Am 7. Mai 1945 um 2.41 Uhr endete nach 2 076 Tagen der Krieg in Europa! Damit fand zwischen den Nachbarn am Rhein zum siebten Mal seit 1792 eine kriegerische Auseinandersetzung ihr Ende. Den sieben Kriegen, zunächst gegen Preußen, später gegen Deutschland, stehen für Frankreich von 1689 bis 1815 (Waterloo) acht frühere Kriege gegen England gegenüber, was eindeutig beweist, daß Feindseligkeiten endgültig abgeschlossen werden können und daß sich die Beziehungen zwischen den Völkern nicht nur normalisieren, sondern in Freundschaft umwandeln lassen.
1945, mitten in den Ruinen, die der Krieg hinterlassen hatte, schien für viele Politiker die Zeit gekommen, eine solche Umkehrung der Geschichte herbeizuführen, aber das grausame Geschehen der letzten Jahre war nicht dazu geeignet, die ganze Bevölkerung unserer Länder versöhnlich zu stimmen. Für viele unserer Landsleute ging es ohnehin einzig darum, sich erneut eine materielle Existenz zu verschaffen. Die Zukunft Europas lag in weiter Ferne. Über dumme, jahrelang übernommene Begriffe wie »Erbfeindschaft« begannen jedoch viele Europäer nachzudenken.
Die militärische Laufbahn unseres Vaters endete offiziell am 30. September 1945, weil das Headquarter European Theater of Operations der amerikanischen Armee keine französischen Verbindungsoffiziere mehr benötigte. Papa verabschiedete sich von seinen Freunden in Cherbourg, Le Havre, Antwerpen und Brüssel und erfuhr, daß ihm noch eine Menge Urlaub zustand, weil er seit Juni 1944 ununterbrochen im Dienst gewesen war.
Am 31. Oktober 1945 fuhr er, immer noch in amerikanischer Uniform, mit einem Militärzug für beurlaubte amerikanische Soldaten von Paris nach München. (Der Zug brauchte für diese Strecke 32 Stunden!) Anschließend stieg er mit 15 Amerikanern in einen Lastwagen, der durch eine schneebedeckte Landschaft Rosenheim erreichte. Papa hatte nicht grundlos dieses Ziel angestrebt: In der oberbayerischen Stadt am Inn befand sich eine Fabrik seines Konzerns, für den er seit 20 Jahren vor allem in Le Molay tätig gewesen war. Der Namensträger der Firma hatte ihn gebeten, sich nach seinem Lieblingskind, der von ihm gegründeten deutschen Gesellschaft, zu erkundigen. Geschäftliche und menschliche Beziehungen mit Deutschland, die bereits 1865 begonnen hatten, sollten neu belebt werden.
»Eine Pionierarbeit genau das richtige für Sie!« Mit diesen Worten hatte für Vater ein neues, abenteuerliches und unbequemes Leben begonnen, dem er positive Seiten abzugewinnen bemüht war.
Colette und ich nahmen unterdessen den letzten Anlauf zum Abitur.
Im Sommer 1946 versuchte unsere Familie, nach Paris zu übersiedeln. Im begehrten Neuilly fanden wir endlich die langgesuchte Wohnung. Dazu war es notwendig gewesen, daß eine alte Dame zufällig das Zeitliche segnete. Auf andere Weise bekam man damals keine brauchbare Unterkunft in Paris.
Das Haus, in dem wir Parterre und den ersten Stock bewohnten, war Ende des vorigen Jahrhunderts gebaut worden und stand mitten in einem großen Park mit selten schönen Bäumen und Büschen. An Raum und freien Himmel gewöhnt, nahmen wir dankbar, aber gelassen diese ganze Pracht um uns hin, ohne recht zu begreifen, daß es sich für Paris um eine Seltenheit handelte. Wir lebten allerdings in diesem zum Abbruch verurteilten Haus in vornehmem Abstand zu großartigem Komfort. Im Erdgeschoß bewegten wir uns auf wunderschön gemusterten Marmorböden dafür gab es dort nahezu keine Heizung und lediglich eine Notküche. (Die echte Küche, fast ein Museumsstück, befand sich in diesem herrschaftlichen Haus im Keller!) Im ersten Stock verfügten wir über drei riesige Ankleideräume mit meterlangen eingebauten Schränken, die Dutzende von Abendkleidern aufnehmen konnten, die wir nicht besaßen.
Das Ganze erinnerte uns an das unfertige Schloß der Familie d'Estel bei Le Molay. Von unserem kleinen Dorf mitten in eine der vornehmsten Gegenden von Paris verpflanzt, empfanden wir nicht einmal Verwunderung, höchstens Neugier für alles, was es dort zu entdecken gab, und Freude darüber, daß der Bois de Boulogne so nah lag.
Für unsere Wanderungen dorthin hatten wir sofort einen Freund gefunden: Mousse, den großen Airdale der Familie, die den zweiten und letzten Stock des Hauses bewohnte. Der gutmütige Hund schlief übrigens nachts in der Empfangshalle, unterhalb der prunkvollen Marmortreppe in einer mit Samt und Leder bezogenen Sänfte. Seine Herrschaft war originell: Die rothaarige junge Frau eine Nichte der verstorbenen alten Dame lebte oben mit ihrem Juristen-Ehemann und anderthalb Kindern. In guter Hoffnung rechnete sie mit Zuversicht damit, daß die Pläne einer Neubebauung des Grundstücks einige Jahre auf ihre Verwirklichung warten würden. Immer freundlich und witzig, strahlte sie vor Glück und beruhigte uns ungemein.
Weil das ein Hektar große Grundstück den Boulevard Jean Mermoz mit der parallel dazu verlaufenden Rue Perronnet verband, hatte ein findiger Architekt einen Plan entworfen, der die Substanz unser Haus, ein Hausmeisterhaus und Stallungen, wo man früher Pferde gezüchtet hatte zugunsten von 48 modernen Luxus-Wohnungen vernichten sollte. Es war der Lauf der Zeit. Die alte Dame hatte viele lebenstüchtige Erben.
Mit der Metro und dem Vorortszug fuhr ich nach Asnieres, um Chantal, eine ehemalige Mitschülerin aus Caen zu besuchen. Mit Entsetzen entdeckte ich ein anderes, trostloses Paris, wo kleine Häuser übereinander an der Bahn wucherten, von Lärm, grellen Lichtern und schlechter Luft geplagt. Chantal hatte Tbc. Wie sollte sie dort jemals gesund werden? Sie lag blaß auf ihrem Bett. Unten sah ich durch ihr Fenster einen winzigen Garten mit einem einzigen Baum. Die Großmutter brachte ein Glas Milch herein.
»Das Klima ist hier nicht so feucht wie in der Normandie«, sagte sie. »Es ist besser für Chantal. Der Arzt ist mit ihr zufrieden. >Mit ihrer Lebensfreude und ihrer Geduld wird sie es schaffen<, hat er gesagt.«
Im Laufe der Unterhaltung war ich erstaunt, zu welch heiterer und tiefer Religiosität Chantal gefunden hatte. Sie sprach unbekümmert und spontan sowohl vom Tod als auch vom Leben. Dieses schien ihr kostbar. Sie wollte kämpfen. Über alte Erinnerungen aus Caen konnte sie herzlich lachen.
In der Metro fiel mir der Spruch von Rilke wieder ein, der uns damals geärgert hatte: »Armut ist ein großer Glanz von innen!«
Unsere finanziellen Verhältnisse waren ungewiß, weil es nicht sicher war, ob Papa in Deutschland Fuß fassen würde. Wir hatten beschlossen, keine Zugehfrau zu beschäftigen. Einmal schneiderten wir uns weite Samtröcke im New-Look, weil Mama Karten für den Eingebildeten Kranken< mit Jean-Louis Barrault im Theatre Marigny bestellt hatte.
»Für solche Dinge sollten wir immer Geld haben«, sagte sie. »Gerade wenn wir hier harte Arbeit leisten, um das Haus einigermaßen in Ordnung zu bringen, können wir uns einen Ausgleich genehmigen.«
Colette und ich hatten eine Woche zuvor mit Michels Hilfe unser Schlafzimmer, einen Prachtraum mit drei großen Fenstern, endlich zu Ende tapeziert. Die Höhe der Wände bis zu der Stuckdecke war voller Tücken gewesen. Die schweren Gardinen mit Schabracken hängten wir wieder auf, dafür wanderten die alten verschlissenen Stores in die Mülltonne. Warum hätten wir die Sonne hindern sollen, zu uns hereinzukommen, nachdem wir ohne Vis-ä-vis, von den Bäumen geschützt, lebten? Weil wir nie in Miete gewohnt hatten, dies auch von den Großeltern nicht kannten, war für uns Selbsthilfe eine Selbstverständlichkeit. Wir wußten, daß große Häuser schwer zu erhalten sind und nie perfekt sein können. Im übrigen war unsere Miete nicht übertrieben hoch, keineswegs im Verhältnis zu den Quadratmetern, die wir bewohnten.
Die Hausmeisterin brachte uns die Post. Es gab ein Päckchen für mich. Von Eric! Zwei Bücher, einen Roman von Emily Bronte und >Die grüne Stute< von Marcel Ayme. Von Deutschland aus adressiert. Wieso von Eric an mich? dachte ich. Ein Photo lag im Begleitbrief: Eric in Uniform. Mit dem Militärdienst sei er bald fertig, schrieb er. Es habe ihm gefallen, weil er dabei viele junge Leute auch deutsche kennengelernt hätte. Seine Mutter sehe er öfter in Baden-Baden, wo sie für die Verteilung landwirtschaftlicher Mittel in der französischen Zone zuständig sei. »Als Hauptmann macht sie sich nicht schlecht!« schrieb er belustigt. Seinen langen Brief beendete er wie folgt:
»Schreiben Sie mir bitte, ob die Bücher Ihnen gefallen haben, oder noch besser, ob sie gut angekommen sind. Sonst müßte ich vielleicht fürchten, lange keine Nachrichten von Ihnen zu erhalten. Ich denke oft an Le Molay und an Sie, chere Mademoiselle. Wissen sie noch, wer ich bin? Ihr ergebener Eric«
Als im Herbst die Schule anfing, besuchte Michel das nahegelegene Lycee Pasteur und lernte dort neue Freunde kennen. Sein Weg war für die nächsten Jahre vorbestimmt. Anders der von Colette und mir. Wir tappten noch im dunkeln, was unsere Zukunft anbetraf.
Meine Schwester hatte sich, in Verbindung mit der Organisation Fullbright für einen Studentenaustausch in die USA beworben. Sie hoffte, ein Stipendium zu bekommen, um dort Landwirtschaft zu studieren. Ihre unerwartete Studienwahl, die unserem Agronom-Vater bestens gefiel, war nostalgisch gefärbt: Das Landleben erinnerte Colette an ihre normannische Zeit. Im übrigen sollten die Zusagechancen für das Fach »Agriculture« besonders groß sein. Daß die Zukunft in den Vereinigten Staaten lag, war ohnehin für jeden klar, in unserer Familie erst recht! Inzwischen besuchte Colette eine Sekretariats-Schule.
Mir, vielleicht weil ich jünger war, gönnte man eine Pause. Aus welchen Gründen auch immer, ich genoß in diesem Herbst absolute Narrenfreiheit. Die Sorbonne imponierte mir, und ich hörte einige Vorlesungen, ohne dort immatrikuliert zu sein. Einmal ging ich per Zufall aus Spaß in eine deutsche Vorlesung und ärgerte mich darüber, rein gar nichts verstanden zu haben.
Von da an war es ein kleiner Schritt, bis ich es entgegen der allgemeingültigen Meinung für ein Manko hielt, nicht Deutsch zu sprechen. Zu dieser Kehrtwendung gab es eine naheliegende Erklärung: die Tatsache, daß unser Familienoberhaupt sich gerade mit dieser Sprache plagte! Wer von uns beiden würde sie schneller erlernen? Deutschland fing also an, mich zu interessieren, aber Zivilisten hatten dorthin keinen Zugang. So suchte ich aus eigenem Antrieb nach einer Lösung: Ich dachte an eine Annonce als Au-pair-Mädchen in der deutschen Schweiz.
Inzwischen versuchte unsere Mutter, in Paris alte Kontakte zu ehemaligen Freunden und weitentfernten Verwandten neu zu beleben. Ihre eifrige Tätigkeit bescherte uns bei einer Teegesellschaft in der Nähe des Parc Monceau einen bisher unbekannten Cousin. Er war artig, tadellos angezogen, 20 Jahre alt und studierte Jura. Weil er zusätzlich gut aussah, schien er uns einfach zu perfekt.
Wir hatten bald den Eindruck, daß unsere ungezwungene Redensart ihn und seine Familie verwunderte. In die Vorstellung, die sie sich von erst aus dem Kloster entschlüpften und aus der Provinz zugezogenen Mädchen machten, paßten wir scheinbar nicht. Amüsiert darüber, fühlten wir uns natürlich dazu verpflichtet, in der Unterhaltung zu glänzen. Dazu fiel uns ein Thema ein, das für uns gar nicht so weit hergeholt war: Bayern! Unser Vater lebte nun die meiste Zeit dort, und wenn wir auch bisher Bayern nur vom Hörensagen kannten, so galt dieses Land für uns bereits als schön und interessant, was wir arglos kundtaten.
Bald verfinsterten sich die Gesichter unserer Zuhörer. Der Hausherr sagte salbungsvoll:
»Wir kennen die mutige militärische Laufbahn Ihres Gatten, Marie-Therese«, sein Ton wurde jovial, um jede Kränkung von vornherein auszuschließen, »aber was tut er jetzt noch bei den Boches?«
Damit steckten wir schon wieder mitten in einem alten Problem, das uns seit unserer Kindheit verfolgte. Die Fragestellung betraf wie eh und je das »angemessene« Verhalten der Franzosen den Deutschen gegenüber. Ob während oder nach den Feindseligkeiten, schien für unsere Gastgeber nicht von großer Bedeutung zu sein. Mutter antwortete, daß ihr Mann in Deutschland für seine Firma tätig sei. Seine Aufgabe bestehe darin, alte Bande neu zu knüpfen, die den normalen Ablauf geschäftlicher Beziehungen in der Zukunft ermöglichen würden.
»Das heißt also doch, mit den Deutschen zu arbeiten? Warum sagten Sie aber: >alte Bande neu knüpfen<?«
»Weil bereits zwischen den beiden Weltkriegen der Konzern eine Tochtergesellschaft in Deutschland gegründet und 1930 mit Hilfe der deutschen Regierung eine in Schwierigkeiten geratene Molkerei übernommen hatte. Das Werk befindet sich in Bayern, daher das Interesse der Kinder für dieses Land.«
»Und was geschah mit dieser Gesellschaft in der Nazizeit?«
»Sie wurde im Jahre 1936 unter Zwangsverwaltung gestellt.«
»Ah so!« sagte erleichtert der geschäftstüchtige Mann. »Es geht um Gelder, die uns die Deutschen schulden!«
»Aber nein!« erwiderte Mama. »Die Not ist in Deutschland so groß, daß die Vergangenheit in dieser Hinsicht abgeschrieben werden muß. Es wird sogar jahrelang keine neue Dividende für den Konzern geben. Momentan geht es schlicht um das Überleben einer Firma mit allen Schwierigkeiten, die Roger aus Erfahrung in der gleichen Branche bereits kennt. Die Beschaffung jeder Kleinigkeit mit Bezugsscheinen, die oft nicht einmal honoriert werden können, wie lange haben wir das selbst erlebt! Durch die Teilung Deutschlands in mehrere Zonen wird allerdings alles wesentlich komplizierter.«
»Und das in deutsch!« rief erschrocken unsere Gastgeberin aus.
»Sehr viel in englisch, denn Rosenheim, wo die Molkerei steht, befindet sich in der amerikanischen Besatzungszone. Es gibt aber im Werk und es ist ein Glück für Roger eine französischsprechende Sekretärin, die schon vor dem Krieg die Kontakte zu der Muttergesellschaft in Paris pflegte.«
Die Leute schienen nicht aus dem Staunen zu kommen. Daß eine friedliche Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen viele Jahre hindurch gut funktioniert hatte, schien ihnen völlig neu zu sein.
Der Abschied verlief betont kühl.
»Wir haben sie nicht überzeugt«, sagte Mama später, »aber vielleicht denken sie mal über alles nach.«
»Was waren das für Cousins?« fragte Michel, als wir in Neuilly ankamen.
»Ganz komische!« antwortete Colette. »Müde Helden, die ständig zu Hause hocken und im übrigen meinen, die Leute aus der Provinz wären Zurückgebliebene!«
»So schlimm waren sie wiederum nicht«, trat Mama vermittelnd ein. »Ihr dürft nicht vergessen, daß der Lebenslauf unserer Familie sich für normale Menschen ziemlich chaotisch ausnimmt. Wir werden durch die Umstände ständig nach vorne geschleudert. Deshalb wird es uns immer schwer fallen, allgemeine Zustimmung für das, was wir tun, zu erhalten.« »Die Leute können uns allmählich gern haben!«
»Es wäre eine Lösung, aber schließlich wollen wir, auch hier, unter Menschen leben.«
»O. k. Aber den schönen Cousin, den kannst du auf alle Fälle für mich abschreiben!« sagte Colette.
Basel, Bayern, Baden-Baden
26. März 1947 (aus meinem Tagebuch).
Ich hab's geschafft! Seit einer Woche lebe ich als Au-pair-Mädchen in Basel. Es fragt sich nur, ob es ein guter Einfall war, hier und gerade in dieser Schweizer Familie Deutsch lernen zu wollen. Bereits jetzt scheint es mir, daß der erste Versuch, mein Leben allein, ohne elterliche Hilfe zu organisieren, ziemlich verkehrt läuft, um nicht zu sagen scheitern wird. In den Briefen an meine Eltern gebe ich es natürlich nicht zu. Es war nicht vorauszusehen. Der Hausherr arbeitet meist in Solothurn. Man sieht ihn kaum. Die Dame des Hauses stammt aus der französischen Schweiz und, weil mit ihrer Ehe manches nicht zum besten steht, ist sie froh, »eine Freundin gefunden zu haben, um sich endlich in ihrer Sprache auszusprechen«. Fehlanzeige auf der ganzen Linie! Nur das zehn Monate alte Baby ist wie in der Zeitungsannonce erwähnt vorhanden. Die Zugehfrau dagegen hat sich für alle Zeiten verflüchtigt.
»Sie werden lernen, wie man einen Haushalt in der Schweiz führt!« hat der Hausherr am Wochenende auf französisch gesagt.
Dagegen habe ich nichts, aber ich finde es fast unverschämt, daß er im Lauf der Unterhaltung sagte:
»Im Grunde genommen hat Frankreich genauso wie Deutschland den Krieg verloren. Denken Sie nur an unsere Währung! Die Schweiz hat sich, wie im Ersten Weltkrieg, aus allem herausgehalten. Es war sehr weise! Deshalb ist es wichtig, daß wir jetzt den Umtausch europäischer Währungen in Schweizer Franken unterbinden. Am Ende würdet ihr uns noch in den Schlamassel hineinziehen!«
Mit diesen Worten hat Herr Stringli prägnant kundgetan, eine Au-pair-Beschäftigung sei die einzige Möglichkeit für ein junges Mädchen, in das Wunderland Schweiz zu gelangen, wenn seine Eltern dort kein Bankkonto besitzen.
Am nächsten Tag hat sich die Hausfrau, die »meine Freundin« sein will, für ihren Mann entschuldigt:
»Der Reichtum der Schweiz, das ist sein Lieblingsthema! Sie werden öfter davon hören müssen. Vielleicht können Sie nun besser verstehen, daß ich mit einem so taktlosen Menschen nicht gut leben kann. In der französischen Schweiz sind die Männer anders, fröhlicher, nicht nur darauf bedacht, zu arbeiten und Geld zu verdienen! ... Wenn ich nur nicht von meinem Mann finanziell so abhängig wäre! Er ist Teilhaber der Firma, wo er arbeitet, wissen Sie ...«
Oh Gott! Wo bin ich hingeraten! Und ich dachte, die Confederatio Helvetica sei eine beneidenswerte Einheit, so eine Art Felsen im Sturm! Anscheinend ist der Krieg nicht so spurlos an den Schweizern vorbeigegangen, wie Herr Stringli glaubt. Weiß er überhaupt, wie es um seine Ehe steht? Sein Kind scheint er sehr zu mögen.
30. März
Steffi ist wirklich goldig. Bisher glaubte ich, mit kleinen Kindern wenig anfangen zu können. Ich wußte nicht, wie spontan sie reagieren und sich mit kleinen Gesten dankbar zeigen. Was werden die Eltern von Steffi mit ihm tun, wenn sie sich trennen? Bei dem Gedanken wird mir schlecht.
»Ihre Ehe braucht nur Anpassungszeit«, habe ich heute seiner Mutter gesagt. »In einigen Jahren werden sie sich mit Ihrem Jungen freuen, daß Sie durchgehalten haben.«
So überzeugt bin ich davon nicht. Als Eheberaterin komme ich mir mit meinen 18 Jahren sehr komisch vor. Daß die Verschiedenheit der Sprachen zwei Menschen nachträglich trennen kann, obwohl sie von vornherein damit konfrontiert wurden und wie ich hörte sogar Spaß daran hatten, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Die Probleme müssen anderswo liegen. Zu häufige Trennungen? Anderes gesellschaftliches Milieu? Was weiß ich?
11. April
Diese Eheleute sind verdammt anstrengend. Beide lassen ihre üble Laune an mir aus.
»Sie haben schon wieder nach dem Staubsaugen die Fransen der Teppiche nicht ordentlich mit den Fingern gekämmt, damit sie alle gerade liegen«, sagte meine Arbeitgeberin, bevor ihr Mann kam. »Er wird mich schikanieren, weil das Haus nicht so akkurat ist, wie er es möchte.«
»Steffi hat vorhin in diesem Raum gespielt.«
»Gut! Aber Sie müssen jedesmal dafür sorgen, daß danach die Fransen ordentlich sind!«
Beim Essen sagte der Hausherr zu mir:
»Daß wir den Salat aus hygienischen Gründen mit heißem Wasser gewaschen haben wollen, wissen Sie schon längst. Sie halten anscheinend nichts davon, aber ich sehe es auf Anhieb, wenn Sie es nicht tun!«
Da haben Sie recht! dachte ich bei mir. Man sieht's. Prompt verfiel Herr Stringli wieder auf das Eigenlob seines Landes, »das mit seiner Sauberkeit beispielhaft in der Welt dasteht«.
»Sie sind sicher viel gereist?« fragte ich etwas hinterlistig.
»Nein, aber selbst in der Schweiz erlebt man gewisse Unterschiede, die manche Rückschlüsse erlauben.«
Es darf nicht wahr sein, dachte ich amüsiert. Wenn ich später von diesem Gespräch erzähle, glaubt mir niemand! Ob sich diese Leute mit ihrem Teppich-Fransen-Komplex überhaupt vorstellen können, wie eine zerstörte Stadt aussieht? Der letzte Satz klingt hart. Ich fürchte, es geht um mehr als um den Sonderfall von Spießbürgerlichkeit, der mir hier begegnet ist. Plötzlich scheint es mir und ich erschrecke bei diesem Gedanken daß ein langwährender Friede, den wir mit aller Kraft ersehnen, auch Gefahren in sich bergen könnte. Ob der idyllische Zustand des Friedens die Menschen allmählich dazu bringen wird, den Wert von belanglosen Dingen zu überschätzen und von Gewohnheiten abhängig zu werden, die im Grunde genommen nebensächlich sind?
18. April
Die Schweiz ist ganz anders! Ich wußte es, wollte es aber erleben. Von meinen ewig streitenden Gastgebern (Kost und Logis und zwölf Fränkli im Monat für meine Arbeit) habe ich mich zum ersten Mal für ein Wochenende befreit. Ich habe mein Geld zusammengerafft und bin mit dem Zug nach Bern gefahren. Unterwegs konnte ich mich nicht satt sehen: Was für eine herrliche Welt, und wie gut es tut, nirgendwo Ruinen zu sehen! An der Bahn wurde ich von der Berner Familie abgeholt, zu der ich ursprünglich als Au-pair-Mädchen hatte gehen wollen. Als es damals darum ging, zwischen beiden Angeboten aus der Schweiz zu wählen, hatte Mama allerdings gemeint, daß eine Familie mit Baby für mich schicklicher wäre als eine mit einem 19jährigen Sohn, »der seine französischen Sprachkenntnisse vervollständigen möchte und Vergnügen daran finden wird, der jungen Dame sein Land zu zeigen«, wie es in einem Brief hieß.
Die Eltern von Markus so heißt der Junge - sind weltoffen, unkompliziert und sehr herzlich. Ihr schönes Haus in einem Vorort von Bern wirkt gediegen und gemütlich. Markus ist Sportflieger. Er will nächstes Jahr einen Ferienjob in England bei Verwandten übernehmen und uns, auf dem Weg dorthin, in Neuilly besuchen. In seinem Garten hat er viele Photos von mir gemacht. Die Sonne schien. In einigen Stunden habe ich über die Schweiz mehr erfahren als in 30 Tagen in der Baseler Familie!
Vier Tage später im Werk Rosenheim/Deutschland!
Wir sind mitten in der Nacht in Rosenheim angekommen, und ich bin viel zu aufgeregt, um gleich schlafen zu können. Morgen soll ich nach Flintsbach (Inntal) gebracht werden, wo ich zunächst bei der Mutter der Sekretärin meines Vaters wohnen werde. Ich freue mich, weiß aber nicht, was mich erwartet. Die alte Dame spricht nur deutsch.
Alles scheint hier abenteuerlich zu sein, auch das tägliche Leben. In Rosenheim gibt es nirgendwo Zimmer. Ausländische Zivilisten bekommen keine Aufenthaltserlaubnis und damit keine Lebensmittelkarte. Lange werde ich in Bayern nicht bleiben können. Papa trägt nach wie vor seine Uniform. Jetzt schläft er in seinem Büro nebenan.
Eigentlich bin ich heilfroh, daß er mich aus Basel herausgeholt hat! Ursprünglich wollte er mich nur besuchen.
»Deine letzten Briefe waren nicht mehr so fröhlich wie sonst«, sagte er. »Ich dachte mir gleich, daß etwas nicht stimmte. Du hast sehr abgenommen. Ich lasse dich keinen Tag länger hier. Packe bitte sofort deinen Koffer!«
Jetzt bin ich auf Bayern gespannt. Vorhin hat es stark geregnet.
23. April, Flintsbach
Der Herr, der den Wagen fuhr ein gewandter und freundlicher Berliner sprach wesentlich besser Englisch als ich. Zunächst blieb das Wetter diesig, auch als wir in das Inntal einbogen. Die Landstraße war naß. In der Luft hing noch die ganze Feuchtigkeit des gestrigen Regens. Aber plötzlich kam es! Die Wolken hoben sich, teilten sich über uns, die Sonne kam heraus, mit ihr die Berge. Bald stand ein ganzes Tal in Blüte vor uns! Es war so schön, daß ich am liebsten Purzelbäume geschlagen hätte oder in stille Andacht versunken wäre.
Diese plötzliche Begegnung mit dem Frühling werde ich nie vergessen. Deutschland hat sicher viele Gesichter, aber die Bilder dieser farbenfrohen Bergwelt, leuchtend und wie verzaubert nach dem Regen, werden für mich den Glanz der ersten Entdeckung behalten. Auf den Bergen lag noch Schnee, in der Normandie so selten und so vergänglich, daß ihm für mich der Ausdruck der Kostbarkeit, ja fast des Überirdischen anhaftet. Wie sehr werde ich mich freuen, Schnee zu berühren, ihn zu kosten!
Die Farben der Kirschblüten und der Forsythien beherrschten das Tal. Die Obstgärten am Inn erinnerten mich an die Normandie. Das Bild, das sich mir bot, stellte ein Bündnis dar, ein harmonisches Nebeneinander von Bergen und Tal, von Natur und Mensch. Die ländlichen Häuser wirkten menschlich und mit ihren Balkonen einladend. Das viele Holz, aus dem sie bestanden, gehörte zu dieser Landschaft. Ein ausgewogenes Bild in allen Ebenen, bis zum weiß-blauen Himmel.
Am nächsten Tag wanderte ich an einem halbverfallenen Schlößchen vorbei, Richtung Petersberg und Riesenkopf. Unterwegs erregten viele Blumen und Pflanzen meine Aufmerksamkeit. Königlich allein stehend eine Waldorchidee, später in großer Zahl eine tiefblaue kleine Enzianart von begeisternd einfacher Form, deren intensive Farbe ich bisher bei keiner Blume gesehen hatte. Andere Blüten sahen wie Miniaturen mir bekannter Blumen aus. Ich kletterte über Felsen und fand den ersehnten Schnee!
Daß es, vor allem für einen Neuling in den Bergen, von Vorteil ist, den Wegen zu folgen, wußte ich nicht. Aus Freude an der Entdeckung ging ich einfach darauf los. Mein Pariser Schuhwerk mit kleinen Absätzen erwies sich als völlig ungeeignet. Von den Felsen angezogen, hatte ich den kleinen Berg von der falschen Seite erklimmen wollen. Ich suchte ratlos und mit Herzklopfen Halt an den Latschen, den Abgrund unter mir. Die Zwergkiefern hielten fest, und ich schloß mit ihnen ein Bündnis der Freundschaft. Als ich den Weg wieder erreicht hatte, war es, als hätte ich ein Abenteuer hinter mir. Es wurde langsam dunkel, denn ich war von Flintsbach spät weggegangen. Nach und nach erhellten sich die Fenster in den Häusern im Tal. Ich blieb stehen und wartete. Nichts schien mir schöner, als von oben herab dem Erwachen der zur Erde gehörenden Sterne beizuwohnen.
Dann trieb mich das schlechte Gewissen nach unten. Ob die alte Dame sich meinetwegen Sorgen machte? Ich lief den Pfad hinunter. Die kleine Ortschaft um den lustigen Zwiebelturm herum schien mir bereits heimelig, obwohl ich die Sprache ihrer Bewohner nicht kannte und in vieler Weise eine Fremde war. Zu Frau Sandmann, meiner Wirtin, konnte ich lediglich sagen: »Es tut mir leid.« Für mehr reichte mein Wortschatz nicht aus. Mit Gesten versuchte ich zu erklären, was ich erlebt hatte und wie glücklich ich war. Letzteres schien sie zu begreifen. Sie lächelte und servierte mir bald einen herzhaften Kaiserschmarrn.
Am nächsten Morgen ging ich, ein Butterbrot in der Tasche, zu seiner Majestät, dem Inn. Daß er das Tal beherrschte, wurde mir, die bisher nur zahme, ruhige Flüsse gekannt hatte, fast erschreckend deutlich, als ich von der Brücke aus den rasenden, lehmfarbenen Strom beobachtete, der, ungebändigt und von der Schneeschmelze angeschwollen, Baumzweige und ganze Büsche mit sich riß. Die unheimliche Kraft des Flusses vergegenwärtigte mir meine Fremdheit. Nachdenklich zog ich weiter und, als ich die lieblichen Haine von Obstbäumen am Fuß des Heubergs erreicht hatte, war mir wohler. Die Ortschaft Nußdorf sah bezaubernd aus.
Am Wochenende kam Fräulein Sandmann, die französischsprechende Sekretärin aus Rosenheim, nach Flintsbach zu ihrer Mutter. Ein Fest für mich, denn ich hatte eine Menge zu fragen und zu erzählen. Zunächst kam ich mit ihrer Hilfe zu einem Paar Wanderschuhen von damals unschätzbarem Wert. Wir probierten sie gleich aus: Von der Talstation Brannenburg fuhren wir mit der Zahnradbahn zum Wendelstein und gingen anschließend bis zum Sonnenobservatorium von Professor Müller. Er erzählte, daß er im ständigen Kontakt mit dem Sonnenobservatorium von Pic du Midi in den französischen Pyrenäen stehe und daß die Zusammenarbeit sehr positiv und absolut problemlos sei.
»Wenn es um die Sonne geht, gibt es auf dieser Erde keine Grenzen. Hoffentlich wird es irgendwann mal für alle Menschen dieser Welt klar in jeder Beziehung!«
Er zeigte mir seine neuesten Aufnahmen von Protuberanzen am Sonnenrand.
Am Abend gab das 250 Jahre alte Volkstheater von Flintsbach eine Komödie von Ludwig Thoma, sie war herzerfrischend und so gut gespielt, daß ich oft mitlachte.
»Die Dialoge klingen lebensecht, weil sie bayerisch und nicht hochdeutsch geschrieben sind«, erklärte mir Fräulein Sandmann während der Pause.
Hochdeutsch: Diesen Ausdruck hatte ich bereits in Bern gehört, als Markus mich davor gewarnt hatte, in der Schweiz Deutsch lernen zu wollen.
»Wieviel Deutsch-Arten gibt es eigentlich?« fragte ich verwundert und nicht ahnend, welchen Dämonen ich damit heraufbeschwor. Die Erklärung meiner netten Führerin wurde langatmig.
»Für mich ist sowieso noch alles gleich«, unterbrach ich sie heiter. »Heute abend bin ich auf die Gebärden der Schauspielerin angewiesen, und das Ratespiel macht mir viel Spaß. Das Publikum scheint ebenfalls die Darstellung zu genießen, auf eine spontane, unverfälschte Art, so als ob Humor und Fröhlichkeit hier zu Hause wären.«
Am Sonntag rückte die bayerische Kapelle samt Trachtenverein in das große Wirtshaus ein, und es sah dort im Nu wie in einer Operette aus, mit dem Unterschied, daß kein Vorhang aufzugehen brauchte. Wir saßen mitten drin und bekamen Bier in Krügen, die kaum mit einer Hand zu heben waren! Die Mädchen trugen wie am gestrigen Abend auf der Bühne ihr Haar in langen Zöpfen, die wie Kronen um ihre Köpfe befestigt waren.
»Diese Frisur gilt noch als Bedingung, um ein Dirndl tragen zu dürfen«, erklärte meine Begleiterin. »An den kurzen Frisuren erkennt man im Publikum die Mädchen aus dem Osten. Wir haben in Bayern viele Flüchtlinge aus Schlesien, aus dem Banat und von anderswo. Sie haben große Mühe, hier Fuß zu fassen, aber sie bemühen sich sehr. Herr Sokowsky, der bei uns im Parterre mit seiner Familie wohnt, ist Photograph im Moment ein schlechter Beruf! Wer hat schon Geld für Photos? Seine drei Kinder fangen aber an, bayerisch zu sprechen, und seine Frau hat eine Stellung bei der Gemeinde bekommen. Irgendwie werden sie sich durchschlagen. Die Sokowskys sind nette Leute. Der Mangel an Arbeitsplätzen stimmt allerdings die Einheimischen den Flüchtlingen gegenüber nicht immer wohlwollend. Es wird Zeit brauchen, bis Bayern sie alle integriert. Es ist auch eine Religionsfrage ...
»Auch dieses Thema war mir neu. In Frankreich ersparte uns die Zugehörigkeit der großen Mehrheit der Bevölkerung zu einer einheitlichen Konfession sicher manche Probleme. Ob das ein Vorteil war? Der Gedanke, daß Deutschland in ein Bündel von Schwierigkeiten verstrickt war, deren Entwirrung keine leichte Aufgabe darstellen würde, streifte mich zwar, verflüchtigte sich jedoch sofort, weil die Trachtengruppe zu tanzen begonnen hatte.
Hier, auf der Tanzfläche, keine Spur von Zukunftsangst! In Flintsbach schienen sich ansteckende Lebensfreude, ungestüme Vitalität und unbekümmerte Heiterkeit spielend durchzusetzen, und dies, obwohl es dort kaum genug zu essen gab und vieles nicht zum besten stand. Die weiten Röcke der Mädchen drehten sich schwungvoll, während sich die Bauernburschen in Lederhosen auf die Schenkel klopften und Freudenschreie ausstießen. Fräulein Sandmann erläuterte mir den Sinn der vorgeführten Tänze, die traditionelle Tätigkeiten wie das Fällen eines Baumes (nur mit Männern) oder das »Fensterin« (zusammen mit den Mädchen) mimten.
Ein junges Paar wirkte während aller Darbietungen so verliebt, daß ich prompt meine Meinung bezüglich der »Operette« revidierte. Auch gab es kein Publikum: Die Leute waren unter sich. (Die Währungsreform lag noch fern, der Tourismus ebenso.) Was hier geschah, war kein Theater. Es gehörte zum normalen Leben dieser Menschen, die sich ihre Originalität bewahrt hatten und nicht daran dachten, sie aufzugeben, weil wie meine Begleiterin sagte »alles hier einer Tradition entspricht, die seit eh und je gepflegt worden ist.«
Nach einem trüben Tag kam der Föhn, und die Welt veränderte sich! Die Ankunft dieses unberechenbaren und liebenswürdigen Tyrannen nahm ich, um ehrlich zu sein, zunächst überhaupt nicht wahr. Weil mir jedoch seine Anwesenheit abwechselnd in freudiger, klagender, sachlicher, erstaunter Tonlage gemeldet wurde, fing ich an, über das Wesen eines »Fallwindes« nachzudenken, der die Menschen veranlaßte, so verschiedenartig »Heute ist Föhn!« zu sagen. Eines war gewiß: Der Himmel war blau, und hoch oben schwebten ausgefranste Schärpen von Wolken, die sich bereits zu erschöpfen schienen. Frühmorgens hatte es im Tal Nebel gegeben, einen Dunst, der, wie aufgesaugt, über die Berge gestiegen war, um sich in nichts aufzulösen. Hatte ich nicht bei meiner Ankunft etwas Ähnliches erlebt? Der Zauberer hieß also damals vielleicht schon Föhn! Den Grund, weshalb nicht alle Menschen sich über sein Erscheinen freuten, wollte ich beim nächsten Besuch von Fräulein Sandmann ergründen.
Beschwingt wie nach dem Genuß eines Glases Sekt (hatte dies auch mit dem Föhn zu tun?), verabschiedete ich mich bis zum Abend von Frau Sandmann. Daraufhin sprach sie, freundlich auf mich deutend, von einem »Eichhörnchen« ein Wort, das ich mich beeilte im Wörterbuch zu suchen. Wieso Eichhörnchen? überlegte ich. Vielleicht weil das Tierchen ständig in Bewegung und kaum zu fassen ist...
»Eichhörnchen heißt auf bayerisch >Oachkatzerl<«, sagte sie und ließ mich spaßhalber das Wort wiederholen.
Neugierig über die Orthographie dieser neuen Errungenschaft, wollte ich wieder zum Wörterbuch greifen, aber meine Wirtin schüttelte lachend den Kopf.
Wenn sie sich die Mühe machte, mit mir zu sprechen, hüpfte ich hoffnungsvoll von einem verstandenen Wort weg und landete meistens nirgendwo, weil zu viele für mich bedeutungslose Wörter einem undefinierbaren Murmeln gleichkamen, von dem ich erhoffte, es würde irgendwann einmal einen Sinn bekommen. Möglicherweise hätte hartnäckige Schreibtischarbeit die Verständigung beschleunigt, aber der Reiz der Berge war zu stark, vor allem weil ich wußte, daß meine Zeit in Flintsbach knapp bemessen sein würde. Alles, was ich draußen versäumt hätte, schien mir unwiderruflich verloren. Der Schnee schmolz zusehends; ich mußte weiter hinauf.
Wenn mir unterwegs Menschen begegneten, sagten sie freundlich »Grüß Gott!«, und ich fand die Sitte, Fremde mit dem frommen Gruß spontan anzureden, hübsch und beruhigend. Artig grüßte ich zurück. Wenn sich die Wanderer allerdings länger mit mir unterhalten wollten, mußte ich nach kurzer Zeit das gelernte Sprüchlein »Ich spreche leider nicht deutsch!« anwenden. Meistens zogen sie erstaunt von dannen. Ob ich manchmal Angst hatte? Kaum, aber je höher ich ging, desto sicherer fühlte ich mich. Oben traf man selten Menschen an, vor allem keine Müßiggänger, sondern Leute, die einer Beschäftigung nachgingen.
Oder Tiere! Zwischen Rambaldplatte und Hochsalwand überraschte ich einige Gemsen mit einem Kitz, die am Rand des oberen Waldgürtels zwischen Sträuchern grasten. Erschreckt flohen sie, über Felsen springend. Die Bewegung erfaßte sogleich das ganze Rudel am Hang. Tiere, deren Anwesenheit ich nicht vermutet hatte, strebten von überall her in waghalsigen Sprüngen nach oben. Alles ging rasend schnell. Plötzlich waren die Gebirgsbewohner verschwunden. Reglos und still stand der Berg, so als ob ich alles nur geträumt hätte. Wieviele Gemsen waren es gewesen? Um die 30?
In Flintsbach hatten sich Mutter und Tochter bisher über meine Unternehmungslust offenkundig gefreut und mich sogar dazu ermutigt. Allmählich wurde ihnen in ihrer herzlichen Fürsorge um mich bange. Sie suchten nach Wegen, die Verantwortung mit jemandem zu teilen, und fanden in ihrer Nachbarschaft die Lösung. Diplomatisch sagte Fräulein Sandmann:
»Nachdem Sie, inzwischen gut trainiert, weitere Wanderungen unternehmen wollen, brauchen Sie einen Begleiter, der Ihnen neue Wege zeigt. Unsere Gegend ist, wegen ihrer Nähe zur österreichischen Grenze, zur Zeit nicht so harmlos, wie Sie meinen, weil Schmuggler und Schwarzmarkthändler Treffpunkte in den Bergen vereinbaren. Es gibt auch Menschen, die gute Gründe haben, ihre Papiere an der Grenze nicht zu zeigen; sie wählen den Weg nach oben. Die Nachkriegszeit bringt manche Unruhe mit sich, die Sie optimistischerweise nicht einmal vermuten und, weil Sie Ihre Unbefangenheit behalten müssen, möchte ich Ihnen einen jungen Mann vorstellen, der die Gegend gut kennt und selbst gerne wandert. Er ist sehr gut erzogen, studiert Jura, lebt normalerweise in München, für einige Wochen in Flintsbach.«
Wir gingen zu ihm. Er hieß Siegfried und sah ungefähr so aus, wie eine Französin sich den Nibelungen-Held vorstellt.
»Ist der Vorname Siegfried in Deutschland sehr geläufig?« fragte ich verschmitzt Fräulein Sandmann.
»Nein, in Bayern schon gar nicht, aber er steht ihm doch nicht schlecht, oder? Siegfried ist im übrigen ein sozial und christlich sehr engagierter junger Mann. Ich glaube, er möchte später Richter werden. Sie können ihm absolut vertrauen. Schade nur, daß er nicht französisch spricht!«
»Um so besser!« antwortete ich.
Siegfried verdankte ich bald einige Wanderungen, die ich allein wahrscheinlich nicht unternommen hätte. Unsere längste Tour am Tatzelwurm und Sudelfeld vorbei nach Bayrischzell und zurück über den Wendelstein dauerte 14 Stunden! Oft, vor allem bergauf, gingen wir still hintereinander her, aber wenn der Weg es erlaubte, versuchten wir zu plaudern, und dies brachte eine nicht alltägliche Eigenschaft meines ritterlichen Bergführers zu Tage: Er entpuppte sich als ein perfekter Humanist! Weil wir uns auf deutsch nahezu nicht verständigen konnten, griffen wir auf altbewährte Vokabeln der Antike zurück. Die bayerischen Rehe müssen sich über unser Kauderwelsch gewundert haben! Ich glaube, wir genossen das Außergewöhnliche unserer spärlichen und ein wenig verrückten Unterhaltung.
Manchmal fiel uns zuerst das lateinische Wort ein, manchmal das griechische ... oder gar nichts, was uns zum Lachen brachte. Dieses Ratespiel war nur deshalb möglich, weil wir beide erst der Schule entronnen waren; einige Jahre später hätten wir solche Kenntnisse nicht mehr gehabt. Sie fingen bereits an, sich zu verflüchtigen. Das ärgerte uns. War es nicht paradox und witzig, daß Sprachen, die wir als unnötigen Ballast betrachtet hatten, plötzlich vor den lebenden Sprachen rangierten, weil wir sie dringend brauchten!
Beim Essen sprechen Menschen gern miteinander. Wir hatten unsere belegten Brote ausgepackt und saßen stumm da. Wie wäre es, fragte ich mich, wenn ich nun singen würde? Auch dies kann ein Verständigungsmittel sein! Das kurze französische Lied, das mir einfiel, paßte zu unserer Wanderung:
»Pour la beaute de nos chemins,
pour aujourd'hui et pour demain...«
Die Stelle »für heute und für morgen« gefiel mir besonders, weil sie von uns verlangte, daß wir die Zukunft - diese unbekannte Größe frei und ohne Vorbehalt annahmen. Das Lied setzte eine bejahende Lebenseinstellung voraus. Bedingungen, stillschweigende Einschränkungen mögen Erwachsenen aus Erfahrung richtig erscheinen, dachte ich. Uns jungen Menschen, mitten in den Scherben, die der Krieg hinterlassen hat, bleibt wohl keine andere Wahl als der Weg nach vorne. Ob Siegfried auch so dachte? Er klatschte mir Beifall, ohne den Text verstanden zu haben, und bat mich, das Lied zu wiederholen.
»Morgen!« scherzte ich. »Jetzt habe ich Hunger!«
Weil ich später den Pfad voller Schwung bergab lief, schrie Siegfried auf deutsch:
»Nicht so schnell!«
Ich blieb stehen. Er kam nach und sagte ernst:
»Res difficilis ad servendum Mentorem tibi!« (Es ist schwer, dein Mentor zu sein!)
Ich dachte rasch nach: Mentor, das war doch der Hauslehrer des Sohnes des Odysseus und der Penelope!
»Nihil est mihi cum viro Telemacho!« (Ich habe nichts mit dem Mann Telemach zu tun!)
»Certo scio!« (Es ist mir klar!), antwortete Siegfried heiter.
»Caesar sagte schon: >Kühnheit ist der blühenden Jugend eigen !<«
Viel älter als ich ist Siegfried eigentlich nicht, dachte ich, aber ruhiger und weiser! Wieviel Zitate hat er in seinem Kopf, dieser »homo doctus«? Ich kenne kaum welche... Apropos Zitate, mir fiel ein Lied ein, das man im Kanon singen konnte. Sollten wir es probieren?
»Ego sum pauper, Nihil habeo, cor meum dabo!«
(Ich bin arm, nichts besitze ich, mein Herz werde ich geben.)
Es klappte vorzüglich. Als Verbindungslied zwischen uns Europäern wäre der Text nicht unangebracht, überlegte ich. Was besitzen wir noch Großes außer unseren Mut, neu zu beginnen?
In Flintsbach warteten zwei Briefe auf mich, einer von Colette aus Neuilly und einer von Eric aus Baden-Baden. Beide Briefe kündigten mir das baldige Ende meines Aufenthaltes in Flintsbach an. Mein Vater, unterwegs nach Paris, war über Baden-Baden gefahren, um eine Zuteilung von Aluminium-Folien für das Werk Rosenheim zu erwirken. Er hatte dort sowohl Eric wie seine Mutter angetroffen. Weil Papa demnächst öfter in Baden-Baden zu tun hatte, wollte er mich dorthin mitnehmen und, vor meiner endgültigen Rückkehr nach Paris, sogar eine Woche dort lassen. Eric freute sich. Ich schrieb ihm postwendend zurück:
»Auch ich freue mich, Ihre Mutter und Baden-Baden kennenzulernen, aber seien Sie so nett, cher Eric, schreiben Sie und sagen Sie nicht mehr >Mademoiselle<, sondern >Danielle< zu mir, wie ich soeben >Eric< geschrieben habe. Wir kennen uns schon so lange, wir Normannen! Ich werde Ihnen viel von Bayern erzählen und Sie mir von Ihrem Militärdienst. Welche Bücher haben Sie inzwischen gelesen? Bis bald!«
Mit Siegfried unternahm ich noch eine große Wanderung am Hochrieß. Wir wußten beide, daß es unsere letzte war. Das Gebirgswasser in meiner Hand schmeckte mir besser denn je. Der Weg führte lange an einem Grat entlang, von wo aus die Sicht weit ins Land reichte. Ich hatte diese Landschaft mit meinen Beinen kennengelernt. Sie konnte mir viel erzählen. Siegfried, Botschafter seines Landes, hatte mir einen unvermuteten Aspekt gutes Deutschlands gezeigt nicht mit Worten, sondern einfach mit seiner Art zu »sein«.
Die Mutter von Eric konnte die besten Käse-Souffles kochen, die ich je gegessen habe! Diese Fähigkeit erstaunte mich, weil sie nicht zu der Vorstellung paßte, die ich mir von ihr als Hauptmann der französischen Armee gemacht hatte. Sie war eine selbstbewußte »Karriere-Frau« vor der Zeit einer der wenigen weiblichen Offiziere damals in Baden-Baden, und sie hatte Spaß, am Abend ihre Uniform gegen ein schickes Kleid zu vertauschen, um Gäste zu empfangen. Den Umgang mit Männern in der Armee gewöhnt, nahm sie kein Blatt vor den Mund, wenn sie mit Humor Geschichten aus der Hauptstadt der französischen Zone erzählte, aber sie übertrieb nichts. Sie blieb in ihrer ungezwungenen Art Dame von Welt mit fundierten Fachkenntnissen und gut lackierten Fingernägeln! Man merkte, daß sie es genoß, diese vielfältige Rolle zu spielen.
An diesem Abend imponierte sie mir so sehr, daß ich ihrem Sohn zunächst wenig Beachtung schenkte. Eric war nicht besonders groß, seit Le Molay kaum noch gewachsen, zumindest nicht mehr als ich in derselben Zeit, so daß der Abstand zu seinen Gunsten der gleiche geblieben war. Er sah nach wie vor sehr energisch aus, und seine braunen Augen waren, wie die seiner Mutter, bemerkenswert lebhaft. Während des Essens begegnete sein Blick oft dem meinen. Eric ließ seiner Mutter in der Unterhaltung den Vortritt und genoß ein wenig belustigt die Sympathie, die man ihr entgegenbrachte, so als ob er in der gewohnten Wirkung, die sie auf Fremde ausübte, eine Bestätigung seiner eigenen Bewunderung sähe.
Später servierte er den Kaffee, den er in der Küche zubereitet hatte, und fing an, mehr von sich zu erzählen. Wie in Le Molay vertrat er die Meinung, daß die jungen Europäer tabula rasa mit der unerfreulichen Vergangenheit machen müßten, um auf einer neuen Grundlage aufgeschlossen zu einer Verständigung zu kommen.
»Tabula rasa ...« Bei diesem Ausdruck mußte ich lächeln. Es kam mir vor, als ob wir jungen Franzosen in unserem Drang, mit der Vergangenheit aufzuräumen, in unserer Neugier, die andere Seite des Rheins kennenzulernen, plötzlich alle »klassisch« angehaucht wurden!
Ich erzählte von Siegfried, schwärmte von den bayerischen Bergen und registrierte ein unerwartet kühles Echo auf meine Äußerungen.
»Daß ich einen lateinischen Ausdruck verwende, entspricht bei mir einem äußerst seltenen Zufall«, bemerkte Eric. »Um ehrlich zu sein, ich habe in der Schule Latein wie die Pest gehaßt! Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, daß ich in dieser Hinsicht ein Banause bin... Aber was die Berge anbetrifft, habe ich einen guten Vorschlag zu machen: Es gibt in zwei Tagen einen europäischen Jugend-Treff vielleicht der erste nach dem Krieg auf dem Berg Merkur hinter Baden-Baden. Wir wissen zwar nicht genau, wie er sich gestalten wird, weil wir mit solchen Dingen noch keine Erfahrung haben und weil es im übrigen bei einem losen Konzept bleiben soll ...«
»Der Abend ist aber von den französischen Militärbehörden nicht nur genehmigt, sondern gefördert worden«, unterbrach seine Mutter. »Also ganz so planlos wird er nicht verlaufen. Es kommen junge Menschen 16 bis 25jährige - aus England, Holland, Belgien, Frankreich und Deutschland, in erster Linie Pfadfinder.«
»Nicht nur!« scherzte Eric. »Wir sind auch da, selbstverständlich ohne Uniform einige französische Soldaten, die auf freiwilliger Basis dabei sein wollen. Auch Schüler der Abiturklasse des französischen Gymnasiums Charles de Gaulle in Baden-Baden werden mit deutschen Kameraden und Studenten der Universität Straßbourg dort sein. Haben Sie Lust, Danielle, mit mir hinzugehen?«
Der Abend übertraf bei weitem meine Erwartungen. Niemals habe ich später so deutlich gespürt, wie leicht es wäre, eine europäische Gemeinschaft, ja einen europäischen Staat zu gründen! Wir waren nur unter uns jungen Menschen, von dem Eifer der Pioniere gepackt, bestrebt, alles zu vergessen, was uns trennte, und überzeugt, daß wir eine Menge Gemeinsames hatten zu allererst unsere Jugend! Es wurde nacheinander in verschiedenen Sprachen gesungen, wir warfen Holz in ein großes Lagerfeuer, wir tanzten, wir teilten, was wir zum Essen mitgebracht hatten. Es gab keine Probleme, und wir hegten keinen Zweifel darüber, daß wir morgen sobald wir in der Welt etwas zu sagen haben würden die Menschen in Europa von der Notwendigkeit eines endgültigen Zusammenseins leicht überzeugen würden.
Zu dieser mit optimistischen Erwartungen verbundenen Stimmung paßte das damalige Fluidum von Baden-Baden hervorragend. In einem feuchten Treibhausklima blühten reinweiß bis purpurrosa die Magnolien auf plötzlich herbeigezauberten gepflegten Rasenflächen. Um die Häuser drängten sich Azaleen in voller Blüte und unzählige Rhododendren, deren Knospen zum Bersten gefüllt, demnächst der Stadt ihren eigentümlichen Reiz verleihen würden. Voller Erwartung schien der alte Kurort im Kesseltal der Oos, und für mich von einer Romantik geprägt, die ich als typisch deutsch deutete, zugleich aber sehr nah empfand...
Am Abend führte mich mein Vater öfter ins Restaurant Goldener Hirsch aus, wo man bei Kerzenlicht und Kammermusik soupieren konnte. Dort traf man Gott und die Welt, auch Raoul Nordling, den schwedischen Generalkonsul, der im Einvernehmen mit General Choltiz Paris vor der Zerstörung bewahrt hatte. Ich bekam den Eindruck, daß im Hirschen im Flüsterton konspirative Gespräche, vom Crescendo der Geige gelegentlich unterbrochen, zum Wohle Europas geführt wurden.
Auch bei den anspruchsvollen Konzerten, die Baden-Baden verschwenderisch anbot, fühlte ich mich in gehobener Stimmung. Man hatte gerade Francois Couperin neu entdeckt, und ich ergötzte mich neben seiner Musik an den poetischen Überschriften der Sätze seiner Suiten: Sicilienne, La Tromba, Air de diable, das waren Einfälle, die einem Konzert für Violoncello und Orchester eine originelle Würze gaben! Die >Danses sacrees et profanes< von Claude Debussy hörte ich mit Wonne, ebenfalls vieles von Bach, der mich zu begeistern anfing.
Zu meinen neuen Entdeckungen gehörten auch die ruhigen, verträumten Weinberge außerhalb der Stadt. Es tat mir leid, sie nun verlassen zu müssen. Der letzte Tag eines Aufenthalts, der mir nur erlebnisreiche Stunden beschert hatte, ging zu Ende.
»Überall, wo Wein angebaut wird, müßte die Freundschaft unter den Menschen gedeihen können!« sagte Eric.
Er saß neben mir im Fond des Wagens, der uns nach Paris zurückbrachte. Papa steuerte das Auto. Baden-Baden lag bereits unsichtbar in der Ferne. Im Elsaß erklommen ebenfalls Rebstöcke die Hänge.
»Die Weine des Rheinlands sind alle miteinander verwandt«, sagte Papa, »manchmal sogar aus derselben Traubenart gekeltert, und dennoch schmeckt jeder, Gott sei Dank, anders.«
»Warum lehnen Sie sich nicht zurück, Danielle?« fragte Eric. »Es muß anstregend sein, so aufrecht zu sitzen.«
»Ich bin's gewöhnt«, antwortete ich, »und momentan gibt es viel zu sehen.«