mit dem Begriff der Natur bei Oetinger zu vereinbaren, da er sie in der Aufnahme des Aristoteles als Dynamis und Entelechie versteht. »Aristoteles, der ehedem ein Zuhörer des Plato war, merkte, daß die Philosophie des Plato nur das Intelligibile, das heißt, taonta für substantiell ansehe, endlich gab er dieser Philosophie den Abschied und sagte: Ich habe nichts weiter mit diesen Platonischen Ideen zu schaffen, sie sind Mißgeburten. Wenn Plato, wie Patricius angibt, erklärt, daß er von den babylonischen Weisen vieles gelernt habe, so hat auch Aristoteles von den Juden, welche sonst verhaßt waren, den Begriff der Entelechie entlehnt; ohne die den Juden zugekommene Offenbarung hätte er zureichende Begriffe über die Seele nicht erreichen können.«[46]
Diese seltsam anmutende Zurückführung des Entelechiebegriffs hat bei Oetinger den präzisen Sinn, die Offenbarungskonformität dieses Begriffs zu sichern, und die theologische Legitimität seines Verfahrens zu erweisen, den im entelechischen Prozeß angelegten Gedanken der Entfaltung mit den Stufen des offenbarenden Handeln Gottes in der Geschichte in einen unmittelbaren Zusammenhang zu bringen. Die Heilsgeschichte Gottes fällt bei Oetinger mit der sukzessiven Heilung der Natur zusammen. Christus wird zum Messias und Heiland der Natur, bei Hegel zum Luzifer, weil in seinem Werk die Wiederherstellung der sich selbst entfremdeten Natur auf die in ihr entelechisch angelegte Ganzheit von Gott gewirktes Ereignis wird. Das hierbei vorausgesetzte Naturverständnis Oetingers wird nur unzulänglich erfaßt, wenn man es als dynamistisch oder organisch charakterisiert. Dynamistisch ist es nicht nur, weil Natur bei Oetinger immer telosbestimmt ist, und organisch kann es nur bedingt verstanden werden, weil sie sich im dialektischen Widerspiel der Kräfte entfaltet und der Austrag dieser Dialektik die Geschichte erfordert. Man muß Oetingers Theorie im Sinn der Hegelschen Dialektik als eine in der Geschichte sich vermittelnde Ganzheit verstehen, wie sie Engels später von ihm aufgenommen und weiter entwickelt hat. Die Geschichte wird für Oetinger belangvoll, weil die Verwirklichung der Natur an die Freiheit des Menschen gebunden ist. »Sie (die Freiheit, Zus. d. Verf.) kann aber auch aus der Harmonie der Kräfte heraustreten, ihre Grenzen überschreiten, ihre eigene Macht vor Gott erhöhen und sich also mit unzähligen Übeln verunstalten. Ist hierin etwas Böses? Durchaus nicht. Liegt hierin ein wesentlicher Zunder des Bösen? Mitnichten. Es findet sich hier nur eine natürliche Auflöslichkeit der Kräfte, welche leicht in die wirkliche Auflösung übergeht, wofern nicht die göttliche Kraft noch dazu tritt; es erfolgt aber jene Auflösung nicht, wenn die göttliche Kraft noch dazu kommt.«47 Die Macht des Bösen wird bei Oetinger unter Berufung auf die bleibende Hilfe und das Dabeisein Gottes begrenzt. Die Bedeutung, die diese Aufhebung des antiken Entelechie-Begriffes in den christlichen Geschichts- und Offenbarungszusammenhang für die Metaphysik Hegels erhält, kann schwerlich überschätzt werden. Vielleicht sollte man mit der Behauptung vorsichtiger sein, daß es sich bei Hegel im Grunde nur um die Restitution der Aristotelischen Onto-Theologie handle, eine These, die von Martin Heidegger vertreten wird.[48] Ebenso wird man aber auch zögern, der Auslegung zuzustimmen, daß im Denken Hegels die christliche Theologie wieder unter die Herrschaft der antiken, d.h. hier heidnischen Ontologie geraten sei und das christliche, ja protestantische Selbstverständnis Hegels demgegenüber nur als eine fromme Täuschung beurteilt werden müsse. Oetinger jedenfalls hat seine Theologie als eine streng realistische Offenbarungstheologie verstanden und glaubte in seiner Hermeneutik nur den geschichtlichen Veränderungen Rechnung tragen zu müssen, wie das jeder andere christliche Theologe auch tut und tun muß.
Es genügt, darauf hinzuweisen, daß die Hegelsche Theorie der Metaphysik als Geschichte durch das theologisch-geschichtliche Verständnis der Natur und des Lebens als Entelechie und Genesis bei Oetinger vorbereitet wird. »Die Alten hielten ta onta für Substanzen, die körperlichen Dinge für bloße Phänomene... dies pflanzte sich unmerklich bis auf unsere Zeit fort; man schloß, im Widerspruch mit der heiligen Schrift, die ...... von den Substanzen aus.«[49]
Nimmt man zu diesem Ansatz das genetische Verfahren der Fichteschen Wissenschaftslehre hinzu, dann führt seine Durchführung zur Hegelschen Forderung, daß die Substanz als Subjekt begriffen werden muß. Nach der umrißhaften Klärung des Oetingerschen Lebensbegriffes stellt sich nun die Frage nach seinen gesellschaftlich-politischen Konsequenzen in der Eschatologie. Schon in seiner »Philosophie der Alten wiederkommend in der güldenen Zeit«, hatte Oetinger gesagt: »Wann große und häufige Zeitveränderungen geschehen seynd, so findet man, daß die Gestalten und Sitten, auch sogar die Naturen der Menschen zugleich verändert worden. Die Zeitveränderungen haben also den größten Einfluß in die Veränderungen der Natur.«[50] In seinen Abhandlungen >Von den letzten Dingen< geht er auf die gesellschaftlichen Änderungen ein, die eine Vollendung der menschlichen Natur bedingen. Die allgemeinste und unerläßlichste ist die Forderung an die Wissenschaften und Universitäten, den Begriff zu erarbeiten, der der neuen, mit der Herrschaft Christi zum Zuge kommenden  Wirklichkeit  entspricht.  »Ganze  Universitäten  und Akademien sollen sich vorbereiten, und durch diese sollen die Lehrer ermuntert werden, alles Volk insbesondere von den Dingen zu unterweisen, die uns bevorstehen. Alle und jede werden ermuntert, das Bild der allervortrefflichsten Republik, der allerbesten Regierung, der allerleuchtedsten und zugleich gründlichsten Weisheit aus dem Alten und Neuen Testament ins Gesicht zu fassen, so daß Könige ihre Regierungsanstalten, und Lehrer ihre Methoden zu unterweisen, und jeder sein Herz verändern, und nach dem schönsten Modell der güldenen Zeit verbessern möge.«[51] Wir sind durch den Oetingerschen Naturbegriff darauf vorbereitet, daß er in der Bestimmung des höchsten Gutes, das in der güldenen Zeit endlich erreicht wird, mit Aristoteles übereinstimmt. Er beanstandet nur die Mißachtung, die Aristoteles den Sibyllen entgegengebracht hat, die von der güldenen Zeit geweissagt hätten. »Salomo hat die Ursachen beschrieben, warum bei dem veränderten Stand der Erde keine wahre Glückseligkeit statt haben könne, und Aristoteles hat das höchste Gut, welches in der Welt nicht gefunden wird, beschrieben.«[52] Es könnte in der Welt nicht gefunden werden, so lange die güldene Zeit nicht da war und diese steht für Oetinger nun unmittelbar bevor. Sie wird die Bedingungen mit sich bringen, die zur wahren Glückseligkeit in einem Reich gehören: »... erstlich, daß die Unterthanen bei aller Mannigfaltigkeit, die zur Ordnung gehört, bei allem Unterschied des Standes, eine Gleichheit untereinander haben, wie wir oben bei der Austheilung des Landes Israel gehört haben, allwo die Gleichheit des Stückes Landes sie alle erinnert, daß sich keiner mehr als der Andere einbilden soll. Jeder soll seine Glückseligkeit in des Andern seiner, seine Freude in der Andern aller Freude finden, und dadurch soll jeder ein Freiherr sein neben dem Andern, Mich. 4,4, zweitens, daß sie Gemeinschaft der Güter haben, und sich nicht deswegen über Güter ergözen, weil sie ein Eigenthum sind . . . drittens, daß sie nichts voneinander als Schuldigkeit fordern. Denn wenn alles in Überfluß da wäre, so brauchte es keine Herrschaft, Eigenthums, keiner gezwungenen und durch Herrschaft abgedrungenen Verbindlichkeit.«[53]
Erst von dieser Ordnung erwartet Oetinger eine freie Entfaltung aller  Lebenskräfte.   Die   Sozialrevolutionären Konsequenzen  der Oetingerschen Geschichtstheologie zeigen, wie irrig es ist, pietistische Theologie in Württemberg und westliche Aufklärung in einem Gegensatz zueinander zu sehen, der unversöhnbar und unaufhebbar ist.
Die Bengelsche und Oetingersche Theologie brachte vielmehr den revolutionären Inhalt als eschatologische Verheißung hervor. Dieser Inhalt muß mitgehört und berücksichtigt werden, wenn man die Kategorien der Liebe, des Lebens und des Reiches Gottes interpretiert. Hegel hielt demgegenüber immer an der Unaufhebbarkeit der Eigentumsordnung fest und setzte seinen Schicksalsbegriff mit ihr in eine enge Verbindung. Er trägt damit nicht nur den Gegebenheiten in der modernen bürgerlichen Gesellschaft Rechnung, sondern holt die vorauseilende eschatologische Phantasie auf den Boden der Wirklichkeit zurück. »Das Schicksal des Eigentums ist uns zu mächtig geworden, als daß Reflexionen darüber erträglich, seine Trennung von uns, uns denkbar wäre.«[54] Als für die Freiheit selbst notwendig konnte er dieses Schicksal erst begreifen, nachdem die Auseinandersetzung mit der englischen National-Ökonomie, vor allem mit Adam Smith, vorausgegangen war.[55] In der Religionsphilosophie erscheint diese Assimilation als Wiederherstellung des Dogmas von der Erbsünde, das von der Oetingerschen Theologie in seiner Gültigkeit aufgelöst worden war.
Wann wird in der Hegelschen Entwicklung der Oetingersche Begriff des Lebens und der Liebe wirksam? Obwohl beide dem Johannes-Evangelium entstammen, wird dieses von Hegel nicht aus seinem eigenen Verständnis heraus, sondern im Sinne der Oetingerschen Lebenstheologie angeeignet. Beide Begriffe stehen bei Hegel in engstem Zusammenhang mit der Frage nach der Positivität in der Religion und dem Schicksal Jesu. Das Moment der Positivität und die Person Jesu gehören zu den Grundproblemen, um die das gesamte Denken des jungen Hegel kreist, und wir müssen fragen, was es bedeutet, wenn an dieser für sein Denken so bedeutsamen Stelle die Oetingerschen Kategorien eingeführt werden. Lukacs meinte, daß man schon im bloßen Auftauchen so mystischer Kategorien wie Schicksal, Leben und Liebe ein Zeichen für die Tiefe der Krise zu sehen hätte, von der Hegel gerade in der Frankfurter Periode erfaßt worden sei. »Das Erlebnis der Widersprüchlichkeit als der Grundlage des Lebens« wäre ihm als »eine tragische Unlösbarkeit der Widersprüche« erschienen.[56] Hegel habe zwar gemeint, vom Leben zu sprechen, in Wirklichkeit aber seien es die Widersprüche der kapitalistischen Klassengesellschaft gewesen, zu deren Erfassung ihm die dialektische Methode noch gefehlt hätte und darum sei er in die Nebel der Mystik ausgewichen. »Es ist kein Zufall, daß zeitweilig Kategorien wie das Schicksal zu zentralen Drehpunkten seiner Versuche, die Welt gedanklich zu bewältigen, werden; daß ausschließlich in dieser Periode eine mystische Konzeption des religiösen Lebens zum Kulminationspunkt seiner Philosophie wird.«[57]
Sicher trägt der Frankfurter Hegel Züge einer ernsten Lebenskrise, und man sollte es sich nicht zu leicht machen, indem man ihr nur eine private Bedeutung zubilligt. Sein Denken selbst trat in eine Krise. Aber die Frage ist, ob sie nur in seinem Unvermögen bestand, die bürgerliche Gesellschaft in sein auf Progression angelegtes Geschichtsdenken einzubauen. Nicht die mögliche Verzweiflung am Fortschritt der Menschheit beunruhigte Hegel, sondern die Einsicht in die Denkunmöglichkeit, die harten Positivitäten der modernen Gesellschaft auf den Vollzug des Reiches Gottes hin zu durchstoßen und in ihm aufzuheben. Er sah keine Möglichkeit, den christlichen Glauben mit der sich ihrer eigenen Herkunft verschließenden Totalität des modernen Lebens in einen Zusammenhang zu bringen. Die Lebenskategorie wurde Hegel in dieser Krise zur rettenden Kategorie, die ihm den Weg zur Dialektik und damit zur Versöhnung mit der durch die Französische Revolution gesetzten und in die Geschichte eingetretenen Wirklichkeit frei gab. Der Lebensbegriff konnte das leisten, weil er bereits bei Oetinger geschichtlich und dialektisch qualifiziert war. Wir beschränken uns in unserer Interpretation auf das Moment, in dem der aufgewiesene Zusammenhang in die Erörterungen der Hegelschen Jugendschriften mündet. Die Lebenskategorie wird zum Träger eines Vorgangs, in dem sich die Frage nach der Positivität selbst wandelt. Die Kategorie der Positivität hat ihren sachlichen Ursprung in der Polemik der Aufklärung, in der sie die Funktion übernimmt, die Mächte der Religion und des Staates ihrer rechtmäßigen, in der Tradition und Geschichte begründeten Basis zu berauben, in dem man sie als tradiert, einer Begründung durch die Vernunft unfähig und damit als bloß positiv entlarvt. In voller Übereinstimmung mit dieser Auffassung heißt es bei Hegel: »Positive Religion beruht notwendig auf Glauben an die Tradition, durch die sie uns überliefert wird.«[58] Die Vernunft, in deren Horizont Hegel die Positivität als Problem thematisiert, ist nicht die Vernunft der Aufklärung, die in der Religion als solcher bereits ein positives Faktum sieht, das erst durch eine künstliche, sich der eigentlichen Natur des Menschen aufzwingenden Tradition am Leben erhalten wird. Die Hegelsche Vernunft nimmt zwar die Kantischen Kriterien der Allgemeinheit und notwendigen Übereinstimmung in allen ihren Vollzügen auf, unterscheidet sich aber von der Kantischen reinen Vernunft, indem sie das ganze Feld des bloß kontingent Zufälligen und leidenschaftlich Sinnlichen als zur Natur des Menschen und zu seiner Verwirklichung gehörend anerkennt. So heißt es bei Hegel: »Die Natur des Menschen ist mit Ideen der Vernunft gleichsam nur geschwängert«, und »Erschrecken wir also nicht, wenn wir zu finden glauben müssen, daß Sinnlichkeit das Hauptelement bei allem Handeln und Streben des Menschen ist.«[59]
Aber was heißt auf dem Boden einer solchen Vernunft Positivität der Religion? Zunächst, daß es positive und nicht positive Religion gibt, ferner, daß nicht die Verknüpfung ewiger Vernunftideen mit Zufälligem, Historischem, nur aposteriorisch zu Erkundendem als solchem für Hegel die Positivität ausmacht, sondern die Unmöglichkeit, das Gegebene in der Religion mit dem Leben der Vernunft in einer Einheit sehen zu können. Das ist der allgemeinste, in allen Wandlungen beim jungen Hegel sich durchhaltende Begriff der Positivität: nicht im Zusammenhang stehen, aus ihm herausgetreten sein und sich in sich selbst befestigt haben. Eine schlechte, faule Existenz sein, wie Hegel später sagen wird. Die gleiche Separation aus dem Zusammenhang der Kräfte bestimmt aber auch bei Oetinger den Vorgang der Sünde. Nicht weil die Religion als eine nur durch Tradition verbürgte und nur schwer zu beseitigende Last in das Leben der Gegenwart hineinragt, das sich von ihr befreien will, wird sie zum Gegenstand der Hegelschen Kritik, sondern weil sie nicht spontan und unmittelbar mit dem gegenwärtigen Leben und seinen Bedürfnissen verbunden ist. Der Fehler wird in der Form der Religion gesucht und nicht in ihrer Existenz. »Sobald eine Scheidewand zwischen Leben und Lehre - oder nur Trennung und weite Entfernung beider voneinander ist - so entsteht der Verdacht, daß die Form der Religion einen Fehler habe...«[60] Positivität ist für Hegel nie ein primäres, sondern immer ein sekundäres Phänomen, ein Symptom, das eine Trennung im Leben selbst anzeigt. Nur eine genetische, d.h. für Hegel eine geschichtlich verfahrende Befragung, führt auf die Zusammenhänge, die seinen Grund erkennen lassen.
Die Gestalten der sich für Hegel das Christentum und damit die Religion aus dem Leben gelöst und ihm entgegengestellt hat, ist die Orthodoxie. Diese hat Hegel leidenschaftlich gehaßt und weite Teile seines Denkens sind nur aus seinem Willen begreiflich, sie bis in die Wurzel hinein zu zerstören. Er vollendet damit das Werk Lessings, der seinen Angriff gegen sie unter Berufung auf den Geist Luthers begonnen hatte. »In wen nicht diese Fäden des Systems von Jugend eingewoben worden sind, und wer sonst durch Erfahrung an andern und eigene Empfindung die menschliche Natur kennen gelernt hat, und nun mit dem System bekannt wird, und darin leben soll, der befindet sich in einer bezauberten Welt; im Menschen des Systems kann er keine Wesen seiner Art erkennen, eher als aus ihm noch wird er in den Feenmärchen des Orients und in unsern Ritterromanen Natur finden,...«[61] Aus diesem Verhältnis Hegels zum orthodoxen System entspringen seine oft außerordentlich scharfen Urteile: »Die bürgerliche und politische Freiheit hat die Kirche als Kot gegen die himmlischen Güter und den Genuß des Lebens verachten gelehrt.«[62]
Das Denken Hegels bis zur Frankfurter Periode wird von zwei Tendenzen getragen: es versucht, die Bedingungen der Möglichkeit für das Entstehen des orthodoxen Systems in der Geschichte und im Ursprung des Christentums bis auf den Punkt zurückzuverfolgen, der das System in seiner prinzipiellen Notwendigkeit einsichtig werden läßt. Es will dann positiv die Bedingungen aufzeigen, an die der Vollzug einer nicht dem Gesetz der Positivität unterliegenden Religion gebunden ist. Die spätere Philosophie, die sich in den Jugendschriften vorbereitet, kann aus dem doppelten Aspekt verständlich gemacht werden, unter dem Hegel die Frage nach der Geschichte stellt. In seinem Rückgang auf die Ursprünge der christlichen Religion, durch den er die Tradition in ihre Genesis aufhebt, macht Hegel vor der Gestalt Jesus von Nazareth halt. Sie steht als eine letzte, irreduzible Größe vor ihm, sie ist nicht aus einem Anderen verstehbar; alles Verstehen in Sachen der christlichen Religion muß von ihr ausgehen. Hegel hat eigentlich in allen Phasen seiner religionsgeschichtlichen Bemühungen gezögert, Jesus in einen ihn übergreifenden Positivitätszusammenhang einzuordnen und so als eine Gestalt zu behandeln, die destruiert werden muß. Er hat ihn vielmehr im >Leben Jesu< und in >Die Positivität und die christliche Religion< als Träger der Kantischen praktischen Vernunft und den Verkünder der erhabenen Anforderung des Sittengesetzes interpretiert. Die Elemente der Positivität, die er in Jesu Lehre entdeckte, verstand Hegel als Folge einer Akkomodation des göttlichen Lehrers an ein der Härte des Tugendgebotes entwöhntes Geschlecht. Die Kategorie der Akkomodation zeigt, wie stark Hegel der Semlerschen Theologie verbunden war, wie auch die These Hegels, daß das Christentum, ursprünglich als eine Privatreligion gedacht und angelegt, erst durch den Gang der Geschichte als Staatsreligion positiv geworden sei, auf Semler zurückgeführt werden kann.
Wie mußte sich aber das Verhältnis Hegels zum Christentum bestimmen, wenn das Kantische Sittengesetz selbst als eine der Moderne entstammende Reflexionsgestalt der Positivität durchschaut wird, die die Verdinglichung nicht auflöst, sondern fixiert? Dann hätte es nahe gelegen, die abendländische, vom Christentum bestimmte Geschichte als einen mit dem Untergang der Polis einsetzenden Verfallszusammenhang zu interpretieren, als eine langwährende Nacht, in die kein Licht der Wahrheit fiel. Von der Unwiederholbarkeit der griechischen Polis war schon der junge Hegel überzeugt. »Wir kennen diesen Genius nur vom Hörensagen, nur einige Züge von ihm, in hinterlassenen Kopien seiner Gestalt ist uns vergönnt, mit Liebe und Bewunderung zu betrachten, die nur ein schmerzliches Sehnen nach dem Original erwecken..., er ist von der Erde entflohen.«[63] Nur ein schmerzliches Sehnen ist, wie Hegel meint, uns vom Glück der antiken Freiheit geblieben. Es liegt nahe, die sich verschärfende Krise im Leben Hegels in dieser Erfahrung zu suchen. Indem aber Hegel in seiner theologischen Hauptschrift >Der Geist des Christentums und sein Schicksal< von der Kategorie der Liebe und des Lebens her die Gestalt Jesu deutet, gelingt es ihm nicht nur, Jesus der falschen Objektivität des positiven Bewußtseins, das für Hegel durch das Judentum und seine unglückliche Geschichte repräsentiert wird, zu entreißen, sondern Jesus als den Ursprung der Rückkehr des in Entgegensetzungen sich bildenden Lebens zur Einheit zu interpretieren. Damit wird Jesus für ihn der Anfang einer über ihn selbst in seiner Historizität hinausführenden Bewegung, die das Ganze der abendländischen Geschichte bestimmt und in der Hegelschen Philosophie zu sich selbst und damit zu seiner Versöhnung gelangt. Die geschichtliche Reflexion auf die der Liebe anhaftende Grenze, das auf seine Ganzheit hindrängende Leben nur im Element der Subjektivität versöhnen zu können, macht es notwendig, über diese Gestalt ihrer Verwirklichung hinauszugehen. Die Erhebung der religiösen Wahrheit von der Vorstellung zum Begriff ist insofern auch schon in den Jugendschriften angelegt. Sie mußte für Hegel notwendig werden, da mit dem Tode Jesu der Offenbarungsträger ein Vergangenes geworden war und das Unglück der Geschichte der christlichen Gemeinde nach Hegel gerade in ihrer Unfähigkeit bestand, sich von der leiblichen Existenz des Heilands zu lösen und das mit ihm in die Geschichte eingetretene Prinzip der Befreiung des Lebens zu vollenden. »...denn dem Sehnen steht in seiner höchsten Schwärmerei, in den Verzückungen der fein organisiertesten, die höchste Liebe atmenden Seelen immer das Individuum, ein Objektives, Persönliches gegenüber, nach der Vereinigung mit welchem alle Tiefen ihrer schönen Gefühle schmachteten, welche Vereinigung aber, weil es ein Individuum ist, ewig unmöglich, da es ihnen immer gegenüber, ewig in ihrem Bewußtsein bleibt und die Religion nie zum vollständigen Leben werden läßt.«[64] Der Widerspruch ist also mit der Existenz der christlichen Gemeinde von neuem gesetzt und gelangt im 18. Jhdt. zu seiner äußersten Schärfe, indem die Orthodoxie auf der einen und die Aufklärung auf der anderen Seite das von seinem Grunde, nämlich Christus selbst zur Einheit bestimmte Leben, auseinanderreißen und ein Partikulares als ein Ganzes setzen. Der von Jesus bekämpfte Geist des Judentums ist damit über den christlichen Glauben Herr geworden und die Religion der Versöhnung hat sich in ein System naturloser Formen der Herrschaft und Unterjochung des Lebens verkehrt. Daß aber die göttliche Heilstatt der Rettung der dem Gesetz der Korruption unterliegenden Natur des Menschen galt und daß Christus als Messias sie zu heilen vom Vater gesandt war, diese Lehre konnte Hegel nur bei dem schwäbischen Theologen Oetinger finden. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Hegelsche Philosophie sich darum als Theologie verstand, weil sie als spekulatives Begreifen der Versöhnung den Zusammenhang realisierte, der bei Oetinger ausgesprochen war. Auch der Verlust der eschatologischen Erwartung ist nur scheinbar, da Hegel doch auf Grund der Französischen Revolution und des sich entwickelnden Systems der bürgerlichen Gesellschaft der Meinung sein konnte, daß die eschatologischen Postulate Oetingers dem Vollzug der geschichtlichen Bewegung bestimmend zugrunde lagen. Hegel folgte auf dem Wege zum System als Geschichte dem in der württembergischen Theologie liegenden Ansatz, brachte ihn in der Vermittlung durch die Kategorien des Lebens und der Liebe hindurch -und damit den württembergischen Traditionszusammenhang sprengend - zur Durchführung und verband den christlichen Glauben mit seiner eigenen geschichtlichen Realität.