Frauen sind mittlerweile die Lösung und nicht mehr das Problem. Aber wie ist es inzwischen um die Männerfrage bestellt? Den Entwicklungen der Neuen Frauenbewegung folgten die Männergruppen, Männerzeitungen und Männerbücher. In der Öffentlichkeit haben wir uns als Feministinnen darüber wenig ausgelassen, obwohl bekannt ist, daß die Männerzeitungen und Bücher sehr häufig von Frauen gekauft werden und es darin oft um Männer unserer Umgebung geht, um Freunde und Ex-Freunde. Ein Grund dafür, weshalb ich so lange ein respektvolles Stillschweigen bewahrt habe, bestand darin, daß ich mich noch zu gut an meinen Ärger über die väterlichen Reaktionen selbst der nettesten Männer erinnerte, als wir mit unseren ersten Gesprächsgruppen und Zeitungen begannen. Ich hatte keine Lust, mit allzu kritischen Blicken dieselbe mütterliche Haltung gegenüber den zarten Anfängen dessen, was nun die »Männerbewegung« genannt wird, anzunehmen. Mittlerweile gefällt mir das Schweigen nicht mehr. Als Feministin habe ich ein Interesse daran, daß Männer sich verändern, aber ich habe auch ein Interesse daran, wie sie sich verändern. Während ich froh bin, daß sich allmählich eine Männerbewegung entwickelt, werde ich gleichzeitig mit Äußerungen konfrontiert, über die ich als Feministin überhaupt nicht glücklich bin.
Es gibt noch mehr Gründe, weshalb ich mich mit »Männern« beschäftigen will, als nur die Kritik an Teilen der Männerbewegung. Ich stoße an die Grenzen dessen, was eine Frau erreichen kann, zum Beispiel in den Gewerkschaften, in denen sich wenig ändert, solange Männer immer noch denken, daß sie mit »Frauenproblemen« nichts zu tun haben. Ab und zu begegne ich Männern, die sich wirklich verändern, und ab und zu bekomme ich eine Ahnung davon, wie echte Solidarität aussehen könnte. Ich werde auch ungeduldig, weil es so lange dauert. Es liegt wohl schon Jahre zurück, daß ich den »Märchenprinzen« endgültig begraben habe. Und vielleicht habe ich dadurch mehr Spielraum, mich damit auseinanderzusetzen, wie die Männer sich indes verhalten, ohne es persönlich zu nehmen und zugleich wieder böse und unglücklich zu werden.
Ich habe einen Sohn und sehe, wie wichtig es für ihn sein kann, daß es mehr Möglichkeiten gibt, auf andere Weise ein Mann zu werden. Obschon ich absolut nichts von denen hören will, die immer nur schreien, daß »Männer und Frauen es doch zusammen tun müssen« (das hängt davon ab, was und wie es getan werden soll), bin ich neugieriger als vor fünf Jahren, als meine Reaktion noch vorwiegend so aussah: Sie sollen zusehen, wie sie ohne uns klar kommen, vorläufig. Daher jetzt eine Reise durch die Literatur der Männerwelt. Es sollte deutlich sein, daß ich mir nicht anmaße, die Männerbücher auf ihren Nutzen für die Männer hin zu untersuchen. Ich habe sie unter der Fragestellung gelesen, wozu wir als Feministinnen die Ideen und Standpunkte der verschiedenen Männergruppen gebrauchen können. Es wird auch keine genaue Übersicht. Es gibt schon zu viele. Nach etwa zwanzig Büchern hatte ich es satt. Alle diese Bücher zu lesen, war nicht immer eine entspannende Beschäftigung. Meine bangen Vermutungen, daß es auch Männergruppen gibt, die sich hauptsächlich von der Frauenbewegung befreien wollen, fand ich bestätigt. Meinen Ärger darüber teilte ich andererseits wieder mit anderen Männern. Dieselbe Kritik, wie ich sie äußere, kommt auch aus der Männerbewegung selbst. Auf zur Literatur. Zuerst ein bißchen Schrott wegschaffen.
Schrott
Natürlich hat der Markt sich auch auf die Männer gestürzt. Ich sah schon die ersten Bücher mit schlampig zusammengerafften Artikeln über »Männererfahrungen aus der Weltliteratur«, als ob nicht fast die gesamte Weltliteratur sich gerade mit Männererfahrungen beschäftigt. Nach dem Erfolg des Hite-Report über weibliche Sexualität konnte die Reaktion nicht ausbleiben. In Beyond the Male Myth,[1] im Niederländischen in einer teuren Ausgabe zu haben, wurden viertausend Männer über ihre sexuellen Wünsche und Gewohnheiten befragt. Von einer oberflächlichen Meinungsstudie braucht niemand zu erwarten, daß dabei viel Neues herauskommt. Meines Erachtens wurde der Hite-Report für so enthüllend gehalten, weil sich darin die Ergebnisse eines kollektiven Bewußtwerdungsprozesses von Frauen niederschlugen. Ein ähnlicher Prozeß hat in diesem Maße bei den Männern sicherlich noch nicht stattgefunden. Somit brauchen wir uns auch nicht darüber zu wundern, daß man uns noch immer dieselben Mythen vorgaukelt, ein Stückchen an die neue feministische Moral angepaßt. Denn welcher Mann wagt noch laut zu sagen, daß es ihn nicht interessiert, ob seine Frau einen Orgasmus hat? Und welcher Mann würde zugeben, daß er zu den Männern gehört, die vor allem auf einen großen Busen scharf sind? In diesem Buch kommen solche Männer kaum vor. Doch der Pornohandel gedeiht üppig. Das sind dann offensichtlich genau all jene, die ihren Fragebogen nicht zurückgeschickt haben. Aber hinter der freundlichen Fassade finden wir noch immer dieselben Männer. Die Hälfte der befragten Männer wünscht sich immer noch mehr verschiedene Stellungen (beim Vögeln, Anmerkung der Übers.), ein Viertel hält sich von sehr intelligenten Frauen fern, jeder zehnte will nichts von Frauen in gutbezahlten Positionen wissen. Alter Sexismus im neuen Gewand (oder treffender — wie meine Freundin Petra sagen würde: neuer Wein in alten Säcken).
Liberalismus und das Rollenstereotyp
Beim Durchlesen der Bücher stieß ich auf einige Standpunkte, die sich mit etwas Mühe »Strömungen« nennen ließen. Strömungen nicht im Sinne leicht voneinander abzugrenzender Gruppen von Männern, sondern von verschiedenen Denkschemata angesichts der Gretchenfrage: Wer wird von wem unterdrückt und wie? Manchmal wird diese Frage explizit beantwortet, manchmal muß man zwischen den Zeilen lesen, und oft genug handelt es sich um einen Mischmasch von widersprüchlichen Gedankengängen.
Eine erste »Strömung« ist die der Männer, die behaupten, Anhänger der Frauenbewegung zu sein, wobei zwischen den Zeilen durchscheint, daß sie es wegen der Belohnungen sind, die sie vom Feminismus erwarten. Eine der größten Belohnungen ist bekanntlich die »emanzipierte« Frau: unabhängig und daher wenig arbeitsintensiv, mit einem guten Arbeitsplatz — folglich fesselnd im Gespräch — und leicht zu bekommen — ohne »sexuelle Frustrationen«, aber natürlich heterosexuell —, imstande, Kinder und Beruf zu vereinbaren und dabei charmant zu bleiben. Es ist kein Zufall, daß die Art von Büchern, die sich in solcher Form mit Emanzipation von Frauen beschäftigen, sich häufig auf dem Hintergrund des Geschäftslebens abspielen. Korda, Fasteau und Farrel [2] haben ein simples Modell von der Gesellschaft: Wenn die Männer nur aufhören, sich miserabel gegenüber den Frauen zu verhalten, sobald diese ihre Fähigkeiten nur erkennen, und ihnen die Gelegenheit bieten, auch Karriere zu machen, während die Männer selbst in der Zwischenzeit lernen, ihre Schwächen und Gefühle stärker zu zeigen, wird alles wunderschön. Zusammengefaßt klingt dies unsympathischer, als in ihrem Buch. Diese drei Amerikaner zeigen in vielen Anekdoten, wie lächerlich Männerverhalten häufig ist, und obwohl sie dabei an der Oberfläche bleiben, schließen sie sich selbst nicht aus. Sie behaupten, daß Männer sich selbst schaden, wenn sie sich nicht mit dem Feminismus verändern, und obwohl dies stimmt, ist es wohl doch zu einfach, so zu tun, als ginge es nur darum, »Rollenstereotype« abzulegen, die für Frauen wie für Männer gleich schlimm sind.
In anderen Büchern begegne ich dem Bild des Mannes, der sich selbst als vom »Rollenmuster« unterdrückt betrachtet. Das schon vor einigen Jahren erschienen Buch von Gerard van Beusekom Fretz,[3] bislang das einzige niederländische Buch, schlug auch in diese Richtung, und eine vielgelesene Sammlung Men and Masculinity [4] vertritt denselben Standpunkt. Es geht hauptsächlich um den Schaden, den Männer sich durch die bestehende »Rollenverteilung« zuziehen: ein beschränktes Gefühls- und Sexualleben und viele körperliche Beschwerden wie Magengeschwüre und Herzinfarkte. Natürlich hat diese Literatur eine Funktion. Viele Männer werden sich darin wiedererkennen, jedenfalls leichter als in vielen feministischen Büchern. Keiner wird es einfach finden, sich selbst als Unterdrücker zu definieren. Viele Erfahrungen, denen ich in diesen Büchern begegne, sind mir als Frau absolut nicht neu. Ich erlebe Männer auch als verletzbar, gerade weil ich sie aus privaten Beziehungen kenne. Neu ist aber, daß Männer diese verletzbaren Seiten sich nun auch gegenseitig zeigen. Viele Männer denken, daß die Feministinnen denken, sie seien allesamt rauhe Burschen. Dem wird von vielen männlichen Autoren ein anderes Bild gegenübergestellt: das des verletzbaren Mannes. Nun wußten wir aber schon, daß eine harte Schale und ein weicher Kern kein Widerspruch sind. Das verletzbare Ich, die geschlossene Fassade und die mehr oder weniger unterdrückte Aggression sind Seiten der gleichen Medaille. Ein Öffentlichmachen der emotionalen Seiten von Männern wird hoffentlich dazu führen, daß Männer voreinander weniger den Schein wahren und damit vielleicht weniger an den Frauen abzureagieren haben oder weniger aufgepäppelt werden müssen. Aber jedes Plädoyer für mehr Tränen, befreite Selbstbefriedigung, schönere Beziehungen zu Kindern, droht zu unterschlagen, daß Sexismus mehr ist als die gestörte Interaktion zwischen zwei im gleichen Maße durch Rollenstereotype unterdrückte Partner.
Unterdrückung durch den Feminismus
Eine patriarchalische Kultur ist auf Frauenhaß aufgebaut. Frauen (und Farbige) sind die Sündenböcke (Böcke?) für die Frustrationen, die Männer sich in einer harten hierarchischen Welt zuziehen. Frauen als Prellbock. Eine vorhersehbare Reaktion von Männern ist, daß sie Frauen in dem Moment als die Ursache von Frustrationen ausgeben, in dem sie sich weigern, noch länger als Prellbock zu dienen, Pflaster zu kleben und Wunden zu lecken. Auch Männer aus der Männerbewegung verhalten sich so.
»Verfluchtes Frauenvolk, ihr, die ihr das Glück habt, dasselbe Geschlecht zu haben wie eure Mütter. Oh, ich weiß sehr wohl, ihr werdet von Männern vergewaltigt. Das ist die eine Seite. Und das ist meine: ich will leben, und leben bedeutet für mich, mit einer Frau wild und leidenschaftlich zu vögeln.«[5]. Ein anderer Mann fühlt sich hinterdrückt, weii er seine Schülerinnen nicht berühren darf, während er gleichzeitig durch ihre Anwesenheit dauernd sexuell erregt ist.[6] Wieder ein anderer phantasiert, was er alles mit dem Körper eines zwölfjährigen Mädchens sexuell anstellen kann.[6] Ein anderer Mann erzählt, daß er nur geil werden kann, wenn er hinter Brüsten, Ärschen und Mösen herläuft. »Ich brauche in der Vorstellung jemand, der mich will. Deswegen ist meine Lust immer ein Dauerlauf mit dem Ziel, daß sie zufrieden ist. Ich bin dazu da, einer Frau Lust zu machen. Ich bin vergewaltigt.« (Wirklich, das steht dort! [7])
Es gibt zwei Sorten von Männern, denen ich jedenfalls nicht vertrauen würde: denen, die behaupten, sie hätten keine Probleme und noch nie etwas von Frauenunterdrückung gemerkt; sowie denen, die behaupten, daß sie schon immer mit dem Feminismus einer Meinung gewesen sind und dasselbe denken. Genauso, wie Frauen entdecken, daß sie aus dem patriarchalischen Konditionierungsprozeß nicht unbeschadet herausgekommen sind, müssen Männer wohl erkennen, daß Sexismus nicht nur ein von ihnen losgelöstes Prinzip ist, sondern daß sie dessen Träger sind. Zweifellos ist es schmerzhaft für Männer, zu erkennen, wie abhängig sie von Frauen sind, wie sie verlernt haben, mit ihren eigenen Gefühlen und ihrer Sexualität umzugehen. Nicht umsonst laufen so viele »progressive« Männer, Männer von Feministinnen, die sich immer unabhängiger machen — wirtschaftlich, emotional, sexuell —, mit Ärgergefühlen herum. Und auch durch Rationalisieren oder Ignorieren werden sie sie nicht los. Ich halte im Grunde mehr von den Männern, die zu zeigen wagen, wie schwer es ihnen fällt, weil dies eine Phase ist, die man nicht überschlagen kann. In einem italienischen Buch,[8] worin vier Männer über ihre Versuche, »neue Männer« zu werden, schreiben, schwimmt vor allem die Hilflosigkeit obenauf. »Laßt uns die letzten der alten Männer sein«, heißt es in der Einleitung, »wir bringen es nicht mehr fertig, die neuen zu sein.« Und ein anderer Mann sagt: »Der Feminismus greift gerade jetzt an, wo wir sowieso von allen Seiten angegriffen werden. Was aber soll ich von der 'Gegenpartei Frau' fordern? Zehn Prozent Lohnerhöhung kann ich fordern, aber zehn Prozent der Liebe?« (S.104). Und weiter beichtet er, wie er das »neue Weinen« als neuen Trick entdeckt hat, etwas von seiner Freundin zu bekommen, wenn die alten Tricks nicht mehr funktionieren.
Ich glaube, daß es nicht anders geht: es hat keinen Sinn, die Aggressionen oder das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein und im Regen zu stehen, zu verkennen. Aber was ich wohl von meinen Bundesgenossen erwarten darf ist, daß sie weiterdenken, herausfinden, wie ihre Bedürfnisse geformt und verformt wurden, herausfinden, warum sie so auf Frauenkörper als Mittel gegen viele Leiden fixiert sind. Und ich glaube, daß wir als Feministinnen auf der Hut sein müssen vor der neuen Ideologie: die der Männer als der neuen Opfer, der Opfer des Feminismus.
Schlapp und dick und impotent
Der größte Verteidiger der armen Männer, den ich fand, war eine Frau: Natalie Gittelson beschreibt in »De gesjeesde man« (Der gescheuchte Mann)[9] welch schreckliches Elend Männer durchmachen müssen, weil Frauen so dringend mit Emanzipation beschäftigt sind. Das heißt - in ihren Augen -, sie versuchen, wie Männer zu werden. Die folgende Männergeneration wird dann schlapp und homosexuell, und das ist unsere Schuld. Und was wir auch noch auf unserem Gewissen haben: die gestiegene Kriminalität, Ehescheidungen, Alkoholismus, Selbstmord bei Kindern, Impotenz, Herzinfarkte von Männern. Und es gibt auch keine Liebe mehr.
Ähnliches fand ich im bizarren Büchlein eines George Gilder,[10] der auch darlegt, daß die Feministinnen die Männer impotent machen. Nach Gilder ist die männliche Sexualität verglichen mit der von Frauen so verletzbar, daß die gesamte Art infolge von Impotenz und Homosexualität auszusterben droht, wenn wir die Männer zu Hause und auch draußen nicht über Frauen herrschen lassen.
Und dann gibt es noch ein schmieriges Buch von einem Herrn Wolinski, seines Zeichens Humorist, der in »Brief aan mijn vrouw« (Brief an meine Frau)[11] seinen Sexismus verteidigt mit Sätzen wie: »Wenn du ein Huhn ißt, fragst du dich doch auch nicht, ob das Huhn es mag, gegessen zu werden!«
Daneben ist De Haas,[12] der auch schon wieder die Impotenz hervorzerrt und Männer vor allem als Schwächlinge beschreibt, die mit ihren feministischen Frauen nicht Schritt halten können (ob wir es folglich nicht ein bißchen gemächlicher tun könnten?), noch einer der freundlicheren Anhänger der Männer-als-neue-Opfer-Theorie.
Es gibt also verschiedene Strömungen in der Männerbewegung. (Die drei zuletzt genannten Autoren rechne ich nicht dazu, sie stellen wohl eher eine Reaktion auf die Frauenbewegung dar.) Manche Männer behaupten, daß sowohl Frauen als auch Männer von »Rollenstereotypen« unterdrückt werden. Andere Männer behaupten, daß Männer und Frauen sich gegenseitig unterdrücken. Und es gibt sogar Männer, die die ganze Geschichte völlig auf den Kopf stellen, und sich selbst als diejenigen darstellen wollen, auf denen wirklich herumgehackt wird. Es wird Zeit, daß wir einmal zu dem Begriff »Unterdrückung« zurückkehren. Meinen die oben genannten Männer damit dasselbe wie wir? Und ist jeder Schmerz, den Menschen einander zufügen, Unterdrückung?
Wer ist von wem abhängig?
In einem Theaterstück über die chinesische Revolution, Fanshen, hörte ich eine Frage, die mir lange nachging. Viele Bauern glaubten nicht, daß sie sich von ihrem Lehnsherrn befreien könnten, denn war er es nicht, der ihnen Land und Arbeit gab? Da fragte sie ein Revolutionär: »Wer ist von wem abhängig, um am Leben zu bleiben?« Der Lehnsherr würde ohne die Bauern aufhören, ein Lehnsherr zu sein. Aber die Bauern könnten ohne den Lehnsherrn hervorragend auskommen.
Diese Frage fällt mir immer wieder ein, wenn ich lese, wie böse Männer werden, wenn sie entdecken, daß sie ohne Frauen viel schlechter zurechtkommen als die Frauen ohne sie. Die Erfahrung, daß es allmählich so viele Frauen gibt, die die alten heterosexuellen Verhaltensweisen nicht mehr nötig haben oder dazu ihre eigenen Bedingungen stellen, muß sehr schwierig zu verarbeiten sein. Aber ist das Unterdrückung? Sind die Arbeiter Unterdrücker, weil ein Kapitalist ohne sie aufhört, ein Kapitalist zu sein, und er sein Bett zerwühlt und Magengeschwüre bekommt, wenn sie sich auflehnen? Sind Schwarze die Unterdrücker von Weißen, wenn sie sich nicht mehr mit der Stellung als Sklaven begnügen und ihren alten Herren Schwierigkeiten machen? Ich glaube, daß es Zeit wird, unsere alten Begriffe wieder klarer zu definieren, bevor sie von jedermann übernommen werden und ihre Bedeutung verdreht wird, um unserer Analyse die Schärfe zu nehmen. Unterdrückung ist nicht nur eine persönliche Erfahrung, es ist eine persönliche Erfahrung, die in einem System wurzelt, in dem alle Teile systematisch ineinandergreifen, um die Unterdrückten in der Unterdrückung zu halten: materiell und kulturell, politisch und ideologisch. Dabei geht es um Gruppen von Menschen, Arbeiter als Lohnabhängige, Schwarze als Rasse, Frauen als Geschlecht. Wenn wir alles, was sich unangenehm anfühlt, »Unterdrückung« nennen, sagen wir schließlich nicht mehr, als daß das Leben schwierig ist. Und das wußten wir schon.
Damit komme ich zur dritten »Strömung« in der Männerbewegung: zu den Männern, die weitergehen, als nur danach zu schauen, wie kaputt die persönlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen sind, und eine Verbindung zur Analyse gesellschaftlicher Unterdrückung ziehen.
Sozialismus und Antisexismus
Gesprächsgruppen für Männer sind nicht dasselbe wie Gesprächsgruppen für Frauen, sagt Andrew Tolson in The Limits of Masculinity.[13] Feministische Bewußtwerdung kann direkt daraus erwachsen, daß gemeinsame Erfahrungen von Unterdrückung geteilt werden. Männer haben nicht nur etwas zw gewinnen durch gegenseitige Solidarität (es sei denn, sie wollen nichts anderes, als sich gegen einen Angriff auf ihre Stellung stark machen); bei ihnen geht es auch darum, sich über das Ausmaß eigener Teilhabe an dem System, das Frauen planmäßig unterdrückt, bewußt zu werden. Für Männer gibt es keine direkte Verbindung von den Erfahrungen zu einer Strategie. Das heißt nicht, daß Männergruppen keine Funktion haben, sagt Tolson. Männer benötigen einander als Unterstützung, wenn sie von der herrschenden Kultur Abstand nehmen, und um mit dem Gefühl der Bedrohung, das die meisten Männer erleben, wenn ihnen der Feminismus zu nahe kommt, umgehen zu können. Aber es ist nicht automatisch ein Beitrag zur Beseitigung des Sexismus. Dafür, sagt er, ist notwendig, daß wir »Männlichkeit« als ein gesellschaftliches Problem analysieren.
Denselben Versuch, eine Analyse eigener Erfahrungen als Mann« mit einer Analyse des patriarchalisch-kapitalistischen Systems zu verbinden, fand ich bei Jan Snodgrass in For Men Against Sexism,[14] einer Artikelsammlung. Snodgrass nennt sich selbst nichtFeminist, obwohl er mit der Einstellung derFrauenbewegung übereinstimmt, daß es die Frauen sein müssen, die sich organisieren, er nennt sich statt dessen einen antisexistischen Sozialisten. Er will sich auch nicht mit »Männerbefreiung« beschäftigen, so als ob der Prozeß von Männern parallel zu dem von Frauen verlaufen müßte, sondern er beschäftigt sich mit »Männern gegen Sexismus«. Die Analyse, wie Kapitalismus und Sexismus miteinander in Verbindung stehen, steckt noch in den Kinderschuhen, deshalb, sagt Snodgrass, sind viele der Artikel in seiner Sammlung auf dem Niveau von Erfahrungen geschrieben, und von einer Integration von Erfahrungen und Analyse kann noch nicht die Rede sein. (In diese Sammlung wurde auch ein Artikel aufgenommen, der mittlerweile schon ein Klassiker und auch als niederländische Übersetzung zu haben ist: De wel-opgevoede pik« (Der gut erzogene Schwanz) von Jack Litewka.
Snodgrass und Tolson bieten, finde ich, in meinem Bücherstapel die vielversprechendste Perspektive. Sie analysieren die Art und Weise, in der für Männer der verschiedenen Schichten »Männlichkeit« und Arbeit miteinander verwoben sind, welchen Schaden sie dabei nehmen, und was sie folglich als Kompensation von Frauen erwarten. Damit wird auch deutlich, worin die Unterschiede im Verhalten zwischen Arbeitern und Mittelschichtsmännern bestehen. Werden die ersteren am Arbeitsplatz so unterdrückt, daß sie es nötig haben, zu Hause den Boss zu spielen, erwarten die Mittelschichtsmänner, daß ihre Familienmitglieder an ihrer »Karriere« mitarbeiten und sich aufopfern.
Beide Autoren gebrauchen die marxistische Analyse des Produktionsprozesses, aber sie gehen darüber hinaus und verbinden die Erfahrungen von Männern im »Privatleben« mit ihrer Stellung am Arbeitsplatz. Einen sehr guten Artikel, der daran anschließt und in welchem gezeigt wird, wie das Bewußtsein von Männern als »Mann« und als Arbeiter zusammenhängt, fand ich in der Sammlung Working Class Culture.[15] Auch die Beziehung zwischen Rassismus, Faschismus und »Männlichkeit« wird untersucht. In seinem faszinierenden zweiteiligen Werk untersucht Theweleit [16] die Beziehung zwischen faschistischem Bewußtsein und dem, was wir als »normale« Männlichkeit betrachten. Er zeigt auch, was wir schon vermuteten, was aber nicht leicht zuzugeben ist, daß nämlich das Bild der Frau in der sozialistischen Kultur sich nicht sehr von dem im faschistischen Bewußtsein unterscheidet. In seinen Erklärungen, weshalb dies so ist, wird Theweleit etwas verschwommen. Genauso wie Paul Hoch,[17] der in White Hero, Black Beast ebenfalls Parallelen zwischen Faschismus und Männlichkeit zieht und diese, ausgehend von Freud's Erkenntnissen, zu interpretieren versucht. Da sind die Analysen von Dorothy Dinnerstein und Nancy Chodorow [18] doch immer noch besser als die von Vater Freud, wenn es darauf ankommt, den wohl universellen Frauenhaß von Männern zu verstehen. Und welch ein Jammer, wenn sich am Schluß des Hoch-Buches zeigt, daß er 160 Seiten lang ergreifende Geschichten erzählt hat, um am Ende dann doch »die Sau rauszulassen«: »Frauen, die heterosexuellen Verkehr ablehnen, verdienen den Namen Feministin nicht.« Jawohl. Und dies nach einer ausführlichen Analyse, wie kaputt und zerrissen die männliche Sexualität ist, wonach du auf Jahre hinaus davon genug hast.
Verbündete?
Ich bin mir bewußt, daß ich den meisten Büchern durch diese kurze Darstellung nicht gerecht werde. In den Sammlungen, gegen die ich politische Bedenken habe, fand ich auch gute Artikel, beispielsweise über die Vater-Sohn-Beziehung oder darüber, wie Männer in Männergruppen miteinander umgehen. Und es gab unterwegs auch gute Funde. In einer Gewerkschaftszeitung entdeckte ich zum Beispiel zufälligerweise ein Stück von Gerben Bruinsma,[19] in dem er davon spricht, wie er daran arbeitet, daß Männer sich ihrer eigenen sexistischen Verhaltensweisen in der Gewerkschaft bewußt werden. Oder Artikel in der englischen Zeitschrift Achilles Heel und der niederländischen Manuskript, in denen auch eine Verbindung zwischen Männern und Sozialismus hergestellt wird. Oder ein gutes Zitat von Volker Elis Pilgrim aus Manifest für den freien Mann:[20] »Freud's Frage: was will die Frau? kann ich nach einem halben Jahrhundert beantworten: die Frau will in einer Gesellschaft ohne Patriarchat leben. Aber was noch undeutlich ist: was will der Mann?« Alles in allem war es eine farbige, nicht immer angenehme, aber manchmal hoffnungsvolle Reise durch die Männerwelt. Es ist jedenfalls deutlich geworden, daß wir nicht alle Männergruppen automatisch als Verbündete betrachten können, wenn auch die Tatsache, daß Männer über die Veränderung ihrer eigenen Stellung nachzudenken beginnen, eine notwendige Bedingung darstellt, wollen wir jemals zu einer Solidarität kommen. Ebensowenig können wir alle Männergruppen nur als ein neues maskulines Komplott, mit dem Ziel, die Macht in den Händen der Männer zu behalten, betrachten. Ich erwarte am meisten von den Männern, die keine Angst davor haben, ihre eigenen Erfahrungen zu betrachten und daran zu arbeiten, sondern dies mit einer feministisch-sozialistischen Sicht dessen, wie gesellschaftliche Verhältnisse beschaffen sind, verbinden.