Nonnen Aspekte des Lebens von Frauen in Klöstern

Einführung

Frauen im Mittelalter

Die Frau blieb während des gesamten Mittelalters von der kirchlichen Hierarchie ausgeschlossen. Unverrückbar hielt die Kirche an den paulinischen Aussagen und denjenigen der Kirchenväter fest, dass eine Frau nicht geeignet sei, presbyterale, liturgische und katechetische Aufgaben zu übernehmen. Wie die wiederholten Aufforderungen der Päpste, Bischöfe und Regionalsynoden verdeutlichen, nahmen einzelne Frauen ihren Ausschluss vom priesterlichen Amt nicht widerspruchslos hin, sondern sie widersetzten sich diesen Verboten [317, 318]. Die grundsätzliche Position der Kirche vermochten sie jedoch nicht zu verändern. Dem Ausschluss der Frauen aus der kirchlichen Hierarchie und den insgesamt frauenfeindlichen Tendenzen der spätantiken-mittelalterlichen Theologie stand die hohe Wertschätzung der Jungfräulichkeit gegenüber. Gottgeweihte Jungfrauen lassen sich bis in die ersten christlichen Jahrhunderte zurück verfolgen. Sie legten vor der Gemeinde ein Gelübde ab und trugen als Zeichen ihres Standes ständig den Schleier. In den Anfängen lebten sie noch bei ihren Eltern oder bei Verwandten. 360 wurde in Rom das erste westliche Frauenkloster durch die römische Adlige Marcella errichtet. Beeinflusst und gefördert durch das Wirken von Hieronymus (+ 419/20) und Ambrosius (+ 397) erfuhr das weibliche Klosterwesen einen raschen Aufschwung. Zu Beginn des 6. Jahrhunderts entstanden in Südfrankreich die ersten Nonnenklöster, für die Caesarius von Arles (+ 542), wahrscheinlich unter Beratung durch seine Schwester, die erste überlieferte Nonnenregel verfasste, die in zahlreichen fränkischen Klöstern übernommen wurde [319].
Die Einwanderung irischer Mönche im 7. Jahrhundert führte zu einer raschen Ausweitung des Klosterwesens im Frankenreich. Viele ihrer Klöster waren Doppelklöster, d. h. sie bestandenNonnen beim Chorgebet, aus: Geschichte entdecken. Mittelalter Bamberg 1978, S. 61 aus einem Mönchs- und aus einem Nonnenkonvent, dessen Gesamtleitung durch die Äbtissin und nicht durch den Abt erfolgte. Die Mönche verrichteten im Dienst für die Nonnen die notwendigen Arbeiten und waren für die Seelsorge zuständig. Aus Gallien übernahmen die Angelsachsen das Institut der Doppelklöster nach England, wo es fast die reguläre Form des Klosters darstellte [320]. Dennoch übertrugen die angelsächsischen Nonnen und Mönche dieses Modell nicht in die rechtsrheinischen Gebiete des Frankenreichs, als sie dort zu Beginn des 8. Jahrhunderts mit der Missionierung der heidnischen Germanen begannen. Nur in Heidenheim lässt sich ein Doppelkloster nachweisen, das nach dem Tod Wunnibalds, dessen Schwester Waldburga leitete.
An der Christianisierung der Germanen hatten die angelsächsischen Nonnen einen erheblichen Anteil. Von England aus unterstützten sie die Mission durch die Anfertigung von Bücherabschriften, durch die Herstellung von Kleidungsstücken sowie zum Altar gehöriger Textilien und durch Geld [321]. Neben dieser mehr materiellen Hilfe trugen sie im gleichen Maße wie die Mönche aktiv die Missionierung. Bonifatius forderte sie ausdrücklich zur Unterstützung der Christianisierung aus England an. Von drei Frauen kennen wir auch den Namen: Thekla, Waldburga und Lioba. Die Bedeutung ihrer Tätigkeit ergab sich aus der Missionsweise der Angelsachsen, bei der der eigentliche Unterricht meist erst nach der Taufe erteilt wurde. Bei Frauen und Kindern wurde dieser von den Nonnen übernommen, wobei sie vielfach die Grenzen dessen, was die Kirche den Frauen zugestehen wollte, überschritten, was sich in den bereits angeführten Klagen der Päpste, Synoden und Bischöfe niederschlug [317, 318]. Neben der unmittelbaren Missionstätigkeit bestand die Hauptaufgabe dieser Nonnen in der Herausbildung einer geistigen Elite in ihren Klöstern, die dann die weitere Missionierung voranzutreiben vermochte. Überragende Bedeutung kam unter den Frauen der Lioba zu, die neben Bonifatius als die kirchliche Autorität der Mission zu gelten hat. So ließen Bischöfe sich von ihr in theologischen und kirchlichen Angelegenheiten beraten. Karl d. Große lud sie des öfteren an den Hof ein. Als Bonifatius zu seiner Missionierung der Friesen aufbrach, von der er nicht mehr zurückkehren sollte, machte er deutlich, dass er in Lioba seine Vertreterin sah, die sein Werk weiterführen könne [322].
Für die in der Missionszeit entstandenen Klöster wurde auf dem Concilium Germanicum (792) allgemein verbindlich die Regel des hl. Benedikt eingeführt. Sie vermochte sich allerdings nicht völlig durchzusetzen, denn die meist von Adligen begründeten Nonnenklöster nahmen sehr bald den Charakter von Versorgungsanstalten für die Witwen und unverheirateten Töchter an, die gegen eine Übertragung von Landbesitz an das Kloster aufgenommen wurden und die meist wenig Interesse an einer strengen Handhabung der rigiden Regeln des Benedikt gehabt haben dürften. So entstanden seit der Karolingerzeit im deutschen Raum als zweite Form monastischen Lebens Kanonissenstifte, die die eigentlichen Klöster an Zahl bald übertrafen, wobei es für das Mittelalter häufig sehr schwierig festzustellen ist, welcher Form ein Frauenkonvent zuzurechnen ist. Die Reichssynode von Aachen (816) versuchte den Kanonissenstiften eine einheitliche Lebensordnung zu geben, die den Kanonissen gegenüber den eigentlichen Nonnen wesentliche Zugeständnisse einräumte. Sie durften u. a. persönliches Eigentum besitzen, sich zu ihrer Bedienung private Mägde halten und waren einer weniger strengen Fastenordnung unterworfen [323].
Um 900 gab es im deutschen Raum etwa 70 Nonnenkonvente, wobei sich ein besonders dichtes Netz in Sachsen herausgebildet hatte. Hier dürfte die Zahl -der Nonnenklöster etwa das vierfache derjenigen der Mönchsklöster betragen haben. Im 10./11. Jahrhundert stagnierte die weitere Entwicklung. Es wurden nur noch wenige Frauenkonvente neugegründet. Der Schwerpunkt der Neugründungen lag bei den Mönchsklöstern, in denen es unter dem Einfluss Clunys zu einer Reform des monastischen Lebens und einer Rückbesinnung auf die benediktinische Tradition kam, wobei allerdings die Handarbeit zugunsten der Kontemplation zurückgedrängt wurde. Auf die Nonnenklöster nahm diese Reformbewegung kaum Einfluss. Jedoch erlangte im 10. Jahrhundert mit dem Reklusentum eine Form der Frauenfrömmigkeit größere Bedeutung, von der bereits aus dem 6. Jahrhundert erste Berichte vorliegen. Im 10.-12. Jahrhundert wurden die Reklusen in fast allen Gegenden Mitteleuropas eine allgemeine Erscheinung, um im 15./16. Jahrhundert schließlich wieder ganz zu verschwinden. Sie widmeten sich ganz der Kontemplation und führten ein streng asketisches Leben in einer Zelle, die meist an eine Kirche oder an ein Mönchskloster angebaut war. In feierlicher Form wurden sie in der Zelle eingemauert. Nur durch ein kleines Fenster standen sie in Verbindung zur Außenwelt, die ihnen eine große Verehrung entgegen brachte. Bemerkenswerterweise wurden sie selbst von Bischöfen aufgesucht, die sich bei ihnen Rat holten. Man schrieb ihnen prophetische Begabung und visionäre Erlebnisse zu. Auf ihre Umwelt wirkten sie durch Predigt, Unterricht sowie die Austeilung der ihnen ursprünglich zugedachten Almosen ein [324].
Bisweilen blieben solche Reklusinnen, die sich an einem Mönchskloster niedergelassen hatten, keine Einzelerscheinung, sondern es kamen weitere hinzu. So entstand allmählich ein eigener Nonnenkonvent. Das Mönchskloster bildete sich zum Doppelkloster um. Diese Form des monastischen Lebens wurde eine so allgemein verbreitete Erscheinung, dass es zu Beginn des 12. Jahrhunderts kaum ein größeres Kloster der Benediktiner oder Augustiner Chorherren ohne angegliederten Nonnenkonvent gab. Neben dieser unbeabsichtigten Entwicklung erfolgte häufig auch eine bewusste Errichtung eines Frauenklosters neben einem Mönchskonvent, insbesondere bei Benediktinern, Augustinern und den Prämonstratensern. Lag bei den letzteren die Motivation für die Angliederung eines Nonnenkonvents vor allem in ihrer reformatorischen Zielsetzung, die sich gegen das freiere Kanoniker- und Kanonissentum richtete, begründet, so bildete die Aufnahme von Nonnen für die Mönche andererseits auch eine nicht unbeträchtliche materielle Einnahmequelle, denn der Eintritt der fast ausschließlich adligen Frauen war oft mit nicht unbeträchtlichen Schenkungen verbunden. Im 13. Jahrhundert verschwanden diese Doppelklöster allmählich wieder, denn die Mönche waren nicht mehr bereit, die damit verbundenen Lasten der Seelsorge zu tragen. Außerdem stellten sich aufgrund des erheblichen Zulaufs auch weniger bemittelter Frauen allmählich nicht unerhebliche finanzielle Probleme ein, und schließlich fürchteten die Mönche die Verführung durch die Nonnen und damit um ihr Seelenheil. Die Errichtung neuer Doppelklöster innerhalb dieser Orden wurde deshalb untersagt, die bestehenden aufgelöst [325].
Nun gab es nicht nur Männerklöster, die sich einen Frauenkonvent angegliedert hatten, sondern im 12. Jahrhundert kam es auch zu neuen Ordensgründungen, die von Beginn an als Doppelorden errichtet wurden. Hierzu zählten der durch Robert von Arbrissel (+ 1117) gegründete Orden von Fontrevault in Frankreich sowie die Gründung Gilberts von Seinprinham (+ 1189) in England. Beide beeinflussten die Entwicklung in Mitteleuropa jedoch ebensowenig wie die theoretischen Überlegungen Abaelards (+ 1142), die den Gegebenheiten in diesen Orden im wesentlichen entsprachen, wobei Abaelard allerdings eine Gesamtleitung des Doppelklosters durch eine Frau strikt ablehnte [326]. Mit dem 13. Jahrhundert wurden die Doppelklöster dieser Orden mit wenigen Ausnahmen aus den bereits angeführten Gründen aufgelöst. Unabhängig von diesen Ordensgründungen erfolgte im 14. Jahrhundert durch Birgitta von Schweden (+ 1373) ein bisher letzter Versuch einen Doppelorden ins Leben zu rufen, der in Schweden, England und Deutschland weitere Verbreitung fand. Die Leitung des Klosters hatte die Äbtissin inne, der die Mönche, auch der Beichtvater - unterstellt waren. Einzelne Klöster des Birgittenordens blieben in Deutschland bis zur Säkularisation bestehen.
Die Entwicklung des 12. und 13. Jahrhunderts wurde vor allem durch die »Vita-apostolica« Bewegung bestimmt. Sie bildete keine einheitliche kirchliche Bewegung, sondern bestand aus einer Vielzahl von Gruppen, die teilweise in die Kirche integriert, teilweise aber auch als Ketzer verfolgt wurden. Sie war aus dem Reformmönchtum hervorgegangen, das über die von den Cluniazensern und Gregorianern erreichten Ziele der Befreiung der Kirche aus der weltlichen Gewalt hinaus auf eine Verwirklichung des Christentums als eine für jeden Christen unmittelbar verbindliche Lebensform drängte. Mit der Forderung nach christlicher Armut und einem apostolischen Leben nicht nur im Kloster, sondern auch im weltlichen Leben, verließen die bisher streng an das Kloster gebundenen Mönche die Klostermauern und wurden zu Wanderpredigern, die einen erheblichen Zulauf, insbesondere und wohl zur Mehrheit von Frauen erhielten, so dass zahlreiche Autoren/-innen von einer religiösen Frauenbewegung sprechen, die Frauen aller Sozialschichten umfasste [327]. Diese religiösen Bewegungen schufen eine Vielzahl neuer Orden. Noch mehr im traditionellen Rahmen hielten sich die bereits erwähnten durch Norbert von Xanten (+ 1134) ins Leben gerufenen Prämonstratenser und der von Bernhard v. Clairvaux gegründete Zisterzienserorden, die im wesentlichen reformierte Augustinerchorherren bzw. Benediktiner darstellten mit einer stärkeren Betonung von Armut und Handarbeit. Beide erzielten einen außerordentlichen Zulauf von Frauen, die bei den Prämonstratensern zum großen Teil in Doppelklöstern, bei den Zisterziensern in eigenständigen Nonnenklöstern unterkamen. Allein bei den Prämonstratensern sollen es in ganz Europa innerhalb der ersten 25 Jahre nach Gründung des Ordens angeblich 10 000 Frauen gewesen sein. Nachdem sich die Prämonstratenser der seelsorgerischen Betreuung der Nonnen, wie erwähnt, bereits im 12. Jahrhundert entzogen hatten, strömten die Frauen vor allem in den Zisterzienserorden. In Deutschland kam es während der Blütezeit dieses Ordens im 13. Jahrhundert durchschnittlich pro Jahr zu 2 Neugründungen von Frauenklöstern. Doch auch die Zisterzienser wandten sich schließlich gegen ihren weiblichen Zweig. 1228 beschloss das Generalkapitel keine Frauenklöster mehr in den Orden aufzunehmen. Frauenkonventen, die dennoch die Regel von Citeau annahmen, verweigerte man die seelsorgerische Versorgung.
Diese Entwicklung drängte die Frauen in die neuentstehenden Orden der Franziskaner, begründet von Franz von Assisi (+ 1226), und die Dominikaner, begründet durch Dominikus von Claeruega (+ 1221) [328]. Beide Orden verkörperten in zahlreichen Punkten ein neues Mönchsleben. Sie zogen sich nicht mehr in einsam gelegene Klöster zurück, sondern gründeten diese hauptsächlich in den Städten als Basis für ihre apostolische Wanderpredigt. Zur Erreichung einer möglichst einfachen und armen Lebensführung verzichteten sie auf gemeinsamen Besitz und erbettelten sich ihren Lebensunterhalt. Zwar galt dies in der Anfangsphase z. T. auch für die ihnen angeschlossenen Frauenklöster [329], doch im allgemeinen blieben diese stärker der monastischen Tradition verhaftet, da den Frauen eine strenge Klausur vorgeschrieben blieb, die man in den Städten durch Mauern und Gitter vor den Fenstern zu erreichen suchte, was wiederum gemeinsamen Besitz für den Unterhalt der Klöster voraussetzte, denn die Mönche dieser Bettelorden waren nicht bereit für ihre Schwestern ausreichend Almosen zu erbetteln, vielmehr waren auch sie nach dem raschen Anwachsen der weiblichen Ordenszweige bestrebt, diese wieder zu begrenzen, da sie fürchteten, dass ihnen für ihre Hauptaufgabe der Predigt nicht mehr genügend Zeit verblieb. Nach langen Auseinandersetzungen mussten sich die Orden jedoch auf Druck der Kurie die Frauenklöster inkorporieren und die seelsorgerischen Pflichten übernehmen. Von der Verwaltung des Besitzes der Frauenklöster wurden sie allerdings freigestellt [330].
Die Mehrzahl der neu entstandenen Frauenklöster schloss sich in Deutschland den Dominikanern an. Um 1300 bestand dieser Orden aus 80 Frauenklöstern, denen nur 49 Männerklöster gegenüberstanden. Der weibliche Zweig der Franziskaner, der von Klara Sciffi (+ 1253) gegründete Klarissenorden, verfügte 1316 im gleichen Raum über 40 Klöster gegenüber 203 Männerklöstern. Diese Klöster waren dennoch nicht in der Lage alle Frauen der religiösen Frauenbewegung aufzunehmen, zumal viele von ihnen die geforderten Aufnahmebedingungen nicht erfüllen konnten. Die älteren Orden verlangten meist eine ansehnliche Mitgift und adlige Herkunft, was etwa durch Hildegard von Bingen entschieden verteidigt wurde [331]. Die städtischen Konvente standen gewöhnlich nur dem Patriziat und wohlhabenden Bürgerinnen offen, da zur Sicherstellung der materiellen Versorgung der Klöster wiederum das Einbringen eines entsprechenden Besitzes Voraussetzung war [332]. Für Frauen, die diese Bedingungen nicht erfüllen konnten, blieb der Eintritt in ein Ordenskloster verschlossen. Sie entwickelten neue Formen religiösen Lebens mit der Organisierung von freien Frauengemeinschaften ohne feste Regel und ohne Anschluss an einen Orden. Die Frauen dieser Gemeinschaften wurden seit den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts allgemein üblich als Beginen bezeichnet. Im 14. Jahrhundert war der Höhepunkt in der Entwicklung der deutschen Frauenklöster und der religiösen Frauenbewegung überschritten. Die Klöster entwickelten sich wieder stärker zu reinen Versorgungsanstalten der unverheirateten bzw. verwitweten Frauen des Adels und des gehobenen Bürgertums [333].
Dies macht deutlich, dass die Entwicklung des Klosterwesens nicht allein aus religiösen Gegebenheiten zu erklären ist. Als Berthold von Regensburg 1246 das Regensburger Frauenstift Niedermünster visitierte, ergab sich, dass fast alle Frauen bereits im Kindesalter durch Zwang der Eltern eingetreten waren. Häufig kamen sie bereits als vier- bis siebenjährige ins Kloster, woran auch zahlreiche Bestimmungen, die ein Mindestalter, meist 9-12 Jahre, festsetzten, nichts änderten, da man von seiten der Klöster glaubte, diese Kinder leichter als ältere ins Klosterleben integrieren zu können [334].
Die Hintergründe für den Brauch des Adels und der bürgerlichen Oberschichten, ihre Töchter z. T. einem Kloster zu übergeben, sind in bestimmten Besonderheiten der mittelalterlichen Gesellschaft zu sehen.
Diese gesellschaftlich führenden Gruppen waren aus Gründen des Sozialprestiges bestrebt, ihre Töchter standesgemäß oder gar nicht zu verheiraten. Dies erforderte, insbesondere nachdem die Dos nicht mehr an die Eltern der Braut gelangte, erhebliche Aufwendungen für die Mitgift, die zahlreiche Familien nur für eine Tochter, nicht aber für mehrere oder gar alle aufbringen konnten. Die Aussteuer einer Tochter bei Klostereintritt lag hingegen erheblich niedriger. So setzte 1466 der Lübecker Andreas Geverdes 400 Lübeckische Mark in Beträgen von 20 Lübeckischen Mark für Jungfrauen, die ins Kloster gingen, aus und 1000 Lübeckische Mark in Beträgen von 30 Lübeckischen Mark für solche, die sich verheirateten. Auch die größere Gleichberechtigung der Frauen im Erbrecht wirkte sich in diesem Zusammenhang aus. Nonnen waren erbunfähig, so dass in diesem Fall der Familienbesitz leichter zusammengehalten werden konnte [335]. Standen den Frauen niederer sozialer Schichten zahlreiche Erwerbsmöglichkeiten offen, so verfügten die Frauen der Oberschicht kaum über entsprechende Möglichkeiten einer standesgemäßen Erwerbstätigkeit, da ihnen der Zugang zu geistlichen oder politischen Ämtern versperrt blieb, so dass nur der Ausweg des Klostereintritts verblieb, wenn man nicht erhebliche Einbußen im gesellschaftlichen Ansehen erleiden wollte. Denn Nonnen verfügten über ein höheres gesellschaftliches Ansehen als alleinstehende, ledige Frauen. Der Wille der Töchter spielte bei alledem kaum eine Rolle, was sich in den Klagen der Betroffenen und in Berichten über entlaufene Nonnen widerspiegelt [336, 337]. Für zahlreiche Frauen bildete das Kloster eine Art Gefängnis. Insbesondere politisch missliebige Frauen wurden dorthin - wie auch zahlreiche Männer - abgeschoben. Wenn somit ein Großteil, wenn nicht sogar die Mehrheit, der Nonnen unfreiwillig im Kloster lebte, so gab es doch auch zahlreiche Gründe, die Frauen veranlaßten, in ein Kloster einzutreten. Sicherlich blieb die von der Kirche vertretene Wertschätzung der Jungfräulichkeit und die Geringschätzung der Ehe mit ihren Alltagssorgen und der Sündhaftigkeit des Geschlechtsverkehrs nicht ohne Einfluss auf die Frauen, so dass sie sich aus -Sorge um ihr Seelenheil zur Ablegung des Gelübtes entschlossen, womit sie in den Augen der Kirche auch den Makel ihrer Weiblichkeit verloren. Mit dem Klostereintritt waren möglicherweise auch emanzipatorische Bestrebungen einzelner Frauen verbunden, denn sie vermochten sich auf diese Weise nicht nur in den Augen der Theologen zu emanzipieren, sondern auch der gesellschaftlichen Unterwerfung unter den Mann weitgehend zu entziehen. So konnten sie mit dem Eintritt häufig unerwünschten Ehen, aber auch lästigen Farnilien- und Ehepflichten entgehen [339]. Schließlich dürfte auch individuelles Scheitern Frauen zum Eintritt veranlaßt haben: unglückliche Liebe, Enttäuschung, Unfähigkeit mit gesellschaftlichen Gegebenheiten fertigzuwerden, sowie Kummer und Trauer über den Tod des Ehemannes oder anderer naher Verwandter.
Die Lebensbedingungen und die Gestaltung des Klosterlebens differierten in den einzelnen Klöstern, unabhängig von ihrer Ordenszugehörigkeit, beträchtlich [339-342]. Entsprechend ihrer Zielsetzung, für das Seelenheil seiner Bewohnerinnen wie das der weltlichen Bevölkerung zu beten, stand das kontemplative Leben der Nonnen im Mittelpunkt des Klosterlebens.
Die erste Andacht erfolgte bereits morgens um 2.00 Uhr, die letzte abends um acht. Insgesamt konnten die Gebetsstunden mehr als sieben Stunden pro Tag erreichen. In der Regel dürften sie bei vier bis fünf Stunden täglich gelegen haben. Hinzu traten Bußübungen und bisweilen asketische Übungen. Eine Gleichrangigkeit zwischen Kontemplation und körperlicher Arbeit, wie dies die Benediktinerregeln vorschrieben, war in Nonnenklöstern wohl nur selten anzutreffen. Mit ausdrücklicher Berufung auf ihr Geschlecht wiesen die Nonnen wiederholt darauf hin, dass sie diese Arbeiten nicht in dem für Männer vorgesehenen Ausmaß bewältigen könnten [345]. Dies dürfte insbesondere die Feldarbeiten betroffen haben, die nur selten von Nonnen übernommen wurden. Meist hatten sie hierfür Laienbrüder angestellt, die nicht der Klostergemeinschaft angehörten, während in den Doppelklöstern die Mönche diese Arbeiten übernahmen [326]. Auch die Hauswirtschaft - Kochen, Waschen, Putzen, Gartenbau, bisweilen auch Spinnen und Weben - ließ man nach Möglichkeit von Mägden oder durch Laienschwestern ausführen [338, 344]. Die Nonnen selbst behielten sich neben dem häufig verachteten Spinnen und dem Weben [348], die Stickerei [349], das Abschreiben von Büchern [329, 352], deren Illumination [343, 351, 352], die Malerei oder gar die Bildhauerei [353] vor. Die restliche Zeit des Tages wurde mit Lesen, den drei Mahlzeiten und wohl auch mit Gesprächen ausgefüllt. Allerdings hielten die Regeln die Nonnen immer wieder zur Schweigsamkeit an [318]. Karitative Tätigkeiten, wie etwa die Krankenpflege, wurden von den Nonnen im Mittelalter nur selten ausgeübt, da die Klausurbestimmungen der Regeln für die Nonnen im allgemeinen erheblich strenger als diejenigen für die Mönche waren [354]. In Wirklichkeit wurden diese Klausurbestimmungen jedoch nicht immer allzu streng gehandhabt. Notgedrungen mussten die Äbtissinnen zur Ordnung der Klosterangelegenheiten umher reisen [375]. Doch auch Nonnen wurde hin und wieder gestattet, das Kloster in besonderen Angelegenheiten in Begleitung für mehrere Tage zu verlassen. Im frühen Mittelalter waren Pilgerfahrten für Frauen, aber auch für Nonnen, durchaus üblich [355, 356]. Männer besuchten ihre Verwandten geradezu selbstverständlich im Kloster und feierten dort mit ihnen aus Anlass des Eintritts oder der Weihe [332].
Die Funktion der Klöster als Versorgungsanstalten für die Frauen des Adels und der bürgerlichen Oberschichten blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Klosterleben. Für den gesamten Zeitraum des Mittelalters reißen die Berichte nicht ab, die den Verfall der Sitten in den Klöstern beklagen, wobei sich die Darstellungen im 14./15. Jahrhundert häuften. Reiche Frauen durften gegen entsprechende Zahlungen in besonderen Gebäuden wohnen, hielten sich private Mägde und verfügten über privates Vermögen, das sie testierten und vererbten [357]. Äbtissinnen veranstalteten gar Jagden [358] und nach anderen Berichten wurde bei bestimmten Anlässen in den reicheren Klöstern gepraßt und gefeiert. Anlässlich solcher Feste soll es hin und wieder zu regelrechten Ausschweifungen gekommen sein [359]. Bereits Karl d. Große sah sich veranlasst, den Nonnen das Schreiben von Liebesbriefen zu untersagen [3601, ohne damit letztendlich größeren Erfolg zu erringen, denn Visitationen des 15. Jahrhunderts brachten umfangreiche derartige Korrespondenzen ans Licht. So bildet eines der noch heute bekanntesten mittelhochdeutschen Liebesgedichte den Abschluss des Briefes einer Nonne an einen Mönch [361]. Stellen derartige Berichte im Rahmen aller Klöster sicherlich Ausnahmeerscheinungen dar, so machen sie andererseits deutlich, dass die ohne ihre Einwilligung ins Kloster gebrachten Frauen, sich nicht ohne weiteres unterwarfen. Schon Ende des 6. Jahrhunderts setzten sich die Enkelinnen des Frankenkönigs Chlothar 1. mit Erfolg gegen die ihrer Meinung nach zu strenge Klosterordnung zur Wehr [362]. Gegen Ausgang des Mittelalters führten die von den Orden und Kirchenoberen durchgeführten Visitationen und Reformbestrebungen allenthalben in den Nonnenklöstern zu erbittertem Widerstand [363].
Gleich den Mönchsklöstern besaßen auch die Nonnenkonvente und -stifte im Frühmittelalter große kulturelle Bedeutung als Bildungs- und Erziehungszentren. In einer weitgehend des Lesens und Schreibens unkundigen Umwelt trugen sie entschieden zu einer Hebung des allgemeinen kulturellen Niveaus bei, denn sie betrieben nicht nur die Ausbildung des eigenen Nachwuchses, sondern in äußeren Klosterschulen auch Laienbildung [295]. Hier wurden bisweilen neben Mädchen sogar Jungen unterrichtet, woran mehrfache Verbote Jungen ins Nonnenkloster aufzunehmen, nichts zu ändern vermochten [364]. Leitlinie der klösterlichen Erziehung wurden die von Hieronymus (+ 420) entworfenen Vorstellungen. Die Mädchen sollten Lesen und Schreiben erlernen, die lateinische Sprache beherrschen und sich dem Studium der Bibel widmen [297]. Zahlreiche Belege machen deutlich, dass die Kenntnisse der Nonnen im Frühmittelalter weit darüber hinausgingen und auch die sieben freien Künste (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie) umfassten [366, 367], während man sich später meist damit begnügte Lesen, Schreiben und Singen beizubringen sowie den Psalter auswendig lernen zu lassen [368].
Zahlreiche Nonnen betätigten sich schriftstellerisch, wissenschaftlich oder künstlerisch. Das während des gesamten Mittelalters übliche Abschreiben von Büchern war keine ausschließlich reproduktikve Tätigkeit, sondern schloss eine umfangreiche künstlerische Betätigung mit der Anfertigung von zahlreichen Miniaturen ein [343, 351, 352, 369]. Weitgehend bekannt ist die kunstvolle Anfertigung von Stickereien und Gobelins durch die Nonnen [349]. Eine führende Rolle nahmen einzelne Nonnen in der frühmittelalterlichen Literatur und Naturwissenschaft ein. Die erste deutsche Schriftstellerin, deren Namen wir kennen, war Hrosvitha von Gandersheim (um 935- nach 1000) [81, 82, 366, 367]. Sie verfaßte sechs Dramen, sieben epische Legenden sowie zwei Geschichtswerke. 1127 verstarb im Kloster Melk die Klausnerin Ava, die als erste Frau einen Zyklus kurzer, religiöser Gedichte in deutscher Sprache verfasste. Von überragender Bedeutung war Hildegard von Bingen (1098 - 1179), die sich nicht nur, wie bereits erwähnt, als Naturwissenschaftlerin und Ärztin betätigte, sondern auch als Malerin, Komponistin und Schriftstellerin. Mit ihrem schriftstellerischen Werk gilt sie als Begründerin der Mystik. In zahlreichen Werken schildert sie ihre Visionen verbunden mit heilsgeschichtlicher Spekulation. Wie bereits ihr übriges Werk zeigt, zog sie sich damit nicht vom realen, irdischen Leben zurück. Sie stand mit allen Großen ihrer Zeit, mit Äbten, Äbtissinnen, Bischöfen, Päpsten und Königen im Briefwechsel und nahm zu exegetischen, theologischen und kirchlichen Problemen Stellung. Mehrmals verließ sie die strenge Klausur ihres Klosters und reiste umher, um zu predigen [342, 343]. Über beachtliche Kenntnisse verfügte auch Herrad von Landsberg (1125 - 119 5), die mit ihrem »Hortus deliciarum« das Wissen ihrer Zeit für ihre Nonnen zusammenzufassen suchte [369]. Die angeführten Beispiele künstlerisch, schriftstellerisch und wissenschaftlich tätiger Nonnen machen deutlich, dass das Klosterleben im frühen Mittelalter Frauen Entfaltungsmöglichkeiten bot, über die sie im weltlichen Leben nicht verfügten und später auch nicht wieder verfügen sollten, denn seit dem 12./13. Jahrhundert verloren die Klosterschulen ihre Rolle als führende Bildungsinstitutionen an die Domschulen und Universitäten, die den Frauen den Zutritt versperrten. Sie vermochten deshalb am wissenschaftlichen Fortschritt nicht mehr teilzunehmen. Die literarische Produktion von Nonnen kam damit jedoch nicht zum Erliegen. Insbesondere in den Dominikanerinnenklöstern entstanden Sammlungen von Chroniken, Lebensbeschreibungen und vor allem zahlreiche mystische Schriften, mit denen die Frauen wohl ihren größten Beitrag zum mittelalterlichen Kulturleben leisteten, denn die spätmittelalterliche Mystik wurde hauptsächlich von Frauen getragen. Eine ausführlichere Darstellung und Wertung sowie umfänglichere Textbeispiele würden allerdings den Rahmen dieses Bandes überschreiten.
Die Klöster boten den Frauen nicht nur die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer künstlerischen, literarischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten. Als Leiterin eines Klosters, als Äbtissin, stand der Frau ein Amt von beachtlicher kirchlicher und politischer Macht offen. Im allgemeinen gelangten sie in dieses Amt durch Wahl der Nonnen eines Klosters. Häufig bedingten sich die Klosterstifter/-innen dieses Amt aber auch für Mitglieder ihrer Familie aus. Vor allem Könige und Fürsten versuchten auf diese Weise ihren Töchtern eine standesgemäße Existenz zu sichern. Die Befugnisse der Äbtissin gingen weit über die unmittelbare Verwaltung des Klosters und seiner Besitzungen hinaus. Da die Klöster in das Herrschaftssystem des mittelalterlichen Feudalstaates integriert waren, hatten die Äbtissinnen in ihrem Besitz Herrschaftsrechte und Gerichtsbarkeit inne. Über eine besondere Machtfülle verfügten die Äbtissinnen der Reichsstifte und Reichsklöster. Sie gehörten dem Reichsfürstenstand an und standen als Lehnsherrin gleichberechtigt neben Bischöfen, Äbten, Markgrafen und Grafen [370, 371]. Sie übten in ihrem Herrschaftsbereich die volle Gerichtsbarkeit aus, konnten Lehen ausgeben und einziehen, Privilegien erteilen und waren die einzigen im Reichstag vertretenen Frauen. Vielfach verfügten sie auch über das Zoll-, Münz- und Marktrecht [372, 373, 3751. Zumindest in den die eigenen Belange unmittelbar betreffenden Angelegenheiten vertraten sie ihre Interessen auch persönlich vor den Reichsgewalten [374]. Zur Ordnung der Klosterangelegenheiten reisten sie in den oft recht umfangreichen Klosterbesitzungen umher [375].
Schwieriger als diese, ihre politische Stellung, ist ihre kirchenrechtliche zu bestimmen. Die Literatur geht meist davon aus, dass sie zwar eine »Potestas dominativa¬´ jedoch keine geistliche Jurisdiktionsgewalt besessen habe. Die »Potestas dominativa¬´ beinhaltet die Verwaltung des Klosterbesitzes, die Aufsicht des dazugehörigen Personals und das Recht, den Nonnen aufgrund ihres Gelübdes Vorschriften und Befehle zu erteilen sowie einfache Strafen über diese zu verhängen. Sie umfaßt allerdings nicht das Recht seelsorgerische Aufgaben zu übernehmen sowie die geistliche Gerichtsbarkeit auszuüben. Zahlreiche Fälle belegen nun, dass dies zumindest auf die exempten, d. h. den nicht der bischöflichen Jurisdiktion unterworfenen Klöstern und Stiften, nicht unbedingt zutrifft. 1212 bestätigte Papst Honorius 111. (t 1227) der Äbtissin von Quedlinburg ausdrücklich, dass die Kleriker ihrer Abtei ihrer Jurisdiktion unterworfen seien [376]. Die Äbtissin von St. Cäcilien in Köln hatte gegenüber den Kanonikern die Jurisdiktion und die Suspensionsgewalt inne. In Fällen. der geistlichen Gerichtsbarkeit über Männer sollte sie sich allerdings von einem Kanoniker, dem capellanus Abbatissae vertreten lassen. Die Stiftsgeistlichen mussten sich eidlich verpflichten, nicht nur dem Bischof, sondern auch der Äbtissin gehorsam zu sein [377]. Nach einer Bulle Papst Nikolaus V. (t 1455) von 1450 an das Stift Gandersheim besaß die Äbtissin eine »auctoritas ordinaria¬´, um die Kanonikate und Pfründen ihrer Kirche zu verleihen [378]. Die Äbtissin von S. Maria Ablass in Köln verfügte nach einer Urkunde von 1447 über das Recht, die Pfarre einer städtischen Filialkirche zu besetzen. Die Statuten von S. Maria im Kapitol zu Köln gestanden der Äbtissin den ersten Platz vor allen anderen Äbtissinnen im Domkapitel zu, d. h. die Äbtissinnen waren auf den Kapitelsitzungen der bischöflichen Kathedrale vertreten und waren entsprechend dem höheren Klerus zuzurechnen. Damit hatten sie auch das Recht an den Provinzial- und Diözesansynoden teilzunehmen. Dieser herausgehobenen Stellung der Äbtissinnen der exempten Klöster und Stifte entspricht es, wenn Hadrian IV. (+1159)jede bischöfliche Jurisdiktion im Stift Herford untersagte [379]. Daneben liegen auch vereinzelt Berichte über die Austeilung der Sakramente, die Abnahme der Beichte sowie das Erteilen der Jungfrauenweihe durch Äbtissinnen vor, obgleich dies eigentlich streng verboten war [380, 381]. Über eine besonders große Selbständigkeit verfügte die Äbtissin von Huelgas in Spanien, die sogar Synoden aus eigener Machtvollkommenheit einberufen konnte [382].

Quellen und Materialien

[317] Papst Zacharias in einem Brief an Pippin und an die fränkischen Bischöfe über den Ausschluss der Frauen von der kirchlichen Hierarchie, 750
5. Von den Nonnen, d. h. den Gottesmägden: Über sie ist gefragt worden, ob sie bei den Messfeiern oder am heiligen Sabbat in der Öffentlichkeit aus der Bibel vorlesen, zur Messe singen oder ein Alleluia oder einen Wechselgesang tun dürfen. Darüber ist im Buch der Entscheidungen des sel. Papstes Gelasius entschieden Kap. 26: es sei eine Sünde, wenn Frauen an den heiligen Altären dienen oder etwas von dem sich anmaßen, was Männern als Aufgabe zugewiesen ist. Trotzdem ist, wie wir mit Unmut vernommen haben, der Gottesdienst in solche Missachtung gekommen, dass Frauen sich erdreisten, an den heiligen Altären zu dienen, und dass das weibliche Geschlecht, dem das nicht zukommt, alles verrichtet, was ausschließlich der Tätigkeit von Männern zugewiesen ist. Jedoch trifft jegliche Anklage und Beschuldigung wegen dieser im einzelnen aufgeführten schuldhaften Vergehen die Priester, die entweder sich in dieser Weise vergehen oder indem sie das tun und nicht bekannt machen, anzeigen, dass sie böse Misshandlungen begünstigen.
zitiert nach: Briefe des Bonifatius (458], S. 423-425.

[318]
Bericht der Bischöfe an Kaiser Ludwig d. Frommen über Frauen, die sich Aufgaben des Klerus anmaßen, 829
Den unerlaubten Zutritt von Frauen zum Altar haben wir auf jede nur mögliche Weise zu verhindern gesucht. Da wir durch einen Bericht zuverlässiger Leute erfahren haben, dass in manchen Provinzen im Widerspruch zum göttlichen Gesetz und zur kanonischen Anweisung Frauen sich in den Altarraum hinein begeben, geweihte Gefäße ohne Scheu anfassen, priesterliche Gewänder den Priestern reichen und - was noch ungeheuerlicher, ungeziemender und unpassender ist als all das - dem Volk den Leib und das Blut des Herrn reichen und anderes tun, was in sich unanständig ist, haben wir es zu verhindern gesucht, damit man es sich nicht weiter heraus nimmt. dass aber die Frauen den Altarraum nicht betreten dürfen, steht im Konzil von Chalcedon und in den Dekreten des Papstes Gelasius.
zitiert nach: Meer: Priestertum der Frau [ 115], S. 118.

[319]
Aus der Regula des hl. Caesarius von Arles, 512
V. Wenn es zu vermeiden ist, soll auch nicht, oder nur unter besonderen Umständen, im Kloster ein ganz kleines Kind aufgenommen werden, sondern erst sechs oder siebenjährige Mädchen, die schon die Buchstaben lernen und Gehorsam üben können. Auch sollen tunlichst keine Töchter edler oder unedler Eltern nur zur Erziehung und zum Unterricht aufgenommen werden.
Vl. Niemand darf sich nach eigenem Gefallen eine Arbeit oder die Ausübung einer Kunst aussuchen. Die Vorsteherin entscheidet und befiehlt, was ihr nützlich scheint.
VII. Niemand darf sich eine gesonderte Wohnstätte aussuchen oder ein Schlafgemach oder einen Schrank oder irgend etwas Ähnliches, was abgeschlossen werden kann: sondern alle sollen zwar gesonderte Lagerstätten haben, doch in einem Raum verweilen. Den Alten und den Kranken darf man darin wohl etwas entgegenkommen, ja es ihnen verordnen. Sonst aber sollen die Einzelnen nicht einzelne Zellen haben, sondern in einem Raum aufgenommen werden, wo sie auch verweilen sollen.
VIII. Sie sollen nicht mit lauter Stimme sprechen nach jenem Wort des Apostels: »Aller Lärm sei fern von Euch.« Während die Psalmen gesungen werden, ist es auch nicht erlaubt, zu plaudern oder zu arbeiten.
IX. Niemand darf eine Tochter, sei es eines reichen oder armen Mannes, aus der Taufe heben.
X. Wer auf das gegebene Zeichen zu spät zum Gottesdienst oder zur Arbeit kommt, soll sich dem verdienten Tadel unterwerfen. Wer sich zum zweiten oder dritten Mal trotz der Ermahnung nicht darin gebessert hat, soll von der Gemeinschaft der andern oder von der gemeinsamen Tafel ausgeschlossen werden.
XI. Wer um irgend einer Schuld willen ermahnt, getadelt oder gezüchtigt wird, darf sich nicht unterfangen, dem Richtenden zu antworten. Wer sich aber weigert, die auferlegte Buße zu leisten, soll, nach dem Maße der Schuld, von der Gemeinschaft des Gebets oder von der Tafel ausgeschlossen werden.
XII. Denen, die kochen, soll um ihrer Arbeit willen Wein gegeben werden. In jeder körperlichen Arbeit, sei es in der Küche oder wie es sonst die Tagesnotdurft erfordert, sollen sich alle außer der Mutter und der Priorin ablösen.
XIII. Während der Vigilien soll, damit niemand durch Müßiggang vom Schlaf überwältigt werde, eine solche Arbeit vorgenommen werden, die den Geist nicht vom Hören der Vorlesung abzieht. Wird eine vom Schlaf bedrängt, so soll sie stehen, während die andern sitzen, damit sie leichter die Schlaffheit des Schlummers abschütteln kann: so möge sie im Dienste Gottes nicht lau oder nachlässig erfunden werden.
XIV. Jede soll täglich ihr abgewogenes Maß zum Spinnen demütig in Empfang nehmen und mit großem Fleiß aufzuarbeiten streben.
XV. Keine soll irgend etwas für ihr Eigentum halten, sei es in der Kleidung oder in irgend etwas anderem.
XVI. Keine soll irgend eine Arbeit mit Murren tun, damit sie nicht mit den Unwilligen verworfen werde, nach dem Wort des Apostels: »Tut Alles ohne Murren«. Der Mutter sollen alle nächst Gott gehorchen. Die Priorin sollen sie ehren. Wenn sie bei Tisch sitzen, sollen sie schweigen und ihre Aufmerksamkeit auf die Vorlesung richten. Auch wenn die Vorlesung aufgehört hat, soll heiliges Nachdenken nicht aus dem Herzen weichen.
Wenn etwas fehlt, soll dafür sorgen, wer am Tisch den Vorsitz führt und das Nötige mehr durch einen Wink als mit Worten erbitten. So wird nicht nur weltliche Speise mit dem Mund aufgenommen, sondern die Ohren hören auch Gottes Wort.
XVII. Alle sollen Lesen lernen. Jederzeit sollen zwei Stunden, vom frühen Morgen bis zur zweiten Hora, für das Lesen frei bleiben.
XVIII. Während des übrigen Tags aber sollen sie ihre Arbeit tun und sich nicht mit Erzählen aufhalten nach jenem Wort des Apostels: »Arbeitet in der Stille« und jenem andern: »Bei vielem Geschwätz wirst du nicht der Sünde entfliehen«.
Ihr sollt überhaupt nur reden, was zum Aufbau und zum Nutzen der Seele dient. Nur wenn die Arbeit es nötig macht, soll sonst gesprochen werden. Während alle zusammen arbeiten, soll eine der Schwestern bis zur dritten Stunde lesen, in der übrigen Zeit soll das Nachdenken über Gottes Wort und das Gebet nicht aus dem Herzen weichen.
Habt eine Seele und ein Herz in Gott, wie Euch auch alles Andere gemeinsam ist, denn so lest ihr es von den Taten der Apostel. Alles war ihnen gemeinsam und wurde ausgeteilt, wie es nötig war.
zitiert nach: Meyn-von Westenholz: Frauenbildung im Mittelalter [414], s. 13-15.

[320]
Die Beschreibung des Doppelklosters von Wimborne in Rudolf v. Fuldas »Leben der hl. Leoba«, 843
2. Auf der Insel Brittannia, die vom Volke der Angeln bewohnt wird, liegt ein Ort, dessen alter bei jenem Volke gebräuchlicher Name Winbrunno lautet, den man auf Lateinisch vini fons, das heißt Weinbrunnen, übersetzen kann. Er empfing aber diesen Namen wegen der großen Klarheit und des herrlichen Duftes, durch den er alle anderen Gewässer dieses Landes übertraf. Hier waren seit alter Zeit von den Königen dieses Volkes zwei Klöster errichtet, mit hohen und festen Mauern umgeben und in angemessener Fürsorge mit großem Kostenaufwand ausgestattet. Eins war ein Männer-, das andere ein Frauenkloster. Beiden war seit dem Tage ihrer Gründung an durch der Regel Gesetz vorgeschrieben, dass keiner vom andern Geschlecht es betrete. Niemals wurde gestattet, dass eine Frau in die Vereinigung der Männer, oder irgend ein Mann in die Wohnungen der Jungfrauen hineingehe, mit alleiniger Ausnahme der Priester, welche die Kirchen. derselben zur Abhaltung der Messfeier zu betreten und nach Vollendung derselben sofort zu ihren Wohnungen zurückzukehren pflegten. Von den Frauen aber, die der Welt entsagend sich ihrem Vereine anschließen wollten, betrat jede das Kloster, um niemals wieder herauszugehen, es sei denn, dass ein vernünftiger Grund oder eine zwingende Ursache sie, von der Äbtissin berathen, heraus sandte. Die Mutter der Vereinigung aber sprach, wenn ein Außengeschäft zum Nutzen des Klosters anzuordnen oder Rath zu ertheilen nöthig war, durch das Fenster und entschied von da, was der Verhältnisse Nothwendigkeit anzuordnen oder aufzutragen erheische.
3. Diesem Ort wurde nach einigen Äbtissinnen und geistlichen Müttern eine fromme Jungfrau mit Namen Tetta vorgesetzt, die, obschon nach der Schätzung der Welt aus einem edlen Geschlecht entsprossen - sie war nämlich die Schwester des Königs - dennoch edler war durch ihrer Sitten Strenge und durch ihre heiligen hervorleuchtenden Tugenden. Sie leitete beide Klöster in großer Genauigkeit, denn alles Gute und Heilige zeigte sie mehr durch ihre Beispiele als durch Worte, und was sie als dem Seelenheil zuwider gelehrt hatte, davon zeigte sie durch ihre Thaten wie es zu vermeiden sei.
Rudolf von Fulda: Leben der heiligen Leoba [532], c. 2-3, S. 58f.

[321]
Bonifatius über die Unterstützung seiner Mission durch angelsächsische Nonnen, 735
Der ehrwürdigsten und geliebtesten Schwester und Äbtissin Eadburga Bonifatius, der geringste Knecht der Knechte Gottes, den erwünschten Gruß der Liebe in Christus.
Ich bitte Gott den Allmächtigen, den Vergelter und Belohner aller guten Werke, Dir in den himmlischen Wohnungen und in den ewigen Zeiten für alle Deine Wohltaten, die Du mir erwiesen hast, ewigen Lohn droben in der Versammlung der seligen Engel zu gewähren; denn schon oft hat Deine Nächstenliebe meine Traurigkeit gelindert, sei es durch Vermittlung von Büchern oder durch Unterstützung mit Kleidern. So bitte ich auch jetzt noch zu mehren, was Du begonnen hast, d. h. mir in Goldbuchstaben die Briefe meines Herrn, des heiligen Apostels Petrus, abzuschreiben, zur Achtung und Ehrfurcht vor der hl. Schrift in den Augen der Fleischesmenschen bei der Predigt, und weil ich die Worte gerade dessen, der mich auf diese Fahrt ausgesandt hat, allezeit vor Augen haben möchte. Das für die erbetene Abschrift erforderliche (Gold) schicke ich durch den Priester Eoba. Mach es also, teuerste Schwester, auch mit dieser unserer Bitte so, wie Deine Güte es mit allen meinen Bitten stets zu machen pflegte, damit auch hierzulande Deine Werke in Goldbuchstaben leuchten zum Ruhm des himmlischen Vaters.
Mein Wunsch ist, dass es Dir gutgehe und Du in den heiligen Tugenden fortschreitest, indem Du zum Besseren emporsteigst.
zitiert nach.- Briefe des Bonifatius [458], Brief Nr. 35, S. 115.

[322]
Rudolf von Fulda über die Missionstätigkeit der hl. Leoba, 843
9. In der Zeit aber, wo die selige Jungfrau Leoba im Streben nach dem himmlischen Leben im Kloster blühte, wurde der heilige Märtyrer Bonifazius von Gregorius des römischen Stuhles Vorsteher, dem Nachfolger des Papstes Constantin, zum Bischof geweiht und zu den Völkern Deutschlands gesandt, um diesen das Wort Gottes zu predigen. [...]
10. Als nun der selige Mann sah, dass die Kirche Gottes wuchs und im eifrigen Streben der Wunsch nach Vollendung entbrannte, begann er, einen doppelten Weg zum Nutzen der Religion einrichtend, Klöster zu bauen, damit die Völker zum allein selig machenden Glauben nicht sowohl durch die Gnadenwerke der Kirche als auch durch die Vereinigungen von Mönchen und Jungfrauen gezogen würden. Da er nun wollte, dass beider Geschlechter Orden den Regeln gemäß beständen, bestrebte er sich für beide tüchtige Lehrer zu beschaffen. Er sandte also nach Monte-Cassino seinen Schüler Sturmi, einen Mann edel an Geschlecht und Sitten, damit er in dem Kloster, das der heilige Vater Benedict gegründet, des Ordens Regel und der Mönche Leben und Sitten erkenne, damit er, der künftige Hirt, ein Schüler werde und in der Unterwerfung seiner selbst lerne, wie er anderen vorstehen müsse. Auf gleiche Weise sandte er in sein Vaterland Gesandte mit Briefen zur Äbtissin Tetta, die wir oben erwähnt haben, und ersuchte sie, ihm zum Trost in seiner Pilgerschaft und zur Unterstützung in der ihm übertragenen Gesandtschaft die Jungfrau Leoba herüberzusenden, von der der Ruf ihrer Heiligkeit und ihrer Tugenden Lehre damals durch weite Lande erschollen und mit ihrem herrlichen Lobe Vieler Herzen erfüllt hatte.[...]
11. Seinen Wunsch erfüllend richtete er nun klösterliche Macht und Leben nach der Ordensregel ein. Den Mönchen gab er Sturmi zum Abt, die Jungfrau Leoba aber bestimmte er zur geistlichen Mutter der Jungfrauen und übertrug ihr das Kloster Biscofesheim, wo eine nicht geringe Anzahl der Mägde Gottes gesammelt wurde, die nach dem Beispiel der seligen Lehrerin in den Lehren der himmlischen Weisheit unterrichtet und die durch ihren Unterricht so ausgebildet wurden, dass mehrere von ihnen späterhin der anderen Lehrerinnen wurden, so dass in jenen Landen keine oder nur sehr wenige Frauenklöster sich vorfanden, welche nicht ihre Schülerinnen zu Lehrerinnen verlangten. [...]
Der Beschäftigung des Lesens lag sie mit solchem Eifer ob, dass, wenn sie nicht mit Beten beschäftigt war oder ihren schwachen Körper durch Nahrung oder Schlaf stärkte, niemals das heilige Buch aus ihren Händen kam, denn da sie von klein auf in den Anfangsgründen der Grammatik und der anderen freien Künste Lehren unterrichtet war, strebte sie in großem Eifer und in hohem Sinnen darnach, auch in der geistlichen Wissenschaft Vollendung zu erlangen, um, da durch die Übereinstimmung ihres Geistes mit dem Gelesenen das Gut der Natur und des Fleißes verdoppelt, so klug als möglich zu werden. Indem sie die Bücher des alten und des neuen Testamentes mit eifrigem Sinn durchlas, prägte sie die göttlichen Vorschriften dem Gedächtnis ein, allein sie fügte auch die Aussprüche der heiligen Väter und die canonischen Beschlüsse, sowie des ganzen kirchlichen Gemeinwesens Rechtssätze dem reichen Schatze ihrer Bildung zu. [...]
17. Inzwischen rüstete sich der selige Erzbischof Bonifazius nach Friesland zu gehen, wo er das Volk, das heidnischen Gebräuchen ergeben war und unter der Krankheit des Unglaubens erlag, mit himmlischer Arzenei besuchen wollte. Er rief darauf seinen Schüler Lul (der sein Nachfolger im Bischofsamt wurde), übertrug ihm die einzelnen Geschäfte seinem Willen gemäß und insbesondere die Sorge für die gläubigen Völker. [...]
Als er ihm diese und andere Aufträge ertheilt, ermahnte er die zu sich berufene Jungfrau Leoba, sie möge nicht das Land ihrer Wanderschaft verlassen, noch in der Kraft des begonnenen Unternehmens laß werden, sondern täglich das empfangene Gut mit allen Kräften mehren; denn nicht sei, sagte er, die Gebrechlichkeit des Körpers in Betracht zu ziehen, nicht sei das schon weit vorgeschrittene Alter zu rechnen, nicht das Ziel der Tugend für zu hoch, und die Mühe, die es koste zu ihm zu gelangen für zu beschwerlich zu halten, zumal dieser Zeiten Dauer im Vergleich mit der Ewigkeit nur kurz und die Leiden dieser Welt nicht zu schätzen seien gegen die Herrlichkeit, die in Zukunft den Heiligen offenbart werde. Er empfahl sie aber dem Bischof Lul und den älteren anwesenden Mönchen des genannten Klosters und sie ermahnend, dass sie in Ehre und Untertänigkeit für dieselbe besorgt seien, sprach er aus wie es sein fester Wille sei, dass nach ihrem Tode ihr Leichnam zu seinen Gebeinen in ein und dasselbe Grab beigesetzt würde, damit sie, die in gleichem Wunsch und Streben in ihrem Leben Christus gedient hätten, auch zusammen den Tag der Auferstehung erwarteten. [...]
18. Die heilige Jungfrau aber verharrte unbeweglich im Werke Gottes, und im Wunsche, nicht die Erde sondern den Himmel zu erben, strebte sie mit aller Kraft ihr Vorhaben zu vollenden. Es wurde aber über sie ein löblicher Ruf ausgesäet und der Geruch ihrer Heiligkeit und Weisheit zog aller Menschen Liebe an sich; sie war nämlich von allen die sie kannten und sogar von den Königen verehrt. Denn Pippin, der König der Franken und seine Söhne Carl und Carlmann hielten sie in hoher Verehrung, vor allen aber Carl, der nach dem Tode des Vaters und dem Abscheiden des Bruders, mit dem er gemeinsam mehrere Jahre geherrscht hatte, des Reiches Steuer allein hielt, ein Mann von höchster christlicher Frömmigkeit und des Kaiserthrones wahrhaft würdig, allen früheren Königen dieses Volkes an Tapferkeit und Weisheit mit Recht vorzuziehen. Dieser liebte den allein selig machenden Glauben so sehr, dass, obschon er über alle herrschte, er dennoch die Knechte und Mägde Gottes in tiefer Unterthänigkeit ehrte. Er also empfing die häufig zu sich eingeladene fromme Jungfrau Gottes mit großer Ehrerbietung und beschenkte sie mit reichen Gaben, die Königin, Hildegardis aber verehrte sie in reiner Liebe und liebte sie wie ihr zweites Ich, auch wollte sie dass sie immer um sie bleibe, damit sie ihr durch Wort und Beispiel auf dem Lebenswege nütze. Jene aber verabscheute den Lärm des Hofes wie einen Becher Gift. Fürsten liebten sie, Vornehme empfingen sie. Bischöfe nahmen sie mit Freuden auf, unterredeten sich mit ihr über das Wort des Lebens und besprachen oft mit ihr kirchliche Einrichtungen, da sie in den Schriften sehr gelehrt und vorsichtig im Rath war. Sie jedoch wandte ihre ganze Sorge auf ihr begonnenes Unternehmen und die Frauenklöster gleichsam als Führerin der geistlichen Heerschaaren besuchend, regte sie alle an, in wechselseitigem Streben den Ruhm der Vollendung zu erlangen.
Rudolf von Fulda: Leben der heiligen Leoba [532], c. 9 - 11, c. 17 f., S. 63 - 70.

[323]
Statut für die Kanonissenstifte der Reichssynode zu Aachen, 816
Die ersten sechs Kapitel enthalten wieder Stellen aus den Kirchenvätern. Das 7. und 8. Kapitel schreibt vor: Die Äbtissinnen sollen ihr eigenes Leben sowie das ihrer Untergebenen den Kanones gemäß einrichten, dieselbe Speise und Kleidung wie ihre Untergebenen haben, beständig im Kloster bleiben, nicht zu viele und nicht solche aufnehmen, die eben noch eine üppige Lebensweise geführt haben. Kapitel 9 bestimmt: Die Sanktimonialen sollen vor ihrem Eintritte über ihr Vermögen verfügen, so da,ß sie nachher durch dessen Verwaltung nicht zerstreut werden. Sie können es der Kirche schenken oder sich die Nutznießung vorbehalten oder es gar nicht verschenken; verschenken sie es nicht, so haben sie einen Vermögensverwalter zu bestellen. Kapitel 10 besagt: Der Schleier und das schwarze Kleid machen nicht alles; das Herz muß rein sein. Mit Männern zu sprechen ist verboten. Ist es notwendig, mit einem Manne zu reden, z. B. wegen der Güter, namentlich bei Einheimsung der Früchte, so müssen noch drei bis vier bewährte Frauen zugegen sein (K. 19f.). Alle sollen die kanonischen Tageszeiten genau halten, in einem gemeinsamen Dormitor schlafen und gemeinsam speisen. Nicht sollen sich die Adligen über die Nichtadligen erheben, auch soll keine auf ihre Vorzüge stolz sein (K. 10). Kapitel 11 bestimmt: Die Klöster müssen mit festen Mauern umgeben sein, so dass niemand ein- und ausgehen kann außer durch die Pforte. Kapitel 12: Alle sollen gleich viel an Speise und Trank erhalten.
In Kapitel 13 wird das Maß für Speise und Trank genau vorgeschrieben. An Festtagen soll die Verpflegung etwas besser sein.
Kapitel 18 enthält den Strafkodex.
Kapitel 12 verordnet: Die kanonisch Lebenden dürfen Mägde zur Bedienung haben. Da aber diese sich oft unanständig kleiden, auch was sie außen in der Welt sehen und hören, im Kloster wiedererzählen und dadurch das Herz ihrer Gebieterinnen in Unordnung bringen, so ist auf sie genau achtzugeben; es dürfen nicht mehr als notwendig angestellt werden; die unpassenden sind zu entlassen.
Kapitel 27 lautet: Die Geistlichen für ein Frauenkloster müssen außerhalb der Klostermauern ein Wohnhaus und eine Kirche haben. Nur zur bestimmten Zeit, um Messe zu lesen, darf der Priester mit einem Diakon und Subdiakon ins Kloster eintreten. Die Klosterfrauen wohnen dem Gottesdienste hinter einem Vorhange bei. Will eine beichten, so muss sie es in der Kirche tun, ausgenommen die Kranken.
Kapitel 28: Außerhalb des Klosters, bei der Wohnung und Kirche des Klostergeistlichen, soll ein Spital errichtet werden; innerhalb des Klosters aber soll ein Raum für Aufnahme von Witwen und arme Frauen sein.
zitiert nach: Heimbucher: Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche [488], Bd. 1, S. 455f.

[324]
Die Lebensführung der hl. Liutbirg als Reklusin, nach 870
22] An dem verabredeten Tage kam der erwähnte Bischof mit einer nicht geringen Anzahl von Priestern und zahlreichen Klerikern verschiedenen Ranges. Er weihte die schon für ihren Zweck hergerichtete Zelle und besprengte sie mit dem heilbringenden Wasser. Liutbirg wurde in die sehr kleine Behausung - sie war einer Höhle nicht unähnlich - eingeführt, und der Bischof verbot ihr, sie zu verlassen, es sei denn im Falle äußerster Notwendigkeit. In väterlicher Weise gewährte er ihr Segen und Unterweisung. Dann schloss er die Klause und schied unter Tränen mit dem Gebet, durch Gottes Gnade möge sie verdienen, dass sie den Wettkampf ihres Lebens zu einem guten Ende führe. Nun sah also die ehrwürdige Gottesmagd Liutbirg ihr heißes Verlangen verwirklicht. Tag und Nacht verbrachte sie im Gebete. Trotz ihres schwachen und kränklichen Körpers nahm sie die Enthaltung von Speise und Trank in beständigem Fasten, in anstregenden Nachtwachen, in solchem Maße auf sich, dass sie sich nur von Brot, Salz und Kräutern nährte. An Sonn- und Feiertagen genoss Llutbirg Gemüse und ganz kleine Fischlein, aber auch das nur selten und in geringer Menge. Als Leckerbissen dienten ihr zur Zeit der Obsternte Äpfel und wild wachsende Früchte. In ihrer Zelle brannte ein glühendes Kohlenfeuerchen wegen der verschiedenen Farbenmischungen, deren sie bedurfte, denn, wie wir schon früher berichtet haben, war sie eine Künstlerin in vielerlei weiblicher Werkarbeit. Nie ließ sie von nutzbringender Beschäftigung ab. Wenn sie nicht arbeitete, gab sie sich bis in die Nacht hinein dem Gebet und der Betrachtung hin. Erübrigte sie bei solch angestrengter Tätigkeit ein wenig Zeit, so benützte sie sie zum Unterricht der Mägdlein, die zu ihr kamen. Nur ein geringes Maß von Zeit verwendete sie auf Ruhe und den Genuss von Speise, wie es eben die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur unumgänglich erfordert.
23] Nie ließ sie sich bei ihrem Tagewerk von körperlichen Beschwerden besiegen, dass sie etwa im Laufe der Arbeit langsamer geworden wäre, denn beim Beginn. Allen Besuchern begegnete sie - wie schon gesagt wurde - in herzlicher Liebe, so dass sie schon den Abschied durch die Aussicht auf ein Wiedersehen leicht machte. Jeder hielt die Zeit, die er bei Liutbirg zugebracht hatte, für überaus kostbar. [...]
24 Fast unmöglich ist es zu berichten, welche Nachstellungen des Feindes sie zu ertragen hatte, welche Neckereien des Teufels sie erdulden musste. Immerzu jagte er ihr durch allerlei Machenschaften Schrecken ein, sei es durch Vorspiegelungen seiner listigen Schlauheit, sei es durch Erscheinungen, bei denen die bösen Geister die Gestalt von Himmelsbürgern annahmen. Nach Art seiner Verführungskunst vermengte er stets Wahres mit Falschem, damit er unter der Vorstellung der Wahrheit eine harmlose Seele leichter dem Irrtum überliefern könne. [...]
Die ehrwürdige Dienerin Gottes verharrte Tag und Nacht im Gebete und hatte nichts für sich zurückbehalten als das geringe Gewand, das sie am Leibe trug, ein paar Gefäße, in welchen sie ihre Nahrung zu nehmen pflegte, und eine kleine Bettstelle mit einer Binsenmatte, die ihr zur Ruhestatt diente.
35] Nun kommen wir auf die Geheimnisse ihres inneren Lebens zu sprechen. Sie wurden uns überliefert teils durch Liutbirgs eigene Berichte, teils durch glaubwürdige Männer und Frauen, deren Wahrhaftigkeit außer Zweifel steht. Es wird also berichtet, Liutbirg sei von Gott mit der Prophetengabe begnadet gewesen und habe sich durch Vorhersagung vieler Ereignisse ausgezeichnet. Um den Ruf der Heiligkeit zu vermeiden, habe sie nur in wenigen Fällen, wenn sie gefragt wurde, davon Gebrauch gemacht. So wohnte z. B. in einer und derselben Stadt ein gewisser Graf Friedrich mit seinem Bruder, dem Grafen Adalger, zusammen. Des ersteren Gemahlin Pia ging eines Tages wie gewohnt mit Liutbirg zur Kirche, um der Messe oder Vesper beizuwohnen. Da redete sie Liutbirg also an: »Herrin und vielliebe Tochter, vergiss nicht für deine Mutter die schuldigen Gebete zu verrichten.« [...]
Wie Liutbirg vorausgesagt hatte, sie werde dreißig Jahre in derselben Zelle zubringen, so traf es auch ein. Was immer sie prophezeite, ging ohne Zweifel in Erfüllung. Darin nämlich zeichnete sie sich aus, dass alles, was sie vorhergesagt hatte, mit Sicherheit eintraf. [...] Mit Männern von hervorragender Heiligkeit führte sie geistliche Gespräche. Auch mit solchen, die sie als geschult und bewandert im göttlichen Gesetze kennen gelernt hatte, ließ sich Liutbirg in vertraute Erörterungen ein und pfückte dabei manches Blütlein zum, Nutzen ihrer Tugend. So schieden beide Teile voneinander, reich erquickt. Äbte und Bischöfe, die von ihr hörten, empfahlen sich persönlich oder durch Boten ihrem Gebete. Auch sie nahmen Liutbirg in ihr frommes Gedenken auf und freuten sich im Herrn der betenden Gemeinschaft, die Gottes Hauch bewirkt. So zählte auch Bischof Hemmo, seligen Angedenkens, ein Mann von hoher Heiligkeit und Gelehrsamkeit, zu den Gönnern Liutbirgs. Da sie in seinem Bistum lebte, war sie seiner Leitung unterstellt. Häufig belehrte er sie durch fromme Unterweisungen und ließ sie erbaut zurück. Auch in zeitlichen Bedürfnissen unterstützte er sie. Voll des Wohlwollens suchte er sie häufig auf und versagte ihr auch nicht in zeitlichen Dingen den Beistand seiner väterlichen Güte. Über all dies hinaus wäre noch eines zu erwähnen. Ein Mann hoch seligen Andenkens, ein Held aller Tugenden, ein hervorragender Kämpfer Christi, Erzbischof Ansgar von Bremen, ehrte sie in heiliger Vaterliebe. Um Liutbirg zu besuchen, scheute seine große Güte nicht die Weite des Weges. Mit dem Trost seiner Gegenwart und seines Wortes gewährte ihr der verehrungswürdige Erzbischof zugleich zeitliche Hilfe. Er erwies sich hilfsbereit in allen Notlagen und tröstete sie durch seine große Freigebigkeit. Zur Vervollkommnung des göttlichen Dienstes, dem Liutbirg beständig mit größtem Eifer oblag, sandte er ihr Mägdlein von edler Herkunft, die sie im Psallieren und in der Kunstfertigkeit unterwies. Nach Beendigung des Unterrichtes konnten sie nach freier Entscheidung zu ihrer Familie zurückkehren oder dahin gehen, wohin sie wollten.
Das Leben der heiligen Liutbirg [509], S. 74 - 76, S. 78 f.
[325] Aufhebung des Doppelklosters zu Marchtal durch Abt Konrad XIV., 1274 Wir Conrad, der Abt von Marchtal, und gesamtes Convent unserer Chorherren, wohl überlegend, dass die weibliche Bosheit alle andere der Welt Bosheiten weit übertreffe, und dass keine Wut jener der weiblichen gleich komme, dass sofort Drachen- und Basiliskengift dem menschlichen Geschlecht weniger schädlich als der Umgang mit Weibern, haben wir einhellig und mit allgemeinem Rat, sowohl zum Besten unserer Seelen, als des Leibs, auch zur Aufrechthaltung unserer zeitlichen Güter, beschlossen in Zukunft keine bloß zu unserm Untergang dienenden Schwestern mehr aufzunehmen, selbige sofort als allerdings vergiftete Bestien bestens zu fliehen, bestreben wollen. Auf dass aber all dies festgehalten werde, habe ich mich, Abt Konrad und Vorsteher dieser Kirchen, mit den Älteren und Vernünftigeren meines Konvents an Eidesstatt verbunden, dass ich innerhalb von 50 Jahren weder eine Schwester aufnehmen, noch, dass eine solche aufgenommen werde, dulden wolle. Übrigens haben auch meine Konventualen mir in die Hände den gegenseitigen Eid abgelegt, dass auch keiner derselben innerhalb dieses Zeitraumes von 50 Jahren eine Schwester aufnehmen oder dulden wolle, dass eine aufgenommen werde. - Wir überlassen es schließlich dem Gutdünken und besserer Überlegung unserer Nachkömmlinge, was sie nach Verfluss dieser Zeit tun werden, doch hoffen wir, dass auch sie ob ihres Seelenheils willen, ihre Vorvordern nachahmen werden, wollte Gott es geschähe!
zitiert nach: Thiele: Leben in der Gotik [5451, S. 449f.

[326)
Entwurf einer Ordnung für ein Doppelkloster durch Abaelard, 1130/35
Ich habe beschlossen, die Schrift, welche ich zu eurer Belehrung verfassen will und in welcher ich euren frommen Stand beschreiben und fest umgrenzen, sowie über die würdige Begehung des Gottesdienstes reden werde, in drei Abschnitte einzuteilen. Denn drei Stücke sind, so glaube ich, der Hauptsache nach wesentlich für das klösterliche Leben: Keuschheit, Besitzlosigkeit und Schweigen.[...]
Denn unsere Seele ist gleichsam angebunden an die Krippe des Herrn, und nährt und erquickt sich da mit frommen Betrachtungen. Von dieser Krippe wird sie gelöst und schweift mit ihren Gedanken in der ganzen Welt herum, wenn das Gebot des Schweigens sie nicht zurück hält. Durch Worte wird die vernunftbegabte Seele veranlasst, auf das, was sie hört, aufzumerken und darüber nachzudenken. Mit Gott aber reden wir in Gedanken, wie mit den Menschen in Worten. Während wir nun hier auf die Worte der Menschen hören, muss unsere Aufmerksamkeit notwendig von dort abgezogen werden, denn wir können nicht Gott und den Menschen zugleich unsere Aufmerksamkeit schenken. [...]
Der Apostel wusste, dass die Zunge hauptsächlich euch viel zu schaffen mache und untersagt deshalb den Frauen das Sprechen in der gottesdienstlichen Versammlung, selbst das Reden über religiöse Fragen. [...]
Um diesem Übel nun einigermaßen zu steuern, soll die Zunge im Zaum gehalten und vollständiges Schweigen beobachtet werden an folgenden Orten und zu folgenden Zeiten: beim Gottesdienst, im Kloster, im Schlafsaal, im Refektorium, beim Essen, in der Küche und ganz besonders nach dem Kompletorium. Wenn es notwendig ist, kann man an den genannten Orten und zu den vorgeschriebenen Zeiten statt der Worte Zeichen anwenden. [...]
So sollen also auch wir unsere Wohnung in der Einsamkeit aufschlagen, damit wir fähig sind, vor Gott zu stehen und seinem Dienste uns widmen können. Da wird kein Zudrang von Menschen unsere Ruhestätte erschüttern, unser Stiftleben stören, uns mit Versuchungen nahen und die Gedanken von unserem heiligen Beruf abziehen. [...]
Gewiß ist es das Werk des alten listigen Versuchers, dass fast alle heutigen Klöster, während sie in alter Zeit, um den Menschen zu entgehen, in der Abgeschiedenheit gegründet worden waren, später, als die Glut der Frömmigkeit erkaltete, Leute herbeigezogen, Knechte und Mägde in Menge angestellt und große Baulichkeiten an den der Einsamkeit geweihten Orten errichtet haben; so sind sie selber in die Welt zurückgekehrt oder haben vielmehr die Welt bei sich eingeschleppt. [...]
Bei der Wahl des Ortes für ein Kloster ist, soweit dies irgend geschehen kann, der Rat des heiligen Benediktus zu befolgen: innerhalb des klösterlichen Bezirks soll womöglich alles das beschlossen sein, was für ein Kloster unumgänglich notwendig ist: nämlich Garten, Brunnen, Mühle, Bäckerei mit Backofen und Räumlichkeiten, wo die Schwestern ihre täglichen Geschäfte verrichten können, so dass kein Anlass vorhanden ist, draußen herumzuschweifen.
Wie im Kriegslager eines weltlichen Heeres, so muss auch in den Lagern des Herrn, d. h. in den klösterlichen Gemeinschaften, ein Oberhaupt sein, das den andern zu gebieten hat. [...]
Denn keine menschliche Gemeinschaft, nicht einmal die kleine Genossenschaft auch nur Einer Familie kann bestehen, wenn man nicht streng auf Einigkeit hält und nicht das Regiment in der Hand eines Einzigen liegt. [...]
Ich bin der Meinung, dass für die gesamte Verwaltung des Klosters nicht mehr und nicht weniger als sieben Schwestern notwendig sind: nämlich eine Pförtnerin, eine Kellermeisterin, eine Kleiderbewahrerin, eine Krankenpflegerin, eine Vorsängerin, eine Sakristane, endlich eine Diakonisse, oder, wie man sie jetzt nennt, eine Äbtissin. [...]
Mit allem Ernst also hat man darauf zu sehen, dass bei der Wahl und Weihe der Diakonisse vor allem der Rat des Apostels befolgt und eine Schwester gewählt werde, welche durch ihre Lebensführung und durch ihr Wissen den andern überlegen ist; ihr reifes Alter soll eine Bürgschaft sein auch für die Zuverlässigkeit ihrer Sitten; durch Gehorsam soll sie sich das Recht zum Befehlen erworben haben; die Regel soll sie nicht bloß vom Hörensagen, sondern vom Ausüben kennen gelernt und sich fest eingeprägt haben. Wenn sie nicht durch Gelehrsamkeit glänzt, so mag sie sich darüber trösten: sie ist ja nicht zu philosophischen Verhandlungen und dialektischen Übungen da, sondern sie soll sich mit der Kunst des regelrechten Lebens und mit der Ausübung guter Werke befassen [...] Die Schwester, die den andern vorsteht, mag allezeit bedenken, dass sie die Verantwortung für Leib und Seele der Ihrigen übernommen hat. [...]
Wir schänden aber unsern Körper nicht bloß durch Unzucht, sondern durch jede unreine That, geschehe sie nun mit der Zunge oder mit irgend einem andern Glied, indem wir es zu irgend einem flüchtigen sinnlichen Genuss missbrauchen. [...]
Um solchem Verderben nach Möglichkeit zu steuern, verbieten wir durchaus, dass die Äbtissin ein besseres und gemächlicheres Leben führe als ihre Untergebenen. Weder beim Essen noch beim Schlafen soll sie sich von den übrigen absondern, sondern sie soll alles in Gemeinschaft der ihr anvertrauten Herde thun und dadurch, dass sie immer zugegen ist, Gelegenheit haben, um so besser für sie zu sorgen. [...]
Auch das muss vermieden werden, dass die Herde durch Abwesenheit der Hirten Gefahr laufe, und dass, während die Vorgesetzten draußen herumschweifen, im Kloster die Regel beiseite gesetzt werde. Wir bestimmen daher, dass die Äbtissin mehr für die geistlichen als für die leiblichen Bedürfnisse ihrer Schwestern sorgen und das Kloster nicht um äußerlicher Angelegenheiten willen verlassen soll. Vielmehr möge sie ihre ganze Sorgfalt mit allem Eifer auf die ihr anvertrauten Seelen wenden [...]
Es ist also notwendig, dass den Frauenklöstern Mönchsklöster zur Seite stehen, und dass die äußeren Angelegenheiten der Frauen von Männern besorgt werden, welche durch das gleiche Gelübde gebunden sind. Dieser Brauch bestand schon in den Anfangszeiten der Kirche zu Alexandria unter der Leitung des Evangelisten Markus. Und ich glaube, dass in den Nonnenklöstern die Ordensregel strenger gehalten wird, wenn dieselben der Sorgfalt und Leitung geistlicher Männer unterstellt sind und für Schafe und Widder ein und derselbe Hirte eingesetzt wird, so dass derjenige, der über die Männer gebietet, auch über die Frauen die Aufsicht führe und die apostolische Verordnung bestehen bleibe: »Der Mann ist des Weibes Haupt, wie Christus des Mannes Haupt ist, Gott aber ist Christi Haupt.« [...]
Ferne sei es von uns, zu wollen, was auch nur auszusprechen schon eine Sünde wäre, dass die Mönche mit den Jungfrauen Christi in vertrauten Umgang kämen, sondern sie sollen gemäß den Bestimmungen der Regeln und Vorschriften in strenger Geschiedenheit von ihnen leben. Wir stellen die Frauenklöster nur unter die Oberleitung von Mönchen und bestimmen, dass aus den Mönchen ein besonders erprobter Mann erwählt werde, dessen Sorge es sein soll, ihre Güter auf dem Lande oder in der Stadt zu überwachen, die nötigen Bauten auszuführen und für die sonstigen Bedürfnisse des Klosters zu sorgen, damit die Dienerinnen Christi allein mit dem Heil ihrer Seele beschäftigt ausschließlich dem Dienste des Herrn leben und frommen Werken obliegen können. Auch soll, wer von seinem Abte zu solchem Amte vorgeschlagen wird, die Bestätigung des Bischofs einholen.
Die Nonnen aber sollen den Mönchen, deren Schutz sie erwarten, die nötigen Kleider anfertigen, wofür sie dann wiederum die Früchte ihrer Arbeit und die helfende Fürsorge derselben zu genießen haben sollen. [...]
Alles, was an Mundvorräten, Kleidern, auch an Geld vorhanden ist, soll bei den Dienerinnen Christi niedergelegt und aufbewahrt werden, und von dem, was den Schwestern übrig bleibt, soll den Brüdern mitgeteilt werden. Das, was draußen zu holen ist, sollen die Brüder beschaffen, und die Schwestern sollen nur das thun, was im Innern des Klosters passenderweise von Frauen besorgt werden kann: den Brüdern Kleider anfertigen oder reinigen, Brot bereiten, zum Backen ein,liefern und das Gebackene wieder in Empfang nehmen. Ihnen liegt auch die Milchwirtschaft, sowie die Hühner- oder Gänsezucht ob, überhaupt alle Verrichtungen, die besser für Frauen passen als für Männer. [...]
Keinem Mann soll der Zutritt zu den Schwestern verstattet sein ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Oberen, und alles, was ihnen von den Schwestern zugeschickt wird, muss durch die Hand des Oberen gehen. Nie soll eine Schwester die Umfriedigung des Klosters überschreiten, sondern alle äußeren Angelegenheiten sollen, wie gesagt, von den Brüdern besorgt werden - die Starken mögen im Schweiß ihres Angesichtes die schwere Arbeit verrichten. [...]
Damit aber die Männer ihre überlegene Stärke nicht zu irgend welchen Bedrückungen der Frauen missbrauchen, so bestimmen wir, dass sie nichts gegen den Willen der Äbtissin unternehmen dürfen, sondern auch sie sollen in allem ihres Winkes gewärtig sein. Alle, Männer wie Frauen, sollen vor der Äbtissin das Gelöbnis des Gehorsams ablegen! [...]
Die Meßnerin, die zugleich auch Schatzmeisterin ist, hat die Aufsicht über das Gotteshaus; sie bewahrt die Schlüssel dazu und alles was zum Gottesdienst notwendig ist. Gaben, welche dem Kloster dargebracht werden, hat sie in Empfang zu nehmen und für alles, was im Gotteshaus zu machen oder wiederherzustellen ist, sowie für die gesamte Ausschmückung desselben Sorge zu tragen. Außerdem fällt ihr die Sorge zu über die Hostien, für die Gefäße und Becher, die auf den Altar gehören und überhaupt für dessen Ausschmückung; ferner für die Reliquien, für den Weihrauch, für die Kerzen, für den Stundenzeiger und für die verschiedenen Glockenzeichen. Die Hostien sollen womöglich die Jungfrauen selbst bereiten und das Mehl dazu reinigen, auch sollen sie die Altargefäße reinhalten. Doch soll weder die Meßnerin noch sonst eine der Nonnen die Reliquien oder die Altargefäße oder Altardecken berühren, wenn sie ihnen nicht zum Zweck der Reinigung übergeben werden. [...] Diejenige Schwester, welche diese Aufsicht über das Sanktuarium hat, muß sich durch Reinheit ihres Lebenswandels besonders auszeichnen. An Leib und Seele soll sie, soweit möglich, tadellos und von erprobter Enthaltsamkeit und Keuschheit sein. Auch muss sie in der Berechnung der kirchlichen Festtage nach dem Lauf des Mondes bewandert sein, damit die Festzeiten im Gottesdienst genau eingehalten werden.
Die Vorsängerin hat die Aufsicht über den ganzen Chor; sie hat für die Musik beim Gottesdienst zu sorgen und lehrt die anderen singen, Noten lesen, schreiben und diktieren. Sie führt auch die Aufsicht über die Bücherschränke, giebt Bücher daraus ab und reiht solche ein und sorgt für das Abschreiben und Ausschmücken der Bücher. Sie ordnet an, wie man im Chor zu sitzen hat, und verteilt die Plätze; sie bestimmt diejenigen, welche vorzulesen oder zu singen haben, und hat ein Verzeichnis der Abschnitte, die wöchentlich im Kapitel gelesen werden sollen, anzulegen. Darum muss sie im Schriftwechsel wohl bewandert sein und vor allem Kenntnisse in der Musik haben. Auch soll sie nächst der Äbtissin für die Aufrechthaltung der Klosterzucht überhaupt sorgen, und wenn diese anderweitig in Anspruch genommen ist, soll sie ihre Stelle vertreten.
Die Krankenwärterin hat den Dienst der Kranken unter sich und soll dieselben vor Sündenschuld wie vor leiblicher Not bewahren. Was Kranke nötig haben an Speise, an Bädern oder sonstigen Dingen, dass soll ihr ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden. [...] Es ist notwendig, dass eine Krankenwache eingerichtet werde, die jederzeit zur Hilfeleistung für die Kranken bereit ist, und das Haus muss mit allem, was für Kranke notwendig ist, versehen sein. Auch für die Beschaffung von Arzneimitteln soll man Sorge tragen, so gut es die örtlichen Verhältnisse erlauben. Zu dem Zweck wird es sehr gut sein, wenn die Krankenwärterin etwas von der Heilkunde versteht. Auch das Verfahren der Blutentziehung ist ihre Sache. Sie muss zur Ader lassen können, damit man nicht zu einer solchen Verrichtung einem Mann den Eintritt zu den Frauen verstatten muß. Die Krankenwärterin hat auch für die Einhaltung der kanonischen Stunden und für die Kommunion bei den Kranken zu sorgen; am Sonntag wenigstens sollten sie kommunizieren nach jedes mal vorangegangener Beichte und Buße, soweit dies möglich ist. [...]
Zum mindesten einmal jeden Tag soll die Äbtissin mit der Kellermeisterin die Kranken, und in ihnen Christum, besuchen, um für ihre Bedürfnisse zu sorgen, sowohl in geistlicher als in leiblicher Hinsicht, damit das Wort des Herrn von ihnen gelte: »Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.« Geht es mit einer Kranken zu Ende, und tritt der Todeskampf ein,  so soll alsbald die dienende Schwester mit der Klapper in den Konvent eilen, und durch das Geräusch, das sie mit derselben macht, den Tod der Schwester ankündigen, und der ganze Konvent, zu welcher Stunde des Tages oder der Nacht es auch sei, soll zu der Sterbenden eilen, außer wenn kirchliche Pflichten davon abhalten. [...]
Die Kleiderverwalterin hat die Sorge für die gesamten Kleidungsstücke auf sich zu nehmen, sowohl was das Schuhwerk als was die andern Sachen betrifft. Sie hat die Schafschur zu veranlassen und nimmt das Leder für das Schuhzeug in Empfang. Sie versieht alle Schwestern mit Faden, Nadel und Schere. Sie hat den Schlafsaal zu beaufsichtigen und für die Betten zu sorgen. Ferner liegt ihr ob die Sorge für Tischdecken, Handtücher und für die gesamte übrige Wäsche, sowie für das Zuschneiden, Nähen, Waschen derselben. [...] Die Werkzeuge, die sie zu ihren Arbeiten nötig hat, sollen ihr zur Verfügung stehen, und sie soll jede der Schwestern mit der für sie passenden Arbeit versehen. Denn auch der Novizen soll sie sich annehmen, bis zu ihrer Aufnahme in den Orden.
Die Kellermeisterin hat Sorge zu tragen für alles was ins Gebiet des Lebensunterhaltes gehört: sie hat die Aufsicht über den Keller, das Refektorium, die Küche, die Mühle, die Bäckerei mit dem Backofen, über den Baum- und Gemüsegarten und über den gesamten Feldbau, auch über die Bienenzucht, über das Groß- und Kleinvieh und über das Geflügel. Von ihr wird geholt, was man zum Essen braucht. [...]
Zum Amt der Thürhüterin oder Pförtnerin gehört die Aufnahme der Gäste. Sie muss alle Ankömmlinge anmelden und dahin führen, wohin sie begehren; ihr liegt die Fürsorge für die Bewirtung ob. Sie muss reif an Alter und Verstand sein, damit sie Red' und Antwort zu geben vermag und beurteilen kann, wie und wer überhaupt aufzunehmen ist und wer nicht.[...]
Sobald ans Thor geklopft oder draußen gerufen wird, soll die Schwester, welche an der Pforte ist, die Ankömmlinge nach ihrem Namen und Begehren fragen, und wenn es nötig ist, die Pforte öffnen und die Fremden hereinlassen. Nur Frauen dürfen im Innern des Klosters beherbergt werden; die Männer sind zu den Mönchen zu weisen; keiner darf unter irgend einem Vorwand eingelassen werden, es sei denn, dass die Äbtissin vorher befragt worden sei und es befohlen habe. Frauen dagegen sollen ohne weiteres Zutritt haben. Die aufgenommenen Frauen und die Männer, die wegen irgend welcher besonderen Sache eingelassen worden sind, soll die Pförtnerin zunächst in ihre Zelle führen, bis sie von der Äbtissin oder von den Schwestern, wenn dies nötig und ratsam ist, empfangen werden. Armen aber, welche der Fußwaschung bedürfen, soll dieser Dienst der Gastfreundschaft von der Äbtissin selbst oder von den Schwestern mit Sorgfalt geleistet werden. [...]
Um Mitternacht erhebt man sich nach der Anweisung des Propheten zu den nächtlichen Vigilien. Es ist darum notwendig, so frühe schlafen zu gehen, dass die zarte Natur der Schwestern diese Nachtwachen ertragen und das Tagewerk mit Sonnenaufgang begonnen werden kann, wie dies auch der heilige Benediktus vorschreibt. Nach den Vigilien soll man sich wieder zur Ruhe begeben, bis das Zeichen zur Matutine ertönt. Während des übrigen Teils der Nacht soll die Natur zu ihrem Recht kommen. Denn der Schlaf vor allem erquickt den müden Körper, macht ihn wieder arbeitsfähig und erhält ihn gesund und munter. Wer aber das Bedürfnis hat, über die Psalmen oder irgend welche Lektionen zu meditieren, wie dies auch der heilige Benediktus erwähnt, der soll dies so thun, dass die Ruhenden nicht im Schlafe gestört werden. [...] Auch beim Einüben von Gesängen soll man diese Rücksichten walten lassen. Die Matutine soll beim ersten Tageslicht gefeiert werden, und das Zeichen dazu beim Sonnenaufgang selbst, wenn man ihn sehen kann, ertönen. [...]
Nach dem Verlassen des Schlafsaals sollen sich die Schwestern waschen, ihre Bücher in Empfang nehmen und lesend oder singend im Kreuzgang sitzen, bis es zur Prima läutet. Nach der Prima begiebt man sich in den Kapitelsaal; dort setzt sich alles nieder und nach Verkündigung des Datums wird ein Abschnitt aus der Märtyrergeschichte vorgelesen. Darauf kann eine erbauliche Besprechung folgen oder ein Abschnitt der Regel vorgelesen und erklärt werden. Endlich soll hier erledigt werden, was etwa zu tadeln oder neu anzuordnen ist. [...]
In der Bestrafung soll insofern ein Unterschied gemacht werden, als diejenige, welche bei einer andern einen Fehler gesehen hat und ihn verheimlicht, strenger bestraft werden soll als die eigentlich Schuldige. [...] Keine soll sich unterstehen, eine Schwester wegen irgend einer Verschuldung zu schlagen, außer wer von der Äbtissin dazu beauftragt wird. [...]
Wer einen Menschen züchtiget, der findet hernach mehr Dank bei ihm, als der ihn mit Schmeichelworten täuscht. [...]
Bei gemeinsamer Beratung steht es jeder Schwester frei, ihre Meinung zu äußern, aber der Beschluss der Äbtissin soll unumstößlich sein, sollte sie selbst, was ferne sei, in Irrtum verfallen und das weniger Zweckmäßige beschließen. [...]
Es ist uns besser, recht zu thun, als das Rechte zu thun, und nicht darauf kommt es an, was geschieht, sondern wie und in welcher Gesinnung etwas gethan wird. Alles was in Gehorsam geschieht, ist gut, wenn es auch keineswegs so aussieht. In allen Stücken muss darum den Vorgesetzten Gehorsam geleistet werden, selbst wenn dies zum größten Schaden ausschlüge, wenn nur die Seele nicht dadurch gefährdet wird.
Der Vorgesetzte soll darauf sehen, seine Befehle vernünftig einzurichten, weil die Untergebenen einfach zu gehorchen haben und ihrem Gelübde gemäß nicht nach ihrem eigenen Willen handeln, sondern nach dem ihrer Vorgesetzten. [...]
So oft eine Beratung nötig ist, soll sie ohne Verzug abgehalten werden. Bei dringenden Angelegenheiten soll der Konvent zusammenberufen werden; bei weniger wichtigen Dingen genügt es, wenn die Äbtissin einige ältere Schwestern zu sich beruft. [...]
Haben die Schwestern den Kapitelsaal verlassen, so sollen diese die vorgeschriebenen Arbeiten vornehmen und sich mit Lesen oder Singen oder mit Handarbeit beschäftigen bis zur Terz. Nach der Terz soll die Messe gelesen werden, wozu ein Mönchspriester den Wochendienst hat. [...]
Auch nach der Messe sollen die Schwestern wieder zur Arbeit zurückkehren bis zur Sext; überhaupt sollen sie nie müßig sein, sondern jede soll arbeiten, was sie kann und muss. Nach der Sext soll man zum Essen gehen, falls nicht ein Fasttag ist. In diesem Fall soll man mit dem Essen warten bis zur None, in der großen Fastenzeit bis zur Vesper.
Zu keiner Zeit soll im Konvent das Vorlesen unterbleiben. Will die Äbtissin aufhören, so sage sie: es ist genug. Und alsbald sollen sich alle zum Dankgebet erheben. Im Sommer soll man nach dem Essen bis zur None im Dormitorium ruhen, nach der None wieder an die Arbeit gehen bis zur Vesper. Unmittelbar nach der Vesper wird das Abendessen eingenommen oder das Fastenmahl, je nach den Zeitumständen. Samstags findet vor dem Abendimbiß eine Reinigung statt, bestehend im Waschen der Füße und Hände. Bei dieser Verrichtung soll die Äbtissin thätig sein im Verein mit den Schwestern, welche den Wochendienst in der Küche haben. Nach dem Abendessen geht man alsbald zur Komplett; hierauf begiebt man sich zur Ruhe. [...]
Indem wir also zugleich die Auslagen und die Natur der Menschen berücksichtigen, verbieten wir von den Nahrungsmitteln überhaupt nichts, nur in allem das Übermaß. Wir setzen den Genuss von Fleisch und anderen Nahrungsmitteln aber auf ein solches Maß herab, dass die Enthaltsamkeit der Nonnen, trotzdem ihnen alles erlaubt ist, dennoch sich mehr bewährt als die der Mönche, denen einiges verboten ist. Und so wollen wir den Genuss des Fleisches in der Weise beschränkt wissen, dass im Tag nicht mehr als einmal davon gegessen werden soll; auch darf nicht ein und dieselbe Person mehrere Fleischgerichte erhalten, Gemüse sollen nicht hinzugefügt werden und nicht öfters als dreimal in der Woche soll Fleisch erlaubt sein, nämlich am ersten, dritten und fünften Wochentage. [...]
Was die Fasten betrifft, so mag für die Schwestern die allgemene kirchliche Ordnung genügen; wir wollen sie in diesem Stück nicht schwerer belasten als die gläubigen Laien auch belastet sind. [...]
Auf dem bloßen Leib sollen die Schwestern reine Hemden tragen, und auch in denselben schlafen. Auch wollen wir in Anbetracht ihrer schwachen Natur den Gebrauch von Matratzen und Bettüchern nicht verbieten. Jede aber soll für sich schlafen und essen. Keine soll sich beschweren, wenn Kleider oder sonstige Dinge, die ihr von andern überlassen wurden, einer Schwester zugewiesen werden, die sie mehr nötig hat. Vielmehr soll sie sich darüber freuen, dass ihr die Bedürftigkeit ihrer Schwester eine Gelegenheit zum Almosen gegeben hat, und soll daran denken, dass sie nicht für sich, sondern für andere lebt. Wo nicht, so gehört sie auch nicht zu der heiligen Genossenschaft und ist schuldig des Frevels, eigenen Besitz zu haben.
Zur Bekleidung des Körpers scheint uns zu genügen ein Hemd, ein Pelz, ein Gewand, und wenn es sehr kalt ist, darüber ein Mantel. Diesen können die Schwestern beim Schlafen auch als Decke benutzen. Wegen des Ungeziefers und wegen notwendiger Reinigung sollen alle diese Kleidungsstücke doppelt gehalten werden, so wie Salomo in seinem Lob der wackeren und sorgsamen Hausfrau sagt: »Sie fürchtet ihres Hauses nicht vor dem Schnee, denn ihr ganzes Haus hat zwiefache Kleider.¬´ Die Kleider sollen der Länge nach nicht weiter als bis zum Absatz reichen, damit kein Staub aufgewirbelt wird. Die Ärmel sollen nicht länger sein als Arm und Hand zusammen. Die Beine und Füße sollen mit Schuhen und Strümpfen bekleidet sein, und nie sollen die Schwestern barfuß gehen, auch nicht unter dem Vorwand der Frömmigkeit. Für die Betten genügt eine Matratze, ein Polster, ein Kissen, eine Decke und ein Leintuch. Auf dem Kopf sollen die Schwestern eine weiße Binde tragen, darüber einen schwarzen Schleier, und wo es nötig ist, auf der Tonsur eine Mütze aus Lammfell.
Aber nicht allein bei Nahrung und Kleidung soll alles Überflüssige gemieden werden, sondern auch an den Gebäuden und sonstigen Besitzungen. [...]
Darum, wer in Ruhe und Ehrbarkeit leben, für den Dienst des Herrn Zeit behalten und vor Gott und den Menschen wohlgefällig sein will, der scheue sich zu sammeln, was er nicht unterhalten kann und rechne bei seinen Ausgaben nicht auf den Geldbeutel anderer Leute; er trachte danach, Almosen auszuteilen, nicht einzusammeln. [...]
Darum wollen wir keine zu große Gemeinschaft sammeln, deren Bedürfnisse uns Gelegenheit geben, ja uns nötigen, auswärts zu gehen; wir würden sonst andere gewinnen und selber dabei Schaden nehmen nach Art des Bleis, dass sich verzehren lassen muß, damit das Silber im Tiegel erhalten bleibt. Fürchten wir uns vielmehr davor, dass nicht Blei und Silber zugleich vom heftigen Feuer der Anfechtungen verzehrt werde. [...]
Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise, 8. Brief [30], S. 203-289.

[327]
Bernold v. St. Blasien über die religiöse Laienbewegung im ausgehenden 11. Jahrhundert
a. 109 1. [...] In diesen Zeiten war gemeinsames Leben im Reiche der Deutschen an vielen Orten in Blüthe, nicht allein bei Geistlichen und Mönchen, die in größter Frömmigkeit ein gemeinsames Leben führten, sondern auch bei den Laien, welche sich und ihre Güter zu ebensolchem Leben demüthigst anboten, und obwohl sie der Kleidung nach nicht als Geistliche oder Mönche erschienen, diesen dennoch, wie man glaubt, keineswegs an Verdiensten nachstanden. Denn sie machten sich für den Herrn zu Knechten derselben, ihm nacheifernd, der nicht gekommen ist dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene; der auch die, welche ihm nachfolgen, gelehrt hat durch Diensterweisung zur Erhöhung zu gelangen. Da sie nämlich der Welt entsagten, begaben sie sich mit ihren Gütern demüthigst zu den Genossenschaften der Geistlichen und Mönche, welche nach einer Regel leben, um in Gehorsam gegen diese mit ihnen gemeinsam zu leben und ihnen zu dienen gewürdigt zu werden. Deshalb hat die Missgunst des Teufels gegen den hoch bewährten Wandel selbiger Brüder einige Feinde erweckt, welche an ihrem Leben mit böswilligem Zahne nagten, obwohl sie dieselben nach dem Vorbilde der ursprünglichen Kirche gemeinsam leben sahen. Aus diesem Grunde hat der Herr Papst Urban ihren Wandel, der von den Aposteln selbst begründet, von ihren Nachfolgern aber weit verbreitet worden war, kraft apostolischer Vollmacht durch ein Dekret bestätigt und das Dekret selbst den Vorgesetzten derselben Brüder mit folgenden Worten anzeigen lassen: »Wir haben erfahren,« sagt er, »dass Einige die Sitte eurer Klöster schmähen, nach welcher ihr Laien, die der Welt entsagen und sich und ihre Güter zu gemeinsamem Leben begeben, zur Leitung im Gehorsam annehmt. Weil wir aber diesen Wandel und diese Gewohnheit, wie wir sie mit unsern Augen gesehen haben, für löblich und desto mehr ewiger Beibehaltung für sehr würdig halten, je mehr sie in die Form der ursprünglichen Kirche gegossen ist, so billigen wir sie, nennen sie heilig und katholisch und bestätigen sie nach apostolischer Vollmacht in gegenwärtigem Briefe.« Aber nicht allein eine unzählbare Menge von Männern, sondern auch eine gleich zahllose von Frauen hat sich in diesen Zeiten an ein derartiges Leben gemacht, um in Gehorsam gegen Geistliche oder Mönche in Gemeinschaft zu leben und ihnen den Zoll täglichen Dienstes nach Art der Mägde demüthigst zu entrichten. Selbst auch auf den Dörfern bestrebten sich zahllose Bauerntöchter der Ehe und der Welt zu entsagen und in Gehorsam gegen irgend einen Priester zu leben, und nicht minder hörten sogar die Ehegatten nicht auf, geistlich zu leben und den Geistlichen mit der äußersten Demuth zu gehorchen. Ein derartiger Eifer blühte aber vorzüglich geziemend überall in Alemannien, in welchem Lande sich sogar viele Dörfer vollständig dem geistlichen Leben ergaben und gegenseitig sich mit der Heiligkeit der Sitten zu übertreffen unaufhörlich sich bestrebten. So hat Gott in der gefährlichsten Zeit seine heilige Kirche wunderbar zu trösten gewürdigt, damit sie, die schon lange über den Abfall der Gebannten zu trauern nicht aufhörte, über die Bekehrung vieler sich freue.
Die Chronik Bernolds von St. Blasien [464], S. 68-70.

[328]
Bettelorden und Frauenklöster im 13. Jahrhundert, um 1290
7. Auch die Predigermönche errichteten einige Frauenklöster in Deutschland, welche nachmals in allen Dingen löblichen Fortgang hatten. Und zwar sollen dieselben nach der Väter Erzählung auf folgende Weise ihren Anfang genommen haben. Als die Predigermönche zuerst nach Deutschland kamen, fanden sie einzelne Frauen, welche bei Kapellen ein Einsiedlerleben führten: diese vermehrten sie und bildeten so Frauenklöster. Zuweilen nahmen sie auch arme Schwestern, das sind Frauen, welche in irgend einer Weise ein geistliches Kleid trugen, auf, siedelten dieselben an einem bestimmten Orte an und errichteten mit ihnen Nonnenklöster. Zuweilen nahmen sie auch Witwen oder edle und reiche Jungfrauen an und errichteten mit ihnen adeliche Stifter. Diejenigen aber, welche sie begründet, nahmen löblich zu an Religion, an Reichthümern und Ehren und an allen anderen Dingen. Es trugen aber ihre Nonnen sämmtlich weiße wollene Hemden auf der Haut, lange und weite Untergewänder, lange, breite Brusttücher und lange Mäntel; die Obergewänder fertigten sie von Leinen und weit, die Schleier mäßig und von mittlerem Gewebe, die Gürtel von weißem Wollenzeuge; sie gebrauchten Messer und Tafeln, trugen Stiefel oder Frauenschuhe. All ihre Kleider, Kissen und Kopfkissen, ihre Speise und ihr Trank waren mittlerer Art, nicht kostbar, aber auch nicht dürftig. Des Geschmälzten und des Fleisches enthielt sich der Konvent. Jedes dieser Klöster hatte eine Priorin, welche in den inneren und äußeren Angelegenheiten die Oberleitung hatte, eine Unterpriorin, welche dem Innern vorstand, eine Schaffnerin, welche über Spenden und Zahlungen, über Einnahmen und Ausgaben genau Buch führte und Rechnung darüber ablegte. Wollte eine Frau bei ihnen eintreten, so übergab sie der Priorin ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen, um das sie sich von nun an nicht mehr zu bekümmern hatte. Im Orden zu bleiben, musste sie eine Probezeit durchmachen: missfiel ihr das Leben, so konnte sie mit ihrem ganzen Vermögen zurückgehen; missfiel sie dem Konvent, so erhielt sie dasselbe vollständig zurück. Fiel sie dagegen nach dem Jahr des Professes ab, so konnte sie von ihrer Habe nur aus Gnaden etwas wiedererlangen. So lange sie arm waren, nahmen sie meist Frauen mit Vermögen, als sie reich geworden waren, Personen ohne solches auf. Einige von diesen Klöstern gaben alle ihre Grundstücke den Bauern gegen jährlichen Zins zur Bewirthschaftung, und trieben den Zins jedes Jahr durch Laienbrüder und Beginen, durch Knechte und Mägde ein. Andere aber ließen ihre Ländereien durch ihre Laienbrüder bewirthschaften, regierten durch ihre Laienbrüder Höfe und Ländereien und wandten die größte Mühe auf. Sie leiteten aber alles dies durch das Fenster, da sich die Predigermönche um ihre weltlichen Angelegenheiten durchaus nicht bekümmerten: durch das Fenster sprachen sie, mit wem sie wollten, durch das Fenster sahen sie und wurden sie von den außen Stehenden gesehen. So nahmen diese Schwestern trefflichen Fortgang. Einige aber ärgerten sich daran. Diese riethen dem Bischof von Straßburg, er möchte sich in die Verhältnisse jener Frauen einmischen: ihm stehe, behaupteten sie, die Leitung über dieselben zu, da sie von keines Ordens Regel ihren Ausgang genommen hätten. Der Bischof gab diesem Rathe nach, sandte einige ehrbare Domherren zu den genannten Frauen und ließ ihnen verkünden, sie sollten seinen Domherren an seiner Statt in allen Dingen Gehorsam leisten: er sei ihr ordentlicher Richter und müsse sowohl in zeitlichen als in geistlichen Dingen für sie sorgen. Die Schwestern antworteten den Domherren Folgendes: »Wir wissen, ihr Herren, dass wir euch und eurem Bischof gehorsam zu sein schuldig sind, aber in wie weit und in welchen Fällen, wissen wir nicht. Daher bitten wir euch unterthänig, dass ihr eure Gewalt über uns so lange ruhen lasst, bis wir ausfindig machen können, in welchen Fällen wir euch zum Gehorsam verpflichtet sind.¬´ Die Domherren gaben den Bitten der Schwestern nach und ließen sie in ihrer Freiheit wie früher bestehen. Darnach riethen die Predigerbrüder jenen Schwestern, sich mit Briefen ihrer Verwandten so schnell als möglich an den Papst zu wenden, um von diesem und den Kardinälen die möglichste Freiheit zu erlangen. Sie folgten diesem Rathe und wandten sich an die Kurie: fast aus jedem Kloster machten sich zwei Schwestern dahin auf den Weg. Und durch Vermittlung des Bruders Johannes, des Bischofs und Meisters der Predigermönche, erlangten sie, was sie von Papst und Kardinälen erbaten. [...]
Denn der Papst übergab sie dem Meister des Ordens der Predigermönche und einverleibte sie diesem Orden, dass sie sich aller Privilegien desselben erfreuen sollten, sowohl der schon gegebenen als der in Zukunft noch zu gewährenden.
8. Auch die Minderbrüder richteten aus ihrem Orden Frauenklöster ein, die ebenfalls in allen Dingen guten Fortgang nahmen. Jene Brüder schlossen ihre Schwestern so ein, dass diese selten oder nie ausgehen konnten. Aus dem Kloster durften sie mit den Leuten sprechen, gesehen aber wurden sie dabei nicht. Sie sprachen nämlich durch ein viereckiges Fenster, das drei oder vier Fuß hoch war. Dieses Fenster war mit einer eisernen Platte verwahrt, die nur wenige kleine Löcher hatte. An der Platte waren vielfach Nägel von der Länge eines Fingers angebracht, die verhinderten, dass jemand das Auge an die Löcher legte. Diese wurden überdies von innen noch durch ein schwarzes leinenes Tuch bedeckt. Wurde eine Frau in ein solches Kloster aufgenommen, so stieg sie auf einer hohen Leiter hinan, und trat so durch eine angemessene Thür in das Kloster. Jedes Kloster hatte eine Äbtissin, welche die übrigen Schwestern in der Übung der Regel unterrichtete. Die Speisen wurden vor dem Kloster gekocht und dann den Schwestern hinein geschickt. Draußen wohnten bald zwei, bald mehrere Brüder vom Orden der Minderbrüder, von denen der eine die geistliche Obhut hatte, der andere die weltlichen Dinge regelte und den Lebensunterhalt besorgte. Laienbrüder und Laienschwestern oder Beginen, Knechte und Mägde hatten sie in großer Zahl: diese besorgten Äcker und Weinberge und verrichteten andere Dienste.
Die Zustände des Elsasses im Beginn des 13. Jahrhunderts [560], S. 128-131.

[329]
Berthold von Bombach: »Aus dem Leben der seligen Luitgart, der Stifterin von Wittichen«, vor 1356
Zu denselben Zeiten, da das Kind gar jung war, herbergten auf einer Durchreise arme geistliche Leute in ihres Vaters Haus. Die lobten gar sehr das geistliche Leben und sprachen davon, was für Tugend und Seligkeit darin liege und wie wohl den Leuten wäre, die das Himmelreich mit geistlichem Leben verdienten. Als dies das Kind hörte, ward ihm weh zumute, und es hatte großen Jammer nach dem geistlichen Leben, um damit das Himmelreich zu verdienen. [...]
Als es zwölf Jahre alt war, bat es Vater und Mutter, sie sollten ein Beginlein oder ein Schwesterlein aus ihm machen. Die Eltern sahen seinen großen Ernst und taten ihm also nach seinem Willen. [...]
Am Katharinentag [25. Nov.1 ward ihr Herz angespornt, der ersten Stimme zu folgen, die sie ein Haus bauen hieß. Sie kehrte sich mit ganzem Ernste zu Gott und sprach: »Mein Herr und mein Gott, wenn es dein ernster Wille ist, dass ich das Haus bauen soll, so gib mir zu verstehen, wie ich es anfangen soll.« Lange lag sie in ihrem Gebete, und nun ward ihr Ernst also groß, dass sie vom äußern Menschen gezogen und verzückt wurde. Da wurde sie in eine Wüste geführt und wusste nicht, wie oder wer sie führte, und sie kam an die Stätte, wo nun das Kloster ist. Sie schaute um sich und erblickte einen Mann an diesem Orte liegen, der sah in jeglicher Weise so aus, als ob er soeben vom Kreuze herab gekommen wäre. Er hatte alle die Zeichen und Wunden wie unser Herr am Kreuze.
Der Mann lag auf der Erde und glich ganz einem Menschen in den letzten Zügen. Da kam eine Frau, die war zerstoßen und zerschlagen, so dass sie viele Flecken in ihrem Antlitz hatte. Die Frau sprach zu ihrem Kinde: »Mein Kind, geh zu deinem Vater!« Da antwortete sie und fragte die Frau: »Bist du denn meine Mutter?« Die sprach: »Ja, ich bin deine Mutter, die Christenheit, und bin zerschlagen und zerstoßen mit bösen Worten und mit bösen Werken.« Und nun nahm die Frau sie bei ihren Händen und führte sie zu dem Manne, der dalag, und der wunde Mann sprach zu ihr: »Ich bin dein Vater Christus«, denn ich hatte ihn gefragt, ob er mein leiblicher Vater wäre, und ich sprach zu ihm: »Lieber Vater, ich wähnte, du hättest seit langem alle deine Arbeit überwunden und deine Wunden wären heil.« Da antwortete er mit klagender Stimme: »Liebes Kind, ich habe an mir selbst alle meine Not und Arbeit überwunden, du sollst aber wissen, dass ich an meinen Gliedern nie größere Arbeit und Leiden gewann.« Nun sprach ich: »Lieber Vater, ich möchte dir zu Hilfe kommen. Wie gerne tät ich's! Ich bitte dich, sag mir, was du von mir begehrst!« Da sprach er: »Ich begehre von dir, dass du deines eigenen Willens abstirbst und alle zergängliche Wollust verschmähst. Ich will, dass du an der Stelle das Haus anfangest, von dem ich dir nun schon lange gesprochen habe. Du sollst das Haus in meinem Namen anfangen, da will ich selbst Hauswirt drin sein, und du sollst nichts anderes als ein Brot darin sein.« [...]
[Eine neue Erscheinung mit Drohungen und Krankheit zwang sie endlich Hand ans Werk zu legen.] Sogleich fing sie an und nahm vierunddreißig Menschen zu sich in die Klause, in ein Haus, das dabei war. Sie ließ sie in dem Hause, und obwohl sie nicht mehr als fünf Heller hatte, begann sie ein Häuslein zu bauen und baute den ganzen Sommer durch bis zur Winterszeit. Inzwischen speiste unser Herr die Leute alle gar wunderbar mit Almosen. Und als sie das Häuslein gebaut hatte, nahm sie zur Winterszeit alle die Kinder zu sich und gab dem vordersten ein Kreuz in die Hand und von den andern jedem ein Heiligenbild vor das Herz, und so kamen sie alle zusammen auf die Hofstätte, wie sie unser Herr angewiesen hatte. Damals hat also unser Herr das Wunder gewirkt, dass man auf diese wilde Stätte, wo nur weites ebenes Erdreich war, ein Kloster setzte. [...]
Sie dingte Zimmerleute, als lägen die Pfennige auf einem Haufen da. Darnach ging sie in die Fremde und bettelte von Haus zu Haus, in Städten und Dörfern, trotz ihres kranken Leibes, damit sie den Zimmerleuten ihren Lohn und ihren Kindern Speise geben konnte. Was ihr Gott zukommen ließ, das sandte sie ihnen in den Wald, ob es nun klein oder groß war. [...]
Am Sankt Lukastag [ 18. Oktober] gingen sie in die Kirche, und sie und ihre Kinder empfingen unseren Herrn, und so bereiteten sie sich mit ihrem himmlischen Vater für den Wald vor. [...] Als sie in den Wald kamen, fanden sie das Haus gedeckt, aber sie hatten nichts, wovon sie leben konnten, außer was ihnen Gott schickte, und das war klein und wenig. Wenn sie nachts schlafen gingen, streuten sie Stroh aus und legten sich darauf, dabei mussten sie übereinander wegsteigen. Ihr großes Elend und ihre Armut ertrugen sie mit Geduld. Kam durch Gottes Huld ein Priester und wollte er die Messe lesen, so machten sie über einer Kufe einen Altar. War die Messe aus, so zündeten sie vor dem Altar ein Feuer an, liefen herzu und wärmten sich. Und da aßen sie, wuschen sich und pflegten jeglicher Notdurft bei dem Feuer. Es wurde ihnen nun auch ein Bretterboden mit einem Estrich aufgeschlagen, und da lagen sie alle beisammen auf der Bühne, Mann und Weib, mit großem Ungemach wegen der Notdurft, wenn sie der bedurften. Gegen Sankt Martinstag [l 1. November), da zog Gnade und Minne in die Kinder ein, so dass sie alle voll Gnade wurden. Waren sie beisammen und redeten sie von Gott, wurden sie sie voll Gnade, dass sie lachten und von göttlicher Minne fröhlich wurden, und dass sie taten, als hätten sie ihren Verstand verloren. Sie sprangen und sangen, eine lachte, eine weinte, eine dritte schrie mit lauter Stimme, und etliche schwiegen. Wer sie gesehen hätte, hätte gedacht, sie wären trunken, und sie waren es auch, sie waren trunken von demselben Tranke wie die Zwölfboten: vom Heiligen Geiste. [...]
In derselben Zeit machten sie große Übungen mit Bußen, Fasten und mit Wachen. Zwei Tage fasteten sie sehr mit Brot und Wasser. Der Imbiß war auf der Erde mit einer Wasserkanne. Da wurden sie alle ganz voll Gnaden, so dass die Schwestern am anderen Tische klärlich sahen, dass Christus bei jenen zu Tische saß. [...]
Da die liebe und selige Mutter wohl acht Jahre mit ihrem kranken und siechen Leibe alles besorgt hatte [...], hätte sie ihre Kinder gerne mit göttlicher und geistlicher Ordnung versehen [damit sie wie andere richtige Ordensleute lebten. Nach manchen Schwierigkeiten gelang ihr auch dieses].
zitiert nach.- Bühler: Klosterleben im Mittelalter [461], S. 381-386.

[330]
Bulle von Innozenz IV. für die dem Dominikaner-Orden unterstellten deutschen Frauenklöster, 1245
Innozenz, Diener der Diener Gottes, grüßt und vermittelt den apostolischen Segen den geliebten Töchtern in Christo, [...] der Priorin und dem Konvent des Klosters X. Die Fürsorge des apostolischen Stuhles muß die klugen Jungfrauen, die sich bereithalten mit angezündeten Fackeln, dem Verlobten entgegenzugehen, mit um so angemessenerem Liebeseifer begleiten, desto größere Fürsprache sie wegen der Gebrechlichkeit ihres Geschlechtes nötig haben, wie man weiß. Wenn ihr also - so wie es von eurer Seite vorgeschlagen worden ist - [...] dem General und Provinzial jenes deutschen Ordens selbst unterstellt zu werden, zu erreichen sucht, so [...] sind wir den Bitten eurer Frömmigkeit geneigt und unterstellen euch und euer Kloster der Autorität des derzeitigen Generals und Provinzials. [...] Außerdem setzen wir fest, dass [...] ihr jene Privilegien genießt, die dem oben genannten Orden vom apostolischen Stuhl zugestanden worden sind und in der Zukunft zugestanden werden. [...] Und sie (der Ordensgeneral und Provinzial) sollen sich persönlich oder anderen Brüdern ihres Ordens, die sie als dafür geeignet halten, die Pflicht auferlegen, sooft es förderlich ist, das Kloster zu visitieren, wobei sie ebendort an Haupt und Gliedern berichtigen und erneuern sollen, was ihrer Meinung nach der Berichtigung oder der Erneuerung bedarf. Und desgleichen sollen sie je nachdem einsetzen und absetzen, verändern und anordnen, wie es bei anderen Nonnenklöstern desselben Ordens zu geschehen pflegt. Doch die Wahl der Priorin soll in der Freiheit des Konvents stehen. Sie sollen eure Beichten hören und euch die kirchlichen Sakramente reichen. Und damit nicht, weil die Brüder desselben Ordens nicht verpflichtet sind, ständig in eurem Kloster anwesend zu sein, aus Mangel an einem Priester eine Gefahr entsteht, sollen der obengenannte General und der Provinzial euch in dringenden Fällen, geeignete Kapläne schicken, um die Beichte zu hören und euch die obengenannten Sakramente zu spenden. Außerdem soll es euch erlaubt sein, Einkünfte und Besitzungen zu behalten und diese frei zu verwalten, obwohl dem sowohl Brauch wie auch Statut des Ordens entgegenstehen. [...]
Übertragen nach: Grundmann: Religiöse Bewegungen im Mittelalter [573], S. 272f.

[331]
Auseinandersetzung zwischen der Äbtissin T. von Andernach mit Hildegard von Bingen über die Aufnahme von Nichtadligen ins Kloster, ca. 1150/70
Abtissin T. von Andernach an Hildegard
Ferner, und das scheint uns nicht minder wunderbar als alles Vorhergehende, führt Ihr in Eure Genossenschaft nur Frauen von angesehenen Geschlechtern und von Stand ein. Auch darüber verwundern wir uns höchlichst. Dennoch wissen wir, dass Ihr dies aus einem vernünftigen Grunde tun werdet, da Euch doch gar wohlbekannt ist, dass der Herr selbst in die erste Kirche Fischer und einfache, arme Leute erwählte. Der heilige Petrus sagte ja zu den später bekehrten Heiden: »Ich habe in Wahrheit erfahren, dass bei Gott kein Ansehen der Person gilt.« Überdies seid Ihr gewiss nicht der Worte uneingedenk, die der Apostel zu den Korinthern spricht: »Nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern was in dieser Welt niedrig und verächtlich ist, hat Gott auserwählt.« - Wir haben nach unserem Vermögen alle Vorschriften der früheren Väter, nach denen sich alle, am meisten die geistlich Gesinnten richten sollen, fleißig erforscht, wissen aber, dass auch Eure Vorschriften durchaus richtig und heilig sind. Die große Neuartigkeit Eures Vorgehens, o verehrungswürdige Braut Christi, geht unvergleichlich weit über die Fassungskraft unserer Wenigkeit hinaus und erfüllt uns mit nicht geringer Verwunderung. Und so freuen wir unbedeutenden Frauenzimmerchen uns mit Euch herzlichst über Eure Fortschritte, möchten aber doch in dieser Sache von Euch etwas Genaueres erfahren; deshalb beschlossen wir, einen Brief an Eure Heiligkeit zu richten, und bitten hiermit demütig und ergebenst, Eure Würde möge geruhen, uns nächstens zu antworten, wie der Orden durch jene Einrichtungen gewinnen kann. Lebet wohl und seid unser eingedenk in eueren Gebeten!
Hildegard an Äbtissin T. von Andernach
Gott unterscheidet auch, macht Unterscheidungen bei jeder Person, so dass der mindere Rang nicht über den höheren emporsteige, wie Satan und der erste Mensch taten, die höher fliegen wollten, als sie gestellt waren. Welcher Mensch würde wohl seinen ganzen Viehstand in einen Stall versammeln, Ochsen, Esel, Schafe, Böcke, ohne sich dadurch Schaden zu tun? Deshalb soll auch in diesem Falle, im Klosterleben, eine Sonderung stattfinden, damit nicht verschiedenartiges Volk, zu einer Herde vereinigt, im Stolz der Überhebung und wegen der Schmach der Ungleichheit zerspalten werde, und vorzüglich damit nicht die Ehrbarkeit der Sitten zerstört werde, wenn sie sich in gegenseitigem Hasse zerfleischen, indem ein höherer Rang über einen niederen herfällt oder der niedere sich über den höheren erheben will. Auch Gott hat unter dem Volke auf Erden Unterschiede festgestellt, und ebenso im Himmel, wo er Engel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Cherubim und Seraphim sonderte. Diese alle werden Non Gott geliebt, haben aber dennoch keine gleichen Bezeichnungen. [...]
Dieses ist vom lebenden Lichte gesagt worden, und nicht von einem Menschen. Wer es hört, der sehe und glaube, woher es kommt.
zitiert nach: Oehl: Deutsche Mystikerbriefe des Mittelalters [525], Nr. 37 f., S.97-99.

[332]
Hermann Weinsberg über den Klostereintritt seiner Töchter Entgin und Anna, 2. Hälfte 16. Jh.
Am 1. Mai 1566 sind meine Mutter, meine Hausfrau und meine Schwester Maria mit mir und meiner Tochter Entgin von Weinsberg im Konvent zu Maria Bethlehem in der Reimersgasse gewesen, in der Absicht, mit der Mutter Oberin und mit dem Konvent zu verhandeln, ob sie Entgin in den Orden und ins Kloster aufnehmen wollten. Sie sind Franziskanerinnen und tragen hellgraue Kleider und schwarze Schleier. Entgin hatte schon lange begehrt, man solle sie in ein Kloster tun, und meine Mutter und die beiden Frauen meiner Brüder hatten ihr schon lange gesagt, es solle sich wohl bedenken, worauf es immer geantwortet, es sehe in der Welt nichts anderes als Widerwärtigkeit, große Sorge und Sklaverei, und es begehre in ein Kloster, da könne man Gott besser dienen. Also sagten sie es mir an und ich sagte, es solle zu Gott beten, was ihm selig sei, und was ich dann tun könne, wolle ich gerne tun und wäre mir eine große Freude, dass es zum geistlichen Stande geneigt wäre. Ich sagte auch, wenn es schon in ein Kloster gehen wolle, so wäre mein treuer Rat, dass es in die Reimersgasse ginge; dort wohne jetzt meine Schwester Feigin und meine Nichte Halveren, und wäre das Kloster von meinen Verwandten mitbegründet und bewohnt; auch könne es daselbst von mir und anderen Freunden um so häufiger besucht und angesprochen werden und hätte mehr Gunst und Vorteil als in andern Klöstern. Sonst wäre es wohl für die Weißen Frauen geneigt gewesen, da hat meine Schwester Kathrin ein Töchterchen drin, zur Probe, und wenn auch dort und in andern großen Klöstern viele trefflichen Jungfern seien, so besorgte ich doch, man würde es dort nicht achten, auch weil es nicht ehelich wäre.
Und wie es meine Meinung vernahm, gefiel ihm das Konvent in der Reimersgasse. Meine Schwester Maria tat auch ihr Töchterchen Maria dort hin, zur Probe. Ich schickte Wein und Kost hin und wir wurden zunächst der Sache einig, nämlich, ich solle Entgin kleiden, ausrüsten und ihm alles geben, wie es im Konvent bräuchlich sei; zudem sollte ich im ersten Jahr für die Kost zehn Taler geben und alle Jahre weiter zehn Taler, und wenn ich nicht mehr wäre, fünf Taler erblich oder statt dessen hundert Taler. Und so haben wir uns am 1. Mai verabredet. Entgin ist mit uns heimgegangen, am fünften Tag darnach, auf Sonntag Jubilate, ist sie hingegangen, in der Absicht darin zu bleiben, und Maria von Ordenbach, ein Mädchen von zehn Jahren, meiner Schwester Tochter, ist auch im Kloster geblieben, sich zu versuchen. Gott lasse es zu der Seelen Heil geschehen. Entgin war gerade erst zwanzig Jahre alt. [...]
Am 27. April 1567 auf den Sonntag Cantate ist Anna von Weinsberg, meine Tochter, geistliche Braut geworden und im Konvent Maria-Bethlehem in der Reimersgasse eingekleidet worden. Sie war zuerst mit weltlichen Kleidern angetan, hatte einen blutsfarbenen Rock an mit einer breiten Samtleiste, ein Schildchen aus Perlen und Perlengürtel und Halstuch, auf dem Haupt Perlenschnüre und Bänder und das Haar im Nacken. Mein Bruder und Schwager auf dem Neumarkt geleiteten die Braut aus des Paters Haus in die Kirche, sechs Paar Jungfern und gezierte Kinder gingen voran und die Frauen folgten nach, darnach die Männer. Herr Johann Broichusen, Kanonikus zu St. Mariengraden, der Pater, las die Messe mit zwei Priestern, die Jungfern sangen die Messe, und während der heiligen Messe wurden Annen die weltlichen Kleider abgetan und die grauen angetan mit dem Schleier, alles mit den gewöhnlichen Zeremonien. Darnach gingen die Freunde in den Speisesaal im Kloster, da waren drei lange Tische zugerüstet, woran sich die Freunde und Konventschwestern setzten, und man richtete auf jeder langen Tafel mit fünf Schüsseln an, erst Rindfleisch, Hammelkeule, dann Hammelfleisch und Pfeffer, dann Gebratenes, Hasen, Lammfleisch, Hammelfleisch, Hühner und junge Hühner, zuletzt Mandeln, Gebackenes und Krebs. Wir hatten auch guten Wein, ein Ohm und drei Viertel, auch Ratswein, und ein halbes Ohm Weißpfennigsbier; auch hatten wir ein Positiv und das spielte ein Jüngling, und tanzten und waren fröhlich.
Wir hatten alle einen Jesus gegeben, war kein schönerer im Kloster, mit einem schwarzen Sammetrock, darauf waren köstliche goldene Blumen aufgenäht, hatte ein Halsband mit einem goldenen Kreuz, darinnen war Heiltum vom Kreuz Christi, von der Erde, worauf er Wasser und Blut geschweißt, vom Grab Christi, von den elftausend Jungfern und anderes Heiltum, wie innen drin auf einem Zettelchen aufgeschrieben war. Dies Kreuz hat vor Zeiten ein edler Ritter in den Kriegen am Hals geführt. Der Jesus hat viel gekostet, meine Hausfrau hat's vorgelegt und noch nicht mit mir abgerechnet. Darnach um fünf Uhr nach der Vesper sind die Freunde auf der Braut Kammer gegangen und haben ihr da ehrliche Geschenke gegeben. Gott dank' es allen guten Freunden. Und die Freunde sind den Abend schier alle dageblieben zum Essen und fröhlich gewesen. Und am andern Tag und den Tag darauf sind wir, meine Mutter, Schwester, Brüder, Schwager und etliche Freunde wieder im Kloster gewesen, haben gegessen, getanzt und sind fröhlich gewesen. Und ich hab' der Mutter und dem Konvent zehn Taler bezahlt, weil Anna ein Jahr dagewesen war, für die Kost dieses ersten Jahres, das auf den Maitag aus- und angeht.
Hässlein: Das Buch Weinsberg [3 10], S. 331 f., S. 345 f.

[333]
Der Versorgungscharakter eines Nonnenklosters nach der Klosterchronik von Stederburg, um 1200
Gegründet ist die Kirche in Stedereburch von der ehrwürdigen Frau Friderunde, des Grafen Altmann und der Hadewig von Alsburg Tochter, welche aus dem Raubschlosse ein Kloster machte für den Sohn der Jungfrau, auf Antrieb des Bischofs Bernward von Hildensem, unter Kaiser Heinrich II. [...]
Von diesem Mädchen mit guten Anlagen und ihrer verehrungswürdigen Mutter geschah die erste Schenkung gesetzlicher Ausstattung an Erbgut, dessen Summa 240 Hufen ist, mit Knechten, Gehöften, Wäldern, Hainen, Weiden, Wiesen, Wassern und Wasserläufen, Fischereien, Mühlen und Mahlstellen und den Gerechtigkeiten derselben.
Nachdem diese Gott geweihte Jungfrau das Kloster gegründet und alles herrlich geordnet hatte, nahm sie das Klostergewand und hat sich mit allen ihren Schätzen dem allmächtigen Gotte, dem heiligen Jakobus und dem heiligen Christophorus als unbeflecktes Opfer dargebracht, darauf das Gut mit den unten geschriebenen Kapellen sammt Dörfern und allem Zubehör bereichert. Auch alle Liten, Lehnsmannen und Amtleute, welche sie nach Erbschaftsrecht besaß, hat sie unserem Herrn unterworfen, und mit dem was zum Ruhme dieser Welt gehört, mit Truchsessen, Schenken, Marschallen, Rittern und Dienstmannen nach der Weise der Fürsten unsere Kirche aufs Herrlichste geziert. [...]
Es gab aber einen Bürger in Goslar Namens Luder, einen Mann von großer Gläubigkeit und Frömmigkeit, der seine Tochter Gertrud, welche seine einzige Erbin war, zum Zweck der Erziehung in weltlichem Kleide, damit sie in guter Zucht befestigt würde, im Frauenkloster unterbrachte, damit sie nicht etwa nach dem Tode der Mutter, weil sie diese nicht mehr zur Wächterin haben konnte, während ihres Aufenthaltes in seinem Hause leicht durch die Lockungen der Welt auf einen Abweg geführt würde. Daher, weil er ein Mann von guter Einsicht war, erachtete er es für anständiger, sie durch die Sorgfalt der Jungfrauen erziehen zu lassen, als seiner eigenen Obhut sie anzuvertrauen, bis er sie, wenn sie zu mannbaren Jahren gelangt wäre, dem Bette eines Mannes nach seiner Wahl übergäbe. Da das Mädchen nun von guten Anlagen war, schlug sie löblich die Bahn guter Vorsätze ein und begann allmählich ohne menschliche Ermahnung die Reizungen der Welt hintanzusetzen, und wenn sie hörte, dass etwas in Bezug auf Ehrbarkeit des Lebens von Anderen geschehen sei, mühte sie sich in ihrem Verlangen es zu erfüllen. Als sie so eine Zeit lang bei uns sich aufgehalten hatte, begann sie demüthig vor Gott zu werden, und zeigte offen, was sie innen trug, und am Feste der heiligen Cäcilia hat sie, gleichsam durch das Beispiel derselben angeleitet und überdies gestärkt durch den Geist der Tapferkeit, gegen den Willen ihres Vaters, der nach menschlicher Art gehofft hatte, durch die Kinder seiner Tochter erfreut zu werden, und den Abschreckungen der Freunde und Bekannten zum Trotz, alles vertrauensvoll weggeworfen, was sie von der Mutter und durch Schenkung des Vaters hatte, und ihr Gold und ihre kostbaren Edelsteine auf den Altar gelegt. Darnach hat sie sich freudig, Ruhm dir, o Christ! Gott und der heiligen Maria und dem heiligen Jakobus und dem heiligen Christophorus als beständige Magd dargebracht und öffentlich vor Allen die Verachtung der Welt bekannt. Damals erst, da die Liebe zur Tochter ihn antrieb, hat der Vater die Zuneigung, welche er gegen unsere Kirche einfach getragen, doppelt gezeigt, und wenn er unserer Kirche irgend etwas an Dienstleistung oder Vortheil sowohl durch sich als durch andere verschaffen konnte, aufs Treueste sich bemüht; er hat uns viel geschenkt und ist unserer Armuth öfters trefflich zu Hülfe gekommen. Als er nach selbiger Zeit das Grab des Herrn besuchen wollte, übergab er alles, was er an liegenden Gründen oder beweglichem Vermögen hatte, unserer Kirche und setzte sie in allen diesen Dingen als seine Erbin ein. So reiste er ab, kehrte mit Gottes Hülfe glücklich zurück und beharrte in seiner Ergebenheit gegen die Kirche, wie er begonnen hatte. [...]
Ungefähr zur selben Zeit hat auf Betrieb des Herrn Bischofs Hermann Bertold von Scartvelde seine Tochter, Namens Berta, in unserem Kloster untergebracht und zwei Hufen in Badesleve und eine Mühle in demselben Dorfe uns geschenkt. Um dieselbe Zeit bestimmte Ludolf Graf von Peine seine Tochter dem Dienste Gottes und schenkte uns Geld, wovon der Propst vier Hufen in dem Dorfe, welches Klein Svulbere [Kl. Schwülper] heißt, von einem freien Manne Reinold gekauft hat, und vor vielen Zeugen wurde diese That bestätigt in Gegenwart des Grafen Ludolf selbst. Als nun Herr Bischof Hermann guten Andenkens starb und ihm Herr Adhelhog folgte, wollte aüf seinen Antrieb der genannte Bertold von Scartvelde eine andere Tochter Machtild ebenfalls ins Frauenstift haben und schenkte der Kirche ebenfalls zwei andere Hufen in Badesleve, und so hatte unsere Kirche daselbst vier Hufen mit Gesinde und anderen Nutzungen und eine Mühle, zu deren Loskauf der Propst dreizehn Mark zahlte.
Klosterchronik von Stederburg [504], S. 4, S. 6f., S. 20 - 23.

[334]
Gründe für den frühzeitigen Klostereintritt von Mädchen nach der Chronik des Bickenklosters zu Villingen, um 1500
Als nun der ehrwürdige Priester Johannes Boer wie auch die Großmutter des Kindes Ernst und Zucht ersahen, worauf sie mit besonderem Aufmerken achtgaben, [...] waren sie bedacht, solches zu einer andächtigen Person zu tun, nämlich in die Klause gen Reute, in welcher eine gottesfürchtige, ja selige Schwester war, damals genannt Betten (wie sie ja jetzt noch die gute Beda [Elisabeth] heißt).
Zu dieser heiligen Person brachten sie ihr Kind, welches nun neun Jahre alt war. Sie taten dies deshalb so früh, damit es die Eitelkeit desto weniger kennen lernte und nicht von ihr befleckt würde.
zitiert nach: Bühler: Klosterleben im Mittelalter [461], S. 389.

[335]
Erbverzicht einer Duderstädter Nonne, 15. Jh.
Das Kloster Teistungenburg erklärt, Elze Wolze, Tochter des Bürgers Heinrich Wolze, als Conventualin aufgenommen zu haben, nachdem diesselbe den Statuten der Stadt entsprechend auf ihren väterlichen und mütterlichen Erbteil verzichtet habe und dass es auch seinerseits Verzicht auf dasselbe leistet.
übertragen nach: Urkundenbuch der Stadt Duderstadt [547], Nr. 283, S. 191.

[336]
Klagelied über den erzwungenen Klostereintritt, 2. Hälfte 14. Jh.

  1. Wehe, meiner jungen Tage, sehnend erhebe ich meine Klage, dass man mich in ein Kloster zwingen will! Da sehe ich nimmer mehr Laub, Gras, Blumen noch grünen Klee, noch höre ich die kleinen Vögel singen. Das ist eine Not, meine Freude ist tot, weil man mich von meinen lieben Freunden trennen will und ich werde noch in diesem Leid sterben. Wehe, wehe meiner Klage, die ich heimlich für mich trage
  2. 2. Schwester, liebe Schwester mein! Wir sollen von der Welt geschieden werden. Das ist mein größter Schmerz. Ich soll nimmermehr einen Schapel tragen. So muss ich wohl aus gutem Grund klagen, denn ich würde gerne in der Welt bleiben. [...]
  3. Ich muss die Welt verlassen, denn es kommt der Augenblick der Trennung. Alle Freude muss mir verhasst werden: Tanzen, Springen, Frohmut, das Singen der Vögelchen. [...] Trügen die Vögel meinen Jammer, sie möchten wohl schweigen in dem Wald und anderswo, auf dem grünen Zweig. Wehe, wehe meiner Klage, die ich heimlich für mich trage

übertragen nach: Uhland: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder [248], Bd. 2, Nr. 327, S. 853 f.

[337]
Bericht über eine entlaufene Nonne in Wernhers der Gartenaere »Meier Helmbrecht¬´, 1237/90
Ihr habt immer noch nicht erfahren, / wie denn die Haube entstand. / Eine lebenslustige Nonne hatte sie genäht. / Diese Nonne war, vom Hofleben fasziniert, / aus ihrer Klosterzelle entflohen. / Mit ihr war es so gekommen, / wie es auch heute noch mit mancher Nonne geschieht: / mit meinen eigenen Augen sehe ich viele, / die der niedere Teil des Körpers verführt hat, / so dass dann auch der obere zuschanden wird.
Wernher der Gartenaere: Meier Helmbrecht [255], S. 1, 1- 13.

[338]
Statuten des Augustinerinnenklosters Stuben v. 1511
Wir, Richard von Gottes Gnaden Erwählter zu Trier, des heiligen römischen Reiches in Gallien und für das Königreich zu Arelaten Erzkanzler und Kurfürst, entbieten den ehrsamen und christlichen, unseren lieben andächtigen Frauenmeisterin, Priorin und ganzem Konvent des Jungfrauenklosters zu der Stuben, Sankt Augustins Ordens, unsere Gnad und alles Gute. Als wir auf Dienstag nach St. Bartholomäustag nächst vergangen in dem obgenannten Kloster mit dem würdigen und geistlichen unserem lieben andächtigen Johann, Abt zu Springiersbach, erschienen sind, und in den Irrungen, so zwischen euch geschehen und wir gänzlich verhört, einen Entscheid gegeben, wie ihr euch hinfürter im Chor, Tisch und anderem halten solltet. So haben wir demnach Gott zu Lob, dem Kloster zum Aufkommen und den Personen darinnen zum Trost dies geordnet und gesetzt, dass ihr, so jetztundt zu der Stuben seid und hernach hinkommen werden, also feststeht und unverbrüchlich halten wollet, als ihr im Eingang des Ordens geschworen habt und schwören werdet.
Zum ersten ist unsere Ordnung und Willen, dass ihr alle die Regula und Statuten des Ordens St. Augustini haltet.
Zu zweit, so ordnen und wollen wir, dass ihr nach Vermögen die sieben Tageszeiten und die Messe mit Andacht und den Solennitäten und Zeremonien, wie sichs gebührt, singet und haltet und keines unterlasset.
Wir ordnen auch das hinfürter, dass ihr alle, Meisterin, Klosterjungfrauen und Schülerinnen, wie von alters Herkommen ist, einen Tisch habet und beieinander esset, und so von der Meisterin des morgens oder abends geklopft wird, dass ihr alle in dem Refenterl oder Konventstuben erscheinet und Benedicite leset, und so das Gratias gesprochen, dass ihr in einer Prozession, die None zu singen, in den Chor geht, und nach dem Gratias zum Nachtessen, sollt ihr, complet zu singen, gen Chor gehen, und unter dem Essen morgends und abends soll durch der Klostersangfrauen eine zu Tisch gelesen werden.
Wir lassen auch zu, wenn je der Meisterin nicht gelegen sein würde, Geschäfte halber oder aus Leibesnotdurft zum Refenter zu kommen, dass sie in ihrem Gemach bleiben mag; die Meisterin soll auch ein besonderes Haus haben mit Gemach, darinnen sie morgends essen möge, und so sie zu rechnen hätte, selbiges darin traktiere und handhabe.
Wir wollen auch, dass von der Meisterin Mägde verordnet werden, die dienen und warten in der Küche und im Refenter, auch in der Kirche läuten und sonst tun, was von Nöten sein wird, und sollen dieselbigen Mägde im Kloster schlafen.
Wir ordnen auch, dass die Meisterin ein Gasthaus unterhalte für fremde ehrliche Gäste oder der Klosterjungfrauen Verwandte und Freunde, der sie nicht entraten mögen, dieselben darinnen zu traktieren, auf dass das Refenter und die Konventsstube damit unbelästigt bleibe, und dieselben sollen abends zur rechten Zeit außerhalb des Klosters schlafen.
Es soll auch ein Gemach außerhalb des Klosters verordnet sein, darinnen Werkleute, Boten, gemeine Gäste und Leute essen sollen. Fürder soll ein Siechhaus eingerichtet werden, darinnen der Kranken, wie es Ordensgewohnheit ist, zu warten. Desgleichen soll die Meisterin eine Schulmeisterin verordnen und derselben einen eigenen Platz geben, die Schülerinnen darinnen zu lehren.
Wir wollen und gebieten auch euch, dass ihr eure geistliche Kleidung nach Inhalt und Ausweis der Regula traget und euch enthaltet Samt- und Seidenkleider. Wir ordnen und wollen, dass keine der Klosterjungfrauen Mägde habe oder halte, es geschehe denn mit Willen des Abtes zu Springiersbach oder der Meisterin und zu Nutz des ganzen Klosters.
Desgleichen sollen die Jungfrauen auf ihren Zimmern kein eigen Feuer haben zum Kochen, aber zu ihrer Notdurft mögen sie sich ziemlichermaßen des Feuers auf ihren Zimmern gebrauchen. Wir wollen auch, dass die Priorin und alle Klosterjungfrauen der Meisterin Reverenz, Ehre und Gehorsam beweisen in Chor, Kirche, Kloster, Refenter und hinwiederum, dass die Meisterin die Jungfrauen gütlich und freundlich unterweise und halte und sie also miteinander in Einigkeit und Frieden leben.
Wir wollen, dass die Meisterin allein des Klosters Schlüssel habe und dass alle Abends im Sommer zu 9 und des Winters zu 7 Uhren das Kloster geschlossen und zugetan werde.
Gegeben zu Ehrenbreitstein im Jahre unseres Herrn 1511 an Sankt Quintini Tag, Richardus durch Gottes Gnade Erwählter zu Trier.
zitiert nach: Hilpisch: Aus deutschen Frauenklöstern [491], S. 104-108.

[339]
Aus der Lebensbeschreibung der heiligen Radegund, um 590
1] Der Reichtum unseres Erlösers zeigt sich überaus groß und feiert selbst in Frauengestalten Triumphe. Schwache Frauen zeichnet er mit lebensvoller Hochherzigkeit aus; verweichlichte Menschen macht er stark im Glauben. Die angeblich Schwachen werden mit Ehren gekrönt und mehren das Lob ihres Erlösers; Christus wohnt in ihnen, den zerbrechlichen Gefeßen, mit seinem ganzen Reichtum. Solche sterben der Welt und verzichten auf den Umgang mit irdischem Gut, sie verachten zeitliche Dinge und gehen nicht auf oberflächlichen Gewinn aus; sie gleiten nicht aus und suchen nur für Gott zu leben; sie weilen gleichsam schon im Paradies zur Ehre ihres Erlösers. Zu ihnen gehört die Heilige, deren Lebenslauf wir nach unserm Wissen aufzeichnen und der Allgemeinheit übergeben wollen. Die Erinnerung an ihre Verdienste soll auf der ganzen Welt gerühmt werden, denn ihr Leben war mit Christus eins. [...]
2] Die heilige Radegunde stammt aus fremdem Land: aus Thüringen. Ihr Großvater war König Bassinus, ihr Onkel väterlicherseits Hermenfried, ihr Vater König Bertharius. So nahe sie auch, gemäß ihrer königlichen Abstammung und hohen Herkunft, den Höhen der Welt stand um vieles wertvoller war ihre Lebensführung. Nur kurze Zeit blieb sie im elterlichen Hause. Bei einem feindlichen Überfall wurde das Land durch den Sieg der Franken verwüstet. Sie selbst zog gleich einer Israelitin aus ihrem Vaterlande fort. Uriter den Siegern, deren Beute das königliche Mädchen geworden war, entstand Streit um die Gefangene. Wäre sie nicht nach Beendigung des Kampfes einem bestimmten Manne zugesprochen worden, so hätten die Könige noch die Waffen gegeneinander erhoben. So kam sie in die Gewalt des Königs Chlothar; sie wurde nach Ateia in der Grafschaft Vermandois, einem königlichen Gut, geführt und den dortigen Lehrern zur Erziehung übergeben. Das Mädchen wurde neben den Arbeiten, die ihrem Geschlecht zukommen, in den Wissenschaften unterrichtet. Oft sprach sie zu ihren Gefährtinnen von ihrer Begierde nach dem Martyrium, wenn es sich so füge. So zeigte ihre Jugend bereits die Früchte des Alters an, die sie tatsächlich, wenigstens teilweise, erhielt: wurde sie doch von ihrer Umgebung bedrängt, obwohl die Kirche sich friedlicher Zeiten erfreute. Das Mädchen selbst, schon in frühen Jahren Gott geweiht, war bestrebt, alles, was sie an Speise übrig behielt, kleinen Kindern zu geben, die sie um sich gesammelt hatte, deren Gesicht sie selbst wusch und mit denen sie spielte.
3] [...] Als der genannte König in Vitry die Vorbereitungen getroffen hatte, sie zu heiraten, ließ er sie in der Nacht auf einem Schiff von Ateia fortbringen. Sie wurde nach Soissons geführt und zur Königin erhoben; sie mied jedoch, um nicht im Irdischen groß zu werden, den königlichen Prunk, ohne andererseits den zu enttäuschen, dem sie die irdische Ehre schuldete. Sie heiratete den irdischen Fürsten, ohne von ihrem himmlischen Herrn sich zu trennen. Je mehr irdischer Ruhm ihr angetan wurde, um so bescheidener wurde ihr Sinn, soweit es ihre Stellung zuließ, sie war Gott untertan und befolgte die Ratschläge der Priester, weil sie an Gott mehr teilhatte als an ihrem Gatten. Von dem Vielen, das sie in jener Zeit tat, wollen wir versuchen, ein weniges zu berichten.
4] Als Gattin des Fürsten fürchtete sie sich, in den Augen der Welt aufzusteigen und von Gott verstoßen zu werden. Darum widmete sie sich nach Kräften dem Almosengeben. Sie verteilte von allem, was von den öffentlichen Einkünften ihr zufiel, zuerst den zehnten Teil; was sonst übrig war, gab sie an die Klöster. Was sie zu Fuß nicht erreichen konnte, wurde durch Boten beschickt. Vor ihrer Freigebigkeit konnte sich nicht einmal ein Einsiedler verbergen. Alles, was sie empfing, verschenkte sie wieder, um sich keine Lasten aufzubürden. Vor ihr sprach keines Bedürftigen Mund vergebens; an keinem ging sie blind vorüber. Oft verschenkte sie ihre Kleider, weil sie unter einem ärmlichen Gewand die Glieder Christi verdeckt zu finden glaubte. Sie hielt für verloren, was sie den Armen vorenthielt. Wie sie so ihren Blick auf die Werke der Barmherzigkeit lenkte, ließ sie in Ateia ein Haus bauen und gute Betten aufschlagen, um bedürftige Frauen aufzunehmen. Sie selbst wusch diese im Bade, verband die Wunden der Kranken, wusch den Kopf der Männer und bediente, die sie vorher gewaschen hatte, sie gab ihnen eigenhändig zu trinken, um die Ermüdeten durch einen Trunk zu stärken. So hat sie, die hehre Frau, Königin von Geburt und Königin durch Heirat, Herrin im Königspalast, an den Armen wie eine Magd Dienste getan.
5] Bei Tisch nahm sie heimlich, um von keinem bemerkt zu werden, von ihrem mit Gemüse bedeckten Teller, der zwischen den königlichen Schüsseln stand, und aß so nach dem Beispiel der drei Jünglinge freudig Bohnen und Linsen. War die Zeit des Chorgebetes gekommen und man saß noch zu Tische, so entfernte sie sich, um Gott die Ehre zu geben. War sie hinausgegangen, um Gott Psalmen zu singen, so untersuchte sie zuvor sorgfältig, wie man draußen die Armen mit Speisen versorgt hatte. Ebenso zur nächtlichen Zeit, da sie mit dem Fürsten zu Bette lag, bat sie, um der leiblichen Notdurft willen aufstehen zu dürfen; sie erhob sich und verließ das Schlafgemach, doch ohne zum geheimen Ort zu gehen, und verrichtete ihre Gebete zu Gott, wobei sie sich nur ein Tuch umgeschlagen hatte. Sie glühte im Geiste, wenn auch der ganze Körper von Kälte durchdrungen halbtot war. Sie achtete nicht auf die Beschwerden des Körpers, da ihr Sinnen ganz auf das Paradies gerichtet war. Sie hielt für leicht, was sie ertrug, um nur nicht vor Christus gering zu erscheinen. Wenn sie ins Schlafgemacht zurückgekommen war, konnte sie kaum wieder warm werden, weder durch den Ofen, noch durch das Bett. Man sagte darum zum König, er habe mehr eine Nonne als eine Königin geheiratet.
8] [...] Und weiter: wurde jemand vom König wegen einer großen Missetat wie gewöhnlich zum Tode verurteilt, so litt die heilige Königin selbst durch solche Hinrichtung, auf dass der Verurteilte nicht den Tod durch das Schwert erleide. Sie eilte zu den Beamten, zu treuen Bediensteten und zu den einflussreichen Männern, mit deren Fürsprache sie den Zorn des Königs zu beschwichtigen suchte, bis aus der Erregung des Königs, die das Todesschicksal bedeutet hatte, eine Stimme des Heils wurde.
9) [...] Unter göttlicher Vorsehung geschah es durch einen Zufall, dass ein Unglück für sie zum Segen wurde. Ihr unschuldiger Bruder wurde ermordet. Sie eilte vom König fort, ging zum heiligen Medardus von Noyon und bat diesen inständig, ihr Kleid vertauschen und sich dem Herrn weihen zu dürfen. Dieser dachte an die Worte des Apostels: »Bist du an eine Frau gebunden, so suche keine Trennung.« Er hielt also die Königin hin, um sie nicht durch das Kleid zur Klosterfrau machen zu müssen. Ebenso bestürmten die Vornehmen den Heiligen und rissen ihn in der Kirche vom Altare fort, dass er nicht dem König die Gemahlin nehme, die doch wahrlich etwas anderes als eine öffentliche Büßerin sei; - die als Stütze des Staates leben müsse. Darauf ging die Heilige in einen Nebenraum und kleidete sich als Schwester um, worauf sie wieder an den Altar trat und folgende Worte an den heiligen Medardus richtete: »Wenn du mich nicht weihen willst und Menschen mehr fürchtest als Gott, so wird der Hirt aus deiner Hand die Seele seines Schafes fordern.« Durch diese Vorhaltung wurde er so erschüttert, dass er die Hand auflegte und sie zur Dienerin Gottes weihte. [...]
12] [...] Denn von jenem Zeitpunkte ab, wo sie vom heiligen Medardus geweiht und geopfert war, aß sie kein Obst, keinen Fisch, keine Eier noch sonst derartiges, nur Gemüse und Kräuter, bis zu ihrer Erkrankung. Zu trinken nahm sie nur mit Honig vermischtes Wasser und Birnensaft. Wein, weder rein noch mit Honig gemischt, und berauschendes Bier rührte sie nicht an. Nach dem Beispiel des heiligen Germanus ließ sie sich im geheimen ein schweres Gewicht auflegen, unter dem sie die ganze Fastenzeit hindurch arbeitete, wie es die Bußzeit forderte. Mit eigener Hand bereitete sie die Opfergaben und brachte sie sorgfältig zu den heiligen Stätten. Die Übungen der Barmherzigkeit der Heiligen waren nicht geringer als der Zulauf des Volkes, es fehlte nie an solchen, die um Hilfe riefen, es fehlte aber auch nicht an Mitteln zum Geben. Es ist wunderbar, wie alle zufriedengestellt werden konnten und woher die Mittel von auswärts und so viele fremde Gelder kamen.
13] Wieviel die täglichen Almosen ausmachten, weiß sie allein, die an die Bittenden austeilte; außer der täglichen Mahlzeit, die sie listenmäßig verteilte, bereitete sie immer an zwei Tagen der Woche, nämlich donnerstags und samstags, ein Bad und wusch mit einem Badetuch angetan den Kopf der Kranken, sie salbte die harten und entzündeten Stellen und überwandt ihren Ekel vor Ungeziefer und Krätze. Sie reinigte die angefaulte Haut und kämmte jedem einzelnen die Haare, die sie vorher gewaschen hatte. Eiternde Geschwüre endlich, die sich geöffnet hatten, und die verwilderten Nägel pflegte sie mit Öl nach dem Beispiel des Evangeliums und scheute vor keiner Krankheit zurück. Sie wusch die Frauen in der Badebütte vom Kopf bis zu den Füßen mit Seife ab, an allen Gliedern. Erblickte sie bei einer, ehe sie fortzog, schadhafte Kleider, so nahm sie diese fort und gab neue Kleider. Wer zerlumpt kam, wurde von ihr fein wie für den Tisch gekleidet. Wenn alle versammelt waren, wurden sie bedient; sie selbst reichte jedem einzelnen Wasser und Handtuch. Den Hilflosen trocknete sie selbst Mund und Hände ab. Darauf wurden drei Schüsseln hereingetragen, voll guten Essens. Sie selbst stand hinter den Essenden, ohne selbst gegessen zu haben, und legte ihnen Brot, Fleisch und andere Speise vor. Sie duldete nicht, dass den Schwachen und Erblindeten das Essen nur vorgesetzt wurde. War kein zweiter zur Bedienung anwesend, so half sie selbst und machte sich wie eine neue Martha zu schaffen, bis sie getrunken hatten und fröhlich wie Brüder miteinander zu Tisch saßen. [...]
15] Auch der folgenden, grauenhaften Aufgabe nahm sie sich mit großer Liebe an: Gaben Aussätzige Zeichen ihres Kommens, befahl sie der Dienerin, sorgfältig zu fragen, woher sie kämen und wie viele es seien. War es ihr gemeldet, ließ sie den Tisch rüsten, brachte Schüsseln, Trinkbecher und Körbe voll Speise und Trank; sie selbst mischte sich heimlich unter sie, wo sie von keinem beobachtet werden konnte. Sie nahm aus ihnen die aussätzigen Frauen beiseite, umarmte sie und küsste sie in Gott und liebte sie von ganzem Herzen. War der Tisch gerüstet, so brachte sie warmes Wasser und wusch sie an Gesicht und Händen, reinigte die Nägel und Geschwüre und bediente sie allseits und war auf jeden einzelnen bedacht. Ehe sie wieder weitergingen, reichte sie ihnen Trost durch Geld und Kleidung, doch ohne einen einzigen Zeugen. [...]
16] Unter Beihilfe Gottes glänzte sie auch durch verschiedene Wunder. Als jemand an einer hoffnungslosen Wunde litt, ließ die Heilige sich durch eine Dienerin ein Blatt vom Weinstock bringen, da sie es angeblich notwendig brauche. Sie ließ das heilige Zeichen darüber aussprechen, brachte das Blatt dem Verzweifelten und legte es auf seine Wunde; und bald brachte es die Heilung. [...]
18] [...] Sie erhob sich früher als die Klostergemeinde, um die Psalmen zu beten; denn die Klosterdienste gefielen ihr nur, wenn sie sie als erste verrichtete. Sie bestrafte sich selbst, wenn sie das Gute erst als zweite tat.
19] Sie fegte eigenhändig die Gänge und Winkel des Klosters und scheute sich nicht, allen Schmutz und Unrat fortzukehren, den die andern nicht hatten sehen wollen. Sogar den geheimen Ort reinigte sie ohne Zögern und trug den übelriechenden Kot fort. Sie glaubte selbst kleiner zu sein, je weniger sie sich mit diesen niedern Diensten brüstete. Sie brachte auf den Armen Holz herbei und zündete den Herd an und hielt ihn in Glut. Sie bediente außerhalb des Wochendienstes die Kranken. Sie kochte ihnen das Essen, reinigte den Kranken das Gesicht, reichte ihnen heiße Getränke; besuchte, die unter ihrer Pflege standen, und kehrte, ohne gegessen zu haben, in ihre Zelle zurück. - Wer könnte auch beschreiben, mit welchem Eifer sie zur Küche eilte und ihren Wochendienst verrichtete.
20] Keine andere ihrer Mitschwestern trug allein soviel Holz durch die Küchenpforte, als man brauchte. Sie holte das Wasser aus dem Brunnen herbei und schüttete es in die Gefäße; sie reinigte und säuberte die Küchenkräuter und das Gemüse und sorgte für das Feuer im Herd. Sie half das Essen kochen, ungeachtet der glühenden Hitze; sie hob die Töpfe vom Feuer, spülte das Geschirr und trug es herbei. Nach Beendigung der Mahlzeit spülte sie die Teller, putzte die Küche blank und kehrte allen Schmutz hinaus auf den Abfall. Sie trug den Kranken alles Notwendige zu, ohne es kalt werden zu lassen. Bevor sie die Regel von Arles annahm, tat die Heilige auch nach beendigtem Wochendienst allen die Liebe an: wusch und küßte die Füße und kniete sich vor alle hin und bat sie um Verzeihung für begangene Lässigkeiten. Nach all diesen Arbeiten noch die Strafen zu nennen, die sie sich selbst auferlegte, davor schaudert jeder zurück, der davon erzählen will.
21] Auf irgendeine Art wand sie sich während der Fastenzeit eiserne Ketten um Hals und Arme und band sich drei Ketten so fest um ihren Körper, dass das Fleisch sich um die Ketten bildete und darüber wuchs. Nach Ablauf der Fastenzeit versuchte sie, die Ketten, über die die Haut gewachsen war, fortzunehmen, und konnte es nicht. Das Fleisch war auf Rücken und Brust über die Eisenketten ringsherum gewachsen, so dass das Blut aus dem Körper drang. Darauf ließ sie sich nach einer andern Art ein Kreuz Christi aus Messing anfertigen, das sie in ihrer Zelle erhitzte und sich auf beide Seiten des Körpers legte, dass ihr Fleisch glühte. So flammte ihre Glut und durchglühte die Glieder.
Lebensbeschreibung der heiligen Radegund [510], S. 13-24.

[340]
Aus der Lebensbeschreibung der Äbtissin Hathumoda von Gandersheim, letztes Viertel 9. Jh.
2. [...] Ihr Vater, dem edelsten sächsischen Blute entsprossen, war Herzog der östlichen Sachsen. Ihre Mutter, aus gleich edlem fränkischen Geschlechte, erscheint noch edler in ihren Nachkommen. Hathumod selbst, die lieblichste Blüthe des guten Samens guter Bäume, wuchs zur herrlichsten Frucht heran. Denn wenn sie, wie bereits gesagt, von höchstem Geburtsadel war, so wurde sie noch höher geadelt durch die Heiligkeit ihrer Gesinnung. Schon von frühester Jugend an hat sie, auf ihre künftige Bestimmung hinweisend, statt kindischen Muthwillens christlichen Ernst bewährt; Possen und selbst unschuldige Spiele, wie sie diesem Alter eigen sind, hat sie, schon gereiften Geistes in noch zartem Körper, als eitel und zu nichts nützlich verachtet. Gold und kostbaren Schmuck, wonach Kinder als nach etwas Schönem schuldloser Weise trachten, hat sie weder verlangt noch haben wollen. Goldgestickte Gewänder, kostbare Kopfbedeckungen und Binden, Haarkämme und Ohrringe, Halsketten und anderes Geschmeide, Armbänder und Fingerringe, Gürtel und Riechfläschchen, nach deren Besitz und Gebrauch die Eitelkeit der meisten Frauen lüstern ist, und welche ihr, wie es dem Range und dem Vermögen ihrer Eltern entsprach, dargeboten wurden, wies sie zurück. Wenn sie ihr aber wider ihren Willen aufgedrungen wurden, so seufzte sie ängstlich und weinte bitterlich. Da sie nicht beständig, wie es ihr Wunsch war, in den christlichen Kirchen verweilen konnte, so freute sie sich, möglichst oft darin zu erscheinen, daselbst etwas für sie Heilsames zu hören und dem Gebete obzuliegen. Nach den Wissenschaften aber, zu deren Erlernung Andere sogar durch Schläge gezwungen werden, verlangte sie von freien Stücken und machte sie sich durch unermüdlichen Fleiß zu eigen.
3. Von ihrer frühesten Kindheit an wuchs mit ihr die Reinheit ihrer Sitten und mit dem zunehmenden Alter zeigte sie sich täglich erhabener durch ihre Tugenden; denn, wie an Jahren, so nahm sie zu an Weisheit und Gnade vor Gott und den Menschen und zog den Dienst Christi dem weltlichen Gepränge, den himmlischen Bräutigam dem irdischen vor. Endlich zog sie auch das Haus der Dienerinnen Gottes dem glänzenden Hause ihrer Eltern vor, empfing mit Einwilligung derselben den heiligen Schleier und die Weihe und wurde dem Kloster Herford, welches damals durch den guten Ruf seiner Nonnen sehr berühmt war, übergeben, um daselbst einige Zeit nach der Ordensregel erzogen zu werden. [...]
4. Nachdem sie nun, wie gesagt, einige Zeit des Unterrichtes wegen dort verweilt und, so viel es in ihrem Alter möglich war, allen ein Beispiel in jeglichem Guten gegeben hatte, und nachdem ihr Vater und ihre Mutter von Rom, wohin sie des Gebetes halber gepilgert, mit dem apostolischen Segen und mit all den Ihrigen dem heiligen Petrus und seinem Hofe empfohlen zurückgekehrt waren, auch die Leiber der heiligen Päpste Anastasius und Innocentius mitgebracht hatten, wurde sie von ihnen wieder abberufen und in dem Kloster, welches dieselben auf ihrem eigenen Erbe gegründet und Gott und eben jenen Heiligen übergeben hatten, mit päpstlicher Bewilligung und mit dem Segen ihres Bischofes zuerst wenigen, später mehreren Schwestern als geistliche Mutter vorgesetzt und geweiht.
5. Mit welcher Keuschheit des Leibes und Heiligkeit der Seele sie daselbst mit ihren Schwestern gelebt, das zu schildern ist uns nicht möglich. Gemeinschaftlich war das Leben aller, gleich die Kost, gleich die Kleidung, welche mittelmäßig, nicht zu viel verziert, doch auch nicht zu schlecht und auch nicht ganz von Wolle war. Keine der Schwestern speiste mit ihren Verwandten oder anderen Gästen oder sprach mit ihnen ohne besondere Erlaubniß. Keiner stand es zu, wie dies in den meisten Klöstern der Brauch ist, sich außerhalb des Klosters zu Verwandten oder auf dem Kloster gehörige Besitzungen zu begeben. Keine durfte außerhalb, des gemeinschaftlichen Speisezimmers oder zu ungewöhnlicher Zeit essen, wenn nicht Krankheit dazu zwang. Alle nahmen ihre Mahlzeit zusammen in einem und demselben Raume ein, ruhten in gemeinschaftlichem Zimmer, kamen zur Gebetsstunde an ein und demselben Orte zum Gottesdienste zusammen und gingen gemeinschaftlich aus, um die vorkommenden Arbeiten zu verrichten. Keine durfte im Kloster eine besondere Zelle oder eine Dienerin haben. Sie wohnten aber außerhalb des Klosters auf einem kleinen Maierhofe, weil ihnen von Seiten ihrer geistlichen Mutter aus Mangel an den nöthigen Mitteln noch keine Kleidungsstücke verabfolgt wurden. Ärmeren, welche anderswoher nichts beziehen konnten, half sie selbst aus. Die Absonderung von Männern war so streng, dass selbst Priester das Kloster nicht betreten durften, wenn nicht Krankheit dies erheischte, oder sonst ein rechtmäßiger Grund zur Ausübung ihres Amtes es erforderte. Dies ist ungefähr das, was sie mit den anderen gemein hatte.
6. Sie that nicht nur das alles, sondern sie that noch mehr. Denn die Lebens- und Nahrungsweise hatte sie in der Art mit den Schwestern gemein, dass sie den Fleischgenuss, welchen sie ihnen an bestimmten Tagen und Zeiten gestattete, sich selbst versagte, die Kleidung in der Art, dass sie andere, welche auf der bloßen Haut Wolle tragen wollten, davon abhielt, selbst aber dies that. Mit Gästen, sprach sie nur in der Kirche, wenn es nicht allenfalls die Höflichkeit erforderte, mit ihnen beim Mahle zu sein. Von ihrem Eintritte an ging sie niemals zu Verwandten oder auf dem Kloster gehörige Besitzungen; außerhalb des Klosters speiste sie, ich sage nicht mit keinem Manne, sondern überhaupt mit Niemandem, innerhalb desselben, obwohl ihr dies freistand, nirgends anders, als in dem gemeinschaftlichen Speisezimmer. Mit ihren Schwestern kam sie zur Gebetsstunde so in der Kirche zusammen, dass sie zuerst, oder wenigstens mit den ersten kam und zuletzt fortging; sie schlief mit ihnen so in einem Zimmer, dass sie zuletzt zu Bette ging und zuerst aufstand. Mägde wollte sie nicht im Kloster haben, weder für die Schwestern, noch für sich selbst. Denn die heilige und gottbegnadete Frau war darauf bedacht, wie durch ihre Stellung so auch durch ihren Wandel die erste zu sein, wie durch ihren Namen so auch durch ihre Heiligkeit sich auszuzeichnen, deshalb kam sie noch vor dem nächtlichen Psalmengesang zur Kirche, blieb nach den Hymnen der Matutin wach und that noch mehr dergleichen, was Anderen beschwerlich erscheint, ihr aber durch die Gewohnheit und ihre große Liebe zu Gott sehr angenehm und ganz leicht wurde. Sie war dessen eingedenk, was sie war und wie sie genannt wurde, dass sie Mutter genannt und als Äbtissin geachtet wurde, und deshalb wollte sie lieber nützlich sein als herrschen, lieber geliebt als gefürchtet werden und da sie erwog, dass sie nicht sowohl eine Würde als eine Bürde übernommen, verbot sie nichts, was sie selbst gethan hätte, und befahl nichts, was sie nicht selbst zuerst gethan, indem sie so ihre Untergebenen mehr durch ihr Beispiel als durch Zucht zum rechtthun nöthigte.
7. In ihrer Rede war sie wie in ihrem Werke und in ihrem Werke wie in ihrer Rede, weil sie gebot, was sie that und that, was sie gebot. Und weil die heilige Schrift manches verbietet, manches befiehlt, manches gestattet und manches anräth, that sie, soweit es der menschlichen Gebrechlichkeit möglich ist, nichts was verboten, dagegen alles was befohlen war, betrachtete das bloß Erlaubte als nicht erlaubt und befolgte in Berücksichtigung des höheren Lohnes alle Rathschläge; denn offenbar Böses, was verboten war, mied sie nicht nur, sondern sie verabscheute es auch im Herzen, offenbar Gutes, was geboten war, strebte sie nach Kräften zu erfüllen, das Erlaubte, das je nach dem Gebrauche, den man davon macht, gut oder schlimm sein kann, als da ist der Verkehr mit der Welt, die Freuden der Ehe, der Fleischgenuss, der Gebrauch weicherer und besserer Kleider, dies alles verwarf sie aus großer Vorsicht und wies es in besserer Einsicht zurück, das Angerathene aber, welches als das Höhere nicht von Allen verlangt und nicht allgemein befolgt werden kann, als die Losreißung von der Welt, die Enthaltsamkeit vom Fleischgenusse, den Nichtgebrauch weicherer und besserer Kleider und die Bewahrung der Keuschheit, ergriff sie voll Eifer und erfüllte es mit Beharrlichkeit. Weiche Kleider hat sie derart verschmäht, dass sie nur rauhe und wenig geschmückte trug, des Fleisches aber enthielt sie sich nicht nur, sondern sie genoss auch von den übrigen Speisen und dem nothwendigen Getränke, selbst vom Brode nur sehr wenig, der Welt hatte sie nicht nur im Äußerlichen, sondern auch in ihrem Herzen freiwillig entsagt und den Vorsatz, die Keuschheit zu bewahren, befolgte sie so ängstlich, dass ihre Feinde keinen Anlass zu Verleumdungen fanden. In ihrem Gespräche war keine Keckheit, kein Mutwille, keine Ausgelassenheit; nie entfuhr ihrem Munde ein unkeusches oder unanständiges Wort. Niemand hörte sie jemals zanken, fluchen, schwören, verleumden oder lügen. Niemand sah sie jemals erzürnt oder heftig, niemand sah sie viel und unanständig lachen.
9. Dem Lesen der heiligen Schriften lag sie mit großem Eifer ob und schätze diejenigen hoch, die Gleiches thaten. Die Nachlässigeren, an welchen sie aber doch die Möglichkeit eines Fortschritts bemerkte, nöthigte sie mehr durch geringere Vertraulichkeit als durch Strafen, sich dieselben zu eigen zu machen. [...]
Von ihrer Herzensgüte und Mildthätigkeit etwas zu sagen ist überflüssig, indem sie alle Menschen mit solcher Liebe umfaßte, als hätte sie dieselben aus eigenem Leibe geboren. Denn welcher Arme, welcher Geistliche schied je mit leeren Händen von ihr? Wer wurde nicht durch ihre Speisen erquickt, wer nicht theilhaftig ihrer Güter? Bisweilen entzog sie den Ihrigen etwas, um es Anderen geben zu können; sie litt selbst Mangel, damit andere Überfluß hätten, hungerte, damit nicht die Armen hungerten, dürstete, damit es den Fremden nicht an Getränken fehlte. Bei deren Empfang konnte Niemand größere Demuth, Liebe und Menschlichkeit zeigen. [...]
10. Wie besorgt sie für Kranke war zu schildern ist überflüssig, indem sie nicht nur die gegenwärtigen in bewundernswerther Weise durch verschiedene Dienstleistungen pflegte, sondern auch, wenn Fremden und weit Entfernten eine Krankheit zustieß, sich durch Boten nach ihrem Befinden erkundigte und ihnen alle Speisen zuschickte, von welchen sie glaubte, sie würden ihnen willkommen sein. Kurz vor ihrer eigenen Erkrankung lagen viele von ihren Mitschwestern schwer krank darnieder; es lässt sich nicht sagen, wie emsig sie da war, dieselben zu besuchen, wie eifrig, ihnen Beistand zu leisten, mit welcher Sorgfalt sie zwischen den einzelnen Betten hin und her eilte, wie sanft sie die Kranken anredete und durch welch wunderbare und verschiedene Dienstleistungen sie bemüht war, die körperlichen Beschwerden derselben zu lindern, stets für alle besorgt, dass es ihnen weder an der nöthigen Hilfe, noch an dem, was sie sonst wünschen, fehle.
Leben der Äbtissin: Hathumoda von Gandersheim [506], S. 39-46.

[341]
Aus der Lebensbeschreibung der heiligen Herlind und Reinhild, 2. Hälfte 9. Jh.
2. [.. .] In dem gleichen Kloster, das sie durch Erbschaft und väterliches Vermächtnis unter dem Beistande des Herrn besaßen, wurden beide nach der Vorschrift der heiligen Regel und der Satzung der Kirche von den heiligen Bischöfen Willibrord und Bonifatius zu Äbtissinnen geweiht. Als das geschehen war, nahmen sie andere Jungfrauen bei sich auf und unterrichteten sie genau in den Regeln und Satzungen, in denen sie selbst erzogen waren. Sie ließen sie die Gelübde ablegen. Nach der Regel war ihnen alles gemeinsam. Viele Töchter vornehmer Leute schlugen nach dem Beispiel der heiligen Jungfrauen eine glänzende Heirat aus, bedeckten ihr Haupt mit dem schwarzen Schleier und dienten zusammen mit den heiligen Jungfrauen dem Herrn allein. Anfangs weihten sie allein sich Christus, später aber dienten sie dem Herrn mit vielen andern. Ihr ausgezeichnetes Leben wurde, als sie noch Kinder waren, nur wenigen bekannt, aber im reiferen Alter wurde es ein hinreißendes Beispiel für viele. Weil sie in keuscher Jungfrauschaft die Fleischeslust überwanden, durften sie dem Geiste nach viele Töchter für Christus zeugen. Diese ehrwürdigen Jungfrauen hatten eine anmutige Gestalt, sie waren im rechten Glauben unterrichtet und von Liebe glühend. Mit gleich bleibender Demut übten sie Werke der Nächstenliebe, gern gaben sie Almosen. Im Umgang waren sie keusch und zuchtvoll, ihr Sinn war starkmütig, klug und nüchtern, ihre Worte waren weise und beredt. Sie beteten und fasteten mit großer und unaufhörlicher Hingabe, um die böse Schlange zu bekämpfen und zu überwinden, die dadurch besonders von den Heiligen verscheucht wird. Denn das wird durch die Worte des Herrn an seine Jünger ganz offenbar, als er den starken und bösen Geist vertrieben hatte: Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden.
Die heiligen Jungfrauen Herlind und Reinhild waren niemals untätig. Den Müßiggang mieden sie wie die todbringende Pest. Daher hinterließen sie viele Pallen, die sie mit ihren eigenen Händen gewebt hatten. Sie führten sie mit großer Kunst in verschiedener Art und Weise aus und zierten sie mit unzähligen Ornamenten und Gold und Edelstein, wie es für Gott und seine Heiligen geziemend ist. Die vier Evangelien, die unseres Herrn Worte und Taten enthalten, schrieben sie in herrlichen Büchern ab. Auch das Buch der Psalmen, das wir Psalterium nennen, schrieben sie ab und viele andere heilige Schriften, die alle an jenem Orte bis jetzt aufbewahrt werden. Sie sind noch wie neu und mit Gold und Edelsteinen geziert, so dass man glaubt, sie seien erst heute fertig geworden. Oft wurden die Jungfrauen mit Handarbeiten beschäftigt: so erfüllten sie ihre Regel. Auch verfertigten sie Schmuck für das Kloster. Sie sangen dabei Psalmen, wie der Psalmist sagt: Ich preise den Herrn zu jeder Zeit, immer lobt ihn mein Mund. - Sie blieben aber nie lange bei der Handarbeit, immer wieder flohen sie nach einiger Zeit mit frohem Herzen zum Gebete und übten sich im Lobe Gottes, als ob sie nie vorher ein gutes Werk getan hätten.
Das Leben der heiligen Herlind und Reinhild [507], S. 52-54.

[342]
Aus der Lebensbeschreibung der heiligen Hildegard von Bingen, letztes Viertel 12. Jh.
2] Als Heinrich König im Römischen Reiche war, lebte im diesseitigen Gallien eine durch Abstammung wie in aufrichtiger Heiligkeit gleicherweise ausgezeichnete Jungfrau. Ihr Name war Hildegard. Der Vater hieß Hildebert, die Mutter Mechtilde. Obwohl beide in irdischen Sorgen lebten und auf ihren Wohlstand bedacht waren, blieben sie dennoch der Wohltaten ihres Schöpfers eingedenk und weihten ihr Kind Hildegard dem Dienste Gottes. Schon in ihren jungen Jahren zeigte sie eine frühe Reife, und es fiel auf, wie sie sich von der sinnenhaften Art der Menschen gar sehr unterschied. [...]
4] Viele Jahre waren verflossen, in denen sie ihrem Entschluss, nur Gott zu gefallen, eifrige Treue gehalten hatte. Da nahte die Zeit, wo ihr Leben und ihre Weisheit zum Heile vieler offenkundig werden sollte: Die Stimme Gottes mahnte sie, nicht länger mehr mit dem Aufschreiben des Geschehenen und Gehörten zu zögern. In weiblicher Zurückhaltung, aus Furcht vor dem Geschwätz der Leute und dem leichtfertigen Urteil des Volkes hatte sie sich bisher vom Schreiben zurückgehalten. Ein heftiger Stachel sollte sie zwingen, nicht länger mit den Enthüllungen - zu warten. Als sie nämlich an der langwierigen Krankheit elend darniederlag, eröffnete sie sich zunächst einem Mönch, den sie sich als Beistand ausersehen hatte, und durch diesen dem Abt und gestand mit Furcht und Demut den Grund ihres Leidens. Dieser betrachtete die ungewöhnlichen Vorgänge, und weil ihm bei Gott nichts unmöglich erschien, berief er die klügsten Männer des Klosters und legte ihnen das Gehörte zur Beurteilung vor. Er hatte ihre Visionen durchforscht und forderte sie auf zu erklären, was Gott ihr eingebe. Sobald die Heilige mit dem Schreiben begann, das sie doch gar nicht gelernt hatte, kehrten ihre früheren Körperkräfte zurück, und sie erhob sich wieder von ihrem Krankenlager. Der Abt hatte die Überzeugung von einem ungewöhnlichen Wunder gewonnen, wollte sich jedoch mit dem persönlichen Urteil nicht zufrieden geben; er fühlte sich verpflichtet, die Sache der Öffentlichkeit vorzulegen. [...]
5] [...] Bald ließ sich der Papst die Schriften der heiligen Hildegard vorlegen, die ihr im genannten Kloster eingegeben worden waren. Er nahm die Schriften in die eigene Hand, übernahm selbst das Amt des Vorlesens und las im Beisein des Erzbischofs und der Kardinäle und aller anwesenden Priester öffentlich vor. Auch erzählte er laut von dem Bericht der Männer, die er ausgesandt hatte, um alles in Erfahrung zu bringen. So begeisterte er die Herzen und den Mund aller zum Lob des Schöpfers und zur Ehrfurcht vor diesem. [...]
Der ehrwürdige Vater der Väter gab in einem Glückwunschschreiben an die Jungfrau seine ebenso gütige wie bestimmte Zustimmung, gab in Christi und des heiligen Petrus Namen die Erlaubnis zur Veröffentlichung alles dessen, was sie durch den Heiligen Geist erfahre, und forderte sie zur Niederschrift auf. Auch ihre Wirkungsstätte ehrte er und beglückwünschte den Abt und die Mitbrüder mit eigenhändiger Unterschrift.
6] Hildegard zeigte nunmehr in demütigem Vertrauen allüberall den duftenden Wohlgeruch der Heiligkeit und verbreitete ihn durch ihre Worte, die nicht von Menschenwissen eingegeben waren, noch von Menschen stammten. Es kamen viele Töchter der Edeln zu ihr, um im Ordenskleid klösterliches Leben zu erlernen. Da die Gemächer im Kloster nur schwer alle fassen konnten, erwog man bereits einen Neubau und eine Erweiterung der Gebäulichkeiten. Da wurde ihr vom Heiligen Geist eine Stelle gezeigt, wo die Nahe in den Rhein mündet. Es war der Berg, der von früher her den Namen des heiligen Rupertus trug. Dieser Heilige hatte ihn als väterliches Erbe erworben und hatte dort mit seiner seligen Mutter Bertha und dem heiligen Bekenner Wibert unter steter Arbeit ein frommes Leben geführt. Sein Grab und seine Reliquien haben dem Berg den Namen gegeben. Die Jungfrau Gottes also bezeichnete ihrem Abt und den Brüdern den Ort der kommenden Ansiedlung, den sie nicht mit leiblichen, sondern mit geistigen Augen gesehen hatte. [...]
9] Endlich konnte die Dienerin Gottes mit achtzehn gottgeweihten Jungfrauen den bisherigen Wohnort verlassen. Sie hinterließ bei ihrem Weggehen Schmerz und Trauer; in gleichem Maße brachte sie zum neuen Wohnplatz Freude und Jubel. Aus der Stadt Bingen und den benachbarten Dörfern waren viele Ehrengäste und eine große Menge Volkes zusammengeströmt, um sie in festlichem Zug unter vielen Ehrenbezeugungen aufzunehmen. Sie selbst hielt mit ihrer oder besser mit Christi kleiner Herde den Einzug in die neue Wohnstätte und pries aus tiefstem Herzen die alles fügende göttliche Weisheit. Sie war fortan für das Wohl der ihr anvertrauten geweihten Jungfrauen mit mütterlicher Liebe besorgt und ruhte nicht in der Befolgung der klösterlichen Vorschriften. Um gegen Rechtsansprüche anderer gesichert zu sein und einen Verlust zu vermeiden, erwarb sie mit den Geschenken der Gläubigen, die man wegen des Ansehens ihrer Person gebracht hatte, das Grundstück, auf dem das Kloster stand, von den genannten Eigentümern, teils durch Zahlung von Geld, teils durch Tausch. Weil sie in Freiheit gekommen war, wünschte sie auch, in Freiheit zu bleiben und der Mainzer Kirche sich nur so weit anzuschließen, um in der Person des Erzbischofs einen Beschützer zu haben. Auf diese Weise ersparte sie sich, Laienhilfe rufen zu müssen, welche wie ein Wolf in die Schafherde einbrechen könnte. Durch diese Umstände sind nämlich damals viele Kirchen in Bedrängnis und Not geraten. Den Prälaten der Abtei, die sie verlassen hatte, blieb sie mit ihren Schwestern nur so weit untertan, dass sie in geistlichen Angelegenheiten - Beobachtung der Ordensregel, Ablegung der Ordensgelübde - jene Abtei bevorzugen und je nach Lage und Zeit Priester von dort nach eigener Wahl erbitten würden. Diese sollten Seelsorge und Gottesdienst ausüben und die Sorge für die irdischen Dinge übernehmen.
10] Diese Regelung traf sie mit Erlaubnis, ja sogar auf Anraten des Bischofs Heinrich und Arnold von Mainz. Sie ließ sich alles schriftlich unter Zustimmung der in Betracht kommenden Äbte bestätigen. Durch diese Abmachungen, oder wie ich eben sagte, durch göttliche Führung, wurde ein Antasten des Gundbesitzes und der Rechte des heiligen Rupert verhindert. [...]
13] [...] Sogleich nach ihrer Übersiedlung nach dein im Geiste gesehenen Wohnort vollendete die heilige Jungfrau das Buch ihrer Visionen, das sie auf dem Berge des heiligen Disibod begonnen hatte - Wisse die Wege [»Scivias«]; sie schrieb von der Natur des Menschen, der Elemente und anderer Dinge; wie diese dem Menschen nützlich sind, und viele andere sinnvolle Geheimnisse in prophetischer Schau. Die Weisheit, welche aus den Antworten auf Briefe spricht, die aus allen Ländern an sie gerichtet wurden, kann jeder fühlen, der auf den tiefern Sinn ihrer aus göttlicher Offenbarung stammenden Worte achtet. Sie sind alle in einem Bande zusammengestellt: Die Briefe, voller Fragen, und ihre Antworten. Sollte sich noch einer über die Tatsache wundern, dass sie auch Gesänge voll wunderbarer Melodien komponierte? Und Texte von einer nie vorher gesehenen Schönheit und nie gehörten Sprache? Außerdem erklärte sie einzelne Stellen des Evangeliums und anderer Schriften, weil der Schlüssel Davids sie ihr öffnete. Sie sang in der Freude ihres Herzens voller Dank, weil der König sie in seinen Palast geführt hatte, dass sie trunken wurde von der Fülle des Hauses und trinken durfte vom Strom seiner Freude. Sie empfing von der Furcht des Herrn - wie geschrieben steht -  gebar den Geist und brachte Freude auf die Erde. Groß und wunderbar ist es auch, wie sie die Bilder und Worte des Geistes mit dem gleichen Ausdruck und den gleichen Worten eigenhändig aufschrieb und aussprach. Sie rief nur einen treuen und verschwiegenen Mann zu Rate, der in der Sprachkunde erfahren war, zur Gliederung der Fälle, Zeiten und Arten, was sie nicht vermochte. Er nahm sich jedoch nie heraus, den Worten an Sinn und Verständnis irgendetwas hinzuzufügen oder abzustreichen. [...]
15] Es ist zweckmäßig, an dieser Stelle einen Abschnitt ihres Visionsbuches einzuschalten, aus dem wir ersehen können, wie sie beispielsweise die Schriftstelle sich zurechtlegte: »Mein Geliebter streckt mir seine Hände entgegen, und mein ganzes Innere sehnt sich nach seiner Berührung.« »In geheimnisvoller Schau« sagt sie - »im Lichte und in der Klarheit der Weisheit, die niemals mangelt, hörte und sah ich es so: In fünf Melodien fügen sich die Arten der Gerechtigkeit zusammen, die von Gott dem Menschengeschlecht gewährt wird, in denen Heil und Erlösung der Gläubigen beschlossen ist. Diese fünf Melodien sind herrlicher als alle Werke aus Menschenhand, weil sich auf deren Kraft alle Menschenwerke gründen. Sie sind da und werden nicht gehört, und doch kommen mit ihnen alle menschlichen Fähigkeiten in den fünf Sinnen zur Vollendung. Es hat folgende Bewandtnis mit ihnen: Die erste Melodie erklang mit dem Opfer, das der gerechte Abel Gott darbrachte; die zweite, als Noe auf Gottes Geheiß die Arche baute, die dritte, als dem Moses das Gesetz gegeben wurde, welches die Beschneidung Abrahams enthielt. In der vierten Harmonie stieg das Wort des höchsten Vaters in den Schoß der Jungfrau herab und nahm Fleisch an: Denn das Wort hatte Erde mit Wasser vermengt und so den Menschen geschaffen, und darum ruft alle Kreatur durch den Menschen zu Gott, der sie geschaffen hat, und so trägt Gott des Menschen wegen alles in sich. Zu einer Zeit schuf er den Menschen, zu einer andern Zeit trägt er ihn, um alle, die durch den Rat der Schlange verloren waren, wieder an sich zu ziehen. Die fünfte Harmonie wird klingen, wenn jeder Irrtum und jede Irreführung beendet ist: dann werden alle Menschen einsehen, dass keiner über Gott hinaus schaffen kann. Durch diese von Gott gegebenen Harmonien wird das Alte und das Neue Testament vollendet und die heilige Zahl der Menschen erfüllt. Nach diesen fünf Harmonien wird der Sohn Gottes eine lichte Zeit herbeiführen, indem er von allem Fleisch offen erkannt wird. Sodann wirkt die Gottheit in sich selbst, solange sie will«
19] Auf diese Weise wurde ein Strömen guter Werke gleich den Paradiesesströmen geleitet, und es eilten aus der ganzen Nachbarschaft, ja aus allen Teilen Galliens und Germaniens Volksmassen beiderlei Geschlechts von allen Seiten zu ihr hin, denen sie mit der Gnade Gottes reichliche Ermahnungen für das diesseitige und das jenseitige Leben gab. Zum Heile ihrer Seelen legte sie ihnen Stellen der Heiligen Schrift vor. Viele erhielten von ihr Ratschläge für ihre körperlichen Gebrechen, unter denen sie litten: nicht wenige wurden durch ihre Segenswünsche von ihren Schmerzen befreit. [...]
44] Unter anderem ist auch dies von ihr bemerkenswert, dass sie sich vom göttlichen Geist nicht nur angeregt, sondern sogar gezwungen fühlte, sich nach Köln, Trier, Metz, Würzburg, Bamberg zu begeben, um dem Klerus und dem Volk den Willen Gottes zu künden. Auch auf dem Berge des heiligen Disibod, in Siegburg, Eberbach, Hirschau, Zwiefalten, Maulbronn, Rodenkirchen, Kitzingen, Krauftal, Herde, Werth, Werden oder Kaiserswerth, Andernach, Marienberg, Alsis und Winkel sprach sie über Dinge, die das Seelenheil betrafen, und enthüllte alles genau, wie Gott es offenbart hatte.
Das Leben der heiligen Hildegard von Bingen [508], S. 124-128, S. 131 f., S. 136, S. 158.

[343]                                                             [344]                                                                                   [347]
Frauen im Mittelalter                                    Frauen im Mittelalter                        Frauen im Mittelalter
Links kocht eine Laienschwester über offenem Feuer das Essen im Topf, und die Küchenmeisterin probiert es. Rechts sitzen die Nonnen an den Speisetischen. Zwei Nonnen bedienen sie. Die Äbtissin, die Vorsteherin der Klostergemeinschaft und zu ihrer Seite die Seniorin, ihre Vorgängerin im Amt, und die Priorin, ihre Gehilfin, sitzen am mittleren Tisch. Eine Nonne am Pult hinter ihnen liest während der Mahlzeit aus einem Buch vor. Der Probst, der kirchliche Vertreter und Verwalter der Klostergüter, bringt Bücher herbei. Nach der lateinischen Inschrift über ihm hat er sie dem Kloster geschenkt. Mit niederdeutschen Beischriften werden die schwarz-weißen oder grau-weißen Trachten der Nonnen erläutert.

[345]
Heloise über die Schwierigkeiten für die Nonnen, die Regel des Benedikts von Nursia einzuhalten, 1130/35
[...] Wir alle nun, Dienerinnen Christi und in Christus deine Töchter, bringen in Demut zwei Bitten vor dich als unsern Vater, deren Erfüllung für uns von der höchsten Wichtigkeit ist. Die erste Bitte ist die: du möchtest uns über den Ursprung des Standes der Nonnen und über das Wesen unseres Berufes aufklären. Die zweite: du möchtest uns eine Regel aufstellen und zusenden, in welcher den besonderen Bedürfnissen des weiblichen Geschlechts Rechnung getragen und die Einrichtung und Gestaltung unseres Ordenslebens von Grund auf festgesetzt würde: denn wir haben uns überzeugt, dass dies von den heiligen Vätern bis jetzt unterlassen worden ist. Diese Versäumnis hat die unangenehme Folge, dass jetzt bei der Aufnahme ins Kloster Männer und Frauen gleicherweise auf ein und dieselbe Regel verpflichtet werden, und dass das schwache Geschlecht unter dieselbe Klosterordnung sich beugen muss wie das starke. Zu der Regel des heiligen Benediktus bekennen sich in der abendländischen Kirche die Frauen genau so wie die Männer. Es ist aber klar, dass sie ausschließlich für Männer aufgestellt worden ist und darum auch nur von Männern eingehalten werden kann, von Untergebenen wie von Vorgesetzten. Um von anderen Bestimmungen der Regel zu schweigen: was sollen wir Frauen anfangen mit den Vorschriften über Kutten, Beinkleider, Skapulire? Wie können sich Frauen die Bestimmung über Unterkleider oder wollene Hemden zu eigen machen, da sie doch solche wegen ihrer monatlichen Reinigung gerade gar nicht brauchen können? Was soll ihnen ferner die Vorschrift, dass der Abt das Evangelium selbst verlesen und danach den Hymnus anstimmen solle') Und dass der Abt mit den Pilgern und Gästen abseits an einem besonderen Tische sitzen solle? Was schickt sich für unseren Stand? Sollen wir überhaupt keine Männer gastlich aufnehmen oder soll die Äbtissin mit den Männern, die zu Gaste sind, an einem Tisch essen? [...]
Doch ich will nicht reden von den Bestimmungen der Regel, die wir überhaupt nicht, oder doch nicht ohne Gefahr einzuhalten vermögen. Ich möchte nur fragen: wo in aller Welt ist es Sitte, dass Nonnen aufs Feld gehen, um die Ernte einzuheimsen und den Acker zu bestellen? [...]
Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise, 6. Brief [30], S. 126f., S. 129.

[346]
Ordnung des Mittagsmahles nach einer Handschrift des 12. Jh.
Nach dem Hochamt erhalten diejenigen, die den Wochendienst bei Tisch haben, und die Kellermeisterin einen Trunk, damit sie bei dem Mittagsmahl ohne Murren ihren Mitschwestern dienen können. Die übrigen studieren jetzt. Zur Stunde des Mittagsmahles, das ist nachdem sie die Sext gesungen haben, sollen alle, sobald sie das Zeichen hören, in Ordnung und ohne Geräusch sofort zum Speisesaale eilen, sich zuerst aber die Hände waschen und dann erst in das Refektorium hineingehen. Sie grüßen hier das Kreuz, wenden ihr Antlitz nach Osten und warten dort. Keine darf es wagen, noch etwas zu tun oder außerhalb des Refektoriums zu bleiben, auch wenn die Frau Äbtissin zu spät kommen sollte. Sobald das zweite Zeichen nun ertönt, müssen alle an ihrem Platze sein, und sie beginnen gemeinsam das Tischgebet, sprechen das Vaterunser und setzen sich dann nach dem Segen. Keine darf aber etwas essen oder trinken, bevor die Tischlesung begonnen und die Frau Äbtissin etwas genommen hat. Sie soll aber damit nicht zögern.
Diese auf dem Tische stehenden Gerichte brauchen nicht mehr eigens gesegnet zu werden. Aber bevor sie zu essen beginnen, erbitte sich die Vorleserin den Segen und beginne dann die Lesung. Nur die Stimme der Leserin soll man bei Tisch hören, außer die Frau Äbtissin wolle kurz etwas zur Erbauung sagen. Wenn die Speisen aus der Küche kommen, dann beginnen die Tischdienerinnen sie aufzustellen, und zwar fangen sie bei den Jüngsten an und bedienen die Frau Äbtissin zuletzt. Die Kellermeisterin bedient die Äbtissin, sie tritt dann vor sie hin, gibt mit der Schelle ein Zeichen, und darauf sprechen alle Schwestern gleichmäßig: »Benedicite.« Dann wendet sich die Kellermeisterin bescheiden um und kehrt zu ihrem Dienste zurück. Die Äbtissin darf beim Segnen von Speise oder Trank nicht sitzen bleiben, sondern muss dazu aufstehen. Ist Wein zu mischen, dann gibt die Kellermeisterin ein Zeichen. Daraufhin erheben sich die Mädchen, waschen die Becher aus, füllen sie gleichmäßig und bleiben dann in Ordnung stehen. Dann gibt die Kellermeisterin wieder ein Zeichen, die Schwestern sprechen »Benedicite«, und die Mädchen stellen den einzelnen den Becher hin. Die den Becher der Sitzenden reicht, soll eine Verneigung machen, und auch diese, wenn sie ihn erhält. Sind alle mit Wein bedient, dann verneigen sich die Schwestern, die auftrugen, zu allen Schwestern im Umkreis hin und gehen an ihren Platz. Gibt es Äpfel oder sonst etwas, was man ungekocht essen kann, dann soll es die Kellermeisterin gleichmäßig an allen Tischen verteilen. Sind alle fertig, dann wird die Lesung abgebrochen. Alle erheben sich, sprechen das Tischgebet und gehen dann hinaus, die linke Chorseite zuerst, dann die Mädchen mit ihren Lehrerinnen, hiernach die rechte Chorseite und am Schlusse die Äbtissin. Beim Auszuge singen sie langsam und deutlich den 50. Psalm, gehen zum Gotteshause und beten hier noch das Vaterunser und das Schlußgebet. Dann sollen sie in aller Stille etwas auf ihren Betten ruhen, oder etwas lesen, wenn sie das wollen, aber so, dass sie andere nicht stören, und keine darf ohne Erlaubnis der Äbtissin hinausgehen.
zitiert nach: Hilpisch: Aus frühmittelalterlichen Klöstern [492], S. 28-30.

[348]                                                                             [349[                                                                             [350]
Frauen im Mittelalter                 Frauen im Mittelalter                 Frauen im Mittelalter

[351]                                                                [352]                                                              [353]
Frauen im Mittelalter                           Frauen im Mittelalter                Frauen im Mittelalter

[354]                                      (365)
Frauen im Mittelalter                   Frauen im Mittelalter

[355]
Bonifatius in einem Brief an Bischof Cudberht über die den Frauen drohenden Gefahren auf Wallfahrten, 747
Außerdem verschweige ich Euer Liebden nicht, wie alle Diener Gottes, welche hier, sei es in der Schrift, sei es in der Furcht Gottes am bewährtesten sind, den Eindruck haben, als wäre es gut und ein Beweis der Ehrbarkeit und Sittsamkeit Eurer Kirche sowie eine Verhüllung der Schändlichkeit, wenn die Synode und Eure Fürsten den Weibern und den verschleierten Frauen dieses Reisen und den starken Verkehr auf dem Hin- und Rückweg zur Stadt Rom untersagen würden, weil sie zum großen Teil zugrunde gehen und nur wenige rein bleiben. Es gibt nämlich nur sehr wenige Städte in der Lombardei, in Francien oder in Gallien, in der es nicht eine Ehebrecherin oder Hure gibt aus dem Stamm der Angeln. Das ist aber ein Ärgernis und eine Schande für Eure ganze Kirche.
zitiert nach: Briefe des Bonifatius [458], Brief 78, S. 253.

[356]
Die Wallfahrten der Machthildis und der Wilbirgis nach der Lebensbeschreibung der Wilbirgis, 1295/1313
Nachdem Machthildis und Wilbirgis einige Zeit von ihrer Wallfahrt nach Compostella in Spanien sich ausgeruht hatten, -schlug Machthildis eine Wallfahrt zu den Apostelgräbern des heiligen Petrus und Paulus nach Rom vor. [...]
Willbirgis ging jedoch nicht darauf ein; sie fürchtete auf der Reise für ihre Keuschheit.
zitiert nach: Bühler: Klosterleben im Mittelalter [461], S. 304.

[357]
Der Ordensgeneral, der Dominikaner verordnet, wie die Gräfin Agnes von Orlamünde im Kloster zu behandeln sei, 1289
Der Ordensmeister an die Schwestern des heiligen Lambert. Durch die Einladung der hochgeborenen Frau Gräfin von Orlamünde zum Orden habt ihr ein Gott wohlgefälliges Werk getan. Ich vertraue im Herrn, dass ihr ein solch frommer Eifer zum Verdienste, euch zum Nutzen und dem Nächsten zum Beispiele werden möge. Nehmt sie also auf, wie Christus euch aufgenommen hat. [...]
Damit später kein Zweifel entstehe, wie sie zu behandeln sei, verordne ich hiermit, dass die Güter, welche sie mitbringt oder die sie durch die Freigebigkeit ihrer Angehörigen haben wird, nicht einzeln verschleudert werden, sondern dass man sie unzerteilt zusammenhalte, bis die Summe so angewachsen ist, dass ihr dafür immer währenden Landbesitz kaufen könnt. Ausgenommen sei nur, dass die Priorin von den Gütern der Gräfin etwas beiseitelegt, um ihr im Bedarfsfalle davon zu geben. Sie kann dann die Vergünstigungen der Infirmerie genießen, wenn sie nicht mit der klösterlichen Gemeinde speisen will. Sie soll nicht zur Verrichtung von Diensten aufgeschrieben werden, sie soll auf Polstern schlafen dürfen, werde in den täglichen Kapiteln nicht vorgerufen und soll mit Arbeiten nicht beschwert werden. Solches soll ihr und Personen von hohem Stande, ja allen, die von einer feineren Lebensführung herkommen, gestattet werden, ohne dass man es als Regelverletzung betrachte. Da sie eine ganz besondere Vorliebe für eure Kapelle hat, verbiete ich, darin etwas wider ihr Gutdünken zu ändern. Da sich nicht alle leiblichen und seelischen Anliegen der Herrin im einzelnen ordnen lassen. [...] so möge dem Provinzialprior der deutschen Provinz anheimgestellt werden, was zu eurem Nutzen und zur Ehre des Ordens zu geschehen hat.
zitiert nach: Bühler: Klosterleben im Mittelalter [461], S. 445 f.

[358]
Aus den Gotteshausrechten der Äbtissinnen Elsbeth Torerin und Barbara von Eichberg vom Chiemsee, o. J.
So eröffnet man Euch, dass meine Frau ihr freies Gejagde hat von hier bis an die Mauer nach München. Sollte es geschehen, dass meiner Frau Hunde etwa zugleich mit der Herrschaft Hunde über einen Wildaas kämen, so soll man der Herrschaft Hunde zurückschlagen, bis dass meiner Frau Hunde genug gefressen haben, und dann erst soll man der Herrschaft Hunde davon genießen lassen.
zitiert nach: Thiele: Leben in der Gotik [545], S. 455.

[359]
Bericht in der Zimmerschen Chronik über das Kloster zu Oberndorf im Thal, 2. Hälfte 15. Jh.
Es haben sich bis vierundzwanzig Klosterfrauen, meistenteils von Adel, darin aufgehalten, die keinen Mangel litten, wie man spricht, sondern im Überfluss lebten. Was für gutes Leben, sofern man das als gutes Leben achtet, in diesem Kloster war, ist daraus zu ersehen, dass viel Adel vom Schwarzwald und vom Neckar in diesem Kloster eingekehrt - den ufritt gehapt -, so dass es damals mit mehr Recht des Adels »hurhaus« als des Adels »spittal« wäre genannt worden. Besonders haben die von Ow, Rosenfeldt, Brandegk, Stain, Neuneck viel Geld darin verthan, und hat diese Hochschule der Wollust Ehebrecher und Väter unehelicher Kinder geschaffen. Damit genug. Einmal sind viele vom Adel und gute Gesellen im Kloster gewesen, die haben Abendtanz sehr spät gehalten. Da hat es sich ungefähr begeben, dass während des Tanzes plötzlich die Lichter verlöschten. Da entstand ein »wunderbarliches blaterspill«, indem sich jeder Mann ein Nönnlein nahm. Die Thüren waren verhängt und kein brennend Licht sollte in den Saal kommen.
zitiert nach: Bauer: Das Geschlechtsleben in der deutschen Vergangenheit [448 a], S. 77 f.

[360]
Klausurbestimmungen für Nonnen in einem Kapitular Karls d. Großen v. 789
3. Über die ganz kleinen Klöster, wo die Nonnen ohne Regel leben, bestimmen wir, dass sie an einem Ort zu einer den Regeln entsprechenden Gemeinde versammelt werden. Der Bischof muss Vorsorge treffen, wo das geschehen kann. Keine Äbtissin darf ohne unsere Erlaubnis das Kloster verlassen, oder den ihr untergebenen Nonnen dies gestatten. Ihre Klausuren sollen wohl verschlossen sein, und sie sollen sich nicht herausnehmen, Liebeslieder zu schreiben und abzuschicken.
übertragen nach: Monumenta Germaniae Historica [334], Capitularia regum Francorum, Bd. 1, Nr. 22, S. 54.

[361]
Liebesbrief einer unbekannten Nonne aus den Papieren Wernhers von Tegernsee, um 1170
Ihrem, . . . der schönsten Blume, Strahlend in der Sitten Ruhme, / Der Tugenden Abbilde, der Tugenden Urbilde, Wünscht ... die Honigträgerin, / Die Taube mit sanftem Sinn, / Alles was fröhlich ist, / Alles was selig ist / In der Erde Gewimmel, / Und was lieblich ist im Himmel, / Und was dem Pyramus Thisbe begehrt. / Und zuletzt sei ihm gewährt / Sie selbst, noch einmal sie, und was ihm lieber ist als sie Du Liebster unter allen Lieben! Wäre ich erfüllt vom Geist des Maro und strömte aus mir die Redekunst des Cicero oder eines andern großen Redners, oder etwa eines rühmlichen Reimers, ich müsste mich doch zu schwach. bekennen, Deiner schön gefeilten Rede ebenso zu antworten. Lache mich darum nicht aus, wenn ich für mein Teil etwas vorbringe, weniger zierlich als ich möchte. Du fühlst doch innig mit mir, was ich in meinem Gemüt trage? Es ist guten Sinnen eigen, Vertraulichkeit mit Gleichgesinnten zu begehren, und mir liegt am Herzen, Deinen Vorschriften bei allem Wollen zu gehorchen, und darum wollte ich durch gegenwärtiges Schreiben Deinen süßen Brief doch mit einer Antwort entgegnen, wenn sie ihm auch ungleich ist. Immer war Anfang, Mitte und Ende unserer Unterredung die Freundschaft. Da ist es in der Ordnung, dass ich von der wahren Freundschaft, dem besten, fröhlichsten und lieblichsten aller Dinge, spreche. Wahre Freundschaft ist nach dem Zeugnis des Tullius Cicero Einklang in allem Göttlichen und Menschlichen mit Herzlichkeit und zugeneigtem Sinn. Sie ist auch, wie ich von Dir gelernt habe, das Trefflichste aller Dinge auf Erden und besser als alle andern Tugenden, denn sie gesellt, was getrennt war, sie bewahrt, was sie gesellt, und was sie bewahrt, hebt sie höher und höher. Nichts ist wahrer als diese Beschreibung oder Erklärung, wer sich danach richtet, der hat einen Grund von fester Bewährung. Für sie wollen wir leben, denn durch sie wird fester unser Streben.
Sie ist ein mächtig Ding, tröstet vornehm und gering, / Sie richtet auf die Wankenden und erquickt die Krankenden, / Sie lässt nicht Unrecht üben, und fordert frei zu lieben, / Um kurz zu werden, sie ordnet jedes ohn' Beschwerden. / Sie waltet mächtig und regieret prächtig.
Doch um davon abzukommen, ohne davon zu lassen, an Dich richte ich meine Zeilen, an Dich, den ich in meiner Herzenskammer eingeschlossen trage, der jedes menschenmöglichen Loses würdig ist. Denn von dem Tage, wo ich Dich zuerst sah, fing ich an, Dich zu lieben. Du bist kühn in die Tiefen meines Herzens eingedrungen, dort hast Du Dir, wunderbar zu sagen, durch den Reiz Deines lieblichen Gespräches einen Sitz bereitet, und dass er nicht bei einem Anstoß umgeworfen werde, hast Du durch die Rede Deiner Briefe Dir Deinen Schemel, ja einen Thron fest gegründet. So ist es gekommen, dass Dich aus meinem Gedächtnis kein Vergessen tilgen kann, keine Dämmerung verhüllen und kein starkes Stürmen von Wind und Wetter aufstören. Doch wie kann man von Beständigkeit reden, wo immer neue Dinge aufeinanderfolgen? Ich würde es wohl für ein wahres Sein halten, wenn ich immer in Deiner Nähe sein könnte, aber da mir solches Sein versagt ist, wird alles Sein, das mich umgibt, von mir für unwahr erachtet. Mache Du also, dass ich mein Sein für wahr zu halten vermag, und das ist nicht anders möglich, als wenn etwas von Dir mit mir ist. Auch der Glaube wird der König aller Tugenden genannt, und das bezeugt nicht nur die Heilige Schrift, auch die unverwerflichste Lehre weltlicher Lehrer.
Diesen Glauben willst Du und ich will ihn, Du suchst ihn bei mir, ich wieder bei Dir, ihn hefte ich durch Wort und Tat eifrig in Dein Herz, scheidest Du Dich von ihm, so sinkst Du zum Abgrund, lösest Du Dich von ihm, so fährst Du niederwärts vom Pfade der Tugend. Vermählst Du Dich ihm, so leuchtest Du wie ein Sonnenstrahl, dienst Du ihm, so eroberst Du die Burg der Tugenden; folgst Du ihm, erwirbst Du ein seliges Leben, hältst Du ihn fest, so fassest Du den Anker Deiner Hoffnung. Warum? Er bindet in Hoffnung, er vereint in Liebe; durch seine Fesseln sind wir zusammengesellt; dass wir ihn fühlen, darum wünschen wir uns Glück. Was soll ich mehr sagen?
Alles Gute gewinnt. / Wer durch Gott in Treue brinnt.
Du allein bist mir aus Tausenden erlesen, Du allein bist in das Heiligtum meines Geistes aufgenommen, Du allein bist mir Genüge statt allem, wenn Du Dich nämlich von meiner Liebe, wie ich hoffe, nimmer abwendest. Wie Du getan hast, habe ich auch getan, aller Lust habe ich aus Liebe zu Dir entsagt, an Dir allein hange ich, auf Dich habe ich alle meine Hoffnung und mein Vertrauen gesetzt.
Ferner, wenn Du mir rätst, ich soll mich vor den Rittern wie vor gewissen Ungetümen hüten, so hast Du recht. Auch ich weiß, wie ich mich wahre, damit ich nicht sinke auf die Bahre. Aber ohne die Treue gegen Dich zu verletzen, verschmähe ich sie nicht ganz, wenn ich nur nicht dem Fehler unterliege, den Du ihnen schuld gibst.
Denn sie sind es doch, durch welche die Vorschriften höfischer Sitte geübt werden, sie sind Quelle und Ursprung aller Ehre. So viel über die Herren, bleiben sie nur unserer Minne fern. Meines Gelöbnisses eingedenk, habe ich Dich immer und überall in Gedanken, denn dadurch wird die Glorie meines Hauptes völlig und mein Ruhm erneut. Beständigkeit des Geistes und der Treue bewahre ich Dir allein, weil ich dadurch Gold und Silber der Seele, das ist Anmut, mir erwerbe, die ich höher zu schätzen habe als Gold und Silber. Was Dir am wertesten sein mag: Daran hange ich und das für alle Zeit verlange ich, / Dabei zu beharren in Stetigkeit, befiehlt mir mein Sinn in Wahrhaftigkeit. / Ich bin sicher Dir, niemand folgt in mir / Jetzt und jemals Dir von allen, / Du allein sollst mir gefallen. / Ich hätte mehr gesendet, / Doch tut's nicht not, drum sei geendet. / Du bist mein, ich bin Dein, / Des sollst Du gewiss sein. / Du bist beschlossen / In meinem Herzen, / Verloren ist das Schlüsselein, / Du musst immer drinnen sein.
zitiert nach: Bauer: Deutscher Frauenspiegel [448], Bd. 1, S. 243-247.

[362]
Gregor von Tours über den Aufstand im Kloster von Poitiers, 589/593
IX, 39. In dem Kloster zu Poitiers entstand Hader und Zwietracht, da der Teufel das Herz der Chrodechilde verführte, die sich weiland König Chariberts Tochter zu sein rühmte; im Vertrauen auf ihre königlichen Verwandten nahm sie den Nonnen einen Eid ab, dass sie der Äbtissin Leubowera Verbrechen vorwerfen, sie aus dem Kloster entfernen und statt dessen sie selbst zum Haupt desselben einsetzen wollten; sie verließ darauf mit vierzig oder noch mehr Jungfrauen, wie auch mit ihrer Base Basina, der Tochter Chilperichs, das Kloster und sprach: »Ich gehe zu den Königen, meinen Verwandten, um ihnen die Schmach melden zu können, die wir erleiden; denn man erniedrigt uns hier, gleich als seien wir nicht Königstöchter, sondern von niedrigen Mägden geboren«, die Unselige und Leichtsinnige gedachte nicht, in welcher Erniedrigung die heilige Radegunde lebte, die dieses Kloster gegründet hat. Als sie es nun verlassen hatte, kam sie nach Tours, begrüßte uns und sprach: »Ich bitte dich, heiliger Bischof, dass du diese Jungfrauen, welche die Äbtissin zu Poitiers schmählich erniedrigt hat, bei dir behalten und sie verpflegen wollest, bis ich zu den Königen, meinen Verwandten, gehe, ihnen melde, was wir erleiden, und zurückkehre.« Ich aber sprach zu ihnen: »Wenn die Äbtissin gefehlt und in irgend etwas die kirchenrechtlichen Vorschriften überschritten hat, so wollen wir zu unsrem Bruder Bischof Marowech gehen und zusammen sie zurechtweisen; wenn dann die Sache ausgeglichen ist, möget ihr wieder in euer Kloster zurückkehren, damit nicht durch Mangel an Zucht verschleudert werde, was die heilige Radegunde mit Fasten, unablässigem Gebet und unermüdlichen Spenden gesammelt hat.« Doch jene antwortete: »Nein, wir wollen zu den Königen gehen.« Da sprach ich: »Warum widersetzt ihr euch denn der Vernunft? Was hört ihr nicht auf die Mahnung eines Bischofs? Ich fürchte, dass die Bischöfe der Kirchen, wenn sie sich versammeln, euch von der Kirchengemeinschaft ausschließen werden.« So steht es nämlich in dem Briefe, den unsere Vorgänger an die heilige Radegunde bei der Gründung dieser Klostergemeinschaft schrieben. Seinen Wortlaut habe ich beschlossen, diesem Buche einzuverleiben. [...]
IX, 40. [. . .] Als nun der Sommer kam, ließ Chrodechilde die andren Nonnen zu Tours zurück, befahl sie der Obhut ihrer Base und begab sich zu König Gunthramn. Von diesem wurde sie wohl aufgenommen und mit Geschenken geehrt und kehrte darauf nach Tours zurück, sie ließ aber Constantina, die Tochter des Burgolen, im Kloster zu Autun zurück, um die Bischöfe zu erwarten, die auf den Befehl des Königs zusammenkommen und ihren Handel mit der Äbtissin untersuchen sollten. Viele von den Nonnen waren indessen von Männern umgarnt worden und verheirateten sich, noch ehe jene vom Könige zurückkehrte. Und als sie nach langem Warten auf die Zusammenkunft der Bischöfe endlich vernahmen, dass keiner sich einstelle, kehrten sie nach Poitiers zurück, begaben sich zu ihrer Sicherheit in die Kirche des heiligen Hilarius und sammelten hier um sich eine Schar von Dieben, Mördern, -Ehebrechern und Menschen, die aller Verbrechen schuldig waren; sie rüsteten sich zum Widerstande und sprachen: »Königstöchter sind wir und kehren nicht eher in das Kloster zurück, als bis die Äbtissin fortgeschafft ist.« Es lebte zu jener Zeit in dieser Kirche eine Klausnerin, die wenige Jahre zuvor über die Mauer gesprungen war und sich in die Kirche des heiligen Hilarius geflüchtet hatte; sie geiferte damals viele schwere Anklagen gegen die Äbtissin aus, die ich aber als unwahr erkannte. Nachher war sie an derselben Stelle, von wo sie herabgesprungen war, an Stricken wieder in das Kloster gezogen worden und hatte gebeten, man möchte sie in einer besonderen Zelle einschließen, »schwer«, sagte sie, »habe ich mich an dem Herrn und an meiner Herrin Radegunde - denn diese lebte damals noch - versündigt, und ich will abgeschieden von dem Umgange mit den andren Nonnen leben und für meine Sünden Buße tun. Denn ich weiß, Gott ist barmherzig und vergibt die Sünden denen, die sie bekennen!" So ging sie in die Zelle. Als aber diese Zwistigkeiten sich erhoben und Chrodechilde von König Gunthramn zurückkehrte, erbrach jene bei nächtlicher Weile die Türe ihrer Zelle, entkam aus dem Kloster, begab sich zu Chrodechilde, und brachte abermals, wie sie früher getan hatte, viele schwere Beschuldigungen gegen die Äbtissin vor.
IX, 41. Indessen begab sich Gundegisil von Bordeaux, weil er der Bischof der Mutterkirche dieser Stadt war, mit den Bischöfen Nicasius von Angou18me, Saffarius von P8rigueux und Marowech von Poitiers selbst zu der Kirche des heiligen Hilarius, rügte die Jungfrauen und wollte sie wieder in das Kloster zurückbringen. Da sie aber mit großer Hartnäckigkeit sich weigerten und er mit den andren Bischöfen gemäß dem oben angeführten Brief den Bann über sie aussprach, erhob sich jene Schar von Unsinnigen, deren wir vorhin gedachten, und fiel in der Kirche des heiligen Hilarius selbst über sie mit solchen Faustschlägen her, dass die Bischöfe zu Boden sanken und sich kaum wieder erheben konnten; aber auch die Diakonen und die andren Geistlichen liefen mit Blut bespritzt und mit zerschlagenen Köpfen aus der Kirche. Ein solcher Schrecken befiel sie alle - und das war des Teufels Werk, wie ich glaube , dass sie, als sie die heilige Stätte verließen, einander nicht einmal Lebewohl sagten und sich jeder auf dem ersten besten Wege nach der Heimat aufmachte. Bei diesem unseligen Vorfall war auch Desiderius, ein Diakon des Bischofs Syagrius von Autun, zugegen, der suchte sich nicht einmal eine Furt in dem Flusse Clain auf, sondern stürzte sich hinein, sobald er an das Ufer kam; aber da sein Pferd schwamm, gelangte er auf das Feld am andren Ufer. Hierauf bestellte Chrodechilde Verwalter, bemächtigte sich der Güter des Klosters und nötigte alle seine Dienstleute, deren sie habhaft werden konnte, mit Schlägen und Streichen, sich ihr zu unterwerfen; sie drohte, wenn es ihr gelänge, in das Kloster zu kommen, so würde sie die Äbtissin von der Mauer herabstürzen. Als dies König Childebert vernahm, erließ er sofort eine Verfügung und trug dem Grafen Macco auf, dass er diesem Handel mit aller Macht ein Ende machen sollte. [...]
IX, 15. Als aber König Childebert dies vernahm, schickte er eine Gesandtschaft an König Gunthramn, dass die Bischöfe aus ihren beiden Reichen zusammentreten und diese Untaten durch kirchenrechtliche Strafen abstellen sollten. Und König Childebert befahl hierbei zu erscheinen meiner geringen Person, dem Bischof Eberegisel von Köln und dem Bischof Marowech von Poitiers selbst; König Gunthramn aber dem Bischof Gundegisil von Bordeaux, mit den andren Bischöfen seiner Kirchenprovinz, weil er der Bischof der Mutterkirche von Poitiers war. Aber wir fingen an Widerspruch zu erheben und erklärten: »Wir werden diesen Ort nicht betreten, wenn nicht der wilde Aufruhr, den Chrodechilde veranlasst hat, durch das Einschreiten des Richters zuvor unterdrückt wird.¬´ Deshalb wurde an Macco, der damals Graf der Stadt war, der Befehl erteilt, den Aufruhr mit Gewalt zu unterdrücken, wenn jene noch Widerstand leisten sollten. Als Chrodechilde dies vernahm, befahl sie jenen Banditen, sich bewaffnet an der Türe des Betsaales aufzustellen, um sich dem Grafen zu widersetzen und, wenn er Gewalt anwenden wollte, gleichfalls zur Gewalt zu greifen. Hierdurch wurde der Graf genötigt, mit Waffengewalt vorzugehen, und er ließ einige mit Stangen nieder hauen, andere mit den Speeren nieder stoßen, auf diejenigen, die sich hartnäckiger widersetzten, mit dem Schwerte einhauen und sie so nieder ringen. Als Chrodechilde dies sah, nahm sie das Kreuz des Herrn, dessen Wunderkraft sie früher verachtet hatte, trat heraus, ihnen entgegen, und sprach: »Braucht, ich bitte euch, keine Gewalt gegen mich, die ich eine Königin bin, eines Königs Tochter und die Base eines andren Königs; tut es nicht, es möchte sonst einst die Zeit kommen, da ich mich an euch räche.« Aber das Volk achtete wenig auf das, was sie sagte, sondern stürzte sich, wie wir eben erzählten, auf die, die Widerstand leisteten, und schleppte sie in Fesseln aus dem Kloster; man band sie an Pfähle, geißelte sie scharf, einigen schnitt man das Haar, anderen die Hände, manchen auch Ohren und Nase ab, so wurde der Aufstand unterdrückt, und die Ruhe kehrte zurück.
X, 20. Auf dieser Kirchenversammlung erschien auch Basina, König Chilperichs Tochter, von der wir oben erzählten, dass sie mit Chrodechilde aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen worden war, warf sich vor den Bischöfen zu Boden, bat um Verzeihung und versprach, mit der Äbtissin sich zu versöhnen, in ihr Kloster zurückzukehren und die Regel nicht mehr zu übertreten. Chrodechilde beteuerte dagegen, dass sie, solange die Äbtissin Leubowera in dem Kloster sein würde, niemals dahin zurückkehren würde. Der König bat, beiden Verzeihung zu gewähren; sie wurden deshalb wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen und ihnen befohlen, nach Poitiers zurückzukehren, und zwar sollte Basina, wie gesagt, in ihr Kloster zurückkehren, Chrodechilde aber sich auf einem Hofe aufhalten, der einst dem früher erwähnten Waddo gehört hatte, ihr aber vom König geschenkt worden war.
Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten [634], Bd. 2, S. 297, S. 305-309, S. 363, S. 379.

[363]
Widerstand der Nonnen des Klosters Schönensteinbach gegen die Klosterreform, Anfang des 15. Jh.
Als die Schwestern solches vernahmen, da taten sie sich hart dawidersetzen, und taten also sich ungebührlich und wild erzeigen, als wann sie unsinnig wären; sie widerstrebten sehr dem päpstlichen und göttlichen Gehorsam. Diese so unchristliche Sitten, Reden und Gebärden missfiel, ja schmerzte den seligen Konrad' in das Herz hinein; die Ehre Gottes zu befördern und das Heil der Seelen zu gewinnen, musste er sich ganz ernsthaft erzeigen, obwohl er von Natur ganz gütig und mild war. Er gebot, dass man solche öffentlich ungehorsame, rebellische Schwestern einsperren und binden solle, befahl also einem Bruder, eine gewisse Schwester zu binden; da sprach dieselbige Schwester: »Ich will von niemanden gebunden werden, denn von diesem Bürger, meinem guten Freund.« Dieser gute ehrliche Mann vermeinte, es wäre dem also, dachte an keinen Schalk, ging hinzu und wollte sie fassen, wie sie es selbst befohlen. In dem so hebt sie ihren Fuß auf und stößt ihn also grimmiglich von sich, dass er hinter sich auf die Erde fiel. Hiermit sah der gottselige Vater Konrad, dass er alldorten nichts schaffen möchte wegen allzu großer Unsinnigkeit und Zorn der Schwestern, da ging er samt seinen Brüdern und mitgenommenen ehrlichen Bürgern davon nach Haus.
Nach verflossener kurzer Zeit, da wurden die Patres mit ihrem Prior zu Rat, wie sie dem Willen und Gebot des Papstes möchten genug tun und dass sie die Schwestern wiederum zu einem ordentlichen geistlichen Leben bringen möchten; da sprach ein Vater, Johannes Millich genannt: »Wir müssen gar weislich in die Sach gehen und vernünftiglich uns fürsehen, dass wir weder Schaden noch Spott oder Unbescheidenheit davontragen, denn die Schwestern sind freventlich und halsstarrig, ohne Conscientz und Gewissen, auch ohne Furcht Gottes, daher würden sie es gar nicht viel achten, obschon von den Unsrigen einer sollte Schaden leiden. Sollten wir sie dann von uns schlagen oder stoßen, so sie vielleicht freventlicher Weise an uns Hand legen wollten, das würde man uns für eine große Unbescheidenheit auslegen; derhalben, so gedünkt es mich für ratsam zu sein, dass etliche Brüder mit uns gingen, welche verborgener Weise unter ihren schwarzen Mänteln ein jeglicher ein Säcklein Mehl mit sich nähme, und so wir sähen, dass die Schwestern mit großem Ungestüm freventlicher Weise an uns geraten wollten, alsdann so nähmen die Brüder das Mehl hervor und würfen den Schwestern solches in ihr Angesicht, auf welches sie so viel mit sich selbst würden zu schaffen bekommen, dass sie das Mehl aus ihren Augen und von ihrem Angesicht machten, hiermit gewännen wir alsdann Zeit, dass wir uns gar leichtlich salvieren möchten.«
In was Kreuz und Kummer unterdessen der gottselige Vater Konrad gewesen, ist nicht zu beschreiben. Er beklagte von Herzen ihre große Verstockung und Blindheit ihres Gemüts, dennoch wollte er davon nicht ablassen, sondern berief noch einmal gutwillige Bürger, ging mit ihnen samt noch etlichen seiner Väter und etlichen lieben Brüder zu dem Kloster der Schwestern; aber es war alles verwahrt und versperrt, dass niemand hineinkommen möchte. Sie erwarteten aber die Zeit und Gelegenheit, wenn man die Pforten müsste auftun, um die Arbeiter hinein oder hinaus zu lassen. Derwegen als die Pforte aufging, da schlüpften der ehrwürdige Vater Konrad samt den Seinigen, die bei ihm waren, gleich hinein. Als solches die Schwestern gewahr wurden, dass die Patres hinein waren gedrungen, da entstund ein großer Tumult und Lärmen in dem Kloster.
Nachdem dieser Tumult etwas gestillt, da stund einer auf und las auf Befehl Patris Prioris die päpstliche Bulle, und als die Schwestern dieses hörten, da machten sie wiederum einen großen Tumult und Ungestüm, so dass man nicht verstehen noch hören konnte. Deswegen wollte man etliche Schwestern strafen, aber sie wurden also rasend und zornig, dass sie abermalen mit großen Furi und Grimmen die guten Patres anfielen. Da sprach Pater Johannes Millich: »Nun ist es Zeit, dass ihr euch mit Glimpf der Schwestern möget erwehren.« Also nahmen die Brüder das Mehl unter den Mänteln hervor und sprengten es den Schwestern in das Angesicht, und mit solchem Glimpf kamen sie ohne Beschädigkeit davon. Haben also für diesmal mit der Reformation einhalten müssen, welche dennoch nicht lange hernach erfolgt ist.
zitiert nach: Hilpisch: Aus deutschen Frauenklöstern [491.], S. 100-104.

[364] Verbot der Übergabe von Jungen in ein Nonnenkloster zur Erziehung im kirchlichen Kapitular v. 803/804
7. Ausdrücklich verbieten wir, dass sich, irgendjemand herausnehme, seinen Sohn oder Enkel oder irgend einen männlichen Verwandten einem Nonnenkloster zur Erziehung zu übergeben; und niemand wage es einen solchen aufzunehmen.
übertragen nach: Monumenta Germaniae Historica [334], Capitularia regum Francorum, Bd. 1, Nr. 42, S. 119.

[366]
Hrotsvitha von Gandersheim: Vorwort zu den Dramen, nach 962
Viele rechtgläubige Christen gibt es - auch ich kann mich nicht völlig davon freisprechen, dass ich zu ihnen gehöre -- die wegen der gepflegteren Sprache die weltlich eiteln Bücher der Heiden dem Nutzen der Heiligen Schriften vorziehen. Daneben gibt es auch andere, die, frommer Lektüre ganz ergeben, zwar alle anderen heidnischen Werke verachten, aber die Phantasieschöpfungen des Terenz immer wieder lesen und, während sie sich an der Anmut seiner Sprache ergötzen, sich durch die Kenntnis des gottlosen Inhalts mit Sünde beflecken. Daher habe ich, die kraftvolle Stimme von Gandersheim, es mir nicht versagt, während andere ihn dadurch ehren, dass sie ihn lesen, ihn in seiner Darstellungsweise nachzuahmen, um in der gleichen sprachlichen Form, in der die verwerflichen Laster liederlicher Weiber geschildert werden, die löbliche Keuschheit heiliger Jungfrauen, soweit meine geringe geistige Kraft reicht, zu rühmen. Dies erregte nicht selten Scham in mir und ließ mich tief erröten, weil ich - durch diese Art der Darstellung gezwungen - den verabscheuungswürdigen Wahnwitz derer, die unerlaubter Liebe frönen, und ihre schmeichlerischen Reden, die uns nicht einmal zu Gehör kommen dürfen, bei der Darstellung in meinem Geist erwogen und mit dem Griffel niedergeschrieben habe. Doch hätte ich es aus Schamgefühl unterlassen, dann hätte ich weder an meinem Vorhaben festgehalten, noch das Lob der Reinen nach meinem Vermögen so voll erklingen lassen, denn je verführerischer die Schmeichelreden der Betörten locken, desto größer ist die Herrlichkeit des himmlischen Helfers und um so glorreicher erweist sich der Sieg der Truimphierenden, vor allem , wenn weibliche Schwachheit siegt und männliche Kraft schändlich unterliegt. Freilich zweifle ich nicht, dass mir einige vorwerfen werden, dass diese meine wertlose Darstellung weitaus armseliger, weitaus karger ist und im Sprachlichen ganz und gar nicht zu vergleichen mit der des Vorbildes, das nachzuahmen ich mir vorgenommen. Ich gebe das zu, erkläre ihnen aber, dass man mir gerechterweise nicht vorwerfen kann, ich wolle mich vermessen, mich mit denen zu vergleichen, die mir, der Unwissenden, in Kenntnissen weit voraus sind. Denn ich leide nicht an so großer Überheblichkeit, dass ich mir anmaßen würde, mich auch nur mit dem geringsten Schüler dieser Meister zu vergleichen. Das allein strebe ich an - mag ich auch sonst in keiner Weise genügen - mit demütig ergebenem Sinn, die Gabe, die ich empfangen, ihrem Spender wieder zurückzuerstatten. Denn meine Eigenliebe ist nicht so groß, dass ich, um Tadel zu entgehen, davon abstehen würde, Christi Wunderkraft, die in den Heiligen wirkt, zu künden, sofern er mir nur das Vermögen dazu verleiht. Wenn jemandem meine fromme Gabe gefällt, freue ich mich, wenn sie aber wegen meiner Unwürdigkeit oder wegen der ungepflegten und fehlerhaften Sprache niemandem gefällt, so freut mich selber doch, was ich geschaffen, denn während ich bei der Abfassung meiner minderwertigen Arbeit in den anderen Werken meiner Unwissenheit eine Darstellung in heroischem Versmaß verwendete, wähle ich hier eine in dramatischer Folge, wobei ich mich aber der verderblichen heidnischen Blendkünste enthalte und sie vermeide.
Hrotsvitha von Gandersheim: Werke [212], S. 176 f.

[367]
Hrotsvitha von Gandersheim: Die Bekehrung der Dirne Thais, nach 962 1.
Einsiedelei in der Wüste: Pafnutius. Schüler.
Schüler: Warum ist dein Gesicht so düster, Vater, und nicht wie sonst ungetrübt?
Pafnutius: Wes Herz beschwert ein Leid, des Antlitz verrät Traurigkeit.
Schüler: Und warum bist du betrübt?
Pafnutius: Über das Unrecht, am Schöpfer verübt.
Schüler: Was für ein Unrecht?
Pafnutius: Verübt von dem Lebewesen, das er nach seinem Bild geschaffen hat.
Schüler: Dein Wort erschreckt uns.
Pafnutius: Wohl kann jene unantastbare Hoheit nicht durch irgendein Unrecht berührt werden, und doch, wenn wir unsere eigene Gebrechlichkeit gleichsam bildlich auf Gott übertragen - welch größeres Unrecht könnte es geben, als dass der Oberhoheit desjenigen, unter dessen Herrschaft der Makrokosmos sich gehorsam beugt, allein der Mikrokosmos sich widersetzlich zeigt?
Schüler: Was ist denn der Mikrokosmos?
Pafnutius: Der Mensch.
Schüler: Der Mensch?
Pafnutius: Gewiss.
Schüler: Welcher Mensch?
Pafnutius: Jeder.
Schüler: Wie ist das möglich?
Pafnutius: Der Schöpfer hat es so beschlossen.
Schüler: Wir verstehen das nicht.
Pafnutius: Das ist für die Menge auch nicht zu begreifen.
Schüler: Erkläre es uns.
Pafnutius: Hört zu.
Schüler: Aufmerksam.
Pafnutius: So wie nämlich der Makrokosmos, der aus vier gegensätzlichen Elementen besteht, auf des Schöpfers Willen hin nach den Satzungen der Harmonie ein Übereinstimmendes bildet, so ist auch der Mensch nicht nur aus denselben Elementen zusammengesetzt, sondern aus noch viel gegensätzlicheren.
Schüler: Und was könnte noch gegensätzlicher sein als die Elemente?
Pafnutius: Körper und Seele. Denn während jene Elemente zwar gegensätzlich sind, sind sie doch körperlich; dagegen ist die Seele nicht sterblich wie der Körper und der Körper nicht geistig wie die Seele.
Schüler: So ist es.
Pafnutius: Wenn wir jedoch der Lehre der Dialektiker folgen, dann sind auch diese beiden nicht gegensätzlich.
Schüler: Wer könnte das leugnen?
Pafnutius: Nach dialektischer Methode enthält nämlich die Substanz nichts Gegensätzliches, sie nimmt das Gegensätzliche in sich auf.
Schüler: Was meinst du mit »nach den Satzungen der Harmonie¬´?
Pafnutius: Das Folgende: so wie tiefe und hohe Töne, harmonisch verbunden, Musik hervorbringen, so bilden die gegensätzlichen Elemente, in Übereinstimmung gebracht, eine Welt.
Schüler: Merkwürdig, dass Gegensätzliches »Zusammenstimmendes¬´ und Zusammenstimmendes »Gegensätzliches¬´ genannt werden kann.
Pafnutius: Deshalb, weil nichts aus ähnlichem zusammengesetzt zu sein scheint, noch aus Bestandteilen, die durch kein Maßverhältnis miteinander verbunden sind und hinsichtlich der Substanz und Natur verschieden sind.
Schüler: Und was ist die Musik?
Pafnutius: Ein Lehrfach des Quadriviums.
Schüler: Was nennst du Quadrivium?
Pafnutius: Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Schüler: Und warum werden sie Quadrivium genannt?
Pafnutius: Wie von einem Kreuzweg Straßen ausgehen, so zweigen von der Philosophie als Ausgangspunkt diese Fächer auf geradem Weg ab.
Schüler: Wir scheuen uns, Fragen nach den drei anderen zu stellen, da wir mit unserer Fassungskraft schon kaum den Schwierigkeiten der begonnenen Auseinandersetzung zu folgen vermögen.
Pafnutius: Gewiss, es ist schwierig zu begreifen.
Schüler: So erkläre uns wenigstens das Fach oberflächlich, von dem eben die Rede war.
Pafnutius: Ich weiß nur ganz wenig darüber, da es den Einsiedlern nicht näher bekannt ist.
Schüler: Womit befasst sie sich?
Pafnutius: Die Musik?
Schüler: Ja.
Pafnutius: Sie beschäftigt sich mit den Tönen.
Schüler: Gibt es nur eine Art oder mehrere?
Pafnutius: Es gibt drei, doch jede einzelne ist durch ein bestimmtes Maßverhältnis so mit den anderen verbunden, dass das, was der einen eigen ist, der anderen nicht fehlt.
Schüler: Und welcher Unterschied besteht zwischen den dreien?
Pafnutius: Die erste wird kosmische oder Sphärenmusik genannt, die zweite die menschliche Musik, die dritte wird von Instrumenten erzeugt.
Schüler: Und wie kommt die Sphärenmusik zustande?
Pafnutius: Durch die sieben Planeten und die Himmelskugel.
Schüler: Auf welche Weise?
Pafnutius: Auf die gleiche Weise wie die Instrumentalmusik, da in ihr ebenso viele Intervalle, Tonstufen und Akkorde enthalten sind wie in den Saiten.
Schüler: Was sind Intervalle?
Pafnutius: Die Zwischenräume, die zwischen den Planeten und den Saiten gezählt werden.
Schüler: Und was sind Tonstufen?
Pafnutius: dasselbe wie Tonschritte.
Schüler: Auch ihre Kenntnis fehlt uns.
Pafnutius: Ein Tonschritt besteht aus zwei Tönen, deren Verhältnis neun zu acht ist.
Schüler: Je schneller wir uns bemühen, deine Darlegungen zu verstehen, um so schwierigere lässt du folgen.
Pafnutius: Das erfordert die Behandlung eines solchen Gegenstandes.
Schüler: So teile uns einiges über die Konsonanzen mit, damit wir wenigstens wissen, was das Wort bedeutet.
Pafnutius: Konsonanz wird der Zusammenklang genannt.
Schüler: Warum?
Pafnutius: Weil sie bald von vier, bald von fünf, bald von acht Tönen zustande gebracht wird.
Schüler: Da wir nun diese drei kennen, möchten wir auch ihre Namen wissen.
Pafnutius: Die erste wird Diateseron genannt; sie imspannt vier Töne und ihr Zahlenverhältnis - das des Epitrit - ist vier zu drei. Die zweite, Diapente, besteht aus fünf Tönen; ihr Verhältnis, das des Hemiolios, ist drei zu zwei. Die dritte, Diaposon, ihr Verhältnis ist zwei zu eins; sie besteht aus acht Tönen.
Schüler: Erzeugen die Himmelssphäre und die Planeten denn einen Klang, so dass man sie mit Recht mit den Saiten vergleichen kann?
Pafnutius: Sogar einen starken.
Schüler: Warum ist er nicht zu hören?
Pafnutius: Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Die einen behaupten, man höre ihn nicht, weil er ununterbrochen ertönt; andere, weil die Luft zu dicht ist; und wieder andere, weil die Tonstärke so ungeheuer laut ist, dass sie nicht in die engen Gehörgänge eindringen könne; einige behaupten, dass die Sphärenmusik einen so lieblichen, so süßen Klang hervorbringe, dass alle Menschen, wenn sie ihn hörten, sich und alle ihre Beschäftigungen im Stich lassen und nur noch diesem Klang von Ost nach West folgen würden.
Schüler: So ist es besser, man hört ihn nicht.
Pafnutius: Das hat der Schöpfer vorher bedacht.
Schüler: Doch genug darüber. Erkläre uns die menschliche Musik.
Pafnutius: Was wollt ihr über sie wissen?
Schüler: Wo sie zu beobachten ist.
Pafnutius: Nicht nur, wie ich schon sagte, im Zusammenklang von Leib und Seele und im bald hohen, bald tiefen Klang der Stimme, sondern auch in den Pulsschlägen und in bestimmten Maßen der Glieder, wie etwa den Fingergliedern, in denen die gleichen Maßverhältnisse zu finden sind, die wir bei Erklärung der Konsonanzen erwähnten, da nicht nur der Zusammenklang der Stimmen, sondern auch der Zusammenklang anderer ungleicher Dinge Musik genannt wird.
Schüler: Hätten wir im voraus gewusst, dass die Lösung dieses Frageknotens uns Unwissenden so schwer fallen würde, dann hätten wir lieber nichts über den Mikrokosmos erfahren, als uns an solche Schwierigkeiten gewagt.
Pafnutius: Um die Anstrengung sei es euch nicht leid, da ihr nunmehr über zuvor nicht Gewusstes belehrt seid.
Schüler: Gewiss, doch behagt uns diese philosophische Erörterung nicht, weil wir der Feinheit deiner Beweisführung mit unserer Fassungskraft nicht zu folgen vermögen.
Pafnutius: Warum verspottet ihr mich, der ich gar nichts weiß und kein Philosoph bin?
Schüler: Wo hast du denn die Kenntnisse her, mit denen du uns geplagt hast?
Pafnutius: Ein kleiner Tropfen des Wissens, den ich nicht etwa aus den gefüllten Schalen der Weisheit mit Bedacht schöpfte, sondern den ich auffing, als ich zufällig vorüber ging; ihn an euch weiterzugeben, war mein Bestreben.
Schüler: Wir danken dir für deine Güte, doch schreckt uns das Apostelwort, das lehrt: ». . . denn was als töricht gilt vor der Welt, hat Gott auserwählt, um die menschliche Weisheit zuschanden zu machen.¬´
Pafnutius: Wer, ob Tor oder Weiser, zu freveln sich erfrecht, den trifft Gottes Strafgericht mit Recht.
Schüler: So ist es.
Pafnutius: Nicht die erforschliche Weisheit kränkt Gott, sondern des Wissenden Überheblichkeit.
Schüler: Wohl wahr.
Pafnutius: Und zu wessen Lob könnte die Wissenschaft würdiger und gerechter betrieben werden als zum Lob dessen, der das Wißbare schuf und uns die Wissenschaft geschenkt hat?
Schüler: Zu keines Ehre mehr.
Pafnutius: Wie Gott alles durch ein wunderbares Gesetz nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet hat - je mehr einer das erkennt, in desto größerer Liebe er zu Gott entbrennt.
Hrotsvitha von Gandersheim: Werke [2121, S. 242-246.

[368]
Chronik des Bickenklosters zu Villingen: Wie die selige Mutter (Ursula Haiderin) weltliche Jungfrauen aufnahm, und von der Zucht der Novizen, um 1500
Sie nahm viele weltliche, ehrliche und züchtige Jungfräulein in den heiligen Orden an und auf und sah dabei gar nicht auf das Zeitliche, obwohl viele, ja der größere Teil dem armen Gotteshause wenig oder gar nichts zubrachten. Sie hatte allein ein Aufmerken auf den Geist und Eifer, und so brachte sie in wenig Jahren einen schweren, großen Konvent von lauter jungen Frauen zusammen. Zu solchen Aufnahmen zwang und trieb sie ihr Eifer für den göttlichen Dienst, damit er durch solche Frauen mit allem Fleiße gehalten würde. Dabei war sie immer voll Hoffnung, die auch nicht zuschanden wurde. Werden die sieben Tagzeiten ordentlich und fleißig gebetet, so bringt Gott seinen Taglöhnern zu, was für Seele und Leib notwendig ist.
Darum legte sie viele Mühe und Arbeit an den göttlichen Dienst und an die Erziehung der jungen Frauen, damit gleich am Anfange, wo doch der Eifer am größten ist, der Grundstein der Andacht gelegt würde, worauf dann die anderen Gebäude unbeweglich gesetzt werden können.
Ging die selige Mutter zu Tische, so setzte sie die jungen Novizinnen ihr gegenüber an einen besonderen Tisch, damit sie unbehindert sehen konnte, wie sie sich in allen geistlichen Ordnungen hielten, wie sie mäßig und züchtig das heilige Almosen genossen. Sie gestattete nicht, dass eine Novizin ihre Augen hin und her gehen ließ, soweit ihr Brot und Teller war, durfte sie schauen, weiter aber nicht ohne wichtige Ursache.
In allen Dingen nahm sie der Jungen acht. Damit sie kein leichtfertiges oder unnützes Geschwätz führten, befahl sie mit Ernst, dass sie gut auf die Tischlesung achteten und streng darauf merkten, damit neben dem Leibe auch die Seele gespeist würde. Denn sie wusste wohl, was für großen Nutzen ein Novize davon bekommt, der sich von Anfang an daran gewöhnt, fleißig auf das Tischlesen zu merken. Weil aber die Jugend frei und zur Ausschweifung geneigt ist, hat sie, die fromme Mutter, befohlen, dass nach der Tischlesung, ehe man vom Tische aufsteht, eine Novizin nach der anderen zu ihr kam und ihr in Stille eine Lektion sagte von demjenigen, so man über Tisch gelesen hatte. Jede machte es nach dem Grade ihres Verstandes. Das war bisweilen kindlich und lächerlich genug. Aber die gütige Mutter empfing sie allwegs sanftmütig und ließ nicht zu, dass jemand darüber lachte, wenn sie ihre Lektion auch noch so kindlich vorbrachten. [...]
Sie schrieb auch allen jungen Frauen mit mütterlichem Ernste vor, dass sie alle Tage das Leiden und Sterben unseres lieben Herrn eine ganze Stunde betrachten sollten. Das geschah auch gar fleißig, und zuweilen gab man mit einem Glöcklein dazu ein Zeichen. Sie unterrichtete auch die Novizinnen sehr fleißig, wie sie betrachten sollten, damit sie auch einen geistlichen Nutzen davon hätten, und wie sie an allen Orten, auf Gängen, in Stuben, in der Klausur, im Hause, in summa in allen Winkeln des Klosters alles in das bittere Leiden und Sterben unseres Herrn einordnen sollten.
Solcherart sollten sie die Konventstube für den Saal halten, in dem unser lieber Herr das letzte Nachtmahl aß. Das Schlafhaus sollten sie halten für das Tal Josaphat, wo alle Toten auferstehen und vor Gericht kommen, und so alle Orte des ganzen Klosters, damit sie nimmer Ursach hätten, wo sie auch wären, an die Welt und weltliche Dinge zu denken; sie sollten vielmehr zu allen Zeiten eine gute Betrachtung im Herzen tragen können.
Sie ordnete auch an, dass zur gemeinsamen Arbeit der jungen Frauen allezeit die Jüngste unter ihnen ein Geheimnis der Passion unseres Herrn nennen sollte, die übrigen, die zugegen waren, mussten ein andächtiges Vaterunser und Ave Maria in Betrachtung und zu Ehren dieses Punktes beten, jedoch in aller Stille, jedes bei sich selbst, und hernach wieder ein Geheimnis nach dem andern in der angegebenen Ordnung, damit sie allerzeit dem Gebete ergeben waren.
Diese heilige Übung des steten Gebetes hat vielen große Gnade erworben, daneben auch viele unnützen, sündlichen Reden verhütet, deren sich bald viele erheben, wo man also versammelt ist. Diese Ordnung ist gottlob derzeit noch in ziemlichem Gebrauch. Gott wolle uns allezeit darin erhalten!
Die selige Mutter richtete auch vor allen Dingen ihre Aufmerksamkeit auf den göttlichen Dienst, dem sie trotz ihres hohen Alters und der anstrengenden Klostergeschäfte bei Tag und Nacht, ohne sich verhindern zu lassen, beiwohnte.
Es war ihre größte Freude, wenn er ordentlich, schön und zierlich vollbracht wurde, denn sie war selbst ein großer Schmuck desselben mit ihrer Kunst und Geschicklichkeit, weil sie sich gar wohl darauf verstand.
Hörte sie, dass die jungen Frauen mit ihren Stimmen dissonierten, so konnte sie solches keineswegs leiden. Während des Gottesdienstes ließ sie zwar nichts merken, um jegliche Zerstreuung und Verwirrung zu vermeiden, aber nach dem Mittagessen berief sie dieselben sämtlich in die Konventstube, und da mussten sie mit heller, lauter Stimme singen, damit sie es lernten.
zitiert nach.- Bühler: Klosterleben im Mittelalter [461], S. 397-400.[369]
          (369)                                                                                                                                (370)                                                                   
Frauen im Mittelalter Frauen im Mittelalter                             Frauen im Mittelalter 

                                                                                                      (371)

                                                                        Frauen im Mittelalter

[372]
Otto d. III. verleiht dem Kloster Gandersheim Markt, Münze und Zollrechte, 4. 8. 990
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Otto, durch das Walten von Gottes Gnaden König.
Es möge der frommen Ergebenheit aller Unserer Getreuen, der gegenwärtigen wie der zukünftigen, offenkundig sein: Aus Liebe und auf Bitten Unserer geliebten Mutter Theophanu, also der erhabenen Kaiserin, und Unserer lieben Schwester, der Nonne Sophia, sowie auch aufgrund frommer Fürsprache Unserer geliebten Tante Gerberga, der hochwürdigen Äbtissin des Klosters Gandersheim, die Unserem Vater seligen Angedenkens, dem erhabenen Kaiser Otto, und Uns recht häufig ergebenen Dienst geleistet hat - haben Wir dem Kloster, das sie leitet, und ihr selbst verliehen, aufgrund einer Erlaubnis Unserer königlichen Macht in dem Ort namens Gandersheim, der ihrer Verfügung untersteht, Markt und Münze einzurichten und zu besitzen sowie künftig den Zoll dort zu erhalten. Damit aber unter der Herrschaft des genannten Klosters und dieser oben genannten Äbtissin, die jetzt dort gebietet, und derer, die ihr in künftigen Tagen dort folgen, der genannte Markt mit Münze und Zoll Bestand hat, haben Wir dorthin Unsere königliche Banngewalt gegeben, so dass jede Rechtssache, die sich an diesem Ort gegen Recht und Gesetz erhebt, durch eine Verfügung der Äbtissin, die jeweils über dieses Kloster Gandersheim waltet, dadurch, dass sie Unsere königliche Banngewalt in ihre Hände empfangen, geschlichtet und rechtmäßig geahndet wird; und niemand, weder eine höhere noch niedere richterliche Person, soll künftig in diesem Ort irgendwelche Befugnis haben zur Ausübung irgendwelchen Rechts, es sei denn die gegenwärtige Äbtissin und ihre künftigen Nachfolgerinnen sowie derjenige, den sie zu diesem Amt und Dienst erwählen und als Vogt einsetzen. Dazu wollen Wir auch und gebieten kraft königlicher Gewalt, dass die Handelsleute und Einwohner dieses Ortes nach demselben Recht leben wie die übrigen Kaufleute von Dortmund und anderen Orten, ohne Widerspruch jeglicher neidischen Menschen.
Und damit diese Urkunde Unserer Schenkung in gegenwärtiger und künftiger Zeit unverletzlich bleibt, haben Wir dieses daraufhin verfaßte Gebot Unserer Herrschaft mit dem Aufdruck Unseres Siegels versehen lassen und, wie man unten sieht, mit eigener Hand rechtskräftig gemacht. Handzeichen des Herrn Otto, des ruhmreichsten Königs. Ich Hildebald, Bischof und Kanzler, habe in Vertretung des Erzbischofs Willigis die Ausfertigung beglaubigt. Gegeben am 4. August, im Jahre der Geburt des Herrn 990, in der 3. Indikation, im 7. Jahr unter der Königsherrschaft Ottos III.; geschehen zu Gandersheim; Heil und Segen. Amen.
zitiert nach: Weinrich: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250 [705], Nr. 18, S. 69-71.

[373]
Verordnung der Äbtissin des Reichsstiftes Essen über die Wehrfähigkeit ihrer Hintersassen v. 14. 7. 1338
Katharina, von Gottes Gnaden, Äbtissin, Lotgard, Pröpstin, Irmgard, Dekanin, Oda, Vorsteherin der Stiftsschule, Agnes, Seckelmeisterin, und das ganze Kapitel des weltlichen Stiftes Essen allen, die diese Urkunde hören oder sehen, Segen und Erkenntnis der Wahrheit des Untengeschriebenen. Wisset, dass die Leute, die in dem Essener Gebiet oder Bannbezirk wohnen und uns oder einer von uns als Leibeigene, Wachszinsige oder nach sonst einem Rechte zugehören, vielfach unter den Einfällen böser Menschen zu leiden haben und tagtäglich an Personen und Besitz grausam und unmenschlich heimgesucht werden. Damit die Bewohner des vorbezeichneten Gebietes oder Bannbezirks sich freimütiger den ungesetzlichen Gewalttätigkeiten und den gewaltsamen Ungesetzlichkeiten wie dem böswilligen Zugriff widersetzen und die Vergewaltigung der Wüteriche sicherer abwehren können, haben wir aus Mitleid mit ihnen nach feierlich abgehaltenem Kapitel und sorgfältiger Beratung eingedenk des Nutzens unseres Stiftes und des ganzen Essener Gebietes gewollt, bestimmt und verordnet:
Wenn ein Mann im Essener Gebiet oder Bann wohnt und ein Pferd im Wert von Mark Soester Pfennig oder darüber, einen Panzer und andere für seinen Leib passende Waffen besitzt oder besitzen kann, dessen Pferd und Waffen sollen nach seinem Tode seinen Kindern und Erben gleichwohl auf den Höfen und Hufen, Häusern und Hütten, in denen der Verstorbene seine Wohnung gehabt hat, zur Verteidigung des Essener Gebietes oder Bannbezirks verbleiben. Weder wir noch unsere Beamten werden dies Pferd und diese Waffen als Erbteil oder als Heergewäte oder Kurmede, wie immer sie bezeichnet werden, uns vorbehalten oder vorbehalten lassen. Niemand soll oder darf dies Pferd und diese Waffen um irgendwelcher Schulden willen durch den Fronboten oder auf irgendeine andere Art pfänden. Sie dürfen auch in keiner Weise als Pfand verzeichnet werden.
Zum Zeugnis der Kraft und Festigkeit dieser Anordnung haben wir Äbtissin, Pröpstin, Dekanin und Seckelmeisterin und wir die Vorsteherin der Stiftsschule und das Kapitel unseres Stiftes unsere Siegel an diese Urkunde hängen lassen.
Gegeben im Jahre des Herrn 1338 am Tag nach St. Margaretentag.
zitiert nach: Franz: Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter [299], Nr. 170, S. 453-455.

[374]
Reichsspruch über die Veräußerung von Reichsfürstentümern v. 15. 5. 1216
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Friedrich II., von Gottes Gnaden Römischer König und allzeit Mehrer des Reiches.
Als Wir auf das besonders nachdrückliche Drängen und Bitten Unseres geliebten Fürsten Konrad, Bischof von Regensburg, mit diesem Bischof - im Namen seiner Kirche - einen Tausch vornahmen zwei Fürstentümer betreffend, und zwar das Niedermünster und das Obermünster in der Stadt Regensburg, wegen einiger anderer Grundstücke und Besitzungen, die diesem Bischof und seinem Bistum gehören, da trat vor die Gegenwart Unserer königlichen Hoheit auf dem feierlichen Hoftag zu Würzburg Frau Tuta, Äbtissin des Niedermünster, - in eigener Person - sowie Frau Gertrud, Äbtissin des Obermünster, durch ihren Vogt zusammen mit einem ehrenwerten Teil beider Kapitel und trug vor den Fürsten und Baronen und Unserem ganzen Hoftag in schwerer Anklage vor, Sie und ihre Stifte würden von Uns ungebührlich bedrängt; und deswegen suchten sie um Hilfe und Rechtsspruch der Fürsten nach; sie trugen dabei nachdrücklich vor, kein Fürstentum könne oder dürfe vom Reich getauscht oder veräußert oder auf einen anderen Fürsten übertragen werden ohne Einverständnis des leitenden Fürsten dieses Fürstentums und die klare Zustimmung seiner Dienstleute.
Darüber wurde von Uns eine Untersuchung durchgeführt und dann wurde durch einen Rechtsspruch der Fürsten und die Beistimmung der Edlen, der Barone, der Dienstleute und aller Anwesenden erklärt: Kein Fürstentum kann oder darf anläßlich eines Tausches oder irgendwelcher Veräußerung vom Reich an irgend jemand übertragen werden, es sei denn mit vollem Einverständnis und Zustimmung des leitenden Fürsten und der Dienstleute dieses Fürstentums.
Daher also glaubten Wir als Schirmherr der Gerechtigkeit, der nicht den geringsten Versuch machen will, dem Recht zuwiderzuhandeln, diesen Rechtsspruch bestätigen zu sollen.
zitiert nach: Weinrich: Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250 [705], Nr. 91, S. 365-367.

[375]
Bericht über die Rundreise der Äbtissin Irmgard Wittgenstein zu Herford durch die Westfälischen Ämter ihres Stiftes, 18. 10. 1290
Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1290, am Donnerstag, dem 5. Oktober, erneuerten wir, Irmgard, gen. von Wittgenstein, von Gottes Gnaden Äbtissin des Stiftes Herford, den seit langem vernachlässigten Brauch einer Besichtigungsfahrt durch die Villikationen Westfalens und reisten auf folgende Art. Vier Meierhöfe, Vorwerk genannt, nämlich Hartlage, Ditzen, Stieghorst und Milse, verschafften uns die erste Gastung im Kloster Klarholz und in der Diözese Münster und haben uns gut versorgt. Wir aber übernahmen die Kosten für die Höfe Milse und Stieghorst, weil sie in damaligen Zeiten verödet waren. Ritter Johannes gen. von Busse diente für den Hof Hartlage, Bernhard Top für den Hof Ditzen. Über Nacht wurden dort 105 Pferde gefüttert.
Am Freitag, dem 6. Oktober, erreichten wir die Villikation Stokkum,- die Ritter Gottfried von Hövel und sein Sohn Hermann haben uns für drei Tage und Nächte trotz so großer Versorgung gutwillig empfangen. Während der ersten Mahlzeit widersprachen die genannten Ritter der Anwesenheit unserer Hofbeamten, nämlich des Truchsessen, des Kämmerers, des Mundschenks, des Marschalls und des Kochs, die nach Schuldigkeit durch unsere Machtvollkommenheit gehalten sind, uns in allem zu dienen. Nach der Mahlzeit aber zogen wir alle Freunde unseres Stifts hinzu, die Dekanin Jutta gen. von Iserlohn, die Küsterin K.unigunde von Hardenberg, unsere Mitschwester Adelheid von Wildenberg, Herrn Albert, Abt des Paderborner St. Paul-Stifts vom Benediktin.erorden, Sigenandus, Propst des Stiftes St. Maria auf dem Berge, Gerhard von Dehem. Kellermeister unseres Stifts, Johannes, Pfarrer von Melbergen, die Ritter Johannes von Busse, Florentius von Quernheim und Eckehard von Laer, ferner unseren Bruder Werner von Wittgenstein, Johannes gen. Gogravius und weitere Ministerialen unseres Stifts sowie andere würdige Männer, die dabei und zugegen waren. Sie stimmten insgesamt darin überein, dass allein unsere Hofbeamten, der Truchseß, Kämmerer, Mundschenk, Marschall und Koch, von uns dazu ernannt, uns auf allen Höfen während unserer gesamten Besichtigungsfahrt zu bedienen und nach unserem Wunsch das Erforderliche zu richten haben. Auch die genannten Ritter Gottfried und Hermann von Hövel räumten ein, was nach alter und bewährter Gewohnheit so anerkannt worden ist, und alle Meier auf den einzelnen Höfen haben das - nach altem Brauch und von Rechts wegen erworben - zugestanden. Auf die Bitten der rechtschaffenen Männer belehnten wir sie [die Ritter Gottfried und Hermann] dort mit ihren Gütern vorbehaltlich unseres Rechts am Heergewäte. Und weil sie uns die Gastung für eine vierte Nacht verweigerten, luden wir sie vor uns nach Herford, damit sie sich dafür und gegen andere Vorwürfe verantworteten.
Auf dem Hof Stockum haben alle Liten des genannten Hofes auf dem von uns abgehaltenen Gericht, uns und unserem Stift Mann für Mann Treue gelobt. Wir stellten in der Gerichtsversammlung eine Umfrage an, wie viele Pferde jeder Meier uns zu füttern habe. Der Meier dieses Hofes aber obsiegte über uns durch das Weistum, dass uns in jeder Nacht [nur] 64 Pferde gefüttert werden müssten. Die Liten brachten auch alle Übergriffe, die ihr Meier an den Gütern unseres Stiftes begangen hatte, zu unserer Kenntnis, und was ein Meier oder Lite gefehlt hatte, sühnte er uns durch Bußen. Er [der Meier] hat uns dort ein Pfund Pfeffer zuerkannt und gegeben, dem Kustos unseres Stifts hat er ferner ein Pfund Weihrauchkorn zuerkannt und gegeben. Das war lange vorenthalten worden, deshalb, weil er diese Aufwendungen nicht leistet, wenn das Schiff nicht bis Leutesdorf hinauf fährt, und weil die Liten des genannten Hofes unseres und unseres Stiftes Wein ungehörig und im Übermaß trinken. Die halbe Mark, die der Pforte unseres Stifts zukommt, und die sieben Schillinge, die dem Kustos von Amts wegen gebühren, hat der Meier von Stockum lange Zeit vorenthalten; deshalb luden wir ihn in aller Form binnen sechs Wochen vor unsere Kammer in Herford, damit er sich dort gerichtlich in allem verantworte. Durch Weistum ist ebendort festgelegt worden, dass die Liten dieses Hofes jährlich Pfennige der Dortmunder Münze zu geben gehalten sind; auch wurde von allen gebilligt, dass auf jedem Hof zur Zeit der Visitation - sollte vor uns in Form des Urteilsspruchs über Vergehen der Meier wie der Liten abgeurteilt werden - alle Bußen ausschließlich uns zukommen sollen. [...]
Montag, den 16. Oktober, zogen wir weiter nach unserem Hofe Ostenfelde, aber Johannes, der Meier des Hofes, hat uns hartnäckig und unbesonnen auf dem Hof nicht beherbergt. Wir haben dort dem Gericht vorgestanden und jenen Johannes nach Herforder Recht auf unsere Kamiaer geladen, damit er sich dort gegen die Vorwürfe vor uns persönlich verantworte. In Ostenfelde auf dem Gebiet unseres Eigentums wurde der Meier von Aldrip wiederum gefordert, dann zogen wir weiter.
Lambert Budde folgte uns und reinigte sich vor uns unter der Linde bei Iburg durch einen Eid, er habe es nicht unterlassen, uns zu bewirten, um uns eine Schmach anzutun, sondern weil er durch eine Fehcle seines Herrn, des Grafen von Tecklenburg, dessen Truckseß er damals war, (gänzlich) verhindert war. Auf seinen Eid und auf Bitten seiner Freunde hin versicherten wir ihn wieder unserer Gnade; er löste nach unserem Wunsch die Gastung Für zwei Nächte in Geld ab, und wir haben ihn unter der erwähnten Linde mit seinen Gütern belehnt.
Zwei Höfe, nämlich in Natenstedt und Estorf, hätten wir bereisen sollen, jeden für zwei Nächte; wegen der Mühen, die wir augenblicklich ertrugen, schoben wir es für diesmal auf, doch unbeschadet unseres Rechtes für die Zukunft. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass alle Liten der von uns bereisten Höfe Mann für Mann uns und unserem Stift über den Reliquien Jen Treueid schworen, die anderen Liten aber, deren Höfe Ablösungsgelder gegeben haben, nach Herford kamen und uns und unserem Stift Treue gelobten. Es erhob sich Anstand wegen der Dienstleistungen; dann wurde entschieden, dass jeder Meier alle Unkosten trägt, abgesehen von dem, was den Liten durch Weistum auferlegt ist: jeder Lite muss seinem Meier pro Nacht mit zwei Scheffeln Hafer für zwei Pferde, mit zwei Hühnern und einem Käse aufwarten, gemeinsam müssen alle Liten für die Küche ausreichend Holz liefern und trockenes Holz für die Kammer; sie werden ferner die Herberge in den Nächten gegen Diebe bewachen, sonst müssen sie das durch Diebstahl Entwendete ersetzen.
Aufgezeichnet wurde diese Beschreibung der Rundfahrt im Jahre des Herrn 1290, am 18. Oktober.
zitiert nach: Franz: Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter [299], Nr. 149, S. 385-393.

[376]
Papst Honorius III. in einem Schreiben an die Äbtissin von Quedlinburg über ihre Befugnisse gegenüber den Klerikern, 1212
Die im Herrn geliebte Tochter, die Äbtissin von Bubrigen (Friedberg sagt in einer Anmerkung: man lese Quedlinburg in der Diözese Halberstadt), hat in einem uns übersandten Schreiben folgendes dargetan: Wenn sie zuweilen ihre Kanonissen und die Kleriker, die ihrer Jurisdiktion unterworfen sind, wegen Fällen von Ungehorsam und anderer Verfehlungen von ihrem Amt und Benefizium suspendiere, so beobachteten diese eine derartige Suspension nicht, weil sie fest davon überzeugt seien, dass sie nicht exkommunizieren Lönne; deshalb blieben ihre Verfehlungen ohne jede Besserung bestehen. Damit die besagten Kanonissen und Kleriker der oben genannten Äbtissin Gehorsam und Ehrerbietung erweisen und ihren guten Ermahnungen gehorchen, übertragen wir es also deiner Unterscheidungsgabe, inwieweit du über sie - nach vorheriger Ermahnung - die kirchliche Zensur unter Ausschluß einer Berufung, verhängen willst.
zitiert nach: Meer: Priestertum der Frau [l 15], S. 143.

[377]
Eidschwur der Kanoniker von S. Maria im Kapitol zu Köln, 14./15. Jh.
Ich, N., Kanonikus der Kirche von S. Maria im Kapitol zu Köln, verspreche und schwöre, dass ich jetzt und in Zukunft gehorsam und treu sein werde und sein will gegenüber meinen vorgesetzten Prälaten und vor allem gegenüber meinem hochgeehrten Vater und Herrn, dem Erzbischof von Köln, gegenüber der Äbtissin und dem Kapitel meiner zuvor erwähnten Kirche, in der Art und Weise wie ein Kanonikus der genannten Kirche nach Recht und Gewohnheit daran gebunden wird, und dass ich die erlaubten und ehrenhaften Statuten und Rechtsgewohnheiten der oben genannten Kirche beachten werde, und dass ich für die Rechte und Güter derselben Kirche [...] einstehen werde, Verlorenes und Vernachlässigtes entsprechend meinem Können und Wissen wiedergewinnen werde, und zum Nutzen der eigenen Kirche gewissenhaft verwalten werde, und die Kirche selbst vor eigenen Verlusten schützen werde und die Geheimnisse meines Kapitels für mich behalten werde, ausgenommen Betrug. So helfe mir Gott und diese heiligen Evangelien Gottes.
übertragen nach: Schäfer: Die Kanonissenstifter im deutschen Mittelalter [533], S.104.

[378]
Papst Nikolaus V. in einer Bulle über die Auctoritas ordinaria der Äbtissin des Stiftes Gandersheim, 11. 6. 1450 [...]
Weil sich auf die Äbtissin derselben Kirche die Verleihung von Kanonikaten und Pfründen derselben Kirche [...] nach alter und bewährter und bisher unangefochten ausgeführter Gewohnheit erstrecken, hat die genannte Äbtissin Kanonikat und Pfründe [...]  mit bischöflicher Autorität (auctoritas ordinaria) dem vorgenannten Johannes verliehen. [...]
übertragen nach: Schäfer: Kanonissen und Diakonissen [534], S. 89.

[379]
Papst Hadrian IV. bestätigt die Befreiung des Stiftes Herford von jeglicher bischöflicher Jurisdiktion, Mitte 12. Jh.
Wir verbieten, dass in dem besagten Kloster irgendein Bischof außer dem römischen Pontifex Jurisdiktion ausüben darf, und zwar in dem Sinne, dass er nicht einmal - es sei denn, er sei von der Äbtissin [...] dazu eingeladen worden - dort feierliche Messen zu zelebrieren sich vermessen darf.
zitiert nach: Meer: Priestertum der Frau [l 15], S. 145.

[380]
Verbot der Jungfrauenweihe durch die Äbtissin nach einem Kapitular Karls der Großen v. 789
Man hört, dass einige Äbtissinnen entgegen der Sitte der heiligen Kirche Gottes mit Handauflegung und mit dem Zeichen des Kreuzes Männer segnen und dass sie auch Jungfrauen einkleiden mit (ihrem) priesterlichen Segen. Wisset, heiligste Väter, dass dieses ganz und gar von euch in euren Diözesen verboten werden muss.
zitiert nach: Meer: Priestertum der Frau [l 15], S. 155.

[381]
Innozenz III. verbietet die Ausübung priesterlicher Funktionen durch die Äbtissinnen von Burgos und Valencia, um 1200
Einige Neuerungen, über die wir uns freilich nicht wenig wundern, sind uns vor kurzem zu Ohren gebracht worden: Offenbar segnen die Äbtissinnen in den Diözesen Burgos und Valencia die eigenen Nonnen (moniales proprias benedicunt), bei Vergehen hören sie auch ihre Beichten und nehmen sich dazu noch heraus, wenn sie das Evangelium lesen, es auch öffentlich zu verkünden. Da dies also gleichermaßen unpassend und abstoßend ist und von uns keinesfalls geduldet werden darf, befehlen wir Euch durch apostolisches Schreiben: Damit dies nicht weiterhin geschieht, sorgt aufgrund apostolischer Autorität dafür, es tatkräftig zu verhindern; denn mag auch die Jungfrau Maria höher stehen und auch mehr ausgezeichnet sein als alle Apostel zusammen, so hat der Herr doch nicht ihr, sondern diesen die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut.
zitiert nach: Meer: Priestertum der Frau [115], S. 155.

[382]
Aus dem offiziellen Protokoll der Äbtissin von Huelgas, o. J.
Herrin, Oberin, Prälatin, rechtmäßige Verwalterin der geistlichen und weltlichen Angelegenheiten des genannten königlichen Klosters [...] wie auch der Klöster, Kirchen, Eremitagen ihrer Filiation, der Dörfer und Orte unter ihrer Gerichtsbarkeit, Lehnsherrin und Vasallin, kraft apostolischer Bullen und Verleihungen mit vollständiger, quasi bischöflicher Gerichtsbarkeit, keiner Diözese (unterworfen) und (ausgestattet) mit königlichen Privilegien: mit doppelter Gerichtsbarkeit, die wir in friedlicher Weise ausüben, wie es allgemein bekannt ist. [...]
Die Macht gerichtlich zu entscheiden, ganz wie bischöfliche Lehnsherren, in strafrechtlichen, zivilen und lehensrechtlichen Angelegenheiten, die Erlaubnis, sich zum Priester weihen zu lassen, auszugeben (sowie) die Urkunden, um zu predigen (und) die Beichte abzunehmen, [...] die Macht, die Äbtissinnen zu weihen, Censurae[1] zu erlassen [...] und schließlich Synoden einzuberufen.
übertragen nach: Meer: Priestertum der Frau [ 115], S. 147.