Am 25. Juni 1944 bekam Vater einen Marschbefehl Richtung Cotentin. Stolz notierte er für uns seine Militäradresse auf einem Zettel und fuhr voller Schwung ins Unbekannte.
»Lieutenant Roger B.... 3e Bataillon de Genie über Bureau de la Place Bayeux.«
Hinter dem vielversprechenden Namen »3eme Bataillon« verbarg sich eher eine Zukunftsvision als eine Realität. Die Pioniere der neuen französischen Armee mußten zunächst einen Weg zueinander finden. Papa hatte dieser Waffengattung immer angehört, nicht nur militärisch! Damit verbrannte er sich regelmäßig die Finger, ohne jedoch seine pragmatisch-idealistische Lebenseinstellung einzubüßen.
Am 29. Juni begann er einen Brief, der, von verschiedenen Boten getragen, uns viel später tatsächlich erreichte. (Post gab es keine, weder für die Militärangehörigen, noch für die Zivilisten): »Chateau de la Germoniere, Le Vast, Quettehou.
»Ma Cherie,
nach einigem Hin und Her leben wir mitten in einem herrlichen, großen Park, den ein Bach mit Wasserfall durchquert. (Ich wette, es sind Forellen drin!) Oberst Taupin hat mir den Auftrag gegeben, in Le Vast eine französische Kompanie aufzubauen. Meine Leute, die >Soldaten der ersten Stunde<, wie ich sie nenne, sind bisher einige von der Organisation Todt übriggebliebene Arbeiter und junge Männer, die sich spontan bei der französischen Gendarmerie zum Wehrdienst gemeldet haben. Die ersten sind müde, die zweiten vor Begeisterung in ihrem persönlichen Engagement kaum zu bremsen. Sie tragen alle keine Uniform, weil wir keine haben. Wir leben in Baracken.
30. 6. 1944
Das Schloß zuvor von der Wehrmacht besetzt wurde durch Marinegeschosse beschädigt. Alles befindet sich in desolatem Zustand, obwohl schöne Möbel herumstehen. Meine Männer räumen dort auf. Der Besitzer, ein freundlicher alter Herr, hat uns dafür erlaubt, den Gemüsegarten zu plündern. Gestern wußte ich in der Tat nicht, womit ich hier die fünfzig Leute ernähren soll. Inzwischen hat sich die Zahl der Männer verdoppelt. 200 bis 300 sollen wir bald sein. Lieutenant de Ville d'Avray aus Bayeux ist hier. Einige Offiziere sind gestern dazugekommen. Von nun an bekommen wir die >Field Rations C< der Amerikaner: Keks, >Meat and Beans< in Dosen, Limonade in Pulverform, Bonbons, Zigaretten und Klopapier alles pro fünf Mann verpackt.
In einer Allee des Schlosses hat eine amerikanische Panzereinheit ihre Zelte aufgeschlagen (Colonel aus Texas, dessen Vater 1918 in Frankreich mitkämpfte, ein prima Kerl). Die Amerikaner hoffen >Christmas< zu Hause zu verbringen. Im übrigen erzählte mir der Colonel, die Deutschen hätten möglicherweise zwei Divisionen Fallschirmjäger unmittelbar hinter der Front. Seid vorsichtig! Es ist nicht ausgeschlossen, daß bei Euch Fallschirmjäger während der Nacht abgesetzt werden.
1.7.1944
Heute haben wir im Schloß, im Büro des deutschen Stabes, mehrere Karten der Minenfelder an der nördlichen und östlichen Küste des Cotentin gefunden. Ich war froh, sie den Amerikanern zu übergeben. Es wird hoffentlich helfen, Unfälle zu vermeiden. Auch die Zivilbevölkerung lebt gefährlich. Gestern starb ein Kind im Dorf, weil es mit einer herumliegenden Handgranate spielte.
Es gibt in den Betonbunkern im Park eine Menge Munition. Die Deutschen hatten schwere Artillerie auf dem nahen Hügel postiert, um auf die Schiffe im Meer zu schießen. Die Amerikaner räumen eifrig auf. Morgen werde ich mit unseren Pionieren einen großen Bunker, drei Kilometer von hier entfernt, untersuchen. Ich bin gespannt, was wir dort entdecken werden!
2. 7.1944
Die ca. 40 000 Deutschen, die bei Cherbourg am 26. 6. gefangengenommen wurden, werden mit Lastwagen nach Utah gefahren. Die Amerikaner schicken sie per Schiff nach England und nach Amerika. Apropos, es könnte sein, daß wir nach England müssen. Die neue französische Armee hier ausbilden zu wollen ist angeblich eine Schnapsidee! (Für die Pioniere trifft das, finde ich, nicht zu. Hier ist ihre Ausbildung vielseitig und schnell. Die Nähe der Amerikaner wirkt sich in jeder Weise positiv aus. Daß wir keine Waffen für die Männer haben, stört mich bisher wenig; wir hätten ohnehin keine Zeit, damit zu exerzieren.)
Dabei fällt mir ein, daß ich Euch eine lustige Geschichte vorenthalten habe: Als wir am 27. 6. mit zwei holzkohlebetriebenen Lastwagen in der Nähe von Valognes unterwegs waren, blieben wir bei der Durchquerung einer Wiese im Morast stecken. Straßen gab es dort keine mehr. Alles durch Bomben zerwühlt! Ein Bauer half uns mit seinem Traktor heraus, aber wir hatten drei >Platten< und natürlich keine Ersatzreifen. Ich bat die Amerikaner um Hilfe, denen unser Unternehmen so spanisch vorkam, daß sie uns mit Maschinenpistolen im Anschlag bis zum französischen Hauptquartier begleiteten. Der amerikanische Captain redete zwar von herumstreunenden deutschen Soldatengruppen, die uns angreifen könnten, aber ich wußte genau, daß er uns bewachen ließ. Später sagte er: >Ich dachte, Sie wären ein Deutscher, der sich als französischer Offizier verkleidet hätte, um mit den Männern etwas anzustellen. Sind Sie mir böse?< Ich antwortete: >Warum sollte ich, Captain? An ihrer Stelle hätte ich auch gewisse Zweifel gehabt. < Er lachte und klopfte mir auf die Schulter. >Nichts für ungut<, sagte er, mir Glück wünschend. >Unity is strength!< was heißt (Colette und Nany werden es sofort wissen) >Einigkeit macht stark<. Im gleichen Sinn las ich kürzlich einen Satz von Churchill: >Let's go together with our united strength!<
Übrigens sind die versprengten deutschen Soldaten wirklich nicht zu unterschätzen. Vorgestern haben einige gewagt, unweit von hier auf ein amerikanisches Flugzeug zu schießen.
3. 7.1944
Seit gestern haben wir fließendes Wasser im Schloß, wo unser Stab eingezogen ist. Heute werden wir dank unserem Bach überall elektrischen Strom bekommen!
Es ist mir zugesichert worden, daß wir neben der amerikanischen Verpflegung fünf Frs. pro Mann und Tag erhalten werden. Ob ich bald eine Kantine errichten kann?... Wie in Le Molay! Dich und die Kinder habe ich natürlich nicht vergessen, die Fabrik bei Euch fast. Dafür ist mir so, als ob ein ganz neues Werk hier zu schaffen wäre für uns alle. Es tut sich hier so viel. Kannst Du Dir vorstellen, wie froh ich bin, dabei zu sein? Gestern haben wir im Keller Schlauchboote der deutschen Wehrmacht gefunden. Um 18 Uhr habe ich den Männern erlaubt, sich damit im Bach auszutoben. Sie waren ganz fit für den Zapfenstreich. Wir besitzen seit kurzem eine Fahne, die ich sehr feierlich am Abend herunterholen lasse.
Morgen soll ein Kriegsreporter kommen, angeblich sogar ein Kameramann. So ein Unsinn! Mit unserer französischen Armee können wir kaum aufwarten. Noch nicht! Obwohl >Fanas< so nennen wir unsere Fanatiker täglich durch die Frontlinie laufen, um sich in Bayeux freiwillig zu melden, wie der Fähnrich, den man mit 18 Männern gestern zu uns geschickt hat.
Heute Nacht hat die Flak ganz schön geballert. Bei Euch auch? Geht bitte weiterhin in den Schutzgraben! Übernachtet dort!
Ihr fehlt mir alle.
Roger
P. S. Diesen Brief gebe ich Oberst Taupin, der vor wenigen Stunden zur Besichtigung unseres Lagers gekommen ist. Bisher keine einzige Nachricht von Euch! Ihr schreibt doch über Bayeux?
In Eile. Baisers.«
Entgegen den soeben verfaßten Ratschlägen unseres Familienoberhaupts schliefen wir in der Nacht vom 3. zum 4. Juli selig zu Hause, als eine Salve der nahen Flugabwehrkanonen uns aus unseren Betten hochfahren ließ. Wir flüchteten in den Keller, von bedrohlich grell aufflammenden Lichtern begleitet. Ein gewaltiges Feuerwerk prasselte hernieder und donnerte in der Nacht. Bomben fielen. (Mit ihnen zwei Flugzeuge, die brennend abstürzten, eins davon in eine Waldlichtung unweit von uns, wie wir später erfuhren).
Nach einer Stunde gingen wir wieder schlafen. Draußen nieselte es. Eine trübe, unheimliche Nacht.
Warum schoß in der Früh die amerikanische Artillerie wieder aus allen Rohren? Wie schon oft seit nun 17 Tagen waren wir von ihr plötzlich geweckt worden. Ihre Geschosse sausten über die Fabrik an uns vorbei. Trotz anderslautender Prognosen hatten wir uns nicht daran gewöhnt. Jedes Mal, wenn die akustische Marter begann, bekamen wir vor Schreck zunächst rasendes Herzklopfen. Resignation folgte. Es war so, als ob eine innere Stimme sich bemühte, uns zu überzeugen, nichts von der fürchterlichen Knallerei wahrzunehmen. Wir stellten uns taub, oder besser gesagt: wir versuchten, Abstand von der eindringenden Wirklichkeit zu gewinnen. Wir entflohen in eine lautlose, für uns momentan nicht existierende Welt, um einigermaßen normal leben zu können.
»Ich will mir endlich das Theater von der Nähe angucken«, sagte Michel.
Als er den Weg zu dem Hügel hinter der Eisenbahnlinie einschlug, hatte ich den Verdacht, er interessiere sich nicht nur für die amerikanische Artillerie. Wahrscheinlich würde er jetzt, dank eines kleinen Umweges, an dem Bauernhof vorbeikommen, wo die lustige, hübsche Juliette zu Hause war. Dieses 15jährige Mädchen mit dem geschmeidigen Gang und dem frechen Gehabe mußte schlechthin jedem Jungen gefallen. Michel hatte des öfteren unseren Plattenspieler auf das Fensterbrett der Küche gestellt, was mir seltsam vorgekommen war, bis ich erriet, daß er der in dieser Richtung wohnenden Juliette mit Opernarien in voller Lautstärke bei offenem Fenster imponieren wollte. Ging es um den Text des Gesangs, oder versprach sich Michel von dem in unserer ländlichen Umgebung noch seltenen Gerät die Aufmerksamkeit des hübschen Mädchens?
Urplötzlich hörte die Artillerie zu schießen auf. Die Stille erzeugte ein Vakuum. Bald füllte sich die erstaunliche Leere mit kleinen wohltuenden normalen Geräuschen. Man konnte wieder frei atmen. Es war anscheinend unser Schicksal, akustisch mit dem idyllischen nahen Hügel verbunden zu sein.
Als Michel zurückkam, sprach er keineswegs romantisch. Er erzählte von motorisierten mächtigen Artilleriegeschützen, die ihm wegen ihrer kompliziert wirkenden Technik sehr imponiert hatten, von Panzerabwehrkanonen und von einer Flak-Kette.
»Es sind die Geschütze, die heute nacht den Riesenkrach geschlagen haben. Die Amerikaner sprachen stolz von zwei abgeschossenen Flugzeugen. Sie sind sehr aufgeregt, weil heute >Independence day< ist. Die Felder oben wimmeln von Soldaten. Wir werden gut geschützt, sage ich euch! Von der Artillerie wußten wir, aber es steht dort viel mehr. Das Ganze ergibt eine tolle Verteidigungslinie, die jeden Angriff auf den Flugplatz der d'Estels vom Boden und aus der Luft abwehren kann. Die Spitfires starten auch ununterbrochen drüben. Vom Hügel aus sieht man sie besser. Sie fliegen nach dem Start einen Bogen über Saonnet Richtung Meer, um dort Höhe zu gewinnen.«
Mama hatte sehr aufmerksam zugehört und bemerkte trocken:
»Man könnte glatt behaupten, daß wir eine prima Zielscheibe abgeben und es bisher nicht begriffen haben!«
Später fragte ich Michel:
»Hast du die Vauclins getroffen?«
»Nein. Keiner war draußen. Die Fensterläden des Bauernhofes sind geschlossen, soweit ich sehen konnte.«
Von Juliette also keine Spur! Ob man die Familie Vauclin evakuiert hatte?
Die Taschen von Michel waren vollgestopft mit Kaugummis »Juicy fruit« und »Spearmint«, die wir gern mochten. Wir hatten uns rasch zu echten Kennern von »chewinggum« sozusagen emporgekaut. Nachdem die Amerikaner uns nach wie vor reichlich mit Süßigkeiten beschenkten, wählten wir nun unter den Marken und zwischen den verschiedenen Geschmacksrichtungen wie verwöhnte Konsumenten. Michel zauberte noch drei Dropspackungen aus der hinteren Tasche seiner Hose heraus.
»Wieso hast du so viel bekommen?« fragte ich.
»Die Amerikaner sind einfach gutgelaunt«, antwortete er. »Sie haben anläßlich des >Independence day< Sonderzuteilungen an Verpflegung erhalten. Als ich vorhin bei ihnen war, wurden sogar kleine amerikanische Fahnen verteilt. Hier ist eine!«
Er zog sie stolz aus einem Ärmel heraus.
»Wir sollten unsere französische Fahne vom Speicher herunterholen«, sagte Mama. »Jetzt ist die Zeit gekommen, sie zu zeigen!«
».... und wenn wir eine große amerikanische Fahne basteln würden, um sie draußen neben unsere zu hängen?« meinten Colette und ich fast im selben Moment.
Das Nähen der winzigen, weißen, eckigen Sterne war mühsam. Wir waren noch vollauf damit beschäftigt, als der Fliegerhauptmann, der den Flugbetrieb der »piper-cubs« bei der angrenzenden Wiese leitete, durch die offene Tür hereintrat. Er war beladen mit Gebrauchsgegenständen, die wir ihm geliehen hatten.
»Ich bringe euch alles zurück, bevor wir Le Molay verlassen«, sagte er. Schicksalsergeben zeigte er in Richtung Südwesten:
»Wir müssen dahin! Für euch ist es gut, daß wir abhauen. Wir sind keine so guten Nachbarn, wie ihr dachtet. Wir haben die Front immer zu nah vor der Nase, vor allem, wenn sie so lange stehen bleibt wie hier! Es tut mir auch leid, daß es mit meinem Versprechen deshalb nicht geklappt hat: Mit euch zu fliegen, Kinder, wäre die ganze Zeit zu gefährlich gewesen.«
Der Fliegerhauptmann verabschiedete sich, und wir dachten: Wird er bei seinem exponierten Dienst den Krieg überleben? Es war uns klar, daß er sich genau die gleiche Frage stellte, obwohl er betont munter sagte:
»Ich werde wiederkommen, to visit you, o. k. ?«
Solche Abschiede sollten wir bald öfter erleben. Wir waren traurig, Freunde einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Bei diesen Szenen mischte sich für die Amerikaner ein ganzes Bündel widersprüchlicher Elemente: Wehmut und Abenteuerlust, versteckte Angst und männlicher Stolz, die Freude, daß es vorwärts ging mit der persönlichen bangen Hoffnung auf Überleben. Je nach Temperament der Betroffenen gab es spürbare Nuancen. Den Willen, nichts zu dramatisieren, zeigte jeder. Man hätte gelegentlich sogar von Galgenhumor sprechen können. Was uns oft verblüffte und sich für mich als Erinnerung eingeprägt hat, war die allgemeine Gelassenheit der menschlichen Beziehungen der Amerikaner unter sich. In der Hektik an der Front schienen sie eine eingespielte Teamarbeit zu verrichten.
Wir befestigten unsere beiden Fahnen bei einem Fenster des ersten Stocks und merkten mit Freude, daß drei französische Fahnen auf dem Dach der Milchannahmestation angebracht worden waren. Überall wurde anscheinend gefeiert. Wir bekamen Lust, in die Ortschaft zu gehen.
Im Dorf waren viele Häuser mit Girlanden und französischen Fahnen geschmückt. Alle Menschen, die wir trafen, zeigten sich freundlich. Viele erkundigten sich nach Papa. Seine einsame, eigenwillige Entscheidung, als Offizier zu dienen, paßte hervorragend in die Tagesstimmung. Dieser »Independence day« hatte für uns alle wenig mit der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1776 zu tun. Wir feierten vielmehr unsere eigene Befreiung mit den Amerikanern, denen wir sie zu verdanken hatten; wir feierten die Bestätigung unseres eigenen Daseinsrechts. Als wir fröhlich von unserem Spaziergang zurückkamen, sahen wir unseren Feind den Mann, der Papa angezeigt hatte mit der Armbinde der Widerstandskämpfer herumlaufen! Daß er sich erdreistete, mit dem Lothringer Kreuz von de Gaulle umherzustolzieren, empörte uns. Was hatte er schon Großes getan, außer einen Menschen zu verleumden?
Am Abend erfuhren wir von einer mysteriösen und dem Anschein nach wichtigen Truppenbewegung der Deutschen in unserer Nähe. Die ganze Gegend war hellhörig. Die Höfe an der Front standen zwar zum Teil verlassen da, aber einige Bauern blieben in ihren Verstecken und beobachteten, was geschah. Mit der eingesammelten Milch wurden Nachrichten eingeschleust, unter anderem diese: Es hatte sich in der vergangenen Nacht, unter der Tarnkappe tiefhängender Wolken, Erstaunliches ereignet. Der Panzerdivision von General Bayerlein war es gelungen, sich entlang unserer Front, an Balleroy vorbei, von Tilly nach Saint-Lo zu schleichen. Zeitweise hatten die Soldaten den sich langsam vorwärts bewegenden Konvoi zu Fuß begleitet, um Zusammenstöße der Fahrzeuge im Dunkeln zu vermeiden. Taschenlampen sollten dabei nicht benützt werden. Es war auch verboten, Zigaretten anzuzünden. Ein mühsamer Marsch, der die deutschen Soldaten über eine Strecke von ungefähr 40 Kilometern von einer Hölle in die nächste führte. Menschen wurden dort in der Nacht vom 3. zum 4. Juli wie Figuren auf einem Schachbrett geschoben. Ohne zu berücksichtigen, daß Türme und Damen bei dem grausamen Spiel mit dem Tod längst nicht mehr zur Verfügung standen, machte man ein Loch auf, in der Hoffnung, ein noch größeres zu stopfen.
Nach dieser bewegten Nacht versuchten wir, die Ereignisse sinnvoll zu ordnen. Wir fragten uns, ob die plötzliche Auflösung der Landebahn der amerikanischen Erkundungsflugzeuge mit der deutschen Truppenbewegung zusammenhing und weswegen uns deutsche Flugzeuge justament in dieser Nacht angegriffen hatten. Eine zusätzliche Frage stellte sich: War der verstärkte Artillerieeinsatz unserer benachbarten Kanoniere eine erste Reaktion der Amerikaner auf die deutsche Truppenbewegung gewesen?
Bei unseren puzzleähnlichen Erwägungen fehlten uns die wichtigen Randstücke, um dem Gefüge einen festen, logischen Rahmen zu geben. Noch mehr fehlte uns allerdings der zeitliche Abstand. Wir steckten zu sehr mitten drin.