Gespaltenes Bewußtsein -
Frauen- und Männerbilder in der DDR
I. Was sind Frauen- und Männerbilder?
Mit dem Terminus »Frauen- und Männerbilder« hat es eine eigenartige Bewandtnis. Wir sprechen zum Beispiel von einem »öffentlichen« und einem »veröffentlichten« Frauen- und Männerbild oder auch vom Frauenbild der verschiedenen Parteien. Dicke Bücher werden geschrieben über das »Frauenbild in der Literatur der Romantik« oder anderer Epochen, und auch die Kunsthistorikerinnen wissen ein Frauen- beziehungsweise Männerbild in den Gestalten eines Malers zu erkennen. In der trockenen Sprache von Politik und Theorie wird ein »Bild«, also etwas Sinnlich-Anschauliches, beschworen, in der poetischen Sprache der Literatur wird ein Bild gesucht, und selbst in den tatsächlichen Bildern (den gemalten oder technisch, elektronisch hergestellten) geht es um ein »Bild in den Bildern«. Gemeint ist mit dem Terminus »Frauen- und Männerbilder« offenbar mehrfaches:
- Zum einen sind damit grundsätzliche, programmatische Vorstellungen über das Verhältnis von Männern und Frauen gemeint, wie sie etwa in der Verfassung niedergelegt sind. Sie dienen als Orientierungshilfen für Gesellschaft, Politik und Individuum.
- Zum anderen werden diese allgemeinen, programmatischen Vorstellungen in Leitbildern konkretisiert, in denen die Möglichkeiten, die sich in einer gegebenen Situation und durch die jeweiligen Kräfteverhältnisse für die Gestaltung beziehungsweise für die Veränderung von Geschlechterverhältnissen ergeben, verdichtet sind zu (mehr oder minder kurzfristigen) Zielvorstellungen, die in Politik umgesetzt werden beziehungsweise den individuellen Lebenskonzepten die Richtung weisen sollen.
- Schließlich sind Frauen- und Männerbilder auch kollektive kulturelle Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, die - als tiefverwurzelte Gewohnheit - den praktischen, alltäglichen Lebensprozeß der Individuen weitgehend unterschwellig formen. Frauen- und Männerbilder sind stereotyp gewordene Vorstellungen von »Männlichkeit« und »Weiblichkeit«, in denen biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern in weitreichender kultureller »Deutungsarbeit« überhöht und durch die Zuweisung von bestimmten Tätigkeiten, Eigenschaften, Machtbefugnissen usw. mit dem einen oder dem anderen Geschlecht »verkoppelt« werden. Die aus der »Natur« abgeleitete Hierarchie in den symbolischen Geschlechterordnungen dient dann auch als »Erklärungsgrund« für geschlechterspezifische Arbeitsteilungen, für den Ausschluß des einen oder des anderen Geschlechts von Tätigkeiten, Entscheidungsfeldern u.a. Insbesondere in der familiären Interaktion praktiziert, beiläufig in Spielen, Rätseln und Märchen »eingeübt«, werden diese kulturellen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster individuell schon sehr früh, noch vor dem »Denken in Begriffen« erworben, regelrecht »einverleibt«. Diese Verinnerlichung angeblicher geschlechterspezifischer Merkmale ist ein wichtiger Grund für die Zählebigkeit symbolischer (hierarchischer) Geschlechterordnungen, die insofern auch nicht einfach durch einen Willensakt, durch Reflexion oder per Gesetz außer Kraft gesetzt werden können.
Durch vielfältige Präsentationsformen des »Männlichen« und »Weiblichen« werden die in einer Kultur gängigen geschlechterspezifischen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster in »Dauerpräsenz« gehalten - z.B. in der Mode, insbesondere aber in den vielen bunten, stehenden oder bewegten Bildern, die uns in den Massenmedien und in der Werbung tagtäglich »ansprechen«. In diesen Bildern können die Frauen-und Männerbilder in den genannten drei Formen sinnlich-anschauliche Gestalt annehmen (z.B. indem eine Frau auf dem Titelfoto einer Zeitschrift ein aktuelles Leitbild »verkörpert«). Im Gegensatz zu den programmatischen oder als Leitbilder formulierten Frauen- und Männerbildern sind die kollektiven, »sedimentierten« Wahrnehmungs- und Deutungsmuster wesentlich älter und uneindeutiger. Alle drei genannten Formen können sich wechselseitig ergänzen und bestätigen, sie können aber auch durchaus in Widerspruch zueinander stehen (z.B. wenn im Leitbild die »gerechte« Teilung der Hausarbeit zwischen Mann und Frau propagiert wird, während in den gängigen Geschlechterstereotypen Hausarbeit mit »Frau« gleichgesetzt ist).
Auf eine weitere Eigentümlichkeit von Frauen- und Männerbildern sei zum Abschluß dieser einführenden Bemerkungen hingewiesen: In fast allen uns heute bekannten Kulturen finden wir symbolische Geschlechterordnungen, die durch eine ausgeprägte Hierarchie und durch männliche Suprematie gekennzeichnet sind. Eine Folge dieser symbolischen (und auch faktischen) männlichen Herrschaft ist, daß das Männerbild (in allen drei Formen) in der Regel weitaus weniger ausformuliert ist als das Frauenbild. Selbstverständliches muß nicht gerechtfertigt werden, es wird in seinem Sein durch das explizite »Reden« über das andere bestätigt - in unserem Fall die Frauenbilder, in denen Frau-Sein beständig als anders, besonders, als minderwertig gegenüber dem »Eigentlichen« dargestellt wird. Wenn in den folgenden Ausführungen zum Frauen- und Männerbild in der »realsozialistischen« DDR der Hauptakzent auf dem Frauenbild liegt, wird also einer Realität Rechnung getragen, die nicht allein auf die DDR zu begrenzen ist.
II Die Erbauer des Sozialismus sind männlich
Leitbilder in der vierzigjährigen DDR-Geschichte
Mitte der achtziger Jahre klebten zur propagandistischen Einstimmung auf ein »politisches Ereignis« überall große bunte Plakate. Unter anderem handelte es sich um eine Serie von vier Fotos von Berufstätigen (drei Männer und eine Frau), deren Arbeitsleistungen in den Unterschriften zugleich als gesellschaftserhaltend charakterisiert wurden: Danach schuf der Arbeiter durch seiner Hände Arbeit lebensnotwendige Güter (»Qualität - dafür meine Hand«), trug der Wissenschaftler/Techniker durch seine geistige Arbeit zum Fortschritt bei (»Leistung - dafür stehe ich«) und schützte der Soldat zu aller Wohl das Errungene. Von der Frau auf dem Plakat hieß es: »Sie schafft den Wohlstand mit«. Bleibt man nicht an der vordergründig-aufdringlichen ideologisch-propagandistischen »Botschaft« dieser Sprüche und Fotos hängen, dann lassen sich an diesen Beispielen die im vorangegangenen Abschnitt allgemein skizzierten Merkmale von Frauen- und Männerbildern in ihrer »realsozialistischen« Gestalt anschaulich verdeutlichen:
Die programmatische Vorstellung vom Sozialismus als einer Gesellschaft angestrebter beziehungsweise bereits weitgehend erreichter sozialer Gleichheit wird hier veranschaulicht als gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen am wirtschaftlichen Gestaltungsprozeß der Gesellschaft, als Zugehörigkeit zu einem großen kollektiven WIR, vor dem soziale und geschlechterspezifische Unterschiede in den Hintergrund treten.
Das Frauenleitbild der achtziger Jahre (Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft) wird sinnfällig im Bild der Frau, die zwar eindeutig als Berufstätige wahrnehmbar, aber nur schwer einer bestimmten Berufsgruppe zuzuordnen ist und die eben auch nur »den Wohlstand mit-schafft«. Die abgebildeten Männer haben dagegen eindeutig erkennbare, für den Erhalt und den Fortschritt der Gesellschaft relevante Berufe, denen sie sich voll und ganz widmen. Sie verkörpern die Aspekte des Männerleitbildes, die über die Jahre im »realen Sozialismus« unverändert blieben: Beruf und Öffentlichkeit als die zentralen Räume männlichen Wirkens.
Die quantitative Dominanz der Männer auf den Plakaten, aber auch ihre »Körpersprache« - der kräftige Arbeiter mit den zupackenden Händen, der forschende, auf größere Zusammenhänge gerichtete Blick des Wissenschaftlers, die Beschützergeste des Soldaten - verweisen auf eine symbolische Geschlechterordnung, die hierarchisch ist und die die geschlechterpolaren traditionalen Zuweisungen von sozialen Feldern, von Tätigkeiten, Eigenschaften, Befähigungen usw. reproduziert.
Letzteres scheint in augenfälligem Widerspruch zur Programmatik sozialer Gleichheit beziehungsweise Gleichberechtigung von Mann und Frau zu stehen. Ein genauerer Blick auf diese Programmatik und auf die politischen Strukturen der »realsozialistischen« DDR macht aber deutlich, daß hier gar kein wirklicher Widerspruch besteht. Es zeigt sich, daß auch die sich wandelnden Leitbilder in den verschiedenen Perioden der DDR-Geschichte zwar jeweils Anpassungen unter dem Druck veränderter gesellschaftlicher Bedingungen waren, diese aber keineswegs den Rahmen praktischer und symbolischer hierarchischer Geschlechterordnungen sprengten. Dies soll im folgenden genauer erläutert werden.
Als die DDR am 7. Oktober 1949 gegründet wurde, setzte die Provisorische Volkskammer die Verfassung in Kraft, die nach öffentlicher Diskussion im Mai 1949 vom 3. Deutschen Volkskongreß bestätigt worden war. In dieser Verfassung waren festgeschrieben: die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht auf Arbeit und auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, der besondere Schutz der Frauen im Arbeitsprozeß, das gleiche Recht auf Bildung, die gemeinsame Verantwortung von Mann und Frau für die Erziehung der Kinder und der staatliche Schutz von Mutterschaft.[1] Obwohl erst 1952 der Aufbau des Sozialismus als Staatsziel verkündet wurde, gingen in die Verfassung von 1949 - als Resultat der Dominanz der SED - Vorstellungen über das Verhältnis der Geschlechter ein, die eine lange Tradition in der Arbeiterbewegung hatten und durch Wertungen charakterisiert waren, die generell industriegesellschaftlich und besonders durch die Perspektive der Arbeiterklasse geprägt waren.
Die »Lösung der Frauenfrage« gehörte seit Ende des vorigen Jahrhunderts zum politischen Programm der Befreiung der Arbeiterklasse von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Friedrich Engels' Schrift »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates«, vor allem aber August Bebeis vielfach verlegte Schrift »Die Frau und der Sozialismus« lieferten die theoretischen Begründungen dafür, daß die Befreiung der Arbeiterklasse durch die Beseitigung des Privateigentums, die Herstellung der sozialen Gleichheit aller und die »Lösung der Frauenfrage« untrennbar miteinander zusammenhingen. Man ging von der Annahme aus, daß
- Benachteiligung, Unterdrückung und die rechtlose Stellung der Frau Resultate der Entstehung des Privateigentums seien und mit dessen Überwindung auch die Zweitrangigkeit der Frau verschwinden würde;
- der Kern der Emanzipation der Frau in ihrer Einbeziehung in die gesellschaftliche Produktion liege und
- entsprechend der Einbeziehung der Frauen in die Erwerbsarbeit, ihre Entlastung von den Pflichten der Hausarbeit und der Kindererziehung durch eine »Vergesellschaftung« dieser Bereiche gesichert werden müsse.
In diese theoretischen Grundlagen des politischen Programms der Arbeiterbewegung flossen - unbewußt - industriegesellschaftlich gültige Wertungsmuster, aber auch traditionale kulturelle Muster von »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« ein, die später in der Verfassung der DDR und in den folgenden Gesetzen fortgeschrieben wurden. So wurde etwa mit der These von der Befreiung der Frau durch ihre Einbeziehung in die Erwerbsarbeit die für Industriegesellschaften typische Trennung und Bewertung von »produktiver« (bezahlter) Erwerbsarbeit (als Arbeit schlechthin) und »unproduktiver« (unbezahlter) Hausarbeit (die dementsprechend »eigentlich« Nicht-Arbeit ist) übernommen.
Zugleich flossen in diese übernommene Trennung zwischen Erwerbsarbeit und häuslichen Tätigkeiten auch kulturelle Muster ein, nach denen die Hausarbeiten als »minderwertig« angesehen wurden. Den von Engels beziehungsweise später von Lenin getroffenen Definitionen von Hausarbeit als »Haussklaverei«[2] oder als Tätigkeit, »die nichts enthält, was die Entwicklung der Frau (!) irgendwie fördern könnte«,[3] lag der nicht nur für Industriegesellschaften gültige Arbeitsbegriff zugrunde. Sie reproduzierten - quasi nebenbei und »selbstverständlich« - auch eine kulturelle Wertung, nach der die - in erster Linie von Frauen verrichteten - sozialen Tätigkeiten zur »Sicherung des Lebens« gesellschaftlich weniger bedeutsam und auch für die individuelle Entwicklung weniger förderlich seien als die auf den »Stoffwechselprozeß mit der Natur« gerichteten Aktivitäten. Anders gesagt: Die Kritik an der Situation der Frau, die diese zur »Dienstbotin« (Engels) des Mannes in den eigenen vier Wänden machte, richtete sich nicht nur gegen die gesellschaftliche Ausprägung, die die notwendigen Tätigkeiten zur individuellen Reproduktion unter den Bedingungen der tauschwertorientierten Produktion angenommen hatten; sie verwarf mit der Form zugleich auch die Tätigkeiten selbst als »Sklaverei«. Befreiung, Emanzipation der Frau heißt unter diesen Denkvoraussetzungen dann auch folgerichtig: formale Gleichberechtigung der Geschlechter, gleiche Rechte und Pflichten in der Sphäre der Erwerbsarbeit, Angleichung der Frauen an das, was Männer bereits im Beruf oder in der politischen und kulturellen Öffentlichkeit erreicht haben und Schaffung der entsprechenden Gesetze und realen Bedingungen, um Frauen diese »Emanzipation« zu ermöglichen.
Diese Tradition ging in die Formulierungen der Verfassung der DDR und in das staatlich propagierte Frauen- und Männerbild ein; die Leitbilder in den verschiedenen Perioden der DDR-Geschichte wurden durch sie wesentlich geprägt. Zugleich gewannen die traditionsbezogenen Merkmale im Kontext der praktischen Gestaltung einer angestrebten Gesellschaft sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit und der Bemühungen der SED um die Absicherung ihres Herrschaftsmonopols zusätzliche Dimensionen. Mit der wachsenden Einbeziehung von Frauen in die Erwerbstätigkeit und ihrer zunehmenden beruflichen Bildung einerseits, und der auf die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft gerichteten Sozialpolitik andererseits waren die Felder abgesteckt, in denen sich die »Lösung der Frauenfrage« nach der proklamierten Gleichberechtigung praktisch vollziehen sollte: Was außerhalb dieser Felder lag, war danach quasi »Privatsache«, lag auf jeden Fall außerhalb dessen, was offiziell als Problem in den Geschlechterverhältnissen akzeptiert wurde. Außerdem wurden mit einer solcherart »von oben« geregelten »Lösung der Frauenfrage« auch der Monopolanspruch einer Partei und die in der staatlichen Zentralgewalt konzentrierte Macht abgesichert: »Väterlich« sorgten Partei und Staat, die »im Interesse und zum Wohle aller« zu handeln beanspruchten, dafür, daß für Frauen in den genannten Feldern schrittweise »Gleichheit« mit den Männern hergestellt wurde.[4] In anderen Beiträgen dieses Buches wird gezeigt werden, daß diese »Angleichung« praktisch mit der Vertiefung und Ausweitung von geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen verbunden war.[5] Für unseren Zusammenhang ist festzuhalten: Die in der Verfassung der DDR programmatisch formulierte Gleichberechtigung und Gleichheit von Mann und Frau war implizit auf eine Hierarchie der Geschlechter gegründet in dem Sinne, daß
- Frauen den Männern gleichgestellt und in dieser Hinsicht staatlich gefördert und geschützt werden sollten;
- die »Lösung der Frauenfrage« eine in erster Linie von »Vater Staat« (als dem Vollzugsorgan »der« Partei) durchzusetzende Aufgabe war - und
- es eben nur um die »Lösung der Frauenfrage«, nicht aber um die Emanzipation der Geschlechter von praktischen und symbolischen hierarchischen Geschlechterordnungen ging. Indem letztere nicht in Frage gestellt wurden, waren die im »realen Sozialismus« staatlich befürsorgten und befriedeten Geschlechterverhältnisse mit den ihnen programmatisch wie alltagsweltlich zugrundeliegenden Frauen- und Männerbildern ein herrschaftsstabilisierender Faktor.
Die wechselnden Frauenleitbilder in der vierzigjährigen DDR-Geschichte stellten die aufgezeichneten Merkmale der programmatischen Frauen- und Männerbilder nicht in Frage. Sie sind vielmehr Reaktionen auf kurzfristige Veränderungen der ökonomischen und politischen Bedingungen beziehungsweise auf soziale Konfliktlagen im Rahmen der vorgegebenen Programmatik und in der in ihr verankerten hierarchischen Geschlechterordnung.
Im Frauenleitbild der fünfziger Jahre dominierte die Berufstätigkeit. Die Vorstellungen von der Emanzipation der Frau durch Erwerbsarbeit verschmolzen hier zugleich mit der Werbung um weibliche Arbeitskräfte. Die Abwanderung vieler Menschen in die Bundesrepublik war eine Ursache dafür. Eine andere war die wiederaufgelebte gesellschaftliche Wertschätzung von Ehe und Familie nach dem Muster traditionaler Arbeitsteilung, die durch die Erfahrung der - auch die Geschlechterverhältnisse - verwirrenden Kriegs- und Nachkriegsjahre bedingt war; sie stand in deutlichem Widerspruch zu den programmatischen Emanzipationsgedanken. Charakteristisch für das Frauenleitbild der fünfziger Jahre war, daß Berufstätigkeit als Orientierungshilfe und Wert an sich propagiert wurde. Sie war gewissermaßen das Sinnbild für den Aufbruch (nicht nur) der Frauen in eine neue Gesellschaft. Die Vereinbarkeit der Erwerbsarbeit mit Mutterschaft, Kinderversorgung und -erziehung sowie Hausarbeit wurde zwar als Problem gesehen (insbesondere von Frauen und ihren eigenen Organisationen),[6] sie spielte aber in der Formulierung des Leitbildes eine marginale Rolle und war auch nicht Gegenstand von sozialpolitischen Maßnahmen.
Im Leitbild der sechziger Jahre gab es eine Verschiebung hin zur qualifizierten Berufsarbeit. In der nach dem Mauerbau in Angriff genommenen »wissenschaftlichtechnischen Revolution« wurden nicht mehr vorwiegend un- und angelernte, sondern gut ausgebildete Arbeitskräfte gebraucht. Die berufstätige Frau mit Facharbeiter-, Fachschul- bzw. Hochschulabschluß war jetzt das Leitbild. Politisch wurde dies in umfangreichen Förder- und Weiterbildungsmaßnahmen umgesetzt, die nicht nur jungen Frauen mit abgeschlossener Berufsausbildung den Eintritt in die Erwerbsarbeit erschlossen, sondern auch älteren Frauen durch Zusatzqualifikationen die Anpassung an das männliche Ausbildungsniveau ermöglichten.
Zugleich wurde in den sechziger Jahren das Frauenleitbild um die Mutterrolle ergänzt. Wurde bis dahin, bei ausschließlicher Ausrichtung auf Berufstätigkeit, im Frauenleitbild »stillschweigend« mitvorausgesetzt, daß Frauen »natürlich« auch noch Kinder bekommen und den Haushalt besorgen (und gab es auch Gesetze zum Mutterschutz), so wurde jetzt im Leitbild ausdrücklich die Kombination, die Vereinbarkeit von beiden Seiten des weiblichen Lebenszusammenhangs betont. Praktischer Hintergrund für diese Veränderung im Leitbild waren nicht zuletzt Konflikte, die sich in der zunehmenden Anzahl von Ehescheidungen, in einem Rückgang der Geburten und einem wachsenden Wunsch von Frauen nach Teilzeitarbeit äußerten. Wegen der deutlich zutage tretenden Überlastungen der Frauen durch Berufsarbeit und Familie und aus demographischen Gründen mußten neue (sozial)politische Lösungen gefunden und das Leitbild entsprechend verändert werden.
In diesem Zusammenhang wurde 1965 ein Familiengesetzbuch verabschiedet, in dem die Bedeutung der »sozialistischen Familie« für die Erziehung der nachwachsenden Generation und die Verantwortung der Gesellschaft (des Staates) für die Familie betont wurde. Das führte zu einer höheren gesellschaftlichen Anerkennung und Förderung der Familie und der Leistungen, die in ihr für die Erziehung des Nachwuchses entsprechend dem Familienleitbild gleichberechtigt von beiden Elternteilen erbracht wurden. Zugleich aber wurde mit dem veränderten Frauenleitbild, das nun Berufsarbeit und Mutterschaft/Erziehung der Kinder als gleichwertig vereinte, auch die Verantwortung der Frau für den Reproduktionsbereich ausdrücklich festgeschrieben. Das führte auf der einen Seite dazu, daß Leistungen, die die Frauen auch bis dahin schon erbracht hatten, jetzt gesellschaftlich anerkannt und finanziell gefördert wurden; es brachte auf der anderen Seite aber auch die bis dahin - ohnehin nur zaghaft unternommenen - Versuche zum Erliegen, das Männerleitbild um gleichberechtigte und gleichverantwortliche Partnerschaft bei der Erziehung und Versorgung der Kinder wie bei der Erledigung der Hausarbeit zu erweitern. Dieses neue Frauenleitbild bot die Möglichkeit, je nach Bedarf (an Arbeitskräften beziehungsweise an höheren Geburtenzahlen) den Akzent stärker auf Berufsarbeit oder Mutterschaft zu legen, ohne den Anschein von Gleichberechtigung aufzugeben. Es verstärkte überdies eine Tendenz, die auch bei den älteren Frauenleitbildern anzutreffen war: Es bezog sich nur auf Frauen, die berufstätig waren beziehungsweise Berufstätigkeit und Mutterschaft vereinbarten. Hausfrauen, kinderlose Frauen, Rentnerinnen kamen darin nicht vor - hierdurch wird noch einmal die Funktionalität dieser Leitbilder deutlich.
Das Frauenleitbild, das Berufsarbeit und Mutterschaft als gleichwertig miteinander verband und in dem Frauen auf ihre Funktionen in der Erwerbsarbeit und als Mütter reduziert wurden, war bis zum Ende der DDR vorherrschend. Es erfuhr Mitte der achtziger Jahre kurzzeitig eine Akzentverschiebung, als - nicht zuletzt in Reaktion auf die »Quotierungsdebatte« in den bundesdeutschen Parteien - der Frauenanteil in den höheren Funktions- und Leitungsebenen von Wirtschaft und Politik erhöht werden sollte.
In den vierzig Jahren DDR-Geschichte hatte das Frauenleitbild immer auch eine explizit politische und ideologische Dimension: Zum Bild der gleichberechtigten Frau gehörte auch ihr Engagement in der »öffentlichen Sphäre« - für den Sozialismus und den Weltfrieden, gegen Imperialismus und kapitalistische Ausbeutung. Gerade das Frauenleitbild sollte auch die Überlegenheit des sozialistischen Systems nach innen und nach außen sinnfällig werden lassen in Gestalt der »neuen« Frau, die nicht nur gleichberechtigt und gleichqualifiziert im Beruf ist und zugleich verantwortungsbewußt ihre Kinder erzieht, sondern die sich auch »fürs Große und Ganze« engagiert, das ihren Interessen ja so umfassend Rechnung trägt. Gerade bei diesem Aspekt trat aber auch die ideologische Komponente des Frauenleitbildes am deutlichsten zutage: nicht nur deshalb, weil die »öffentliche Sphäre« und die höheren Leitungsebenen ganz selbstverständlich Männerdomänen blieben (weiterhin »legitimiert« durch die Zuweisung der reproduktiven Aufgaben in die Verantwortung der Frau und allen Kampagnen und Losungen von der Köchin, die den Staat regiert, zum Hohn).
Der tendenzielle Ausschluß von Frauen aus der »öffentlichen Sphäre« entsprechend traditionaler kultureller Muster wurde zudem durch das politische System des »realen Sozialismus« verstärkt, das die Formulierung und Artikulation von unterschiedlichen Interessen in Institutionen der politischen Willensbildung ausschloß. Programmatik und konkrete Leitbilder waren auch in dem Sinne patriarchalisch strukturiert, als Frauen in ihnen immer nur funktional, bezogen auf etwas anderes, höheres eine Rolle spielten: als Mitgestalterinnen des Sozialismus, als Arbeitskräfte, als Gebärerinnen. Autonome Ansprüche als Frauen - unabhängig von funktionalen Erfordernissen - Subjektivität, Selbstverwirklichung und Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Lebensformen gehörten nicht in dieses Bild. »Wie ein Mann« sollten »unsere Muttis« arbeiten und im übrigen »richtige Frauen« bleiben - womit auch schon das wesentliche über das Männer(leit)bild gesagt ist.
Die in Programmatik und Leibilder eingeschriebene, nie der Kritik unterzogene Geschlechterhierarchie korrespondierte mit alltagsweltlich praktizierten kulturellen Geschlechterstereotypen. Diese bestätigten und bekräftigten jene - und umgekehrt. Das Fehlen einer politischen Öffentlichkeit im »realen Sozialismus« hat verhindert, daß Konflikte zwischen individuellen und kollektiven Erfahrungen, Leitbildern und kulturellen Stereotypen Gegenstand von Kritik, Reflexion und verändernden Praktiken (z.B. in einer Frauenbewegung) werden konnten. Vor diesem Hintergrund kann es kaum überraschen, daß die medial verbreiteten Frauen- und Männerbilder -als sinnlich-anschauliche Gestalten realisierter Gleichberechtigung und Emanzipation - durch gängige kulturelle Vorstellungen von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« geprägt waren. Im folgenden Abschnitt soll dies exemplarisch an der Analyse von Fotos aus der »Für Dich«, der einzigen Frauenzeitschrift in der DDR, gezeigt werden.[7]
III. Wie sich die Bilder gleichen...
Das Frauenbild in der Zeitschrift »Für Dich« vor und nach der »Wende«
Wenn man ein Heft der Frauenzeitschrift »Für Dich« aus den Jahrgängen 1989 und 1991 nebeneinanderlegt und versucht, die jeweiligen Abbildungen kurz und knapp zu beschreiben, dann könnte man versucht sein zu sagen: Es sind Fotos aus verschiedenen Welten. Die einen, in der Mehrzahl schwarzweiß und in schlechter Druckqualität, könnten unter dem Titel zusammengefaßt werden: Frauen arbeiten wie ein Mann und sind als Teil eines kollektiven WIR einem Großen und Ganzen zugehörig und verpflichtet. Die anderen Bilder, in bestechender Farbbrillanz, könnten unter dem Moto stehen: ICH bin eine sehr weibliche Frau, deren Weltbezug vor allem in einem ausgezeichnten Sinn für Schönheit und Harmonie besteht. Auf den ersten Blick haben wir es hier mit Bildern aus extrem unterschiedlichen Welten zu tun. Aber, so meine Frage, auf die ich am Ende dieser Untersuchung, nach der Analyse der Fotos, noch einmal zurückkommen möchte: Liegen wirklich Welten zwischen diesen augenscheinlich so extrem unterschiedlichen Bildern?
Bilder in ihrer sinnlich-anschauenden Gestalt be-deuten Welt. Sie sind immer nach bestimmten kulturellen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern strukturiert und vermitteln so in ihrer anschaulichen Gestalt auch Normen für Welt-Anschauung. Im Zeitalter der Medien sind es unter anderem Fotos, die in ihrer »Flüchtigkeit und Wiederholbarkeit«, in der permanenten Publizierung gleicher ähnlicher Situationen, den Blick der Betrachter auf das »Gleichartige in der Welt« konzentrieren, wie Walter Benjamin es formuliert hat.[8] Es sind nicht zuletzt stereotype Vorstellungen von »Männlichkeit« und »Weiblichkeit«, die in den zahlreichen Fotos von wechselnden Realitäten als Gleichartiges ordnend und strukturierend wirksam sind. Sie orientieren die Wahrnehmung, die individuelle Sinngebung von Wirklichkeit und das praktische Handeln der Betrachter.
Ausgehend von diesen Grundannahmen wurde die nachfolgende Analyse von Fotos aus dem DDR-Alltag vorgenommen. Es handelt sich um Fotos, die in der Frauenzeitschrift »Für Dich«[9] veröffentlicht wurden und die als repräsentativ für das Frauenbild in der DDR angesehen werden können. Im ersten Abschnitt dieser Untersuchung möchte ich mich auf die Zeitschrift und ihre stereotypen Muster von »Weiblichkeit« konzentrieren, durch die vermittelt die Situation von Frauen in der DDR wahrgenommen und gedeutet wurde. In einem weiteren Schritt möchte ich auf die Veränderungen eingehen, die die Zeitschrift nach dem Herbst 1989 durchgemacht hat, und mich dabei auf die Analyse von Fotos konzentrieren, die für die »Für Dich« in der letzten Phase ihrer Existenz, nach der Übernahme durch den westdeutschen Verlag Gruner & Jahr (Frühjahr 1990 bis Juni 1991) charakteristisch waren. Abschließend werde ich auf meine eingangs formulierte Frage zurückkommen, ob sich die Bilder, die auf den ersten Blick so unterschiedlich sind, nicht doch in fataler Weise gleichen.
1. Unsere Muttis arbeiten wie ein Mann - Ein Blick zurück auf Frauenbilder in der DDR
Folgende Fragen lagen der Analyse der Zeitschriftenfotos zugrunde:
- Wie werden auf Bildern von Frauen und Männern die Veränderungen sichtbar, die sich durch proklamierte Gleichberechtigung, lebenslange Berufsarbeit von Frauen, durch sozialpolitische Maßnahmen vollziehen bei gleichzeitig fortwirkender Verantwortung der Frauen für die Kinder und für die Hausarbeit? Inwiefern wirken sie in der alltäglichen Realität der Frau-Mann-Beziehungen anschaulich und Anschauung bildend?
- Welche Aspekte der Geschlechterverhältnisse werden auf den Fotos abgebildet, welche sind nicht »bildwürdig« (und warum nicht)?
- Wie werden auf den Fotos aus dem DDR-Alltag normsetzende Vorstellungen über das Verhältnis von Frau und Mann, von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« vermittelt und damit die Widersprüchlichkeit praktizierter Geschlechterverhältnisse als Selbstverständlichkeit suggeriert?
- Haben die bisherigen Veränderungen in der Lebenssituation von Frauen und Männern zu einem Aufbrechen der tradierten Geschlechterstereotype geführt, sind neue entstanden oder ist ein weitgehend ungebrochenes Fortwirken tradierter Vorstellungen von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« zu konstatieren?
Um ein Ergebnis der Analyse vorwegzunehmen: Es konnten keine neuen Stereotype aufgefunden werden, die ein qualitativ andersartiges Verhältnis zwischen Frauen und Männern in eine »feste Form gegossen hätten« (»Stereotyp« kommt aus dem griechischen: stereo = fest, typos = Abdruck, Gußform, Kopie). Mit wenigen Modifizierungen sind es die überkommenen, patriarchalisch geprägten Vorstellungen von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit«, mittels derer die reale Situation von Frauen und Männern sinnlich-anschaulich in die gewünschte Ordnung gebracht wird.
Ich möchte dies im folgenden an einigen Beispielen und bezogen auf Frauenbilder aufzeigen. Dabei werde ich mich insbesondere auf Fotos aus der Arbeitswelt konzentrieren: Zum einen war für Frauen in der DDR Berufstätigkeit ein wesentlicher Faktor ihrer Lebenserfahrung und ihres Selbstverständnisses, zum anderen waren Frauen im offiziellen Verständnis vor allem als Arbeitskräfte gesellschaftlich anerkannt. Ich habe meine Bemerkungen zum Frauenbild in DDR-Zeitschriften nach vier thematischen Aspekten geordnet:
Erstens: Das Bild vom schönen und schwachen Geschlecht hat sich um eine Dimension erweitert: Es ist leistungsfähig und steht in der gesellschaftlichen Produktion »seinen Mann«.
Berufstätigkeit von Frauen war in der DDR eine Selbstverständlichkeit. Über 90 Prozent aller Frauen im arbeitsfähigen Alter übten einen Beruf aus oder befanden sich in der Ausbildung.[10] Fotos, die Frauen bei der Berufsarbeit zeigen, machen dementsprechend in der »Für Dich« den größten Anteil aus (sie werden nur durch Fotos von weiblichen Mannequins übertroffen). Bildhaft-anschaulich wird die selbstverständliche Berufsarbeit auch durch die gänzlich unspektakuläre Weise, mit der leistungsfähige, kompetente Frauen ins Bild gesetzt werden, die routiniert und geschickt ihrer Arbeit nachgehen und ein selbstverständliches Vertrauen in ihre Fähigkeiten ausstrahlen. Besonders auf den vielen, in der Regel kleinformatigen Schwarzweißfotos, die Frauen vertieft in ihre Arbeit zeigen, ist dabei eine Abschwächung bestimmter Stereotype von »Weiblichkeit« feststellbar. Die sinnlich-anschauliche Vermittlung gängiger Stereotype von »Weiblichkeit« spielt auf diesen Fotos nur eine untergeordnete Rolle: Wie die abgebildeten Frauen gekleidet und frisiert sind, ob ihre Figur den »Idealmaßen« entspricht, ob sie geschminkt sind und »vorteilhaft« ins Bild kommen -all dies tritt zurück hinter der Konzentration, mit der die Frauen bei der Sache sind. Leistung ist gefragt (auch für die abgebildeten Frauen selbst), und die Fotos vermitteln den Betrachtern genau diesen Eindruck - in Einheit mit den Bildunterschriften.
Eine Besonderheit der kulturellen Formen ist, daß sie in ihrer bildhaften »Sprache« vieldeutig sind. Was also könnte es bedeuten, wenn auf den charakterisierten Fotos die Frauen im Berufsleben weniger als das »schöne« oder »schwache«, sondern vorwiegend als das leistungsfähige Geschlecht auftreten?
Eine Bedeutungsebene ist, daß Frauen in der gesellschaftlichen Produktion unentbehrliche Arbeitskräfte waren. Wie die Männer leisteten Frauen gesellschaftlich notwendige und anerkannte Arbeit. Indem auf den Fotos die Frauen weniger als Geschlechtswesen, sondern vorrangig mit ihren beruflich entwickelten Eigenschaften und Fähigkeiten ins Bild kommen, werden durch ihr selbstverständliches Auftreten tendenziell auch geschlechtstypische Zuschreibungen durchbrochen.
Vermutlich spielt diese Bedeutungsebene aber im Rahmen einer ausgeprägten geschlechterspezifischen Arbeitsteilung in der Berufswelt eine eher untergeordnete Rolle. Unter diesen Bedingungen hat die Abschwächung von Weiblichkeitsstereotypen vor allem andere Bedeutungen, die der individuellen Wahrnehmung und Wertung bei der »Verarbeitung« einer widersprüchlichen Realität Hilfe leisten sollen. Diese Abschwächung signalisiert z.B., daß die Bereiche bezahlter Berufsarbeit zwischen den Geschlechtern aufgeteilt sind, und die herkömmliche »Ordnung«, derzu-folge Männer in den entscheidenden Tätigkeiten und Positionen »das Sagen« haben, nicht in Frage gestellt ist. Sinnlich-anschaulich wird das etwa dadurch, daß weitaus häufiger Frauen oder Männer, als beide Geschlechter gemeinsam bei der Arbeit abgebildet sind. Zum anderen »sprechen« die Fotos, die eine Reportage oder einen Artikel begleiten und die verschiedenformatig z.B. den Leiter, die technisch versierten Männer sowie die am Fließband arbeitenden Frauen abbilden, mittels Reihung von dieser Realität. Ihr wird hierdurch Selbstverständlichkeit verliehen und im selben Zuge jeglicher bedrohliche Anschein genommen, den sie für den Bestand einer hierarchischen Geschlechterordnung haben könnte. Auf den Fotos muß daher auch nicht durch Betonung der Schönheit und sinnlichen Verführungskraft des weiblichen Geschlechts eine reale Gefahr verkleinert, von ihr durch Verschiebung abgelenkt werden.
Zugleich werden andere Aspekte des »weiblichen Geschlechtscharakters« auf den Fotos durchaus betont. Die große Anzahl von Fotos von Frauen in »typischen« Frauenberufen wie Kindergärtnerin, Lehrerin, Krankenschwester und in den unmittelbaren Fertigungsbereichen der industriellen Produktion geben nicht nur die Tatsache geschlechterspezifischer Arbeitsteilung wieder. Mit der Häufigkeit der Abbildung von Frauen in diesen Berufen werden die stereotypen Muster von der dienenden, unterstützenden, helfenden, fürsorgenden Funktion und tradierten »Bestimmung« des weiblichen Geschlechts besonders anschaulich bestätigt und reproduziert. Damit wird aber auch das Neue, also die selbstverständliche, kompetente und verantwortliche Berufsarbeit von Frauen, als ein Faktum dargestellt, das die gängigen Geschlechterrollen nicht grundsätzlich in Frage stellt.
Die Abschwächung von Weiblichkeitsstereotypen auf den Fotos hat in diesem Kontext eine spezifische Bedeutung, die aufs engste mit den Möglichkeiten der Bildersprache zusammenhängt, die das »Identisch-Machen« von Ungleichartigem erlaubt. Indem auf diesen Fotos Frauen vordergründig als leistungsfähige Produzentinnen und erst in zweiter Linie als »weibliche« Wesen erscheinen, werden die formale Gleichberechtigung sowie die Gemeinsamkeiten mit den berufstätigen Männern in den Vordergrund der Wahrnehmung gehoben. Damit wird zwar eine durchaus wichtige Veränderung in den Geschlechterverhältnissen und in der gesellschaftlichen Anerkennung der Frau veranschaulicht, aber gleichzeitig mit diesem »Identisch-Machen« die Tatsache der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung in den Hintergrund gerückt. Dadurch wird verdrängt, daß Frauen auch in der »neu eroberten« Sphäre praktisch benachteiligt sind und weiterhin den altbekannten »zweiten Rang« belegen.
Auf den Fotos von berufstätigen Frauen findet sich aber noch eine andere Art des Identisch-Machens, durch die die widersprüchliche Einheit von gemeinsamem Produzentenstatus und Zweitrangigkeit der weiblichen Produzenten anschaulich vermittelt wird. Gemeint sind die vielen Fotos von Frauen, die hintereinander, in scheinbar endlosen Reihen, die gleichen Arbeiten verrichten - identisch in Bewegung und Körperhaltung und als einzelne austauschbar. Bei der Fotorecherche wurden keine vergleichbaren Bilder von Männern gefunden. Männer kommen so gut wie nie in der vervielfachten Ausführung gleicher Bewegungen, Handgriffe usw. ins Bild. Männer haben besondere Aufgaben und Fähigkeiten, sie sind nicht ohne weiteres ersetz- und austauschbar, scheinen die Fotos zu sagen - auf jeden Fall machen sie anschaulich, daß weibliche Berufsarbeit »anders« ist und im Gegensatz zur Berufsarbeit von Männern anderen Bedingungen - wie Schwangerschaft, Kinderaufziehen und Hausarbeit - unterliegt.
Es gibt einen Bildtyp, der sich unverändert auf Fotos aus verschiedenen Jahrzehnten findet, ungeachtet der Tatsache, daß Frauen längst in früher typischen Männerberufen arbeiten und in der Regel eine berufliche Qualifikation aufweisen. Dieser Bildtyp wäre so zu charakterisieren: Mann belehrt, unterweist Frau. Es gibt Fotos, die eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung, ein Unterstellungsverhältnis, eine soziale Hierarchie in der Beziehung der abgebildeten Personen unmittelbar und direkt sinnfällig machen (Chef unterweist und kontrolliert Sekretärin). Auf vielen Fotos aber geht es um Arbeitszusammenhänge, in denen Frauen und Männer die gleichen Tätigkeiten ausüben. Auch diese Abbildungen sind von einer Bild»sprache« geprägt, die den Mann als den Kompetenteren ausweist, als denjenigen, der Bescheid weiß, der den Überblick und das Sagen hat: Er wird durch die gewählte Perspektive optisch vergrößert, seine Überlegenheit wird sichtbar in seiner ruhigen Körperhaltung, dem sachkundigen Blick, der sicheren, erklärenden Geste, während sie fragend zu ihm aufblickt, oft in angespannter Körperhaltung den Erläuterungen lauscht oder unter den begutachtenden Augen des Mannes eifrig bemüht ist, nach den gegebenen Hinweisen die Arbeit gut auszuführen.
Das Foto von den beiden jungen Frauen vor dem Computer und dem Mann, der im Vordergrund mehr als Umriß und doch die Szene beherrschend ins Bild kommt, ist ein gutes Beispiel dafür. Das Auftreten der beiden Frauen, ihr sachkundiger, aufmerksamer Blick drückt Kompetenz und Sicherheit aus, nur wenig haben sie noch mit den Frauen auf den Fotos aus den sechziger Jahren gemeinsam, die sich etwas zaghaft und unsicher der ungewohnten Technik näherten. Dennoch ist die Szene in einem Moment festgehalten, wo der Mann in Aktion ist. Verstärkt noch durch die sitzende bzw. beidhändig aufgestützte Haltung der Frauen, durch die der Mann optisch vergrößert wird, durch den Gegensatz von Aktivität des Mannes (Sprechen, lebhafte Gestik) und Passivität der Frauen (lauschende, aufnehmende Haltung) wird die Kooperation von Mann und Frauen nach tradierten Geschlechterstereotypen veranschaulicht. Den Betrachtern, denen die konkreten Zusammenhänge ohnehin in der Regel unbekannt sind, prägen sich vor allem die »typischen« Haltungen und Gesten von Frauen beziehungsweise Männern im Kontext neuer Zusammenhänge (z.B. moderne Technologien) ein, die in ihrer sinnlichen Gestalt vermitteln: »So« sind Frauen und Männer (und so sollen sie bleiben).
Zusammenfassend zu diesem ersten Aspekt ist festzustellen: Bis heute ist Berufstätigkeit eine »männliche« Angelegenheit in dem Sinne, daß die Kriterien für Effizienz, Leistungsfähigkeit, berufliches Engagement usw. vom »Idealtypus« der «männlichen« Arbeitskraft bestimmt sind, vom männlichen Erwachsenen also, dessen Leben inhaltlich und zeitlich wesentlich durch die Berufsarbeit geprägt ist und der eine (weibliche) »Hintergrundperson« zur Verfügung hat, die für seine Reproduktion und seine Kinder sorgt. Gemessen an diesen Kriterien sind berufstätige Frauen, unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation, »anders«; sie können ihnen immer nur teilweise genügen. Ihre Aufgaben bei der biologischen Reproduktion und ihre - bislang fast ungebrochen fortwirkende - Verantwortung für den Haushalt sind in ihrem Leben für ihr Selbstverständnis »als Frau« mindestens genauso wichtig. Fotos nun, die die traditionell verstandene »Weiblichkeit« in der Berufssphäre »unterbelichten«, dürften daher auch dieses Selbstverständnis bekräftigen und bestätigen. Die Fotos geben zwar Berufsarbeit als selbstverständliche, alltägliche Erfahrung von Frauen wieder, aber auch als etwas, das ihr »Frausein« nicht oder noch nicht wesentlich tangiert.
Auch auf eine andere Weise wird Berufsarbeit in das »normale« Verständnis von »Frausein« integriert: Manche Bilder zeigen Frauen in der Berufssphäre plötzlich als sexuell verführerische Wesen. Bildunterschriften, die die »weiblichen« Eigenschaften beziehungsweise Körpermerkmale hervorheben (die »zierliche schlanke Person« etc.) »unterlaufen« quasi das Leitbild der beruflich engagierten Frau: Berufsarbeit von Frauen ist etwas »anderes« als Berufsarbeit von Männern. »Unsere Muttis« - so ein verbreiteter verächtlicher Ausdruck für die berufstätigen DDR-Frauen mit Kindern -sollen zwar »arbeiten wie ein Mann«, aber als »Muttis« sind sie in jedem Falle immer zweitrangig, als »Arbeiter« grundsätzlich zweite Wahl. Dies leitet zu einem weiteren Aspekt über.
Es gibt durchaus nicht wenige Fotos von berufstätigen Frauen, bei denen nicht eine Abschwächung, sondern eher eine mehr oder weniger demonstrative Betonung von »Weiblichkeit« auffällt. Diese Fotos vermitteln auf ihre Weise ein Bild von der widersprüchlichen Situation der Frauen in der Berufswelt.
Zweitens wäre daher zu konstatieren: Je qualifizierter, verantwortungsvoller, exklusiver die beruflichen Tätigkeiten von Frauen sind, desto mehr wird das Bild vom leistungsfähigen weiblichen Geschlecht durch Hervorhebung von »Schönheit« und »weiblichen« Körperformen »weichgezeichnet«.
Ihrem Anliegen entsprechend, die berufliche und politische Gleichberechtigung der Frauen in der DDR zu propagieren, stellte die »Für Dich« relativ häufig »erfolgreiche« Frauen in herausragenden Tätigkeiten und Funktionen vor. Auffallend ist, daß -quasi entgegengesetzt zur intendierten Botschaft realisierter Gleichberechtigung - auf den Reportagefotos diese »Vorzeigefrauen« mit demonstrativer Betonung tradierter Stereotype von »Weiblichkeit« ins Bild gesetzt werden. Das trifft insbesondere auf die meist großformatigen, farbigen Aufmacherfotos zu.
Ebenso wie die Titelfotos entsprechender Frauen, die es mit »Konsequenz und Charme«, mit »Charme und Logik«, »konsequent und verständnisvoll« geschafft haben, in ihrem Beruf erfolgreich zu sein, präsentieren diese Aufmacher die Frauen vordergründig als »weibliche« Wesen: Das Haar fällt weich und gepflegt, die schmeichelnde Seidenbluse harmoniert mit der Farbe der strahlenden Augen, das Pink der Bluse und des Lippenstiftes stimmen haargenau überein und die Haut des Gesichtes ist so leuchtend und rosig, daß die Fältchen gar nicht auffallen. Fachliche Kompetenz und hochrangige Position werden auf diese Weise verringert, die (reale oder potentielle) Gefährdung einer althergebrachten Ordnung dadurch abgemildert, daß diese »erfolgreichen« Frauen sinnlich-anschaulich zur verkörperten »Weiblichkeit« werden, deren Verlust dann auch als die eigentliche, angstmachende Gefahr hingestellt wird.
Auf diesen Bildern spielt ein Moment tradierter Vorstellungen von »Weiblichkeit« eine herausragende Rolle: die Gleichsetzung von weiblicher Schönheit und Macht. Dies bedeutet ja sexuelle Macht - und so wird in unserem Zusammenhang Macht auf eine andere Ebene verschoben: Aus der eigentlichen Macht aus Kompetenz wird Macht aus Schönheit. Mit anderen Worten: Da, wo es um eine reale Bedrohung von Statusvorteilen, von männlichen Privilegien geht, werden Frauen als das verführerische Geschlecht, als verkörperte Sexualität ins Bild gesetzt.
Zudem kann man in solchen bild-»sprachlichen« Arrangements auch eine subtile Form der Abwertung von Frauenarbeit feststellen. Die folgende Aufnahme der als »Agraringenieur« apostrophierten Frau ist ja nicht nur nach gängigen Stereotypen von »Weiblichkeit« strukturiert: Sie prüft in anmutiger Haltung - in einem duftigen Sommerkleid, neben sich die hochhackigen Schuhe - mit bloßen Füßen (»nach alter Bauernerfahrung«) die Lagertemperatur des Getreides in einem Silo. Das ganze Arrangement steht in scharfem Kontrast zu den (in unserer Kultur) »männlich« besetzten Eigenschaften wie: kühle Sachlichkeit, die Zurücknahme individueller Eigenarten hinter die »Pflichten«, beherrschte Haltung und zurückhaltend-unauffällige Kleidung, die nach gängiger Vorstellung von Menschen in gehobenen Funktionen erwartet (und auch fortlaufend durch Fotos von Männern in hochrangigen Berufen anschaulich bestätigt) werden. Indem man mit der Aufmachung und Präsentation der Frau eher »Freizeit« und »Spaziergang am Sonntagnachmittag« als »ernsthafte« (»männliche«) Arbeit assoziiert, schwingt darin auch unterschwellig mit, daß die Arbeit von »Frau Agraringenieur« nicht die Qualität hat (haben kann) wie die von »Herrn Agraringenieur«.
Drittens: Das Bild von der »guten« Frau ist das der Ehefrau und Mutter, die berufstätig
ist und die die Doppelbelastung bewältigt.
Eine Ehefrau und Mutter darf durchaus beruflichen Ehrgeiz entwickeln, sie muß nur das rechte Maß kennen und darf durch die eigenen Ansprüche nicht Ehe und Familie gefährden. Trotz eines ausgebauten Netzes der Kinderbetreuung während der Arbeitszeit und trotz sozialpolitischer Maßnahmen waren die Arbeiten für die individuelle Reproduktion eine zeitraubende, oftmals nervenaufreibende Angelegenheit, für die die Frauen in der DDR immer noch den größten Teil der Verantwortung trugen.
Während sich das Männerbild - auch das propagierte Leitbild - in dieser Hinsicht kaum verändert hat, hat sich das Frauen(leit)bild erweitert: Frauen sollten Mutterschaft, Hausarbeit und Berufstätigkeit vereinbaren können. Im Frauenbild wird dies durch die allgegenwärtigen Stereotype der Mütterlichkeit, Fürsorglichkeit und Selbstlosigkeit betont. Frauen mit Kindern werden z.B. wesentlich häufiger bei versorgenden, pflegenden Tätigkeiten fotografiert als unterweisend, belehrend oder gar spielend. Dabei werden die Versorgungsleistungen für den Ehemann stillschweigend, quasi im Analogieschluß, als selbstverständlich mitgeliefert. Das wird unter anderem auch dadurch erreicht, daß im Gesamtzusammenhang der Fotos die Familie als die »Normalform« menschlicher Beziehungen erscheint.
Auffällig ist auch, daß die doppelte Belastung der Frauen kaum thematisiert wird. Bei der Durchsicht der »Für Dich« fand sich nur ein Foto, das direkt - mittels Fotomontage - auf die zweite Schicht nach der Berufsarbeit verwies. Im öffentlichen Frauenbild ist die Hausfrau nicht vorhanden, die Realität der Hausarbeit wird aus der
Wahrnehmung durch Nicht-Abbildung ausgeblendet. Während sich in den fünfziger und sechziger Jahren in der Zeitschrift noch Fotos fanden, die Frauen und Männer bei der Hausarbeit zeigten beziehungsweise traditionelle Rollenverteilungen im Haushalt kritisch aufs Korn nahmen, fehlen in den achtziger Jahren solche Fotos fast völlig. Auch eine Auswertung z.B. des Jahrgangs 1986 von zwei Zeitschriften (»Für Dich« und »Neue Berliner Illustrierte«) bestätigt diesen Eindruck: Von den rund 5 400 Fotos, die Frauen und/oder Männer abbildeten, zeigten ganze 14 Frauen oder Männer bei Hausarbeiten (Kochen, Aufräumen, Fensterputzen, Einkaufen, Abwaschen). Dadurch, daß Hausarbeit im wesentlichen als nicht bildwürdig erscheint, wird auch ihre traditionelle Bewertung als Nicht-Arbeit fortgesetzt. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zusammenfassend:
Viertens: Im Frauenbild der DDR dominiert der »männliche Blick«.
Dieser drückt sich auf unterschiedliche Weise aus: Zum einen in der Gestaltung von Fotos aus dem Alltag von »Normalfrauen« nach tradierten Mustern, auf denen Frauen als das »andere, besondere, mindere Geschlecht« auftreten. Zum anderen in der Normsetzung für »Frausein« durch die Vorgabe von »Traum- oder Idealfrauen« wie die superschlanken, gepflegten Mannequins oder in der tendenziellen Reduzierung von Frauen auf »verführerische Schönheit«, »verkörperte Sexualität«. Wie bereits erwähnt, waren Fotos von Mannequins in der »Für Dich« häufiger zu finden als Fotos von Frauen in der Arbeitswelt. Dennoch war in jedem Heft der Zeitschrift der scharfe Kontrast zwischen den berufstätigen »Normalfrauen« und den realitätsfernen »Idealfrauen« sinnlich-anschaulich erfahrbar - wie auch immer die Betrachterinnen diesen Kontrast bewertet haben mögen.
Ausgesprochen selten waren in der »Für Dich« Fotos zu finden, die auf Sinnlichkeit und Sexualität verwiesen. Die Körper der abgebildeten Frauen (und Männer) waren Arbeitskörper oder Reproduktionskörper; Ausnahmen waren selten und grundsätzlich auf sehr junge Menschen beschränkt, die - vermutlich - noch nicht verheiratet beziehungsweise noch kinderlos waren. Pornographie gab es - zumindest offiziell - nicht. In den Zeitschriften waren auch Fotos, die den weiblichen Körper zur Projektionsfläche für männliche Phantasien oder zur Werbefläche für Produkte beziehungsweise Ideologien machten, ziemlich selten. Fotos wie das des Motorrad-Brautpaares (siehe S.44) waren eher die Ausnahme - durch die Unterschrift »Start ins Glück?« wird die Ehe als der Hort von Glück wie auch die ins Bild gesetzten stereotypen Vorstellungen von traditionellen Geschlechterrollen mit einem Fragezeichen versehen.
Die Seltenheit solcher Fotos sagt selbstverständlich nichts über die tatsächlichen Bedürfnisse und die Qualität der Geschlechterverhältnisse aus - sie ist Hinweis auf die Ausblendung von Realität aus Gründen der »sozialistischen Ideologie«, derzu-folge es weder strukturelle Benachteiligungen von Frauen noch deren Diskriminierung, weder Gewalt gegen Frauen noch eine am individuellen Genuß und nicht an der Fortpflanzung orientierte Sexualität gab. Da die Fotos in der »Für Dich« einen repräsentativen Eindruck des Frauenbildes in der DDR vermitteln, gilt es festzuhalten:
Frauen sind nach diesem Bild Berufstätige und Mütter beziehungsweise: berufstätige Mütter. Wichtige Felder ihres Lebenszusammenhangs wie unbezahlte Hausarbeit und Sexualität - auch in ihrem Verhältnis zu männlicher Gewalt - werden ausgeblendet. Die bildwürdigen Zusammenhänge des Alltags von Frauen werden auf den Fotos nach traditionellen Geschlechterstereotypen strukturiert und bewertet, wodurch so selbstverständlich wie beiläufig die »Normalität« von sozialen Hierarchien, von Macht und Unterordnung vermittelt wird.
Die Funktionalität dieser Fotos und des von ihnen verbreiteten Frauenbildes im Kontext der politischen und ideologischen Strukturen des Staatssozialismus erschließt sich erst vollständig, wenn bedacht wird, daß diese (wie im vorigen Abschnitt schon erwähnt) auf dem Machtmonopol einer Partei beruhten. Wie der pater familias der vorbürgerlichen Produktionsfamilie nahm die Partei für sich in Anspruch, im Interesse aller zu handeln und zu entscheiden, für alle die Verantwortung zu übernehmen und alle mittels einer feinabgestuften Hierarchie zu entmündigen. Das patriarcha-lisch-paternalistische Differenzierungsmuster hatte deshalb im Staatssozialismus eine direkte, systemerhaltende Funktion. Deshalb geht es z.B. auf den Fotos aus dem Berufsleben mittels der strukturierenden traditionellen Geschlechterstereotype nicht nur um die Akzeptanz einer geschlechterspezifischen Arbeitsteilung (die möglicherweise nur auf eine augenblickliche ökonomische Zwangssituation zurückgeführt werden könnte); es geht darüber hinaus um die Akzeptanz von politischen, ideologischen, kulturellen Strukturen, die die Zweiteilung der Welt in wenige Mächtige und viele Ohnmächtige, in Verantwortliche und Entmündigte festschreiben.
2. Der Wandel der »Für Dich« und ihrer Bilderwelt vom Herbst 1989 bis Juni 1991
In der kurzen Phase des euphorischen Aufbruchs, in der alles möglich schien, änderte sich auch die »Für Dich«. Bis dahin eine Zeitschrift, die - wie die meisten Periodika -direkt der Abteilung Propaganda im Zentralkomitee der SED unterstellt und dementsprechend brav und linientreu war, drängten einige ihrer Redakteurinnen unter dem Druck der Ereignisse auf eine Änderung. Sie wollten eine Zeitschrift machen, die tatsächlich die Interessen von Frauen wahrnahm und diese auch bewußt als politische Forderungen artikulierte. Für wenige Monate konnten DDR-Frauen in der »Für Dich« wahrheitsgetreue Berichte über die tatsächlichen Resultate der so lange propagierten realisierten Gleichberechtigung lesen, sie erfuhren zum ersten Mal etwas über Gewalt in den Familien, über Frauen im Strafvollzug, über sexuellen Mißbrauch von Kindern und über das Für und Wider von Pornographie. Die Zeitschrift stellte dem Unabhängigen Frauenverband in jeder Ausgabe zwei Seiten zur Verfügung und wirkte so aktiv beim Aufbau eines Netzwerkes von Fraueninitiativen in der ganzen DDR mit.
Allerdings gab es auch in dieser Zeit kein einheitliches Konzept für die Zeitschrift, weil die Meinungen in der Redaktion über den neuen Kurs durchaus gespalten waren. Es gab eine Lobby innerhalb der Redaktion, die auf eine mehr »weibliche« Orientierung setzte, um bei der einsetzenden Konkurrenz auf dem Medienmarkt bestehen zu können.
Die Wahlen zur Volkskammer im März 1990 stellten auch für die Zeitschrift eine Zäsur dar. Es wurden Verhandlungen mit mehreren bundesdeutschen bzw. ausländischen Verlegern geführt, und schließlich übernahm das Hamburger Verlagshaus Grüner & Jahr neben anderen Zeitungen und Zeitschriften auch die »Für Dich«. Das neue Konzept, dem sich nur wenige Mitarbeiterinnen der alten Redaktion verweigerten, war sehr einfach. Es wurde von westdeutschen Frauenzeitschriften wie der (eingegangenen) »Constanze« und der auch im Osten mittlerweile vielgelesenen »Tina« übernommen und lautete: So wenig wie möglich Politik und Analysen aktueller Probleme von Frauen, vielmehr kurze, knappe Beiträge als Information und Handlungshilfe für ganz konkrete Anliegen (z.B. Schreiben einer Bewerbung oder eines Antrages auf Kinder- oder Arbeitslosengeld), vor allem aber: viel Mode, Rezepte, Reisetips, Kosmetik und Werbung.
Entgegen den ersten Ankündigungen des neuen Eigentümers gab es so gut wie keine Werbung für die »Für Dich« in den alten Bundesländern. In der DDR beziehungsweise dann den neuen Bundesländern war der Vertrieb überaus schlecht organisiert. Die Verkaufszahlen sanken rapide (auf 90000 - nur noch ein Zehntel der Auflage in den achtziger Jahren). Als der Abwärtstrend gestoppt schien und sich sogar eine leichte Zunahme der Verkaufszahlen abzeichnete, kam - für die Mitarbeiterinnen überraschend - das Aus. In Heft 24, das schon in der Herstellung war, als bekannt wurde, daß dies die letzte Nummer der »Für Dich« sein würde, verabschiedete sich die Redaktion nach 45 Jahren ununterbrochenen Erscheinens der Zeitschrift von ihren Leserinnen: Unter die Abbildung von vier Titelseiten der »Für Dich« aus verschiedenen Jahrgängen setzte sie die Sätze: »Die Redaktion dankt ihren treuen Leserinnen. Wir wünschen Ihnen zum Abschied von Herzen alles Gute!« Ohne Anführung von Gründen für ihre Einstellung, ohne jedes Zeichen von Protest oder Widerstand gab sie das Ende der Zeitschrift bekannt. Ich bin versucht zu sagen: Sie tat dies in braver, jahrzehntelang eingeübter Manier.
Die »feministische« Phase der »Für Dich« war ein Zwischenspiel - getragen von ohnehin nur wenigen Redakteurinnen. Bis zuletzt blieb die Mehrzahl der Redaktionsmitarbeiterinnen ihrer in DDR-Zeiten erworbenen Einstellung treu: eine Frauenzeitschrift zu machen, ohne ein kritisches, reflektiertes Bewußtsein von der strukturellen Benachteiligung des weiblichen Geschlechts und der ideologischen Funktion der kulturellen Konstrukte von »Weiblichkeit« und »Männlichkeit«. So war auch der abrupte Wechsel der Bilderwelten seit März 1990 nicht so einschneidend, wie es auf den ersten Blick scheint. Funktional ist er eher als Kontinuität in der Vermittlung traditioneller Geschlechterstereotype beim gleichzeitigen Bruch in den abgebildeten Realitäten zu bewerten.
Eines ist in der letzten Phase der »Für Dich« unübersehbar: Fotos von berufstätigen Frauen, die früher auf den Seiten der »Für Dich« so zahlreich waren, sind zur ausgesprochenen Seltenheit geworden. So wird z.B. eine Reportage über die existentiellen Nöte einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, die arbeitslos geworden ist und von Sozialhilfe lebt, zwar durch Fotos ergänzt, die die Trostlosigkeit der Situation durchaus vermitteln, doch schwindet für die Leserinnen die Bedrückung schnell angesichts der folgenden, schön bebilderten Seiten über Urlaub auf den griechischen Inseln.
Auffallend ist weiterhin, daß Fotos, die Frauen in alltäglichen Zusammenhängen abbilden, in jedem Heft in der Minderzahl sind gegenüber Fotos, die - wie etwa Modefotos - explizit gängige Vorstellungen von »Weiblichkeit« beziehungsweise »Männlichkeit« präsentieren. Direkter als auf Fotos aus dem Alltagsleben dienen auf diesen Fotos Frauen(körper) zur sinnlich-anschaulichen Verbreitung stereotyper Vorstellungen von »Geschlecht«. Der normative Druck, der von ihnen ausgeht, ist daher auch wesentlich stärker.
Mit dieser bunten Bilderwelt wird den ehemaligen DDR-Frauen als Botschaft vermittelt: Frausein heißt Schönsein. Ob eine Frau berufstätig ist oder Hausfrau, ob sie eine hohe berufliche Qualifikation erlangt oder nur das unbedingt Notwendige gelernt hat, ob sie mehr oder weniger erfolgreiche Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft ausgebildet hat, ob sie sich für Dinge über ihren privaten Horizont hinaus engagiert oder nicht - all das ist nebensächlich gegenüber dem Eigentlichen: Eine Frau muß »weiblich« sein. Dementsprechend finden sich auf den Titelseiten keine »Real-« oder »Normakfrauen mehr, sondern junge Models als Verkörperung weiblicher, verführerischer Schönheit.
Die vielen Modeseiten bieten nicht nur einen Überblick über das bisher ungewohnt vielfältige Konsumangebot für die verschieden großen Geldbeutel, sie hämmern auch ein: »Kleider machen Frauen«. Kommen berufstätige Frauen ins Bild, dann nicht in der Selbstverständlichkeit ihrer täglichen Tätigkeiten, beim Einsatz ihrer Fähigkeiten, sondern mit dem Ziel ihrer kosmetischen Verschönerung. So gewinnt z.B. die unscheinbare Goldschmiedin Thea, von der »Für Dich« als »ungeschliffener Diamant« präsentiert, nach der »Schönheitsberatung« mit Sicherheit an Persönlichkeit, an Selbstbewußtsein und Ausstrahlung - »eine aparte, junge Frau hat ihren Typ entdeckt« - also alle Voraussetzungen, um in der Konkurrenz um die knapper werdenden Arbeitsplätze zu bestehen. Das »Vorher« und »Nachher« ist dabei durchaus auch als vor und nach der »Wende« zu interpretieren. Die vielen bunt bebilderten Ideen für Geschenke (und ihre ästhetische Verpackung), für die Verschönerung der Wohnung und für die kulinarische Verwöhnung der Familie weisen darauf hin, wozu die gut gekleidete und zurechtgemachte Frau da ist: zum Konsumieren.
Mehrfaches wird auf diesen Fotos miteinander verkoppelt: die realen, sehr berechtigten Bedürfnisse nach Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen, das Anpreisen einer Warenfülle, die Verheißungen eines »modernen«, westlichen Lebensstils, die traditionellen kulturellen Stereotype von »Weiblichkeit« und die Abwertung all dessen, was für DDR-Frauen bisher ungebrochen zu ihrem Alltag, ihrem Selbstverständnis bis hin zu ihrer äußeren Erscheinungsform gehörte.
Die schönen bunten Bilder sind nicht als eine »Rückkehr« zu traditionellen Stereotypen von »Weiblichkeit« zu verstehen - die waren auch auf den Fotos aus der DDR-Zeit allgegenwärtig. Sie stellen auch nicht nur Kompensations- und Fluchtmöglichkeit aus einer realen Welt größer werdender Unsicherheit dar. Für mich sind sie mit ihrer Aufforderung, eine »neue, ganz andere« Frau zu werden, funktional in einem größeren Kontext zu sehen, in dem die Erinnerung an das getilgt werden soll, was - im Rahmen der politisch-ideologischen und dabei immer virulent patriarchalischen Strukturen des Sozialismus - zu den Erfahrungen von Frauen in der DDR gehört hat: einer (mehr oder minder) qualifizierten Berufsarbeit nachzugehen, Beruf und Mutterschaft vereinbaren zu können, wirtschaftlich zumindest tendenziell unabhängig zu sein.
3. Die Bilder aus der alten und aus der neuen Welt:
extrem unterschiedlich oder verblüffend ähnlich?
Ich möchte zum Abschluß dieser Untersuchung auf meine eingangs gestellte Frage nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten in den Bilderwelten in der »Für Dich« vor und nach der Wende von 1989 zurückkommen. Auf einige wesentliche Unterschiede habe ich im vorigen Abschnitt bereits hingewiesen: Die Fotos von Frauen in der beruflichen Sphäre (oder auch in der politischen Öffentlichkeit) wurden verdrängt von Fotos, auf denen die Körper von realen Frauen zur idealen Präsentations- und Projektionsfläche traditioneller Stereotype von »Weiblichkeit«, von »weiblicher Schönheit und sexueller Verführungskraft« werden. An die Stelle der arbeitsamen Frau, die unermüdlich für die Erfüllung der sozialistischen Planziele tätig ist, ist die auf sich, auf ihre Schönheit bedachte Konsumentin getreten.
Der Realitätsverlust, der mit dem Verschwinden der Fotos berufstätiger Frauen verbunden ist, könnte auch eine aufklärende Wirkung haben: Neben der Dechiffrierung des Ideologiegehaltes der Fotos, auf denen die individuellen beruflichen Fähigkeiten von Frauen für fremde Zwecke vereinnahmt wurden, offenbaren die neuen Bilder auch überdeutlich, wieviel Spielraum und welche Handlungsfelder Frauen konfliktlos zugestanden werden. Die Diskrepanz zu den wirklichen Erfahrungen von Frauen ist auf diesen Fotos wesentlich größer und deutlicher als auf den Alltagsfotos aus dem Berufsleben. Ob dies allerdings ehemaligen DDR-Frauen hilft, den Ideologiecharakter der neuen Bilderwelten zu entlarven, bezweifle ich. Ich vermute eher, daß der Übergang vom nicht wahrgenommenen Patriarchat in der DDR-Gesellschaft zum Patriarchalismus der neuen Gesellschaft, der unter anderem in Gestalt einer Honorierung offiziell bislang kaum beachteter »Weiblichkeit« auftritt, eher nahtlos sein wird. Gefördert wird das auch - und nicht zuletzt - durch Gemeinsamkeiten, die die alten und die neuen Bilder aufweisen. Zu diesen Gemeinsamkeiten zählen zum Beispiel:
- Die Ausblendung von wichtigen Bereichen des weiblichen Lebenszusammenhangs als nicht bildwürdig. Wie in den alten »Für Dich«-Zeiten finden sich auch in den neuen Bilderwelten keine Fotos, die Frauen bei der Hausarbeit, beim Einkauf oder bei der Versorgung der Kinder zeigen, obwohl die Hausfrau im neuen Frauenbild einen wesentlich höheren Stellenwert hat als im Frauenbild der DDR. Die unbezahlte Reproduktionsarbeit bleibt in beiden Fällen unsichtbar.
- In beiden Bilderwelten wird die polare Zuweisung von menschlichen Eigenschaften und Tätigkeiten zum weiblichen beziehungsweise männlichen Geschlecht fortgesetzt und hierdurch auch der »Naturcharakter« bestehender Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und die Zweitrangigkeit der Frau festgeschrieben. Gegenläufige Erfahrungen beziehungsweise Konflikte zwischen veränderten Bedingungen und tradierten Rollen werden so in ihrer individuellen Wahrnehmung zumindest tendenziell in die traditionellen Stereotype gepreßt.
- Beiden Bilderwelten ist das Einebnen von Differenzen, fließenden Übergängen, Ambivalenzen, die Reduzierung von Vielfalt auf die abstrakten Allgemeinheiten von Geschlechterstereotypen gemein. In diesem Triumph des Allgemeinen über das Besondere und Konkrete kommt der Ideologiecharakter der alten wie der neuen Bilder zum Vorschein: die Möglichkeit, die sich in diesen allgemeinen Formen äußernden realen Erfahrungen und Bedürfnisse von Frauen für andere Zwecke auf dem Feld der Macht zu nutzen.
Stellt man dies alles in Rechnung, dann kann kaum Bedauern darüber aufkommen, daß die »Für Dich« nach 45 Jahren ihr Erscheinen eingestellt hat. Allerdings ist mit der »Für Dich« das einzige Periodikum mit Massenauflage vom Markt verschwunden, das - wenn zuletzt auch nur noch in sehr reduzierter Weise - explizit Informationen für Frauen über die Situation von Frauen in den neuen Bundesländern vermittelte.
IV. Zum Verhältnis von Frauen- und Männerbild und Alltagbewußtsein
In welchem Maße die in den vorigen Abschnitten charakterisierten programmatischen Vorstellungen von Emanzipation und die jeweiligen Leitbilder tatsächlich von Frauen und Männern der verschiedenen Generationen angenommen wurden, läßt sich kaum sagen. Entsprechende soziologische Untersuchungen fehlen so gut wie ganz, die wenigen Ansätze zur Erforschung dieser Zusammenhänge, die es in der BRD gab, leiden unter den Beschränkungen, die den Wissenschaftlerinnen durch die politische Situation auferlegt waren.[11] Erschwerend kommt hinzu, daß mit der tatsächlichen, tendenziellen sozialen Nivellierung eine Sozialstruktur- und Schichtungsforschung in der DDR korrespondiert, die nur bedingt Aussagen über soziale Unterschiede, über verschiedenartige Lebenslagen und Lebensstile zuläßt. Dies macht es auch schwierig, Schlüsse auf die Wirksamkeit von propagierten Frauen- und Männerbildern zu ziehen.
Sicher ist die Annahme richtig, daß diese Zielvorstellungen und Leitbilder weder einfach angenommen wurden noch bloße ideologische Hülsen waren, die keinerlei Auswirkungen auf das Alltagsbewußtsein und das Selbstverständnis von Frauen und Männern hatten. Frauen haben ihre Berufsarbeit nicht nur als Zwang oder als zusätzliche Belastung erfahren, sondern auch als Erweiterung ihrer Fähigkeiten und ihrer sozialen Kontakte, als (tendenzielle) ökonomische Selbständigkeit und als Veränderung ihrer Position in der Familie (zumindest durch ihren Beitrag zum Familieneinkommen). Männer haben ihre berufstätigen Frauen nicht nur gestreßt und überarbeitet erfahren, sondern auch als Partnerinnen, die selbstbewußter und selbständiger waren als ihre Mütter oder Großmütter (daß sie auch ohne großes Murren die Hauptlast bei der Kinderversorgung und bei der Hausarbeit trugen, hat es Männern sicherlich leichter gemacht, mit diesen »neuen« Frauen auszukommen).
Man muß auch zwischen den einzelnen Frauengenerationen unterscheiden: Frauen der »Aufbaugeneration«, die in den fünfziger Jahren aus Not oder aus Interesse berufstätig wurden und »nebenbei« ihren familiären Pflichten nachkamen und Frauen, die aufstiegen und eine höhere Bildung und/oder berufliche Qualifikation erwarben, die also aus den propagierten Leitbildern und Möglichkeiten einen persönlichen Erfolg machten, haben sich sicher stärker mit den Leitbildern (und auch mit dem Staat) identifiziert als ihre Töchter und Enkelinnen; diese wurden vielmehr durch die Erfahrung der enggezogenen Grenzen der Mauer, durch die verfestigten Strukturen, die geringe Mobilität und einen vorprogrammierten Lebenslauf, der keine großen Entscheidungen oder Wahlmöglichkeiten einschloß, geprägt und erfuhren außerdem als Kinder die negativen Auswirkungen der Doppelbelastung ihrer Mütter. Frauen mit einem hohen Bildungs- und Qualifikationsgrad (und einem dem-entsprechenden Interesse an ihrem Beruf) haben sicher eher einen kritischen Blick für die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der realsozialistischen Gesellschaft und für die »konservativen«, bevormundenden sozialpolitischen Maßnahmen entwik-kelt als Industriearbeiterinnen, für die diese Maßnahmen Voraussetzung für ihre Erwerbsarbeit, für den notwendigen Beitrag zum Familieneinkommen waren.
Dennoch ist trotz dieser - hier nur grob angedeuteten - Unterschiede nicht zu übersehen, daß nicht nur die Mehrheit der Frauen, sondern auch der Männer in der DDR der Meinung war, daß die Geschlechter gleichberechtigt seien. In aller Regel fühlten sich Frauen nicht benachteiligt - weder im Beruf, noch durch die häuslichen Pflichten -, die sie, wie sie durchaus wußten, zu einem übergroßen Anteil »selbstverständlich« trugen. Die der »Industrieproduktionsgesellschaft«, der »einfachen Modernisierung« (Ulrich Beck) entsprechenden traditionalen Geschlechterordnungen und -rollen, wurden im Kontext realsozialistischer ökonomischer, politischer und ideologischer Strukturen durch die (mehr oder minder qualifizierte) Berufsarbeit von Frauen nicht aufgebrochen, sondern auf eigentümliche Weise konserviert. Die fürsorglich bevormundende Zuteilung von Ressourcen durch »Vater Staat« zur Verbesserung der Situation von Frauen [12] hat deren traditionale symbolische Abhängigkeit von einem Ernährer und Beschützer nur vom konkreten (Ehe)mann auf eine Institution verschoben. Sie konnte daher auch im Alltagsbewußtsein nicht oder kaum aufgebrochen werden. Im Gegenteil, die Fürsorgepolitik konnte als »Emanzipationshilfe« verstanden werden. Deters und Weigandt konstatieren deshalb: »Man kann quasi von einem >gespaltenen< Bewußtsein der Frauen sprechen. Einerseits hat sich durch die kontinuierliche Berufsarbeit ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein im Denken der Frauen verankert, andererseits werden aber traditionell weibliche Verhaltensformen wenig reflektiert übernommen und erweisen sich (noch) als handlungsbestimmend.«[13]
Es ist heute schwer abzusehen, welche Wirkungen dieses »gespaltene« Bewußtsein für die Frauen und Männer in der ehemaligen DDR in den gegenwärtigen Umbruchsprozessen hat. Anders als die Frauen und Männer in den alten Bundesländern vollziehen sie nicht allmählich einen Übergang zur »modernisierten Moderne« und im Zusammenhang damit zur kritischen Erörterung von traditionalen Geschlechterverhältnissen, in der auch gängige Frauen- und Männerbilder in Frage gestellt werden.
Die Umwandlung in eine andere Gesellschaft und ein anderes Wirtschaftssystem erfolgt nicht nur in schnellen, radikalen Brüchen. Sie bedeutet nicht nur Entlassung aus alten Sicherheiten und Abhängigkeiten, die oftmals zunächst nicht als Befreiung, sondern als Verunsicherung erfahren wird. Sie geschieht gegenwärtig auch massiv als Abwertung und verächtliche Ablehnung all dessen, was »DDR« war - das heißt auch des Selbstverständnisses, das Frauen als Berufstätige und zugleich für den Haushalt Verantwortliche herausgebildet hatten. Und sie geschieht vor dem Hintergrund gewaltiger Umbrüche in den gesellschaftlichen Strukturen Osteuropas, aber auch - auf andere Weise - in der Europäischen Gemeinschaft und in der sogenannten Dritten Welt. Umbrüche solcher Dimension, die heute auf Grund weltweiter Interdependenzen vielfältige Auswirkungen auf den Alltag der einzelnen haben, werden individuell und politisch/öffentlich (zunächst) überwiegend im Rückgriff auf erfahrungsgemäß stabile kulturelle Wertungs- und Deutungsmuster »verarbeitet«. Nicht zuletzt spielen dabei traditionale symbolische Geschlechterordnungen, Frauen- und Männerbilder (aller drei genannten Ebenen) eine Rolle. Welche Auswirkungen die im Alltagsbewußtsein von Frauen und Männern der ehemaligen DDR verankerten traditionalen Frauen- und Männerbilder für sie selbst, aber auch für Struktunerungsprozesse im vereinten Deutschland haben werden, bleibt abzuwarten.
Traditionelle Rollenmuster -Frauen- und Männerbilder
in den westdeutschen Medien
I. Einleitung
Die kulturellen Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 haben auch die Vorstellungen von dem berührt, was eine Frau/ein Mann ist, zu sein und zu tun hat. Insbesondere in bezug auf das Frauenleitbild haben sich erhebliche Verschiebungen ergeben. Dieser Wandel ist im Kontext gesamtgesellschaftlicher Veränderungen zu sehen.
Die durch die Kriegswirren vielfach aufgehobene geschlechtsspezifische Arbeitsteilung mußte in den fünfziger Jahren zunächst einer Restauration der traditionellen Geschlechterideologie weichen: Frauen zogen sich wieder stärker auf Heim und Familie zurück. So lag 1950 die Erwerbsquote der Frauen im erwerbsfähigen Alter mit 44,4 Prozent deutlich niedriger als die von 1939 (49,8 Prozent) und erreichte diesen Stand erst 1970 wieder.[1] Die Erwerbsquote der Männer im erwerbsfähigen Alter betrug 1950 dagegen 93,5 Prozent. Diese hohe Schwelle wurde in der Nachkriegsgeschichte nie mehr überschritten.
Es ist zu vermuten, daß sich viele Frauen in den ersten Nachkriegsjahren durch die hohe Arbeitslosigkeit entmutigen ließen, sich als Arbeitssuchende zu definieren. Sie überließen Männern die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und entschieden sich häufiger als vor dem Krieg für die Lebensperspektive »Hausfrau«.[2] Diese Haltung wurde von der offiziellen Familienpolitik jener Jahre mitgetragen. Umgekehrt gehörte es zum Männerbild dieser Zeit, dem Ehemann allein die Verantwortung für die Familienernährung zu übertragen. Nachdem die aus dem Krieg heimkehrenden Männer einen Arbeitsplatz gefunden hatten, »durften« sich viele Frauen wieder ganz familiären Aufgaben widmen. Lediglich von alleinstehenden Frauen und Müttern wurde die Vereinbarkeit von Kinderversorgung und Berufsarbeit erwartet.
Franz-Josef Wuermeling, der 1953 zum ersten Familienminister berufen wurde, trat ganz entschieden gegen die Frauenerwerbstätigkeit auf. Diese habe einen »ge-meinschaftszerstörenden Charakter«, weil sie den Individualismus zu sehr betone.[3] 1957 wurde das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet, das diesen Namen aus heutiger Sicht nicht verdient, da es nicht zu einem Aufbrechen der traditionellen Arbeitsteilung beitrug. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wurde erneut im Ehe- und Familienrecht festgeschrieben und hatte bis 1977 Gültigkeit. Das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns wurde 1957 ebenfalls noch einmal durchgesetzt, 1959 dann allerdings durch das Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht.
In den siebziger Jahren wurde unverkennbar, daß manche »versorgte« Frau gar kein Interesse an einer Beschränkung auf Heim und Herd hatte. Die Erwerbsquote stieg nach 1977 nicht bei den Ehefrauen am stärksten, deren Männer ein besonders niedriges Einkommen hatten, also Geld verdienen mußten, vielmehr strömten die Frauen verstärkt auf den Arbeitsmarkt, die qualifiziertere Ausbildungen aufzuweisen hatten.[4] Der Wunsch nach ökonomischer Eigenständigkeit in der Ehe (nicht mehr nur lebensnotwendiges »Mitverdienen«) und das Interesse an der Berufsarbeit waren bei einem wachsenden Teil der Frauen die Motive für die Entscheidung zur Berufstätigkeit. Offenbar wurde das traditionelle Bild der Frau, das der Nationalsozialismus ja noch einmal für sich zu nutzen gewußt hatte, nicht mehr von allen Frauen geteilt. Zumindest ein Teil von ihnen, vor allem die jüngeren, entwickelten Lebensperspektiven, die über die Hausfrauen- und Mutterrolle hinausgingen. Sie wurden die Avantgarde für eine Entwicklung, die bis heute andauert, aber immer noch auf unsicheren Voraussetzungen gründet. Diese Entwicklung ist durch den Trend zu einer gleichberechtigten Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt gekennzeichnet und geht mit dem langsamen Abbau der traditionellen Geschlechtertypisierung einher, die für die Frau den Lebensbereich Familie vorsieht, für den Mann dagegen Beruf und Öffentlichkeit. Dieser Trend vollzieht sich nicht gleichförmig und erfaßt auch nicht gleichmäßig alle Bevölkerungsschichten.
Hier sind noch weitere Tendenzen zu nennen, die den traditionellen Arbeitsbereich der Frau betreffen, so das kontinuierliche Sinken der durchschnittlichen Kinderzahl pro Ehe und eine seit 1960 deutlich steigende Scheidungsquote. Es wird für Frauen zunehmend unrealistisch, sich auf die Rolle der »Hausfrau und Mutter« als ökonomisch abgesicherte, lebenslang sinnerfüllende Perspektive einzulassen. Hierdurch kommt es zu einer Diversifizierung von Leitbildern im öffentlichen Bewußtsein.
Auch in den Parteien bilden sich unterschiedliche frauenpolitische Konzepte heraus.[5] 1976 wird mit der Reform des Ehe- und Familienrechts die Abkehr der Regierungspolitik von der gesetzlich fixierten Hausfrauenehe sanktioniert. Das neue Recht schreibt den Ehepartnern keine Rollenteilung mehr vor. Es setzt vielmehr auf das individuelle Aushandeln von Ansprüchen und Bedürfnissen zwischen Männern und Frauen. Dieser Prozeß unterliegt natürlich dem Einfluß gesellschaftlicher Leitbilder, die über Verwandtschaft, Nachbarschaft, Arbeitskollegen, Arbeitgeber und zunehmend auch über die Medien transportiert werden.
Im folgenden soll nun speziell auf die Entwicklung der Frauen- und Männerbilder in den Medien eingegangen werden, um zu überprüfen, ob und wie lange sie an traditionellen Bildern festhalten, ob sie die gesellschaftlichen Veränderungen widerspiegeln oder gar dem Wandel mit Alternativen zum traditionellen Geschlechterarrangement vorgreifen. Dabei muß vorausgeschickt werden, daß der Forschungsstand hierzu - jedenfalls im Vergleich mit dem in den USA - sehr lückenhaft ist und es sich recht schwierig gestaltet, aus methodisch unterschiedlich angelegten, zeitlich begrenzten Bestandsaufnahmen übergreifende Tendenzen abzulesen.
In der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt sich die empirische Sozialforschung erst seit den siebziger Jahren mit der Stereotypisierung der Geschlechter durch die Medien. Dabei war das Forschungsinteresse lange Zeit lediglich auf das Frauenbild gerichtet und die Untersuchungen schlössen nicht einmal zu Kontrollzwecken Männerbilder ein. Erst seit den achtziger Jahren gibt es Untersuchungen, die einen unmittelbaren Vergleich zwischen Frauen- und Männerbildern erlauben.
II. Geschlechtsrollenstereotype in Schulbüchern und Jugendliteratur
Das größte Interesse der empirischen Sozialforschung gilt bis heute den Geschlechts-rollenstereotypen in den bundesdeutschen Schulbüchern. Verantwortlich hierfür ist sicherlich die Vermutung, daß diese Medien ein besonders hohes Maß an Einfluß ausüben, da sie sich an Kinder und Jugendliche richten. Besondere Aufmerksamkeit wurde den Schulbüchern vermutlich auch deshalb zuteil, weil sich die Schulbildung als staatliche Kompetenz ganz unmittelbar an dem Verfassungsauftrag der Gleichberechtigung messen lassen muß. Untersuchungen des obligatorischen Lernmaterials in der Bundesrepublik wurden schon Mitte und Ende der sechziger Jahre durchgeführt, stark verzögert zwar gegenüber den seit 1949 gültigen Weisungen des Artikel 3 des Grundgesetzes, aber immerhin noch früher als die Untersuchungen zum Frauen- und Mädchenbild in anderen Medien.
Die Forschungsergebnisse der Schulbuchuntersuchungen aus den sechziger und siebziger Jahren zusammenfassend, konstatiert Christiane Schmerl: »Mädchen und Frauen sind rein zahlenmäßig in den Schulbüchern verschiedener Schulstufen und verschiedener Schulfächer extrem unterrepräsentiert bis nicht existent. Wenn sie auftauchen, dann in unwichtigen, langweiligen, passiven und vor allem altmodischen und konservativen Frauenrollen (Hausfrau, Mutter, kleine Schwester).«[6] Schulbuchrevisionen führten inzwischen zwar zur Beseitigung der besonders einseitigen Darstellungen von Frauen, grundsätzlich aber hat sich an der groben Unterrepräsentation von Frauen und ihrer realitätsfremden Reduktion auf ein Wirken im Familienkreis bis heute fast nichts geändert.[7]
Während die Sozialisationseffekte des Mädchen- und Frauenbildes in Schulbüchern auf relativ breite Aufmerksamkeit stoßen, gilt dies für die Freizeitlektüre von Mädchen nicht. Dies ist zu bedauern, weil anzunehmen ist, daß sie zum Identitätsfin-dungsprozeß unter Umständen mehr beiträgt als die von der Schule »verordnete« Lektüre. Nachdem Malte Dahrendorf und Gerda Neumann in den siebziger Jahren Arbeiten zu diesem Thema vorgelegt hatten,[8] wird es von Verena Mayr-Kleffel 1984 erneut aufgegriffen: In ihrer hermeneutischen Analyse von fünf Mädchenbüchern bzw. Buchreihen gelangt sie zu dem Schluß, daß die Mädchenliteratur auch in den achtziger Jahren noch bis auf wenige Ausnahmen darauf angelegt ist, heterosexuelle Liebesbeziehungen zu idealisieren und den Konfliktstoff aus dem Geschlechterverhältnis zu verdrängen. So bilden in vielen Mädchenbüchern »der spannend frische Beginn der Freundschaften und die in der Ehe resignierten Mütter einen starken Kontrast, der, unbegriffen, der Leserin wohl die Resignation empfiehlt«.[9] Sehr subtil wird den lesenden Mädchen nahegelegt, daß sie in ihren Liebesbeziehungen hauptsächlich ihre sozialen Fähigkeiten zu beweisen haben. Die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten beim Aushandeln von Ansprüchen und Bedürfnissen in der Partnerschaft scheinen nicht thematisiert zu werden. Nicht mehr völlig tabuisiert, aber dennoch weitgehend ausgespart bleibt, so Mayr-Kleffel, der Bereich der weiblichen Sexualität. Ferner moniert sie das weitgehende Fehlen von Beispielen weiblicher Solidarität in den Mädchenbüchern.
Als Fortsetzung dieser Überlegungen wäre zu fragen, welche Männlichkeitsvorstellungen die Jungenbücher ihren Rezipienten vermitteln. Inwiefern trägt diese Literatur wohl dazu bei, daß junge Männer ihre Partnerinnen als gleichberechtigt wahrnehmen können? Angesichts des sich ausdehnenden Feldes der elektronischen Medien eröffnen sich zudem ganz neue Forschungsbereiche: Tonbandkassetten, Videospiele, Videoclips, Schlagertexte, Fernsehunterhaltung beherrschen die Freizeit der Jugendlichen weit stärker als das traditionelle Lesen.
III. Geschlechtsrollenstereotype in der Werbung
Ein Bereich, in dem Frauenbilder sehr häufig untersucht wurden, ist die Werbung. Hier mag die oft bis ins Unerträgliche gesteigerte Stilisierung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern die Aufmerksamkeit provoziert haben.
1. Männer- und Frauenbilder in der Fernsehwerbung
In den 1979 von Joachim Kotelmann und Lothar Mikos untersuchten Werbefernseh-spots treten nahezu gleich viele Männer und Frauen auf. Dies ist erwähnenswert, weil Frauen in den Medien ansonsten deutlich unterrepräsentiert sind: Ende der siebziger Jahre überwiegt im Werbefernsehen offenbar noch der Hausfrauentypus, direkt danach folgen die jungen, attraktiven Frauen ohne Funktionszuweisung. Wesentlich seltener ist die Rolle der Ehefrau, noch seltener die der Mutter. Das Schlußlicht bilden allerdings die Berufstätigen, die ganze vier Prozent der dargestellten Frauen ausmachen.[10]
Männer werden hingegen in ihrer Rolle als Berufstätige bevorzugt, wobei »gehobene« Berufe wie die des Wissenschaftlers und des Geschäftsmanns überwiegen. Das Bild des berufstätigen Mannes ist damit genauso dominante Männerdarstellung, wie analog das der Hausfrau bei den Frauenbildern. An zweiter Stelle liegt »der Mann schlechthin - jung, abenteuerlich, draufgängerisch, aktiv und hart, der ohne nähere Funktionszuweisung Freizeitaktivitäten nachgeht«.[11] Es folgen Männer in der Rolle des Ehemanns, dann einige wenige Väter.
Obwohl die Frauen im Bild die Männer zahlenmäßig sogar übertreffen, kommen sie dennoch seltener zu Wort. Vor allem der hohe Anteil männlicher »Off«-Stimmen deutet nach Ansicht der Autoren darauf hin, daß einer männlichen Stimme eher »Seriosität« und Überzeugungskraft zugeschrieben wird als einer weiblichen. In fast allen Spots hat ein Mann das letzte Wort.[12] Kotelmann und Mikos betonen, daß es bei den dargestellten Männern eine stark besetzte Restkategorie gibt, die eine große Palette von ungewöhnlichen Rollen beinhaltet. Solche Rollen fehlen für Frauen gänzlich.
Jungen Frauen werden, laut Kotelmann und Mikos, engbegrenzte Stereotype zugeordnet: Emotionalität, Zärtlichkeit (gegenüber Personen), Sanftheit, Romantik, Unterordnung, Unterwürfigkeit, Hilflosigkeit, Partnersuche, Sex-Appeal. Ältere Frauen sind in der Werbung durch Emotionalität, Zärtlichkeit (gegenüber Produkten), Freude, Unsicherheit, Unterordnung, Naivität, Konkurrenz (anderen Frauen gegenüber), Häuslichkeit und Putzsucht gekennzeichnet. Männern werden hingegen geradezu die konträren Stereotype zugeordnet: Kompetenz, Erfolg, »Coolheit«, Lässigkeit, Selbstbewußtsein, Überlegenheit, Führungsvermögen und Dominanz. Merkmale wie Ungebundenheit, Unabhängigkeit und Emanzipation, die bei Männern häufiger anzutreffen sind, gelten bei Frauen als ausgesprochene Sonderformen.[13]
Inwieweit die Befunde aus dem Jahr 1979 heute noch zutreffen, müßte durch eine Wiederholungsuntersuchung geklärt werden. Unsystematische Beobachtungen legen den Schluß nahe, daß sich an der traditionellen Polarisierung der Geschlechter durch die Fernsehwerbung bis heute nicht viel geändert hat.
2. Männer- und Frauenbilder in der Zeitschriftenwerbung
In dem Jahr, in dem Kotelmann und Mikos ihre Analyse von Fernsehspots vornahmen, untersuchte Regine Hastenteufel Zeitschriftenwerbung im Hinblick auf Ge-schlechtsrollenstereotype. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Zeitschriftenleserinnen und -leser in der Werbung ihrem Ich-Ideal begegnen: »Dieser Ideal-Mensch ist jung, schlank, gutaussehend, gepflegt, männlich/weiblich, gesund, vital, gutsituiert, sympathisch, freundlich, optimistisch, glücklich, heiter, unabhängig und dynamisch.« Die Paardarstellungen vermitteln »die Harmonie gleichberechtigter sozialer Wesen«.[14]
Laut Hastenteufel erweckt die Zeitschriftenwerbung den Eindruck einer weitgehenden Ähnlichkeit zwischen den Geschlechtern. Diese Aussage steht in deutlichem Widerspruch zu der von Kotelmann und Mikos, die ja die Differenz zwischen Männer- und Frauenbildern in der Fernsehwerbung betont hatten. Werden Unterschiede sichtbar, so weisen sie - das bestätigt auch Hastenteufel - in die traditionelle Richtung: »Er engagiert sich, führt, dominiert, indem er Schutz gewährt, Besitz ergreift oder sexuell fordert; sie lehnt sich an, läßt sich umwerben, gibt sich hin, schaut zu, wie er handelt.«[15]
Jugend, Schönheit, erotische Ausstrahlung, Heiterkeit und Freundlichkeit, Weichheit, Zartheit, Passivität und Hilfsbedürftigkeit erscheinen in den Anzeigen, die Hastenteufel analysiert, als weibliche Attribute; Reife, Ernst, Härte, Kraft, Aktivität und Unabhängigkeit gelten dagegen als vorwiegend männlich. »Während Weiblichkeit darin besteht, liebenswürdig und gefällig zu wirken, bedeutet Männlichkeit, reif und stark zu wirken und wenigstens hin und wieder von den in der Werbewelt bestehenden Normen abweichen zu dürfen, wobei jedoch diese Normen niemals ernsthaft verletzt oder in Frage gestellt werden.«[16] Als typisch weibliche Rollenzuweisungen ermittelt Hastenteufel die »der Schönheit« und die der Hausfrau. Als typisch männliche Rollen in der Anzeigenwerbung identifiziert sie den Berufstätigen, den Genießer und den Experten. Die Wirkungskreise von Männern und Frauen in der Werbung der siebziger Jahre entsprechen nach Hastenteufels Befund den traditionellen Stereotypen: »Hausarbeit, familiäre Fürsorge, Umgang mit Kindern, Körperpflege und Posieren für das Anzeigenbild sind weibliche Betätigungen, Freizeitaktivitäten und Abenteuer sind männliche Ausschnitte des Beschäftigungsrepertoires.«[17]
Hastenteufel untersucht auch die Verkaufsargumente der Zeitschriftenanzeigen: Die Qualität der Ware, der Wunsch des Konsumenten »dazuzugehören« und seine Sehnsucht nach Glück sind generelle Bezugspunkte der Werbung. Andere Argumente sind vorwiegend in Anzeigen anzutreffen, die sich an Frauen richten: Jugend, Schönheit, emotionale Sicherheit, Feminität, Emanzipation und Sauberkeit. Die Themen, mit denen speziell Männer für bestimmte Produkte interessiert werden sollen, liegen im Bereich von Aktivität, Erfolg, Erfahrung, finanzieller Sicherheit, Prestige und Maskulinität. Parallelen zwischen den Männer- und Frauenbildern der Fernseh- und der Zeitschriftenwerbung sind Ende der siebziger Jahre also unverkennbar.
Eine neue Untersuchung, die sich ebenfalls der Zeitschriftenwerbung zuwendet, ist die Studie von Hans-Bernd Brosius und Joachim Friedrich Staab. Sie hat die Anzeigenwerbung des »Stern« zwischen 1969 und 1988 zum Gegenstand und erlaubt somit auch Aussagen über die Entwicklung von Frauen- und Männerbildern über einen längeren Zeitabschnitt hinweg.[19] Wie zu erwarten, sind Frauen auch in der Werbung des »Stern« kaum unterrepräsentiert. Die Verteilung von 54 Prozent (Männer) gegenüber 46 Prozent (Frauen) ändert sich im Untersuchungszeitraum kaum. Wohl aber ändert sich die Art der dargestellten Beziehungen zwischen Personen in der Anzeigenwerbung: Der Anteil beruflicher Kontakte bleibt nahezu konstant, Verschiebungen ergeben sich hingegen im Bereich der informellen Beziehungen. Das Jahr 1984 markiert hierbei sozusagen eine Bruchstelle: Die Werbung neueren Datums stellt deutlich seltener familiäre Situationen und Freundeskreise dar, dagegen häufiger sexuelle bzw. Liebesbeziehungen, 1969 bis 1973 und 1979 bis 1983 jeweils 23, 1984 bis 1988 31 Prozent.[20] In der Werbung werden also Leitbilder entworfen, die Frauen und Männer zunehmend auf eine erotische Zweierbeziehung verweisen.
Ohne auf Veränderungen im Zeitverlauf einzugehen, konstatieren Brosius und Staab, daß Jugendlichkeit bei den Frauen in der Werbung ein wesentlich häufigeres Merkmal ist als bei den Männern. Der Anteil junger Menschen machte bei den Frauen 55 Prozent aus, bei den Männern dagegen nur 29 Prozent. In diesem Punkt spiegeln die Medien wohl die gängige Meinung wider, daß das Alter bei Männern häufig Erfahrung und Expertentum signalisiert, während es bei Frauen das Nachlassen der für ihren gesellschaftlichen Status so wichtigen körperlichen Attraktivität beinhaltet. Für Frauen mittleren und höheren Alters hält die Werbung kein adäquates Leitbild bereit.
Wie schon jeder unsystematische Blick auf Werbematerial verrät, gibt es starke Unterschiede im Grad der Bekleidung von Männern und Frauen. In den von Brosius und Staab untersuchten »Stern«-Werbeanzeigen wurden Frauen wesentlich öfter nackt oder spärlich bekleidet gezeigt (21 Prozent) als Männer (6 Prozent). Leider finden sich diesbezüglich keine Angaben über eine Veränderung im Zeitverlauf.
Den Darstellungen der Werbung entnehmen Brosius und Staab das Stereotyp stärkerer Personenbezogenheit von Frauen. So ist z.B. der Blick von Männern meist unbestimmt oder auf Gegenstände fixiert, während der von Frauen überwiegend auf anderen Personen im Bild ruht oder sich auf den Betrachter der Anzeige richtet.
Interessant ist, daß Frauen zwischen 1969 und 1988 zwar immer seltener als Hausfrauen dargestellt werden, daß sie jedoch nach wie vor wesentlich häufiger als Männer in häuslicher Umgebung auftreten.[21] In der Anzeigenwerbung des »Stern« liegt der Anteil der Frauen, die als Hausfrauen präsentiert werden, seit 1978 bei weniger als fünf Prozent aller Darstellungen von Frauen. Gleichzeitig stieg der Anteil der »Karrierefrauen«, und übertraf sogar den Anteil beruflich erfolgreicher Männer.[22] In diesem Fall kann also kaum mehr die Rede von einer Festlegung der Frau auf die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter sein. Die Anzeigenwerbung im »stern« deutet nach Auffassung der Autoren auf eine oberflächliche Angleichung der Männer- und Frauenbilder auf der Ebene bewußt wahrnehmbarer Rollen hin. Gleichzeitig erweist sich aber die Darstellung der Mimik und Gestik von Männern und Frauen in der Werbung über die letzten 20 Jahre als relativ konstant. Die Frage bleibt offen, was es wohl für den Geschlechtsrollenwandel in der Gesellschaft bedeutet, wenn Frauen zwar vermehrt im Beruf dargestellt werden, gleichzeitig aber die traditionellen Symbole weiblicher Unterwürfigkeit und männlicher Dominanz [23] im nonverbalen Verhalten der dargestellten Personen erhalten bleiben.
Soweit zu den quantitativ angelegten Untersuchungen der Zeitschriftenwerbung. Diesen Studien sind manche Aspekte der Werbung entgangen, die erst durch das ganz subjektive Sich-Einlassen auf die Werbung wahrnehmbar werden. Deshalb seien hier noch einige qualitative Studien erwähnt, die im Zuge einer neuen Sensibilisierung für Frauendiskriminierung in der Werbung entstanden sind:[24] Heide Hering und Christiane Schmerl machen in ihren Studien durch kommentierte Werbeanzeigen auf ihrer Ansicht nach neue Formen der Frauendiskriminierung aufmerksam. Diese werden von Schmerl wie folgt beschrieben: »Bei dieser Präsentationsform von Frauen geht es meist um verschiedene visuelle und verbale Realisierungen negativer Frauenklischees aus dem Arsenal der Herrenwitze (Anspielungen auf den sexuellen Gebrauchswert von Frauen und/oder auf deren männernervende Eigenschaften), um absurde Konnotationen von Frauen und Hausarbeit, Frauen und zwanghafte Schönheitsnormen, Frauen und Emanzipation, zunehmend auch um die Ästhetisierung von Gewalt gegen Frauen.«[25]
Als Beispiel für Werbung, die Frauen auf ihren sexuellen Gebrauchswert reduziert, sei hier eine Anzeige zitiert: Zwischen aufgestapelten Geräten einer weltweit agierenden Elektronikfirma posieren auf die Größe eines Kassettenrekorders reduziert mehrere nackte Frauen. Zu lesen ist auf der Anzeige: »Spielzeug für Männer... diese Geräte haben mit Mädchen manches gemeinsam: handlich, immer wieder bespielbar und stets bereit.«[26]
Ein anderes Beispiel ist die Reklame für eine Leichtmetallbox. Auf dem Bild posiert eine leicht bekleidete Dame, die gerade aus der Box zu kommen scheint. Kommentar auf der Anzeige: »Ein Hobby hat doch jeder.« Dann kleingedruckt: »Die Kiste für den Mann und seine Hobbies. Und manchmal ist es ein teures Hobby. Dann möchte man den Schatz sicher aufbewahren. Manchmal ist es ein liebes Hobby, dann möchte man es immer griffbereit haben. Und manchmal ist das Hobby gleich Beruf. Dann möchte man Ordnung haben... Ob Sie Sportler sind, gern heimwerken, Briefmarken sammeln oder ein ganz besonderes Hobby haben (siehe oben) (Verweis auf die Frau in der Box, Anm. d. A.), die ... -box macht praktisch alles mit.«[27]
Diese Frauendarstellungen in der Werbung verlangen die Aufmerksamkeit einer kritischen Öffentlichkeit, da es sich hierbei um extreme Formen geschlechtsspezifischer Diskriminierung handelt. Frauen wird ihr Subjekt-Sein abgesprochen. Sie werden von der Werbung für ihre Verkaufsstrategien, aber auch für die Vorstellungswelt der männlichen Kunden funktionalisiert. Entsprechende Reduktionen von Männern zu Objekten für Frauen sind bisher selbst in Einzelfällen nicht zu finden und sicher auch nicht wünschenswert.
Die Befunde der Werbungsforschung zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Leitbild der Hausfrau im Laufe der Jahre zurückgedrängt wurde und heute das der attraktiven Frau ohne Funktionsbereich dominiert. Die Karrierefrau mit Traumberuf zeichnet sich in den letzten Jahren als weiteres, bisher aber seltenes Leitbild ab, das vermutlich nur in mancher zielgruppenspezifischen Werbung Bedeutung erlangt hat. Das Männerbild scheint relativ konstant durch die gleichen Inhaltszuschreibungen charakterisiert zu bleiben und hebt sich immer noch deutlich vom Frauenbild ab. Die Darstellung der Geschlechter wird von der Zeitschriftenwerbung seit Mitte der achtziger Jahre verstärkt in einen erotischen Kontext gestellt. Die Veränderung des Frau-enbildes, die für die Zeitschriftenwerbung belegbar ist, bedeutet noch keine Erweiterung von weiblichen Optionen, da das Leitbild der jungen attraktiven Frau Frauen weiterhin in Abhängigkeit der männlichen Begutachtung beläßt. Neueste Untersuchungen lassen erkennen, daß bisher männlich besetzte Attribute wie Aggression, Kompetenz und Dynamik jetzt auch auf Frauen übertragen werden.[28]
IV. Das Frauenbild in der Presse
1. Das Frauenbild in Frauenzeitschriften
Das Frauenbild in den Presseerzeugnissen genoß, abgesehen von dem in der Werbung, in der Wissenschaft nur ein mäßiges Interesse.[29] In bezug auf Frauenzeitschriften intensivierte sich dieses allerdings seit den siebziger Jahren. Mehrfache Themenanalysen erlauben gewisse Rückschlüsse auf ein implizit vermitteltes Frauenbild. Wie Untersuchungen älteren und neueren Datums belegen, konzentrieren sich die großen Frauenzeitschriften nach wie vor auf drei Themenbereiche: »Mode/Kleidung«, »Kosmetik« und »Haushalt«. Gisela Trommsdorf machte 1969 darauf aufmerksam, daß der Anteil dieser Themenbereiche am redaktionellen Teil von Zeitschrift zu Zeitschrift schwanke, da die Frauenzeitschriften sich an schichtspezifischen Gruppen von Leserinnen orientierten. Den Leserinnen der Unterschicht wurde praktische, kostensparende Haushaltsführung, den bessergestellten Frauen ein gehobener Konsum nahegelegt.
Beim Vergleich von Untersuchungen unterschiedlicher Jahrgänge von Frauenzeitschriften [30] läßt sich eine Verschiebung vom Thema »Haushalt« zu den Themen »Mode« und »Kosmetik« konstatieren. Dies würde der in der Werbung feststellbaren Verschiebung des Frauenbildes entsprechen, die sich in der Verdrängung des Leitbildes »Hausfrau« und der zunehmenden Dominanz der »jungen attraktiven Frau« manifestiert. Sämtliche Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Frauenzeitschriften lange Zeit kein emanzipatorisches Leitbild, etwa das einer vielseitig interessierten Frau mit gleichberechtigter Teilhabe an Beruf und Öffentlichkeit, präsentierten. Für die Zeitschriften sind vielmehr auch in ihrem redaktionellen Teil die Leitbilder der Werbung maßgebend. Artikel, die sich mit Frauenemanzipation befassen, machten 1977 in der »Freundin« 1,5 Prozent des redaktionellen Teils aus, bei der »Für Sie« 2,4 Prozent, bei der »Brigitte« 3,7 Prozent und bei »Petra« 5,3 Prozent.[31]
Zur Zeitschrift »Brigitte« gibt es eine Analyse des Frauenleitbildes, die die Jahrgänge von 1948 bis 1988 umfaßt.[32] Diese kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Wertigkeit von Berufstätigkeit, Partnerschaft und Kindern im Laufe der Jahre stark verschoben hat: Zwischen 1948 und 1957 steht die weibliche Erwerbsarbeit noch ganz unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit. Sie erscheint als Übergangslösung, die durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Not und den kriegsbedingten Verlust vieler männlicher Arbeitskräfte erzwungen ist. Hausarbeit wird hoch geschätzt, da sie unter den Bedingungen eines noch niedrigen Lebensstandards entschieden zur Existenzsicherung beiträgt. Mutterschaft wird kaum thematisiert. Die traditionellen Geschlechtsrollen werden nicht hinterfragt und positiv bewertet. Gleichberechtigung meint Gleichwertigkeit bzw. -tüchtigkeit. Die Partnerschaft wird als Kameradschaft definiert. Trotz Gleichberechtigung gilt die häusliche Sphäre als ureigener Lebensbereich der Frau.
Die Autorin, die sechs Phasen im Wandel des Frauenleitbildes unterscheidet, charakterisiert die letzte Phase als eine, in der sich das Leitbild der Familienorientierung von Frauen in ein Leitbild verkehrt, das die Doppelorientierung von Frauen voraussetzt: Der Beruf gilt nicht mehr nur als Rüstzeug für die Wechselfälle des Lebens, sondern als zentraler Bestandteil auch weiblicher Lebensplanung, die beruflichen Aufstieg, ja Karriere für Frauen, mit einschließt. Nach einer Phase, in der Mütterlichkeit einen eindeutig negativen Beigeschmack hatte, sind nun zwei Sichtweisen vorherrschend: Die eine bekämpft »mütterliche« Eigenschaften (Wärme, Friedfertigkeit und Sanftheit) als defizitär, die andere beginnt die Anpassung von Frauen an männliche Sicht- und Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Die weibliche Zuständigkeit für den familiären Bereich, die schon zwischen 1972 und 1979 problematisch wurde, scheint der Redaktion in nicht-ehelichen Paargemeinschaften erfreulich wenig festgelegt. So finden sich in der »Brigitte« Aussagen, die neben der weiblichen Erwerbstätigkeit neue Beziehungsformen als strukturelle Voraussetzungen einer gleichberechtigten Partnerschaft propagieren. In diesem Zusammenhang werden Kinder bei der Realisierung einer glücklichen Paargemeinschaft eher als Hindernis angesehen.
Neuere Untersuchungen könnten vermutlich auch für andere Frauenzeitschriften belegen, daß das Thema »Frau und Beruf« im Laufe der achtziger Jahre an Bedeutung gewonnen hat. Als Hinweis auf diese Entwicklung ist z.B. die Tatsache anzusehen, daß die auflagenstarke »Freundin« 1981 den Versuch unternahm, ein vielseitiges »Berufsjournal« in ihrem Programm zu etablieren. Berufstätige Frauen werden als Leserinnen zunehmend attraktiv, weil sie ideale Adressaten der Werbetreibenden sind. Viel außer Haus, legen sie vermutlich mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild und verfügen über mehr Geld für Mode und Kosmetik als Hausfrauen. Wie einfach sich weibliche Berufstätigkeit mit Emanzipation und beides mit Konsum verknüpfen läßt, zeigt der Werbeslogan der »Freundin« von 1986: »Frauen von heute sind modebewußt, weil sie selbstbewußt sind.«
Andere Themenschwerpunkte und ein anderes Frauenleitbild präsentieren mit Sicherheit die Frauenzeitschriften, die in den frühen siebziger Jahren im Zuge der Frauenbewegung aufkommen. Allerdings ist das Frauenleitbild selbst der größten Zeitschriften der Frauenbewegung, »Courage« (Gründungsjahr 1976) und »Emma« (Gründungsjahr 1977), bisher nicht systematisch untersucht worden. Verfügbar ist lediglich eine Studie, die die Frauendarstellungen in »Brigitte«, »Neue Post«, »Emma« und »Playboy« vergleicht.[33] Anhand eines Rasters von Indikatoren belegen Joachim Friedrich Staab, Heidi Buchmüller u.a., daß die Zeitschriften in sich konsistente Frauenleitbilder vermitteln, diese von Zeitschrift zu Zeitschrift aber stark variieren. Da sich die Leserkreise dieser Blätter kaum überschneiden dürften, kann man vermuten, daß die weitgehenden Dissonanzen in der Frauendarstellung zur Stabilisierung divergierender Rollenverständnisse in den verschiedenen Rezipientenkreisen beitragen. Der Zeitschriftenmarkt scheint also auf die ihm eigene Art der Diversifizierung von Lebensstilen Rechnung zu tragen.[34]
Trotz einer relativen inhaltlichen Vielfalt auf dem Zeitschriftenmarkt für Frauen ist unverkennbar, daß die auflagenstarken Frauenzeitschriften der Pflege und Dekoration des weiblichen Körpers nach wie vor breiten Raum im redaktionellen Teil gewähren. Dies mag ein Zugeständnis an die Werbetreibenden sein, die an diese thematischen Schwerpunkte mühelos mit ihren Anzeigen für Kosmetik und Mode anknüpfen können. Zudem dürfte die Behandlung von Schönheitsproblemen wohl auch einem Bedürfnis sehr vieler Frauen entsprechen, die sich im Bemühen um ein ewig jugendliches Aussehen auf Ratschläge dringend angewiesen fühlen.
2. Das Frauenbild in politischer Berichterstattung und Tagespresse
Neben dem Frauenbild in Frauenzeitschriften und in der Regenbogenpresse genoß auch das in politischen Magazinen in der Wissenschaft ein gewisses Interesse.[35] Während in den politischen Magazinen auf einen Beitrag über Frauen zwei bis drei über Männer kommen, liegt die Relation in den Tageszeitungen in den beiden Stichjahren 1976 und 1983 noch ungünstiger. Das Verhältnis der Berichterstattung über Frauen zu der über Männer liegt dort bei eins zu vier beziehungsweise eins zu fünf.[36] Wie Christiane Schmerl darlegt, ist die schwache Vertretung von Frauen in der aktuellen Berichterstattung nicht allein darauf zurückzuführen, daß Frauen nur selten an den Stellen sitzen, wo »nachrichtenwürdige Taten« geschehen. Ihre Ergebnisse zusammenfassend stellt sie vielmehr fest: »Man trifft Frauen in den Medien nicht dort an, wo sie qua Konvention und qua geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung eben auch in der Realität eher anzutreffen sind, sondern man trifft sie in den Medien - wenn man sie überhaupt trifft - dort, wo sie nach der Entscheidung der Medienmacher sich am besten machen - vorwiegend auf der heiteren, der amüsanten Seite des Lebens beziehungsweise auch schon mal als verfolgte Unschuld (bekanntlich hat auch die Kriminalberichterstattung einen hohen Unterhaltungswert).«[37]
Die zwei zeitlich um einige Jahre auseinanderliegenden Stichproben, die Schmerl analysierte, verweisen auf den Trend, Frauen in den achtziger Jahren in der aktuellen politischen Berichterstattung der Presse etwas stärker zu berücksichtigen als in den siebziger Jahren, was nichts daran ändert, daß Frauen nach wie vor einen deutlich geringeren Nachrichtenwert besitzen. Über sie wird häufig nur berichtet, um »human interests« zu befriedigen, nicht aber um Vorgänge zu vermitteln, die von der Sache her wichtig erscheinen.
Dies demonstriert z.B. noch 1985 eine quantitative Analyse der Sportberichterstattung der BILD-Zeitung. Marie-Luise Klein und Gertrud Pfister konnten belegen, daß Frauen in der Sportberichterstattung der BILD-Zeitung, gemessen an ihrer tatsächlichen Sportbeteiligung, stark unterrepräsentiert sind. Dabei wird sporttreibenden Frauen noch nicht einmal so viel Beachtung geschenkt wie den Freundinnen und Ehefrauen bekannter Sportler. Gleichzeitig erweist sich das Bild der Sportlerin als ausgesprochen ambivalent: Trotz hoher Leistungsfähigkeit hat sie den üblichen Weiblichkeitsklischees zu genügen, was sich in der Berichterstattung in vielfältigen Angaben zu ihrem Aussehen und ihrem Privatleben niederschlägt.[38]
Wie sehr die Presse aus männlicher Sicht und für männliche Leser konzipiert ist, wird deutlich, wenn man die Berichterstattung über sexuelle Gewaltdelikte studiert. Irmgard Gebhart beschreibt, wie diese Delikte verharmlost und bagatellisiert werden und mancher Zeitung noch den Kontext für Bilder von leichtbekleideten Frauen bieten, wie der Täter häufig entlastet, das Opfer dafür verunglimpft wird.[39]
In einem Beitrag von Luise Pusch wird deutlich, wie aufschlußreich qualitative Analysen sein können, wenn es darum geht, die Rolle der Medien bei der Typisierung der Geschlechter auszumachen. Ihre Analyse von Persönlichheitsportraits im »Spiegel«, in der »Zeit«, dem »Stern«, der »Frau im Spiegel«, in »Bild der Frau«, in »Brigitte« und im »Journal für die Frau« führt zu dem Ergebnis, daß männliche und weibliche Prominente ganz unterschiedlich behandelt werden.
Von männlichen Journalisten werden die männlichen Prominenten zu wahren Helden hochstilisiert, entweder als »geniale Wüstlinge« oder als »Schmerzensmänner, die irgendein großes Werk in der Stille schaffen«.[40] Das Verhalten dieser »Helden« gegenüber Frauen wird kritiklos hingenommen, meist sogar verherrlicht und augenzwinkernd verharmlost. Prominente Frauen müssen im Vergleich dazu mit herber Kritik und beißendem Spott besonders von männlicher Seite rechnen.[41] Ihre Weiblichkeit einerseits und ihre Kompetenz andererseits stehen ständig zur Disposition. Ihr Verhalten wird sehr schnell zum Anlaß genommen, ihnen einen schlechten Charakter oder sinnloses Agieren vorzuwerfen. Luise Pusch begründet dies damit, daß »unsere Herrenkultur« zwar die klassische Figur des Lausbuben hervorgebracht hat, der sich »rasant« zum Wüstling emporentwickelt hat, daß uns aber die Vorstellung vom »Lausmädchen« fehlt. »Das richtige Mädchen hat artig, die richtige Frau folg- und sittsam zu sein.«[42]
Offensichtlich geht die Entwicklung des Frauenbildes in unterschiedlichen Presseerzeugnissen verschiedenartige Wege. In der Tagespresse und den politischen Magazinen zeichnet sich nach einer langen Phase der Ignoranz gegenüber Frauen eine leichte Zunahme der Frauenvertretung ab. Wie die Beiträge von Klein/Pfister, Klein, Gebhart und Pusch belegen, sind inhaltliche Diskriminierungen von Frauen dennoch an der Tagesordnung. In der Regenbogenpresse haben Frauen schon immer eine größere Rolle gespielt. Im Zuge der Sexwelle Ende der sechziger Jahre wartete man dort allerdings mit einem besonders reduzierten Frauenbild auf. Dies dürfte sich auch in den folgenden Jahrzehnten nicht wesentlich geändert haben. Speziell für die Frauenzeitschriften liegen Ergebnisse vor, die darauf hinweisen, daß sich seit langem eine Spezialisierung der Blätter auf unterschiedliche Leserinnen vollzieht, in denen jeweils Stereotype vermittelt werden, die in sich schlüssig sind.[43] Zwischen den Botschaften verschiedener Zeitschriften klaffen dagegen Widersprüche, für die es kein Forum gibt, auf dem sie diskutiert werden könnten.
V. Das Frauenbild im Fernsehen
Dem Frauen- und Männerbild, das der Hörfunk vermittelt, ist bisher keine Aufmerksamkeit gewidmet worden. Zum Frauenbild im Fernsehen gibt es immerhin eine ältere, breit angelegte repräsentative Untersuchung, die aber leider nicht das Männerbild einbezieht. Diese Studie mit dem Titel »Die Darstellung der Frau im Fernsehen und die Behandlung der Frauenfrage«, die das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit unter der Leitung von Erich Küchenhoff 1975, im Jahr der Frau, durchführen ließ, ist tatsächlich bis heute die einzige in der Bundesrepublik geblieben, die die Darstellung von Frauen im Fernsehen in voller Breite untersucht.[44] Damals wurden sowohl die Sendungen mit Spielhandlung, der Bereich »Quiz und Show«, der »Non-fiction«-Bereich und speziell die Fernsehnachrichten untersucht. Auf die Ergebnisse dieser Studie soll im folgenden etwas ausführlicher eingegangen werden.
Die Haupt- und Nebenrollen in den Sendungen mit Spielhandlung waren zu gut zwei Dritteln von Männern besetzt.[45] In diesen Sendungen ließen sich zwei Frauenleitbilder ausmachen: das der »Hausfrau und Mutter ohne Sexappeal« und das schon damals zahlenmäßig dominierende Leitbild der »jungen, ledigen, unabhängigen und alleinlebenden Frau«, die vor allem »schön und sexuell attraktiv und dazu noch relativ konsumfreudig« zu sein hatte.[46] Dieses zweite Leitbild signalisiert keine neue Selbständigkeit der Frauen, wie Küchenhoff selbst konstatiert, zumal Probleme der Partnersuche und Partnerfindung meist im Mittelpunkt der Spielhandlung stehen. Allenfalls dokumentiert sich in dieser Veränderung die Befreiung von traditionellen Beschränkungen sexueller Impulse. Diese »Befreiung« wird allerdings dadurch relativiert, »daß die jüngeren Frauen in ihren, wenn auch erheblich liberalisierten Partnerbeziehungen zu guter Letzt schließlich den Hafen der Ehe anlaufen...,«[47] Die Berufstätigkeit von Frauen wurde in den Sendungen mit Spielhandlung nicht ignoriert. Immerhin waren 40 Prozent der dargestellten Frauen erwerbstätig. Wenn sie im Laufe des Films heirateten, war ihr beruflicher Status allerdings zumeist auf einem geringeren Niveau anzusiedeln als der des Partners.[48]
Auch im Bereich der Quiz- und Showsendungen waren Frauen eindeutig unterrepräsentiert. Die Geschlechterhierarchie dokumentierte sich in diesem Bereich darin, daß die Rollen von Show-/Quizmaster und Assistenten bzw. Assistentinnen den Geschlechtern unterschiedlich häufig zugewiesen wurden. So waren 1975 in den von Küchenhoff untersuchten Sendungen 81,5 Prozent der Show-/Quizmaster männlich und 83,5 Prozent der Assistenten weiblich. In keinem einzigen Fall assistierte ein Mann einer Frau.[49] Kommunikationsinhalte, Handlungsstrukturen und Interaktionsformen wiesen ebenfalls sehr deutliche geschlechtstypische Unterschiede auf. Die Küchenhoff-Studie kommt zu dem Schluß, daß Frauen in Quiz- und Showsendungen meist nur eine Dekorationsfunktion haben. »Männer handeln, Frauen treten auf.«[50]
Bei der Analyse von Fernsehnachrichten konstatierte Küchenhoff eine besonders geringe Präsenz von Frauen. Ähnlich wie in der Tagespresse führt die thematische Dominanz der »großen Politik« zu extremer Unterrepräsentanz von Frauen. So kamen nur in rund sechs Prozent der Meldungen Frauen als Handlungsträger vor.[51] Die Frauenpräsenz in Meldungen war zudem sehr stark themenabhängig: so waren Frauen z.B. in dem Bereich Gesundheit/Familie/Jugendpolitik überdurchschnittlich häufig vertreten.
Die interessante Frage, ob sich am Bild der Frau im Fernsehen der Bundesrepublik seit 1975 etwas geändert hat, kann hier nur sehr unvollständig beantwortet werden, weil es keine der Küchenhoff-Studie vergleichbar breit angelegte neuere Untersuchungen gibt. Hier soll allerdings auf einige Ergebnisse aus einer Untersuchung von Heribert Schatz u.a. aus dem Jahr 1989 hingewiesen werden. Sie zeigen, daß zumindest das Frauenbild, das die Nachrichtensendungen im Fernsehen liefern, sich bis heute kaum verändert hat.[52] So sind in den Nachrichtenmeldungen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten 1988 sieben Prozent der erwähnten Personen weiblich. In den Nachrichtensendungen der neuen privaten Fernsehanbieter liegt der Anteil der weiblichen Personen 1988 mit 11 Prozent höher. Die Diskrepanz läßt sich unter Umständen auf die unterschiedliche Bestimmung dessen, was Nachrichtenwert hat, zurückführen.
Ein anderes Ergebnis der Untersuchung von Schatz u.a. ist, daß Männer in Nachrichten fast ausschließlich, nämlich zu 95 Prozent, nur als politische Funktionäre oder berufstätige Experten auftreten. Informationen beruflicher und privater Art erhält das Publikum lediglich über 3 Prozent der dargestellten Männer. Informationen rein privater Art erhält man nur über 2 Prozent der Männer. Bei den Frauen sieht das anders aus: 69 Prozent werden nur in ihrer beruflichen/politischen Rolle vorgestellt, über 12 Prozent der erwähnten Frauen erhält man Informationen sowohl beruflicher als auch privater Art. Informationen rein privater Art erhält man über 19 Prozent der dargestellten Frauen. In diesen Zahlen spiegelt sich offenbar die geschlechtsspezifische Zuweisung von Personen zur Privatsphäre einerseits und zur Öffentlichkeit andererseits wider.
An der Präsentation von Nachrichten sind Frauen in den achtziger Jahren offensichtlich häufiger beteiligt gewesen als in den sechziger Jahren. Während die Küchen-hoff-Studie von einer Beteiligung zwischen drei (»heute«) und sechs Prozent (»Tagesschau«) ausgeht, konstatieren Schatz u.a., daß 18 Prozent der verlesenen Nachrichten von Frauen oder von überwiegend weiblich besetzten Sendungsteams präsentiert werden. Speziell an der Moderation von Beiträgen in den Nachrichtenmagazinen werden Frauen Ende der achtziger Jahre noch stärker beteiligt. Hier stellen sie immerhin ein Drittel des Personals.[53] Dabei haben Männer und Frauen sehr unterschiedlichen »Unterhaltungswert«, was sich ganz besonders in den »News-shows« der neuen privaten Anbieter zeigt.[54] Männer lockern durch Witze, Gags und einen kumpelhaften Umgangston im Studio die trockenen Nachrichten auf. Frauen setzen andere Mittel bei der Präsentation der »News-shows« ein. Sie wenden sich gerne mit persönlichen Worten an das Publikum, um den Nachrichten den Charakter einer anonymen Vermittlung zu nehmen.
Die Männer- und Frauenbilder im Unterhaltungssektor des Fernsehens waren in der Bundesrepublik seit der Küchenhoff-Studie nicht mehr Gegenstand einer umfassenden systematischen Inhaltsanalyse. Befunde liegen nur zu einzelnen ausgewählten Unterhaltungssendungen vor.[55] Eine umfassende Untersuchung würde sicherlich zeigen, daß im Zuge der Kommerzialisierung des Fernsehens die Frau als Sexobjekt im Unterhaltungsbereich enorm an Bedeutung gewonnen hat. Unter Umständen wäre auch festzustellen, daß daneben ein neues Leitbild, nämlich das der kompetenten, dem Mann gleichgestellten Frau, Konturen annimmt.
VI. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das Frauenbild der Massenmedien sowohl im unterhaltenden wie auch im informierenden Teil nach wie vor sehr deutlich von einer Geschlechtstypisierung geprägt ist. Die Leitbilder, die die Medien vermitteln, weisen immer noch eine starke Affinität zur traditionellen Geschlechterhierarchie auf. Neben das Bild der Hausfrau und Mutter ist allerdings schon in den sechziger Jahren das der jungen attraktiven, zum Teil berufstätigen Frau getreten. Bei diesem neuen Leitbild rangiert die Präsentation der sexuellen Attraktivität von Frauen eindeutig vor der Darstellung ihrer beruflichen Fähigkeiten (Werbung, Quiz, Show). Ein Wandel in Richtung Gleichstellung ist dies keineswegs. Abgesehen davon, daß der berufliche Status von Frauen in den Medien meist niedriger ausfällt als der ihrer Partner, stellt dieser neue Frauentypus nur eine neue Variante dar, Frauen in Abhängigkeit von männlicher Begutachtung zu belassen. Untersuchungen, in denen Männer-und Frauenbilder parallel erfaßt wurden, bestätigen zudem mehrfach, daß die Medien für Männer eine breitere Vielfalt gebilligten Verhaltens bieten als für Frauen.
In allen angesprochenen Medien lassen sich Schübe in die Richtung einer zunehmenden Sexualisierung des Frauenbildes erkennen; in der Werbung relativ früh, im Fernsehen erst seit der Zulassung privater Anbieter Mitte der achtziger Jahre. Generell konnte festgestellt werden, daß Frauen in den Medien eher dann auftreten, wenn die Medien auf Kommerz und Unterhaltung abstellen. Im Bereich der politischen Berichterstattung (Tagespresse, politische Magazine, Fernsehnachrichten) waren Frauen extrem unterrepräsentiert, scheinen aber langsam an Boden zu gewinnen.
Die Zunahme weiblicher Leitbilder, die sich einerseits im Aufkommen der reinen »Sexpuppe« und andererseits in Ansätzen zum Leitbild »Karrierefrau« anbahnt, beinhaltet - wie Helga Grubitzsch bemerkt - keineswegs automatisch mehr Wahlfreiheit in der Orientierung von Frauen. Sie schreibt: »Heute sind die Anforderungen an die Frauen gestiegen: Sie sollen beides und zugleich keines von beiden sein. Die biedere Hausfrau wird der Lächerlichkeit preisgegeben, der verführerische Vamp gilt als bedrohlich und verwerflich. Als annähernd vollkommen gilt die Frau, die für den Mann möglichst unsichtbar sparsam und tüchtig den Haushalt versieht (ohne dabei zu sehr als Hausfrau zu wirken!) und sich ihm sichtbar als von der Arbeit scheinbar unberührtes sexuell attraktives Wesen präsentiert (natürlich ohne die Bedrohlichkeit des Vamps!).«[56] Es ist anzunehmen, daß Frauen diese Situation bewältigen, indem sie einen Teil der Anforderungen ignorieren. Dies dürfte ihnen z.B. durch den geteilten Markt der Frauenzeitschriften erleichtert werden, der dissonante Stereotypisierungen in unterschiedlichen Produkten anbietet.
Neben der Stereotypie der Frauenbilder kehrte ein weiterer Befund immer wieder: Frauen sind in den Medien erheblich unterrepräsentiert, in den informierenden Beiträgen offenbar noch stärker als in den unterhaltenden. Lediglich in der Werbung treten Frauen fast ebenso häufig auf wie Männer. So gesehen könnte die Werbung ein nützliches Gegengewicht zu der Kommunikationsfülle sein, die fast ausschließlich die Selbstdarstellung des Mannes zum Inhalt hat. Dagegen spricht, daß die Werbewelt eine Welt der Illusionen ist. Paarbeziehungen erscheinen ideal; Probleme der Über-und Unterordnung gibt es in der von Glück und Harmonie strotzenden Welt der Werbung nicht. Weder weibliche Familienorientierung noch männliche Berufsorientierung werden in der Werbung problematisiert. Aus der Fülle der Geschlechtsstereotype wird zudem für die Darstellung von Männern und Frauen eine Auswahl getroffen, die dem Weiblichkeitsideal vieler Frauen und dem Männlichkeitsideal vieler Männer entspricht und somit beiden Geschlechtern schmeichelt.[57]
Die Tatsache, daß sich das Leitbild der kompetenten Berufsfrau noch immer nicht etabliert hat und sich selbst in progressiven Frauenzeitschriften lediglich die Doppelorientierung auf Familie und Beruf als neues Leitbild abzeichnet und daß Gesten und Mimik von Männern und Frauen in der Werbung noch immer die alte Unterordnung der Frau signalisieren, deutet darauf hin, daß die Medien den Veränderungen des Geschlechterarrangements nicht mit realistischen Alternativen vorgreifen. Im Gegenteil läßt sich an der Entwicklung des Männer- und Frauenbildes in den Medien ablesen, daß ihre Leitbilder hinter den gesellschaftlichen Veränderungen zurückbleiben.
Auch wenn diese Überblicksdarstellung über die empirischen Studien zum Männer- und Frauenbild gewisse Trends erkennen läßt, so macht sich doch beim gegenwärtigen Forschungsstand als großer Nachteil bemerkbar, daß es keine Replikations-studien gibt. Jedes Forschungsteam arbeitet wieder mit neuen Methoden, und die Ergebnisse lassen nur vage Zeitvergleiche zu. In dringend erforderlichen neueren Analysen, die auf Vergleichbarkeit hin angelegt werden sollten, wäre das Männerbild der Medien stets einzubeziehen. Diese Forschungsstrategie würde manchen Befund zum Frauenbild erst ins rechte Licht rücken.