9. Acht Frauen beschreiben ihre Ehe

Die Frauen in diesem Kapitel stehen für die mehr als zweitausend verheirateten Frauen, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben. ***71-14-4*** Ihre Antworten wurden ausgewählt, weil sie die Gedanken und Gefühle auch anderer verheirateter Frauen gut repräsentieren. Eine Analyse aller Antworten findet man in den nachfolgenden Kapiteln.

1.

Es war für mich seit eh und je außer Frage, daß ich nicht eines Tages arbeiten und ein Kind »allein« aufziehen würde, während mein Mann arbeitet. Wir hatten zwar ausgemacht, daß er Vaterschaftsurlaub nehmen würde, aber das hat er nicht getan. Obwohl meine Tochter meine ganze Zeit in Anspruch nimmt - wenn Sie mich fragen, ob ich verliebt bin, möchte ich mit ja antworten: in meine Tochter! Mehr Liebe, als ich je für möglich gehalten hätte, und so leicht auszudrücken.
Meine Tochter ist so gescheit und kreativ und hübsch und lieb. Sie ist erst zwei, und Sie sollten mal hören, wie sie am laufenden Band neue Sätze spricht.
In letzter Zeit war mein Leben voll von Krisen: Tod beider Großmütter, stürmische Verhältnisse vor der Scheidung meiner Eltern (und beiden mußte ich als Vertraute dienen), aufhören zu arbeiten, die Entdeckung, daß mein Mann auf der Karriereleiter ein Stück höherklettern wollte, statt Vaterschaftsurlaub zu nehmen, der Verlust meines Selbstbilds als emanzipierte, verheiratete Frau, die sich mit ihrem Mann die Arbeit und die häuslichen Pflichten teilt und gemeinsame Ideale hat.
Ich bin Psychotherapeutin, große Wandersfrau und Radfahrerin (neuerdings mehr theoretisch als praktisch), habe eine künstlerische Ader und bin Feministin. Ich bin stolz auf meinen akademischen Grad.
Beim gegenwärtigen Stand der Dinge kämpfen wir darum, Gleichheit und Gleichgewicht in einer unausgewogenen Situation aufrechtzuerhalten: Ich kümmere mich den größten Teil des Tages um das Kind und mache auf Teilzeitbasis meine Praxis, er arbeitet auf Vollzeitbasis und kümmert sich teilweise um das Kind. Manchmal glaube ich, daß alles klappen wird. Er ist ein bißchen besser dran als ich. Es ist bedauerlich, daß er nicht bereit war, sich so an der Kindererzieht"ng zu beteiligen, wie wir es geplant hatten, und uns damit in diese Lage gebracht hat. Aber Geld verdienen ist jetzt das mindeste, was er tun kann, nachdem er sich praktisch in allen anderen Dingen auf mich verläßt. Ich habe auch das Gefühl, dies ist eine Übergangsphase, mit der wir so gut umgehen wie eben möglich. Natürlich wirkt es sich auf die Beziehung aus - es zeigt uns auf dramatische Weise, wie ungleichwertig unsere Rollen sind.
Ich hatte seit vielen Jahren das Ziel, Psychotherapeutin zu werden. Und jetzt, wo ich es endlich bin, habe ich kaum Zeit, meinen Beruf auszuüben.
Trotz dieser Probleme bin ich immer noch sehr in meinen Mann verliebt (neben meiner Tochter, wie gesagt!). Meine Liebe zu ihm macht mich glücklich. Man weiß irgendwie, daß man jemanden hat, auf den man zählen kann, der die sexuellen Bedürfnisse befriedigt, die man hat, mit dem man sich an allem freuen und mit dem man alles teilen kann, was man will. Es dauert schon fünf Jahre und eigentlich noch etwas mehr. Am leidenschaftlichsten in meinem ganzen Leben war ich bei ihm.
Unsere Beziehung ist nicht der Mittelpunkt meines Lebens, aber eine wichtige Ergänzung meiner Beziehung zu mir, meiner Tochter und meiner Arbeit. Ich fühle mich zärtlich von meinem Mann geliebt, fühle mich sicher und kann offei-i in meinen Gefühlen sein. Unsere Liebe hat mir große Freude und Zufriedenheit gebracht, aber sie kann auch zu der größten Frustration und Wut führen, die ich je erlebt habe, denn man hat sich doch für diese Liebe engagiert, und wenn es so aussieht, als wäre man in einer Sackgasse - wofür ist man dann engagiert? Man sehnt sich danach, zu einer Lösung zu kommen.
Die Geburt meiner Tochter fand in einer Klinik statt, in der bei normalen Geburten die Angehörigen dabeisein dürfen. Mein Mann war fast die ganze Zeit dabei, meine Mutter und mein Bruder waren in der Nähe. Es ging relativ schnell (war eine »sanfte Geburt<~ nach Leboyer), und danach tranken wir Champagnerr und aßen die besten Hamburger, die ich je gegessen habe: Mein NI-ann und ich, mein Bruder, meine Mutter und die Hebamme. Wir machten Fotos von der Geburt, und meine Mutter machte Aufzeichnungen. Für mich war es eine schöne und wichtige Erfahrung, obwohl es mit großen Schmerzen verbunden war. Dann duschte ich, bekam noch ein paar Anweisungen und einen Untersuchungstermin (eine Woche später) und fuhr nach Hause. Am nächsten Tag kam eine Säuglingsschwester vorbei, und am dritten Lebenstag unserer Tochter gingen wir mit ihr zu unserem Kinderarzt. Mein Mann blieb, Gott sei Dank, zwei Wochen zu Hause, und meine Mutter und andere nahe Verwandte kamen jeden Tag mit Essen und Geschenken vorbei.
Mein Mann weinte (es war ja ein Ende, der Abschied von uns, wie wir uns bisher kannten) und war sehr aufgeregt und glücklich darüber, daß aus uns ein Trio werden sollte. Wir waren beide richtig ehrfürchtig, fast schockiert, als unsere Tochter auf die Welt kam, und waren sehr ernst und verantwortungsbewußt, als wir drei Stunden später mit ihr nach Hause fuhren. Aber kurz nach der Geburt war diese Ehrfurcht eine Euphorie, das Gefühl »Ich könnte die ganze Welt umarmen«, mit dem wir allen begegneten, die um uns waren.
Ohne meine Tochter wäre mein Leben anders. Ich würde nur arbeiten und mich nicht fragen, wie ich arbeiten und sie richtig und nach meinem Herzen erziehen soll. Ich könnte essen, Liebe machen, duschen, mich mit Leuten treffen usw., wann ich wollte, und nicht wenn es ihren Bedürfnissen entsprechend - machbar ist. Meine Tochter kommt jetzt an erster Stelle in meinem Leben (nachdem ich die Arbeit aufgegeben habe, um mich um sie zu kümmern), denn die Loyalität der Familie gegenüber ist wichtiger als jede andere - außer der sich selbst gegenüber.

Im Augenblick sehne ich mich am meisten nach Ruhe und Frieden und Zeit für mich. Ich bin am glücklichsten, wenn ich voll in irgendwelche Aktivitäten einsteigen kann, ohne an meine Tochter denken zu müssen oder von Pflichten abgelenkt zu werden, die mit ihr zu tun haben. Aber wenn sie und ich wichtige, wenig anstrengende gemeinsame Erlebnisse haben, fühle ich mich so lebendig und bin so glücklich, wie es nur geht.
Mein Mann sagt, er sei für die Gleichstellung der Frau, und glaubt es auch. Ich denke, er tut, was er kann, angesichts dessen, daß er in dieser Gesellschaft großgeworden ist. Er ist der emanzipierteste Mann, den ich kenne. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, daß er mich behandelt, als wäre ich ihm unterlegen. Er schließt mich nicht von Entscheidungen aus, aber es kommt vor, daß er mich herabsetzt - ungerechtfertigt. In einer Hinsicht behandelt er mich durchgehend so, als wäre ich ihm unterlegen, indem er meine Arbeit - Kindererziehung und Management von Haus und Familie - nicht so respektiert, wie er sollte. In Wahrheit scheuen sich die meisten Männer zu sagen, daß sie die Frauenbewegung für blöd halten, aber sie verhalten sich, als sei sie aggressiv, unweiblich und übertrieben.
Ich koche, also macht er den Abwasch. Die restliche Hausarbeit, die Fürsorge für das Kind und die sozialen Arrangements teilen wir zwischen uns auf, aber nicht im Verhältnis 50:50, sondern im Verhältnis 90: 10. Ich verwalte die Haushaltskasse, erledige alle Bankangelegenheiten, zahle sämtliche Rechnungen und kümmere michganztags um meine Tochter (auf diese Weise tue ich natürlich mehr für sie als er, auch ein paar Dinge, die er praktisch nie tut). Die Zeit, die ich ohne Familie verbringe, muß geplant werden, seine ist ins System eingebaut einschließlich dessen, daß er allein von der Arbeit nach Hause fährt und frei rumlaufen kann ohne Kind und anderes Drum und Dran (Lebensmittel, Wäsche).
Worüber er sich beschwert? Er mag meine »unflätige Ausdrucksweise« nicht, meine Akribie bei der Planung für Gäste und meine Kommentare zum Sexismus, die ihm zu häufig und manchmal zu harsch sind. Ich beschwere mich über seine mangelnde Initiative, was häusliche und familiäre Verbindlichkeiten betrifft, seine Achtlosigkeit in vielen Dingen und die Art und Weise, auf die er seine Freizeit verbringt. Ich hatte auch schon ein paar Kräche mit ihm, bei denen geschrien und geschlagen wurde.
Der Sex ist meist zärtlich, macht Spaß und lohnt sich. Ich genieße es und orgasme immer beim Vorspiel, nicht beim Geschlechtsverkehr. Es ist zu schnell vorbei und meist geht dem keine Zeit voraus, in der wir etwas gemeinsam machen, das unsere Sehnsucht wecken könnte, sexuell zusammenzukommen. Ich meine nicht das Vorspiel - ich meine Spiel oder Arbeit oder irgendein Abenteuer vor dem Vorspiel. Das Beste am Sex ist die Intimität, die er schafft.
Als ich meinem Mann erzählte, daß die meisten Frauen nicht durch einfachen Geschlechtsverkehr orgasmen, war er überrascht - konnte nicht fassen, daß es so weit verbreitet ist, begann aber, es zu glauben. Ich war froh, daß er sich keine falschen Vorstellungen mehr machte ... obwohl er mich immer manuell und oral befriedigt hatte. Es war mir nicht peinlich, denn ich wollte, daß er die Wahrheit über den Geschlechtsverkehr wußte. Ich mache gern oralen Sex, aber ich mag es nicht, wenn man in meinen Mund ejakuliert, also lasse ich das nicht zu. Den meisten Männern, die ich kannte, war es nicht unangenehm, oralen Sex zu machen. Mein Mann mag es sehr, aber es dauerte vor der Ehe und danach einige Zeit, bis er sich daran gewöhnt hatte, daß ich es sehr mag, oralen Sex bei ihm zu machen. Jetzt genießt er es auch. Seine Hand fühlt sich an meiner Klitoris super an. Ich führe sie selten, weil er mich so gut kennt, aber manchmal, wenn ich will, daß es länger dauert oder nicht so doll ist, so schnell, daß ich keinen Höhepunkt habe, sorge ich dafür, daß er es nicht so doll macht oder langsamer.
Ich halte mich für eine Feministin in allem, was ich tue (einschließlich Kindererziehung und Steuern zahlen). Ich habe einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und setze mich für meine Rechte auch gegen Widerstände ein. Darin spiegelt sich teilweise, wie ich meine Mutter sah. Sie war Vollzeitmutter und Haus-Managerin. In einigen Dingen bin ich wie sie. Die wichtigsten: 1) Ich kann mich nicht auf mein eigenes Vergnügen konzentrieren, ehe ich sozusagen den Tisch abgeräumt, meine Pflichten hinter mich gebracht habe; 2) ich habe das Gefühl, daß ich allen helfen muß (weniger als sie); 3) Organisationstalent .
Ich habe das Gefühl, daß ich schon lange lebe und sehr wenig zustandegebracht habe (ich bin dreißig). Ich freue mich darauf, vierzig zu sein - dann soll ja, was die großen Veränderungen im Leben betrifft, Stabilität eingekehrt sein, soll man Selbstvertrauen haben und seine Situation gut bewältigen.

2
Jetzt, wo ich mit vier Kindern belastet bin, von denen eines neunzehn Monate alt ist, brauche ich meinen Mann wirklich. Ich hoffe aber, daß ich später unabhängiger bin, weil ich viele Interessen habe- Ich weiß nicht genau, ob mich mein Mann wirklich liebt oder ob er nur eine Frau braucht, aber ich glaube, er liebt mich.
Unser größtes Problem ist das Geld. Als wir geheiratet haben, habe ich mir große Sorgen gemacht wegen des finanziellen Drucks . Er hatte mir kurz vorher gestanden, daß er ein paar tausend Dollar Schulden hat. So was war mir neu. Er mußte auch ziemlich viel Alimente an seine erste Frau zahlen. Ich habe von der Sozialhilfe gelebt und keine mehr bekommen, als ich verheiratet war. Wir haben jetzt ein Einkommen von 15000 Dollar für sechs Leute.
Das Schlimmste, was er je getan hat, ist, daß er mich Fettsack genannt hat. Am Ende habe ich geschrien, aber er hat angefangen. Wir haben uns nie gestritten, bis wir voriges Jahr in dieses Haus gezogen sind. Mir gefällt es hier gar nic'.-it, und darüber streiten wir uns. Ich bin nicht mehr so attraktiv, seit ich nach dem vierten Kind dick geworden bin. Er hat gesagt, daß ich sexuell begehrenswert bin. Das habe ich natürlich gern gehört. Im Moment leide ich an Erschöpfungszuständen, aber mein Mann läßt das nicht gelten und hilft auch nicht, wenn ich sehr müde bin und nicht schlafen oder mich ausruhen kann, weil schließlich jemand auf das Baby aufpassen muß.
Wir sind jetzt acht Jahre zusammen und hatten nie richtig Krach, bis wir in dieses Haus gezogen sind. Wir streiten uns ständig darüber, daß ich ausziehen will. Ihm gefällt es hier, mir nicht. Er sagt aber, daß wir ausziehen, wenn er was anderes findet. Ich wollte, daß er sich Geld leiht, damit wir Kaution und Miete zahlen können, wenn er was anderes findet, aber das will er nicht. Auch darüber streiten wir uns ständig. Ich habe selber versucht, einen Kredit zu kriegen, aber keinen bekommen. Mir graust schon bei dem Gedanken, daß sich was ergibt und daß er sich irgendeine dumme Ausrede einfallen läßt, warum wir es nicht nehmen können. Er hat vorgeschlagen, daß wir übers Thanksgiving-Wochenende wegfahren und wo über Nacht bleiben sollen; ich habe darüber nachgedacht, und dann ist mir aufgegangen, daß er da Geld >ausgeben würde, das wir lieber für den Umzug sparen sollten, weil er sich ja keins leihen will. Ich bin sehr böse darüber. In diesem Haus gibt es keinerlei Abstellraum, die elektrischen Leitungen sind schlecht, alles ist uralt und vieles total kaputt, und der Vermieter ist zu geizig, um es reparieren zu lassen, unsere Miete ist um 100 Dollar erhöht worden usw.
Wir streiten uns auch darüber, daß ich mit dem Baby angebunden bin, das jetzt neunzehn Monate alt ist. Ich sage ihm, daß ich praktisch bewegungsunfähig bin, und er glaubt es nicht. Er glaubt einfach nicht, daß Hausarbeit Arbeit ist, und macht hier keinen Finger krumm, außer wenn er muß. Wir sind früher besser miteinander ausgekommen, aber das jetzt mit dem Baby, das sehr aktiv und lebhaft ist, ist ein großer Streß für mich. Ich könnte mehr Geld verdienen, aber es geht nicht (trotzdem mache ich Schreibarbeiten zu Hause). Ich glaube, das Baby kommt an erster Stelle, aber es regt mich auf, daß ich hier nicht raus kann.
Eine Lösung gibt es nicht bei unseren Krächen. Wir hören auf, weil er sagt, ich soll jetzt kein Wort mehr reden, er kriegt Kopfschmerzen davon, und er redet später mit mir. Er hört mir nicht zu, überhaupt nicht, aber ich muß ihm zuhören, obwohl ich ihn darauf hinweise, daß ich auch mal was sagen will.
Ich glaube, daß die Probleme gelöst werden, wenn die Kinder größer sind und ich mehr Geld verdienen kann. Wenn es ihm nicht paßt, daß ich unabhängiger sein will, mehr rumkommen will, zu Versammlungen gei-ien usw., dann wird er mit der Scheidung rechnen können. Sobald ich nicht mehr mit dem Baby angebunden bin, tue ich, was ich will.
Er redet lieber, als daß er sich anhört, was ich zu sagen habe, besonders in letzter Zeit. Ich würde sagen, er redet mehr als ich, obwohl er das abstreiten und behaupten würde, daß ich zuviel rede. Ich hätte es gern, wenn sich die Qualität unserer Gespräche bessert, aber darauf verlasse ich mich nicht. Ich hoffe, daß ich irgendwann Leute finde, mit denen ich reden kann. Ich bin aber nicht an einem Verhältnis interessiert.
Wie wir uns in den praktischen Dingen arrangiert haben - o je. Ich spüle ab, koche und mache soviel Hausarbeit, wie es meine Zeit erlaubt. Er hilft selten und nur, wenn er muß . Er muß, wenn wir jemand erwarten. Dann hilft er vielleicht- beim Aufräumen. Ich habe keine Zeit, mit dem Baby und der Schreibarbeit alles tipptopp in Ordnung zu halten, und kann nicht mal die Zeit abzweigen, wenn ich einen Monat im voraus weiß, daß jemand kommt. Also hilft er ab und zu. Er bringt jetzt unsere Wäsche in den Waschsalon, anders geht es nicht. Meine Waschmaschine ist kaputt, und ich kann nicht selber in den WaschsaIon.
Hauptsächlich kümmere ich mich um die Kinder. Da hilft er mir, ab und zu auch mit dem Baby, obwohl es schon ein halber Aufstand ist, ihn dazu zu kriegen, fünf Minuten auf die Kleine aufzupassen, damit ich das Essen auf den Tisch bringen kann.
Was ich am wenigsten mag an unserer Situation ist, daß ich nicht auch mal faul sein kann. Wenn er arbeitet, sieht er es nicht gern, daß ich rumsitze. Dann findet er schon was zu tun für mich.
Wir schlafen mal zusammmen in einem Bett, mal nicht. Momentan schlafen wir getrennt, weil ich Stillen sehr wichtig finde und meine Babys zwei bis drei Jahre stille, meistens im Liegen, also schlafe ich mit ihnen in einem Bett, und da ist für ihn kein Platz mehr. Das »Ehebett« haben wir abgeschafft. Ich persönlich schlafe am liebsten allein.
Wir teilen uns das Geld. Wir haben jeder ein eigenes Konto. Er hat ein Geschäftskonto, von dem ich abheben kann, und ich habe meins. Das ist so gekommen, weil seine Exfrau uns verklagt und das Gericht ihr fast unser ganzes Einkommen zugesprochen hat. Ich wollte beweisen, daß ein großer Teil von unserem Einkommen meins war, also habe ich ein eigenes Konto eröffnet. Aber das war dem Gericht natürlich egal. Ich habe festgestellt, daß ich gern mein eigenes Scheckheft habe, ich war es ja gewöhnt, war lange nicht verheiratet, und er war immer sauer, wenn ich mit seinen Schecks was gezahlt habe.
Wenn wir was zahlen müssen und er kein Geld hat, zahle ich es von meinem Konto, wenn genügend drauf ist, und umgekehrt. Letzten Monat hat er die Miete gezahlt, diesen Monat sieht es so aus, daß wahrscheinlich ich das meiste davon zahlen muß. Meistens kauft er die Lebensmittel, aber wenn es sein muß, gebe ich ihm das Geld zurück. Die Kreditkartenrechnungen zahle meistens ich, aber wenn ich das Geld nicht habe, zahlt er sie. Meine Eltern und seine Mutter helfen uns ab und zu.
Ich bin zufrieden damit, wie wir unsere Finanzen geregelt haben.
Ich finde, beide müssen entscheiden können, was man mit dem Geld macht, obwohl uns nie viel Geld geblieben ist, seit wir verheiratet sind. Wir haben mehr Schulden, als wir von unserem Einkommen zahlen können.
Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich zum ersten Mal schwanger war. Ich war unverheiratet, achtundzwanzig Jahre, und hatte es sieben Monate lang probiert und schon gedacht, ich könnte keine Kinder kriegen. Mein Freund damals hat ganz beiläufig reagiert, weil es für ihn sowieso nichts Festes war. Er war schon vor der Geburt weg und hat die Kleine nur einmal gesehen, und das auch bloß, weil ich ihn dazu gezwungen habe. Später hat er abgestritten, daß er der Vater ist, und wir haben nie einen Pfennig von ihm beko-men (ich habe ihn auch nicht um Geld gebeten), und er will nichts mit uns zu tun haben.
Als ich zum ersten Mal schwanger war, habe ich bewußt eine Entscheidung getroffen: entweder das Kind kriegen oder mein Geld in eine Anzahlung für ein Haus stecken, das ich mir ausgesucht hatte. Ich hätte genügend Geld für die Anzahlung gehabt, aber ich wollte lieber das Kind. Es wäre schön, wenn ich das Haus jetzt hätte, aber ich bereue meine Entscheidung nicht. Trotzdem finde ich es unfair, daß sich Frauen immer für Kinder oder Arbeit entscheiden müssen.
Ich glaube, ich habe beschlossen, daß wir heiraten; mein Mann wollte eigentlich nicht. Ich habe eine Wohnung gemietet und er ein Zimmer im selben Haus und im selben Stock, direkt gegenüber. (Kennengelernt habe ich ihn durch eine Anzeige.) Bevor wir verheiratet waren, habe ich ihn in seinem Zimmer besucht, wenn meine Tochter (sie war drei Jahre alt damals) geschlafen hat. Aber sonst hat er eigentlich mit uns zusammengelebt, mit uns gegessen usw.
Wir haben ein paar Monate so zusammengelebt, und er war immer noch verheiratet. Als ich ihn kennengelernt habe, habe ich nicht gewußt, daß er noch nicht geschieden war. Ich habe mich damals mit mehreren Männern letroffen. Als er dann geschieden war, hat er gesagt, er wollte eine Woche »Single« sein, und ich habe ihn gelassen.
Ich habe gewußt, daß ich richtig verheiratet sein will, und wenn ich weiter bloß so mit ihm zusammengelebt hätte, hätte ich mich um was betrogen gefühlt. Er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht und ich ihm auch nicht. Aber ich weiß, daß es von mir ausgegangen ist. Wir haben es nach seiner Scheidung geplant, und ich bin schwanger geworden, als wir zusammengelebt haben. Wahrscheinlich habe ich soviel Jahre furchtbar Angst gehabt, ich heirate nie, daß ich gewußt habe, ich will es. Die Entscheidung ist mir nicht schwer gefallen, aber ein paar böse Ahnungen hatte ich schon.
Warum habe ich ihn geheiratet? Hauptsächlich weil ich mehr Kinder haben wollte. Ein Sex-Leben auch. Und ökonomischer Druck außerdem - ich habe es gehaßt, in kleinen Wohnungen zu leben, und ich habe mir gedacht, wenn er mir hilft, könnte ich es mir wenigstens leisten, ein Haus zu mieten. Ich wollte auch jemand haben, mit dem ich zum Essen gehen und mir was anschauen kann - Shows usw. - Ich glaube, seine wichtigsten Bedürfnisse waren der Sex und daß er Gesellschaft wollte.
Mein Mann sieht mich bestimmt nicht als gleichberechtigt. Er behandelt mich fast immer so, als wäre ich ihm unterlegen, und ich muß mich ununterbrochen wehren. Bei Entscheidungen tut er so, als würde er mich fragen, aber in Wirklichkeit ist es schon entschieden. Wenn ich gegen etwas bin, das er will, gibt es Probleme. Das wird immer schlimmer. Er ist arrogant - nicht nur zu mir, sondern zu allen.
Ich bin nie gewalttätig geworden. Obwohl ich mich kürzlich furchtbar über meinen Mann aufgeregt habe. Er war einfach ekelhaft, und ich habe eine Metallschale durchs Zimmer geschmissen.
Ich will, daß wir miteinander auskommen, aber ich werde mich nicht plagen, ihn zu halten. Wenn er gehen will - kann er das jederzeit.
Soviel ich weiß, ist er mir bis jetzt treu gewesen, obwohl er seiner Exfrau nicht treu war, man sieht es ja an mir. Er war aber praktisch schon von ihr getrennt, als er mich kennengelernt hat. Natürlich will ich, daß er mir treu bleibt, und wenn er es nicht ist, dann soll er es mir lieber nicht sagen. Ich habe auch kein Verhältnis. Man sollte sich treu sein.
Ich habe gern Kinder, obwohl sie einen wahnsinnig machen können . Meine sind alle sehr lebhaft. Ich habe immer leichte Geburten gehabt. Ich habe alle vier zu Hause gekriegt, bei den letzten drei war niemand dabei außer mir und mein Mann. Manche Leute sehen eine solche Geburt als was Erotisches oder Orgiastisches. Das sehe ich nicht so, aber es war leichter, sicherer und besser als eine Geburt im Krankenha--,is. Ich hatte nie einen Dammschnitt und erst recht keinen Kaiserschnitt. Mein Mann war bei drei Geburten dabei, freilich nicht gern. Zwei Babys hat er »mitgekriegt«. Das andere war schon da, bevor er im Zimmer war. Er findet Geburten nicht aufregend, und wenn ich die Wehen kriege, bin ich lieber allein - mit ihm in der Nähe, wenn ich ihn brauche.
Obwohl es immer heißt, daß es so toll ist, wenn der Mann dabei ist, finde ich, ein Kind kriegen ist wie groß machen, und das tue ich nicht gern vor meinem Mann. Es ist eine ziemliche Schweinerei. ich mag es nicht, wenn er mich so sieht, obwohl es mir geholfen hat, daß er dabei war, besonders beim letzten Baby, weil da die Nabelschnur über der Schulter von der Kleinen war. Ich glaube, er ist jetzt überzeugt, daß es so besser ist und daß einen die Doktoren doch nur ausnehmen, aber er reißt sich nicht darum, dabei zu sein.
Ich war immer schon Feministin, habe immer gewußt, daß ich genausoviel wert bin wie ein Mann. Ich weiß auch, wodurch mir ein Licht aufgegangen ist. Zum Beispiel haben die Eltern von meinem ersten Freund im selben Krankenhaus gearbeitet wie ich, und ich habe manchmal bei ihnen zu Abend gegessen. Seine Mutter ist von der Arbeit gekommen und rumgesaust, um das Essen auf den Tisch zu bringen usw. Sein Vater hat sich eine Pfeife angezündet, sich in einen Sessel gesetzt, die Beine hochgelegt und Zeitung gelesen. Damals habe ich das nicht in Fra~;e gestellt, aber jetzt finde ich es schlecht. Sicher, warum sie darauf aufmerksam machen, wo sie es doch akzeptiert hat? Ich glaube, ich wäre zufriedener mit meinem Leben, wenn ich alles so akzeptieren würde, wie es ist - wie die Sklaven seinerzeit, bevor Lincoln sie befreit hat, aber das kann ich nicht. Ich muß c),agegen kämpfen, weil ich sonst nur ein halber Mensch bin.

3
Oberflächlich betrachtet bin ich eine anziehende, intelligente, hilfsbereite, freundliche, mitfühlende und verständnisvolle achtundfünfzigjährige Frau, die in mancher Hinsicht privilegiert war und der viele Katastrophen, die Frauen treffen, erspart geblieben sind. Aber wenn man geitauer hinsieht, bin ich immer noch das Kind, das sich eher selbst kasteit, als daß es seiner Familie zur Last fällt oder sie gegen sich aufbringt, und das früh gelernt hat, weder um Hilfe zu bitten, noch darum, daß seine Gefühle ernstgenommen werden.
Ich liebe meinen Mann, aber es gelingt ihm, diese Liebe abzuwürgen, indem er mich am ausgestreckten Arm verhungern läßt. Am nächsten stehen mir mein Therapeut und ein paar Freundinnen. Doch auch bei meinem Therapeuten ist die alte Gewohnheit wirksam: Ich will ihn nicht aufregen, indem ich ihm allzu verstörende Gefühle mitteile. Und in meinen Beziehungen verhalte ich mich, ebenfalls alte Gewohnheit, meist abwartend: Ich beobachte, was mein Partner empfindet und denkt, und passe mich dem an.
Sehr glücklich war ich nie. Wann immer ich nicht geschauspielert habe, war ich den Tränen nahe. Weinen war für meine Eltern, meinen Mann und meine Kinder nicht akzeptabel, demnach bestand meine Lösung darin, so zu tun, als sei ich glücklich. Nachdem ich während meiner Ehe siebenundzwanzigmal umgezogen bin (mein Mann ist in der Navy), habe ich jetzt endlich vertraute, ergiebige Freundsc * haften mit Frauen im Rahmen einer Art Vereinstätigkeit. Es handelt sich um eine akademische und künstlerische Vereinigung, die mir mehr Freude bringt als alles andere in meinem Leben.
Als ich um die fünfunddreißig war und sehr damit beschäftigt, eine gute Hausfrau und Mutter und Ehefrau eines aufstrebenden Navy-Offiziers zu sein, der seinen ersten Kommandoposten hatte, war ich auch sehr damit beschäftigt zu leugnen, daß mein Mann - obwohl er alle Vorkehrungen für unsere finanzielle Sicherheit getroffen hatte und uns einen Teil seiner flüchtigen Aufmerksamkeit schenkte, wenn es ihm gelegen kam - sich für uns als Personen eigentlich nicht interessierte. Ich leugnete es, obwohl er mir einige Jahre zuvor mitgeteilt hatte, er könne nicht heucheln und sagen, er würde mich lieben. Da er nie etwas getan hat, um meine Selbstachtung zu stärken, verkraftete ich diesen Schlag geradezu spielend. Und da meine Ausdrucksfähigkeit so verkümmert war, war mir in einer alles andere als überschwenglichen Ehe auch wohler. Stabil und sicher, aber ohne Höhen.
Ich habe geheiratet, weil ich dachte, verheiratet sein sei die akzeptabelste Rolle, und er war überdies attraktiv und hatte das Zeug zum Erfolg. Ich hatte ihn von klein auf gekannt - auch unser künftiger Lebensstil war mir vertraut. (Mein Vater war ebenfalls Offizier.) Ich dachte, im Laufe der Zeit würde sich gewiß Intimität entwickeln.
Ich habe vor, verheiratet zu bleiben. Ich will nicht aufgeben, was ich in die Ehe investiert habe. Nach vierunddreißig Jahren hat sie ihre Vorteile - Sicherheit, und ich weiß, daß ich irgendwo hingehöre. Das Schlimmste daran ist, keine vollständige, autonome Person zu sein.
Als ich geheiratet habe, machte es mir nichts aus, den Namen meines Mannes anzunehmen, aber jetzt finde ich, es trägt zum Verlust meiner Identität bei, daß ich seinen Namen führe. Mir behagt weder sein Name noch meiner (obwohl sie nicht schwierig auszusprechen oder seltsam sind). Ich kann nur nicht finden, daß sie etwas mit mir zu tun haben.
Inzwischen bin ich froh, daß ich Kinder habe, aber als sie klein waren, hatte ich nicht gerne Kinder. Sie sind verantwortungsvolle, unabhängige Erwachsene geworden, doch ich habe ihnen die echte Zuwendung und emotionale Unterstützung, die jedes Kind bekommen sollte, nicht geben können. Ich war eine »pflichtbewußte« Mutter, hatte aber keine Freude an der Mutterschaft. Doch ich bezweifle, daß ich ohne die Kinder verheiratet geblieben wäre, denn mein Mann war von Anfang an mit seinem Beruf verheiratet.
Wir kommen jetzt besser miteinander aus, weil er nur noch selten grob ist. Aber er hört kaum zu. Ich habe entdeckt, daß ich »intime« Gespräche brauche, und darum habe ich mir andere Menschen gesucht, die zu solchen Gesprächen bereit sind.
Das Schlimmste für mich war, daß er nicht den Mut hatte, ehrlich mit mir zu sein, und daß er seine beachtlichen Fähigkeiten zur Problemlösung nicht in unsere Beziehung eingebracht hat, Das Schlimmste, was ich getan habe, war, all seine Grobheiten in mich hineinzufressen. Ich hätte ihm früher zeigen sollen, daß das nicht geht.
Er kritisiert mich für körperliche Attribute, auf die ich keinen Einfluß habe, und dafür, daß ich auf Fragen, die meiner Meinung nach überdacht werden müssen, nicht militärisch knapp mit »ja« oder »Nein« antworte. Er bemängelt auch, daß ich sexuell nicht »explodiere«. Ich kritisiere ihn vor allem dafür, daß er zuviel über Dinge redet, die ihm begegnet sind; daß er einem oft ins Wort fällt; daß er höfliche Fragen stellt, obwohl ihn die Antwort offenbar nicht interessiert, denn er wechselt das Thema, bevor er sie gehört hat.
Ich hatte keine außerehelichen Affären, aber ich hätte gerne eine, wenn ich einen ungebundenen Mann kennen würde, der mich anzöge und mich zu schätzen wüßte und mir zu einem guten Gefühl mir selbst gegenüber verhelfen würde. Mein Mann? Vielleicht würden Erfahrungen mit anderen Frauen dazu beitragen, daß er seine sexuellen Handikaps und vor allem seine emotionale Sterilität erkennt.
Einer Affäre am nächsten kam ich vor Jahren, als ich einen Navy-Offizier kennenlernte, mit dem ich mich sofort seelenverwandt fühlte. Wir hatten etliche Male Kontakt, der Gesprächsstoff ging uns nie aus, und wir merkten gleichzeitig, daß es mehr war als Freundschaft. Wir fühlten uns auch körperlich stark voneinander angezogen, aber da war nicht mehr als ein paar verstohlene und wunderschöne Küsse (wozu mein Mann unfähig ist wenigstens bei mir).
Wir sprachen viel von unserer Liebe, dachten jedoch nie ernsthaft daran, etwas daraus zu machen. Er hatte eine sehr exponierte Position und hätte einen Skandal nicht heil überstanden. Er kehrte nach Hause zu seiner Familie zurück, schrieb mir noch einen Brief, in dem er sagte, daß er die Zeit mit mir nie vergessen würde, und danach hatten wir keinen Kontakt mehr. Jahre später erfuhren wir, daß er Lungenkrebs hatte. Mein Mann und ich schrieben ihm - keine Reaktion. Ich erinnere mich noch, wie großartig es war, bewundert, begehrt und vollständig akzeptiert zu werden. Aber es tat mir weh, daß er all das aufgeben konnte - obwohl ich glaube, daß er da auf einen Wink von mir reagiert hat.
Zur Zeit habe ich keinen Sex mit meinem Mann, weil er kein Verlangen danach hat. Ich hätte immer noch Freude daran, weil ich Zärtlichkeit und Nähe brauche, obwohl ein richtiger Orgasmus meist unmöglich ist. Der Sex mit ihm ist selten emotional befriedigend. Es war immer unemotional, »Schema F«. Er hat kaum einmal Verlangen über die genitale Begier hinaus gezeigt. Er war immer geduldig und ausdauernd, aber völlig unempfänglich für Anregungen. Meist auch stumm, es sei denn., er hatte sich über etwas zu beschweren - er hat sich mir emotional nie mitgeteilt.

Ich hasse es, daß er vorgibt, alles, was er tut, sei für mich. Dabei kann er weder zuhören noch versteht er meine Bedürfnisse.
Wir streiten nicht, und Differenzen werden nie beigelegt. Das liegt teilweise daran, daß ich meinen Zorn nicht ausdrücke. Ich habe mich immer sehr bemüht herauszufinden, was in ihm vorgeht, aber ich bin mir sicher, daß ich einiges falsch wahrnehme, weil er sich nur selten offenbart. Am zornigsten bin ich, wenn er mich mit Worten und Taten herabwürdigt, obwohl ich vermute, daß dies die klassische Manier des Despoten ist, der sich ein grandio-,e Ich aufbaut, indem er andere verletzt. Die alten Konflikte werden nicht gelöst. Ich habe den Versuch aufgegeben, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn ich mit ihm über Differenzen reden will, weigert er sich. Ich ziehe mich aus Diskussionen zurück.
Doch vorige Woche mußten wir wegen einer Besorgung in die Stadt, und er machte den Vorschlag, daß wir in ein sehr hübsches Restaurant gehen sollten (wo das Essen mehr nach meinem Geschmack ist als nach seinem), und wir hatten dort ein sehr gutes und offenes Gespräch. Es schien ihn nicht zu bedrohen, sich mir mitzuteilen, und er schien mir zuzuhören. Wir offenbarten uns einander. Er hatte mir seit Monaten jede Berührung und jede Zuwendung verweigert, aber an diesem Abend spürte ich wenigstens die Wärme einer Freundschaft.
Ich glaube, ich kann nicht gut Liebe geben. Die Liebe zu meinen Eltern war firianzielles V(,rsorgtsein und das Gebot der Gesellschaft, Gott und Vaterland, Eltern und Verwandte und Freunde der Familie zu lieben - und insbesondere niemanden aufzuregen und niemandem zur Last zu fallen. Erst mit achtundvierzig Jahren bin ich einer Frau begegnet, die mir zeigte, wieviel Wärme und Fürsorge wert sind, und seitdem bin ich nach und nach weitergekommen.
Ich fühle mich gottverlassen, wenn ich darüber nachdenke, wie furchtbar meine Weiblichkeit und meine Sexualität brachgelegen haben. Ich verzweifle daran, je eine gute, befriedigende sexuelle Beziehung mit jemandem zu haben oder mit mir selbst zufrieden zu sein. Bislang hat es für mich keine richtige Freude gegeben.
Die Frauenbewegung hat mir geholfen, meine Kraft und meinen Wert zu erkennen und zu akzeptieren, daß die Männer nicht in der Lage sind, hier und jetzt aus ihrer destruktiven Haltung auszubrechen. Sie hat mir auch das Gefühl vermi' telt, daß ich »ausgetrickst« worden bin, weil ich zu früh geboren wurde. Ich könnte enorm von den modernen Therapien profitieren, wenn ich fünf wäre, aber statt dessen habe ich fünfzig Jahre leiden müssen, bis überhaupt jemand erkannt hat, claß ich Hilfe brauche. Ich habe immer stark, kompetent, ruhig, zuvorkommend, verläßlich und hilfsbereit gewirkt - und war doch hinter dieser Fassade ängstlich, gehemmt und deprimiert.
Inzwischen habe ich ein paar gute, vertraute Freundschaften mit Frauen, die ich aber erst im Laufe der letzten Jahre geschlossen habe, als ich aufhören konnte, an erster Stelle die Bedürfnisse meines Mannes und meiner Kinder zu befriedigen. Eine Freundin (die ich bereits erwä!.-inte), hat viele Jahre Geduld gehabt, bis ich ihre Wärme und Fürsorge endlich annehmen konnte. Jetzt sind wir einander nahe, und sie hört mir zu, kümmert sich um mich, gibt mir Mut und redet mir zu, mich mehr zu lieben. Ich habe auch eine relativ neue Freundin, mit der ich viel gemeinsam habe. Wir wandern jede Woche zusammen unü finden beieinander Resonanz mit unseren Nöten. Ich habe über das meiste mit ihr gesprochen, aber noch nicht über mein sexuelles Dilemma. Früher wußte ich nicht einmal, wie man es macht, mit jemandem befreundet zu sein.
Ich habe ein begabte, hochintelligente und allgemein beliebte Tochter - sie hat jedoch unter meinen Repressionen und meiner Rigidität gelitten; erst jetzt, nachdem sie dreiunddreißig und ich achtundfünfzig Jahre alt bin, lernen wir allmählich, aufrichtig und fürsorglich miteinander zu kommunizieren.

Ich bewundere Frauen, die selbständig denken und handeln. Ich schätze Frauen nicht, die sich nur wünschen, sie wären selbständig, und nicht einmal die ersten Schritte tun, um dieses Ziel zu erreichen. Ich bin jetzt nicht mehr die Frau, die ich früher war, und die so leicht von Männern beeinflußt, verletzt, belogen, unterdrückt und in Depressionen gestürzt werden konnte. Ich glaube nicht, daß ich mich »zurückentwickeln« und wieder in eine der alten Fallen gehen werde. Ich will mir in den Jahren, die mir noch bleiben, eine bessere Chance geben.

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Ich bin einundsiebzig, verheiratet und kenne meinen Mann schon siebenundvierzig Jahre. Ich mag ihn zwar als Mensch, aber ich bin nicht ihn ihn »verliebt«. Mein Mann und ich sehen so vieles verschieden. Er ist tiefreligiös; ich bin Agnostikerin. Er ist sehr traditionell, was die Männer- und Frauenrolle angeht; ich bin Feministin. Sex gibt es nicht mehr in der Beziehung. Ich habe vor, sie den Rest meines Lebens beizubehalten, weil mir keine andere Möglichkeit bleibt. Mir ist an seinem Wohl und an seinem Glück gelegen, weil er ein guter Mensch ist.
Ich wollte, er würde seine Weltanschauung ändern. Als wir geheiratet haben, war ich auch sehr traditionell. Er sagt oft und gern- »Du bist nicht mehr die Frau, die ich geheiratet habe.« Übrigens geht ein dicker Batzen von unserem Geld an die Kirche und an Wohlfahrtseinrichtungen. Wir wohnen in Salt Lake City/Utah. Ich kritisiere ihn dafür, daß er anscheinend unfähig ist, sich zu entwickeln - ich wollte sagen, sich zu verändern - aber er verändert sich, indem er immer religiöser wird und neuerdings ein glühendes Interesse für Sport an den Tag legt.
Ich stoße mich sehr daran, daß er gegen den Feminismus ist. Ich empfinde das als Angriff auf mein innerstes Wesen. Das Schlimmste, was ich ihm je angetan habe, war wohl, daß ich mich enttäuscht von der Religion abwandte und alle kirchlichen Aktivitäten eingestellt habe. Er kritisiert mich für meine »Ungläubigkeit« und meint, der Feminismus sei daran schuld. Aber ich muß mir treu bleiben. Kann man wirklich sagen, ich hätte ihm damit etwas »angetan«? Habe ich nicht genauso ein Recht auf meinen Glauben wie er?
Obwohl er traditionell ist, kocht er selbst, wenn ich nicht zu Hause bin. Ich bin pensioniert, habe bei der Schulbehörde gearbeitet und brauche eine gewisse Unabhängigkeit, um meine Freundinnen zu besuchen usw. Er ist auch pensioniert, also macht er jetzt manchmal Hausarbeit, wenn auch nur sehr begrenzt.
Er verfügt über sein Geld, ich über meines. Wir haben beide separate Konten, denn als ich zu verdienen anfing und mein Gehalt auf ein gemeinsames Konto gab, mußte ich mir immer wieder von ihm anhören, ich könnte nicht mit Geld umgehen, und wurde schließlich so wütend, daß ich ein eigenes Konto bei einer anderen Bank eröffnete. Im allgemeinen kauft er ein, was wir zum Leben brauchen, und zahlt, was für den Haushalt anfällt (darüber haben wir des öfteren gestritten), weil ich ihm sage, er sollte sich an die Gebote der Kirche halten (an die er ja glaubt) und seine Frau versorgen. Natürlich lasse ich mich nicht von ihm aushalten - Kleider, Arztrechnungen, Benzin usw. zahle ich selbst.
Ich weiß noch, wie ich über meinen ersten Gehaltsscheck gejubelt habe, als ich wieder zu arbeiten anfing. Ich war sechzehn Jahre Hausfrau/Mutter/Ehefrau gewesen und arbeitete jetzt als Hilf slehrerin. (Ich war aus dem Schuldienst geflogen, als ich heiratete - das war die übliche Bezirkspolitik.)

Über ein paar Jahre hinweg hatte ich eine Affäre mit kurzen und zeitlich weit auseinanderliegenden Begegnungen. Der Mann lebte in einem anderen Bundesstaat. Ich bin mir nicht sicher, was es mir gegeben hat. Mein Partner weiß bis heute nichts davon. Wahrscheinlich war es zum Teil Nostalgie, denn er war am College mein großer Schwarm gewesen. Es ist mir lieber, wenn mein Partner monogam ist, aber wenn er es nicht wäre, würde ich es nicht wissen wollen. Wir schlafen in einem Doppelbett.
Am glücklichsten war ich mit meinem Mann, bevor wir geheiratet haben. Ich war romantisch in ihn verliebt. Wir kannten uns schon mehrere Jahre - oberflächlich, wie ich heute glaube. Aber damals war die Ehe die einzige Möglichkeit für eine Frau. Heiratete man nicht, so war man eine Versagerin. Und warum bleibe ich jetzt noch? Natürlich liebe ich meinen Mann »irgendwie«, sonst würde ich nicht bleiben. Aber es fällt mir schwer zu beurteilen, wie wichtig das ist, weil mir keine andere Möglichkeit bleibt. Wenn ich soviel Geld hätte, daß ich wirklich ökonomisch unabhängig wäre, und wüßte, daß ich leidlich zufrieden allein leben könnte, würde ich gehen.
Wie ich bereits sagte, haben wir früher über Religion gestritten, und jetzt streiten wir über den Feminismus. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es sinnlos ist, mit ihm über Religion zu diskutieren, und in puncto Frauenfragen drängt sich mir langsam derselbe Schluß auf . Niemand gewinnt. Am Ende sind wir beide gekränkt. Gelöst wird nichts. Im allgemeinen sage ich, daß es mir leid tut. Er versucht mir einzureden, der Feminismus sei eine Irrlehre und in einigen Punkten sogar unmoralisch. Er ist sehr verbittert darüber und hat mir des öfteren gesagt, er wolle nichts mehr vom Feminismus hören. Ich finde aber, daß die Religion die Frauen ungerecht behandelt. Sie verfügt, daß Frauen benutzt werden sollen.
Meine beste Freundin und ich stehen uns weltanschaulich nahe. Wir machen Kurse zusammen, gehen ins Kino, zum Essen und zum Einkaufen. Wir amüsieren uns blendend. Wir sind beide Feministinnen, Mütter und - politisch gesehen - agnostische Liberale. Wir telefonieren und unternehmen viel zusammen. Wir haben (außer den Kindern) wesentlich mehr gemeinsam als mein Mann und ich.
Ich lese gern, habe Freude an der Natur, an anregenden Gesprächen und am Lernen. Ich mag alles Schöne. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich einigermaßen sicher sein könnte, daß die Welt politisch stabil ist - nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft. Es macht mich traurig, daß ich die Veränderungen, auf die ich hoffe, nicht mehr erleben werde. Den jüngeren Frauen sage ich: Entwickelt euer Bewußtsein, werdet aktiv. Verändert die Welt!

5
Ich bin schwarz, zweiunddreißig, war am College, bin intelligent, humorvoll, liebevoll, gutherzig, großzügig, amüsant, verantwortungsbewußt, sensibel, ehrlich, vorsichtig, manchmal kränkend, ehrgeizig, entschlossen, ziemlich stur, sarkastisch, defensiv, freundlich, sexy, sinnlich und treu. Im Moment habe ich ein paar Pfunde zuviel, aber ich arbeite dran - für mich.
Ich wünsche mir am meisten, daß ich mein eigenes Potential ausschöpfen kann. Ich möchte in den Spiegel sehen und sagen können: »Du bist okay, Frau. Du hast dir Ziele gesetzt. Du hast einige davon erreicht und arbeitest darauf hin, auch die anderen zu erreichen. Du bist in Ordnung!« (Ich hasse den Job, den ich zur Zeit mache - ich nutze meine Fähigkeiten nicht, verdiene nicht das Geld, das ich wert bin, habe keine Aufstiegschancen.)
Meine größte Leistung war bis jetzt, daß ich dazu beitragen konnte, meine Ehe zusammenzuhalten (wir haben vor fünf Jahren geheiratet) - sie funktioniert und entwickelt sich trotz großer Rückschläge und Hindernisse. Wir lieben uns immer noch, obwohl wir Schwierigkeiten haben - und wenn man sich die Welt ansieht und die Leute, die wir kennen, ist das schon was! Meine größte Krise war, daß mein Kind abgetrieben werden mußte, weil es eine Bauchhöhlenschwangerschaft war. Ich war im vierten Monat, und es war ein junge. Wir hatten schon einen Namen für ihn. Ich wollte das Leben aufgeben - nicht Selbstmord begehen, nur aufhören zu leben.
Wir wohnen jetzt in einer Einrichtung für straffällige Jugendliche und haben sechs Jugendliche zu betreuen, für die wir voll verantwortlich sind. Deswegen bin ich Hausfrau (bah), und er erledigt die nötigen Gänge (Doktor, Besprechungen mit Bewährungshelfern, Aufnahme in Schulen usw.).
Unser Gehalt wird fifty-fifty gezahlt (gleicher Lohn also, das funktioniert hier, weil sich die Hausmütter vor einem Jahr über die ursprüngliche Aufteilung beschwert haben - die war 75:25). Mein Mann gibt mehr aus als ich (er geht öfter weg, und da wird er leicht egoistisch und undiszipliniert). Er gibt sein Geld und einen Teil von meinem aus, weil er es sich nicht einteilen und nicht sparen kann. Das hat sich negativ auf unsere Beziehung ausgewirkt, weil ich zwar Rechnungen bezahlt habe, aber er nicht. Das hat unsere Kreditwürdigkeit beeinträchtigt. Wir haben uns jetzt auf ein neues Arrangement geeinigt - in Zukunft bekomme ich das ganze Geld, werde ihm jede Woche ein Taschengeld (plus Sprit) geben und für alle Rechnungen und Rücklagen verantwortlich sein.
Ich betrachte ihn als meinen besten Freund. Das Schlechteste an der Ehe ist, daß man immer auf den anderen Rücksicht nehmen muß. Ich kann nicht beschließen, mit meinen Freundinnen wegzugehen, und es dann einfach tun. Ich fühle mich verpflichtet, ihm Bescheid zu geben und zu sagen, ich bin da und da und komme dann und dann nach Hause. Nicht weil ich muß, sondern damit er sich keine Sorgen macht .
Wir teilen uns die Hausarbeit, aber die Küche ist mein »Revier«, weil ich diesen Bereich einfach mag. Er stellt gern ab und zu die Möbel um, das ist sein »Revier«.
Wir haben beschlossen zu heiraten, weil wir ein Kind erwartet und sowieso zusammengelebt haben, also haben wir uns abgesprochen, »es legal zu machen<~ (das hätte ich nicht schreiben sollen, hört sich nach Falle an!). Aber wir haben das Kind verloren, bevor wir geheiratet haben. Und dann haben wir uns dafür entschieden, trotzdem zu heiraten. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal machen würde, es hat mich nicht gestört zusammenzuleben, ohne verheiratet zu sein. Aber ich will verheiratet bleiben, weil ich Bindungen sehr ernst nehme und weil es keinen Grund gibt, nicht mit einem wunderbaren Mann verheiratet zu bleiben. Vielleicht ist er nicht der Allerbeste, aber er ist der Beste, den ich gefunden habe.
Solange ich verheiratet bin, hatte ich keinen Sex mit einem anderen Mann. Ich habe es auch nicht vor. Er hatte nur eine Affäre, von der ich mit Sicherheit weiß, weil er es mir gesagt hat, als sie vorbei war. Ich vermute allerdings, daß er noch ein paar mehr hatte. Meistens regt es mich nicht auf, weil ich mir keine Gedanken darüber mache . Ein Problem wird es für mich erst dann, wenn ich das Gefühl habe, er ist sich meiner zu sicher und vernachlässigt mich.
Da ich als junges Mädchen die Geliebten meines Vater kennengelernt habe, habe ich mir nie eingebildet oder erwartet, daß mein Mann nur mit mir Sex haben würcle. Es wäre schön, wenn er nur mit mir Sex hätte, aber es würde mich nicht wundern, wenn er mit einer anderen Frau ins Bett ginge. Ich hatte ein vertrautes Verhältnis zu meinem Vater, und er hat mich in seine Geheimnisse (= Fremdgänge) eingeweiht. Ich war immer die Ausrede, wenn er aus dem Haus wollte, weg von meiner Stief mutter und zu seinen Freundinnen. Er hat mich zu seiner Mutter und zu seinen vielen »Frauen« mitgenommen. Ich habe ihn geliebt, aber ich hatte keinen Respekt vor seinen Frauen, weil sie mich ausgenutzt haben.
Wie auch immer, im Alter von zweiundzwanzig Jahren habe ich gelernt, meinen Eltern ihre Fehler zu verzeihen und sie als die unvollkommenen Menschen zu akzeptieren, die sie sind. Ich hoffe, alle Kinder lernen, ihren Eltern zu verzeihen, daß sie nicht ganz das waren, was wir Kinder uns gewünscht haben.

Am glücklichsten und intimsten war ich mit meinem Mann in unseren »Flitterwochen«. Sie haben vier Tage gedauert, und es war phantastisch! Aber am meisten verliebt war ich mit fünfundzwanzig in einen anderen Mann. Es war ein Gefühl wie Himmel und Hölle. Er war kompliziert. Er war emotional, abenteuerlich, fleißig, hatte keine Erfahrung mit engen Beziehungen, war unreif, was einige wichtige Dinge anging - sich um jemanden kümmern, Vertrauen haben, nicht eifersüchtig sein - war leistungsorientiert, offen für neue Ideen, immer auf der Suche und am Experimentieren, wer er war und werden wollte.
Er wollte sich nach »besseren Möglichkeiten« umsehen und mich in Reserve halten, falls er keine fand. Ich wollte mich nicht so erniedrigen lassen, nachdem ich ihm erklärt hatte, daß es für mich nur ihn gab. Wir hatten ein Jahr zusammengelebt, aber er war nicht zufrieden mit mir. Ich habe ein Jahr gebraucht, um ihn zu vergessen.
Ich habe mich um Ex-Knackis gekümmert, Workshops für Collegestudenten veranstaltet, ging drei Abende in der Woche zum Fitnesstraining, habe sechs Wochen gefastet, jeden Morgen Sport getrieben (jogging) und am Abend Fachkurse an der Uni gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich mich je so ausgefüllt gefühlt habe und so stolz auf mich war! Dann habe ich meinen Mann kennengelernt, und er hat mir die emotionale Sicherheit gegeben, die ich von einem Mann wollte. Aber das war das letzte Mal, daß ich ohne Einschränkung, ohne Vorbehalte, ohne Bedenken geliebt habe.
Am College habe ich noch eine verheerende Trennung erlebt. Mein damaliger Freund kam bei einer Party zu mir und hat gesagt, er wollte sich von mir trennen, ich wäre ihm zu fett. Ich hätte mich am liebsten in irgendein Loch verkrochen und wäre gestorben. Ich mußte noch den ganzen Sommer jeden Tag mit ihm arbeiten. Er hat sich sogar an meine ehemalige Zimmergenossin rangeschmissen, und sie hatten den Nerv, mich zu fragen, ob es mich »stören« würde, wenn sie was miteinander hätten - als ob sie das interessiert hätte, wie ich mich gefühlt habe. Ich war ein Muster an Gefaßtheit im College und bei der Arbeit (sie arbeiteten beide da, wo ich auch gearbeitet habe), aber wenn ich zu Hause war, habe ich nur noch geweint. Am Wochenende war es noch schlimmer. Ich dachte manchmal, es zerreißt mir das Herz, so weh hat es getan, aber ich habe gelernt, daß einen ein gebrochenes Herz nicht umbringen muß, obwohl ich manchmal das Gefühl hatte, ich würde sterben.
Die Männer nehmen es viel zu genau mit dem Gewicht. Ich hatte immer Übergewicht oder war schwer. Ich bin eine große, schwere Frau. Ich war es schon, wenn sie mich kennengelernt haben, aber je länger sie mich kennen, ein desto größeres Problem scheint es für sie zu sein. Mein Mann war der einzige, bei dem ich von vornherein wußte, daß er keine dicken Frauen mag, aber er hat mich geheiratet, und er hat Geduld, obwohl er manchmal meckert. Er sieht das als Problem, mit dem ich allein fertig werden muß, mit wenig oder gar keiner Hilfe von ihm.
Nachdem ich jetzt fünfeinhalb Jahre mit meinem Mann zusammen bin, fange ich an, mich sexuell zu exponieren. Vor zwei Jahren habe ich ihm gesagt, daß ich masturbiere. Vor fünf Monaten habe ich gleichzeitig mit ihm masturbiert. Vor zwei Monaten habe ich mich beim Geschlechtsverkehr selber klitoral stimuliert. Aber ich habe ihm noch nicht genau gesagt, was er tun soll, um mich zu befriedigen, oder daß er mich befriedigen soll, wenn er fertig ist. Dazu braucht es viel Mut. Wenn ich Alkohol getrunken habe, geht es leichter, aber am nächsten Tag kann ich dann nicht glauben, was ich ihm gesagt habe. Zum Beispiel, daß ich in der Badewanne mit der Dusche zum Orgasmus komme. Er hat sich gewundert, und ich habe gesagt: »Was willst du, da bin ich nicht die einzige« und ihm den Hite Report über die Frauen gezeigt, die das auch machen. Er war erstaunt, um es mild zu formulieren. Und ich war knallrot, es war mir furchtbar peinlich.
Ich mag Sex, wenn ich in Stimmung dazu bin, aber das ändert sich bei mir von Tag zu Tag. Sex ist wichtig, aber kein Allheilmittel. Er gleicht Geldmangel, beleidigendes Verhalten, Fehlen von gemeinsamen Zielen usw. nicht aus.
Beim letzten Streit mit meinem Mann ging es darum, daß er mich verkohlen wollte. Er hat gesagt, unsere ausgelagerten Sachen wären in Gefahr, weil in den Speicher, wo sie liegen, eingebrochen worden wäre. Ich habe ihn gefragt, was er unternommen hätte, und er hat gesagt, der alte Krempel wäre ihm egal. Ich war sauer, weil er vor kurzem furchtbar rumgesoffen hat - großer Kneipenstreifzug, Leuten einen ausgeben, Geld zum Fenster rausgeschmissen -, und ich habe für alles die volle Verantwortung übernehmen dürfen. Ich bin sehr wütend geworden und habe ihm gesagt, daß er mich wie einen alten Fußabstreifer behandelt. Er ist zum Wagen gegangen und hat sechs oder sieben Kartons reingebracht.
Und da bin ich erst richtig hochgegangen, weil jetzt klar war, daß er mich nur auf die Probe stellen wollte. Ich habe ihm gesagt, er soll sich eine von der Straße suchen, mit der er so einen Scheiß machen kann, aber er soll mich nicht auf meine Reaktionen testen, indem er ganz wurstig ist mit den Sachen, für die wir hart gearbeitet und Opfer gebracht haben. Er war ganz verdattert über meine Heftigkeit und darüber, daß ich ihm gesagt habe, ich fühle mich vernachlässigt, und hat gefragt, wie lang ich das schon mit mir rumschleppe. Ich habe gesagt, er hätte soviel anderes zu tun gehabt, daß ich keine Chance gehabt hätte, meine Gefühle auszudrücken. Er hat mir zugehört. Ich bin sogar soweit zu ihm durchgedrungen, daß wir über unsere Finanzen geredet und uns abgesprochen haben, daß ich die in Zukunft verwalte. So hatten sich die paar Minuten Schreierei wenigstens gelohnt.
Meine Freundschaften mit Frauen sind ganz anders. Wir sind meistens sehr offen und sagen genau, was wir denken, und können uns mitteilen und wissen, daß die eine der andern zuhört. Wir kommunizieren. Mit meinem Mann fällt es mir schwerer zu reden - wegen gekränkter Eitelkeit, Stolz, weil er sagt, ich wäre überempfindlich und mir über den Mund fährt, wenn ich ihn kritisiere. Meine Freundschaften mit Frauen sind das Dauerhafteste und Stabilste in meinem Leben.

Liebe zu geben fällt mir jetzt leichter als früher, weil ich gelernt habe, mich selbst mehr zu lieben und zu achten. Ich habe gelernt, meinen Mann zu mögen trotz der Dinge, die ich nicht an ihm mag, und ihn so zu lieben, wie er ist. Ich liebe seii-i Lächeln (damit ist er geizig), seine Aggressivität, seine Freundlichkeit. Die Liebesgeschichte, die ich am meisten mag, ist ein Buch, das eine Schwarze während der »Harlem-Renaissance« geschrieben hat. Es ist die erste schwarze Liebesgeschichte, die ich je gelesen habe - sie handelt davon, wie Schwarze leben und lieben, wie sie stark sind und wie sie verletzt sind, wie sie überleben, wie sie sich sorgen und wie sie sich fühlen.
Ich mag es, daß unsere Beziehung bei allem Auf und Ab beständig ist, daß wir gut zusammenarbeiten können, wenn wir über unsere Kleinlichkeit wegkommen, und ich mag unsere Intimität - emotional, seelisch und geistig. Ich bin glücklich bis auf ein paar Dinge; ich bin unglücklich darüber, daß mein Mann kokst (er ist nicht süchtig, aber er liebt dieses Scheiß-Kokain), und über seine Tendenz zum Chauvinismus. Er ist unglücklich über mein Gewicht, das habe ich schon gesagt, aber alles in allem ist er glücklich mit mir als Mensch, außer meinem gelegentlichen Sarkasmus und meiner Art, defensiv zu sein.
Unser größtes Problem sind die Finanzen. Es könnte besser sein, wenn mein Mann erkennen würde, daß ich besser mit Geld umgehen kanp als er, und wenn er mich über das Geld verfügen lassen würde, wobei er bei Entscheidungen den Status eines Beraters hätte. Ich war mal zwei Monate finanziell von ihm abhängig, und es war gräßlich. Ich hoffe, daß ich diese Erfahrung nicht noch mal machen muß. Es hat die Beziehung beeinträchtigt, weil ich das Gefühl hatte, ich dürfte ihn nicht um Geld fragen (waren aber meine Bedenken). Als ich es nicht mehr ausgehalten habe, habe ich mich schön angezogen und ihm gesagt, er soll mich zur Stellenvermittlung fahren. Wir haben einen Job als Paar bekommen und eine Woche später angefangen.
Ich bin Feministin, finde aber, daß die Frauenbewegung schwarze Frauen in fundamentalen Angelegenheiten ausschließt. Weiße Frauen haben ein Programm, das sich insofern von dem von schwarzen Frauen unterscheidet, als es Dinge in den Vordergrund stellt, die für viele schwarze Frauen keine Prioritäten sind. Wir haben Gemeinsamkeiten, aber unsere Ausgangspunkte sind verschieden. Ich bin in einem weiblichen Haushalt aufgewachsen, deswegen war die Frauenbewegung immer ein Teil von mir.
Ich liebe meine Weiblichkeit. Ich würde sie definieren durch die Vorliebe für die optimale Vereinigung von Intelligenz und Gefühl. Weiblich sein bedeutet, um die Hungrigen, die Heimatlosen, die Armen weinen können - und vor Freude über einen schönen Sonnenuntergang. Es bedeutet auch, daß man an der Verbesserung von schlechten sozialen Bedingungen arbeitet, ohne Dankbarkeit daiür zu erwarten. Es bedeutet, das Leichte und Ungewichtige mit großen Dingen zu verbinden, große Kunstformen zum Beispiel. Es beinhaltet die Komplexität einer Frau, die eine erfolgreiche Geschäftsfrau und eine wunderbare Freundin ist. Ich habe Freude an schönen Dingen. Ich quäle mich richtig damit ab zu entscheiden, welche Farbe mein Lippenstift und mein Nagellack haben sollen. Momentan wende ich nicht soviel Zeit für mein Aussehen auf, wie ich sollte; meine Kleider sind eine Schande, aber ich nehme ab, und das möbelt mich auf .
Am meisten liebe ich meinen Mann. Ich habe in unserer Ehe gelernt, mit Dingen fertig zu werden, die ich mir nie zugetraut hätte. Ich bin wirklich engagiert, bin es auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte. Obwohl ich nicht alles bekommen habe, was ich in Beziehungen gesucht habe, auch nicht alle Arten von Liebe, die ich wollte habe ich immer noch Hoffnung und arbeite daran.

6
Ich habe einen Mann geheiratet, der, ehrlich gesagt, ein Dummkopf war, und dem ich, unverbildet wie er war, alles über mich beibringen konnte, über meine Bedürfnisse und Wünsche, als schriebe ich auf ein weißes Blatt Papier. Ich habe mir einen Mann mit einem guten, sicheren Job und einer starken Abneigung gegen Untreue ausgesucht, die er in seiner vorhergehenden Ehe entwickelt hat - seine Frau bekam das Kind des anderen keine vier Monate nach der Scheidung. Ich habe ihn gewarnt: Wenn er mich je schlüge, würde ich ihn verlassen, denn das ist wie mit Hunden, die beißen (wenn sie einmal erfahren haben, daß sie es können, werden sie es wieder tun), und seine Reaktion hat mir gezeigt, daß er nicht glaubt, Männer hätten das Recht zu schlagen - auch dann nicht, wenn die Frau zuerst geschlagen hat.
Mein Mann ist nicht unintelligent, aber naiv. Er hat eine langsame Auffassungsgabe, und sein Leben dreht sich weitgehend um seinen Penis - das geht in Ordnung. Er ist ehrlich und absolut treu, unendlich geduldig und freundlich, und er läßt mich machen, was ich will. Ich habe das ausgenutzt, und er war froh um die Brosamen, die ich ihm gab, beklagte sich nie und erhob nie die Stimme gegen mich, geschweige denn, daß er mich geschlagen hätte. Ich fand seine unfehlbare Zuneigung so gewinnend und war derart von seinem Charakter und seiner Stärke und Entschlossenheit beeindruckt, daß ich mich in ihn verliebte. Er ist ein sehr viel besserer Mensch als ich, und darum setze ich mein ganzes Wissen ein, um seine Probleme zu lösen, ohne daß es so aussieht. (damit er sich nicht unzulänglich fühlt). Ich behüte und bewahre ihn - so gut ich kann - vor physischen Gefahren, vor Krankheit und Zahnverfall, und ich versuche, ihn zu lehren, wie er besser mit Leuten kommunizieren und verstehen kann, was in ihnen vorgeht. Ich tue für ihn, was ich kann, und ich würde ihn nie mit Absicht verletzen. Ich würde ihn auch nie betrügen. Obwohl er es vielleicht nicht wüßte ich wüßte es. Er hat nur das Beste verdient, und so bemühe ich mich, mein bestes zu geben.
Ich halte sehr viel von Monogamie, und seit ich meinen Mann kenne, hatte ich keinen Sex mit jemand anderem - nicht einmal Hände gehalten. Das Leben ist kompliziert genug, und entweder ist man verheiratet oder man ist es nicht. Wenn eine Ehe funktionieren soll, ist Treue unerläßlich. Heute, in einer Welt der etwas laxen Moral, muß man sich noch mehr darauf verlassen können, daß man jemandem den Rücken drehen kann, ohne daß etwas »Krummes« dahinter vorgeht. Wir wissen, daß wir einander vertrauen können. Ich will, daß er monogam ist, weil man Dinge voneinander weiß, die sonst niemand auf der Welt weiß. Ich muß jedoch anderswo jemanden suchen, der meine intellektuellen Bedürfnisse stillt, meinem neugierigen Geist Nahrung gibt, der alles Begreifliche begreifen und unablässig lernen will. Ich genieße und brauche lange, differenzierte Diskussionen über zahlreiche komplexe Themen, und dem ist mein Mann nicht gewachsen.
Ich bin seit fast fünf Jahren verheiratet. Ich bin vierundzwanzig. Wir haben keine Kinder wir wollen beide keine - und sind durchaus glücklich. Man hat mich kultiviert, »offensichtlich kostspielig, aber zurückhaltend« genannt. Ich bin gebildet - nicht nur Bücher- und Sachwissen, sondern auch Lebenserfahrung und Menschenkenntnis. Ich bin unabhängig und willensstark. Mein Liebster, mein Mann, ist ein Fels, auf den ich bauen kann. Auf Freudinnen, das habe ich herausgefunden, ist kein Verlaß. Sie können einem ewige Treue schwören und einen trotzdem fallenlassen wie eine heiße Kartoffel.
Ich bin damit zufrieden, wie er mich liebt, und es bezaubert mich außerdem - seine Zuneigung ist bedingungslos, und seine Bewunderung inspiriert mich, nach Kräften so gut und wunderbar und wahrhaftig zu sein, wie er mich in tiefster Seele findet. Dank seiner habe ich ein gutes Selbstgefühl. Ich fühle mich geliebt! Wir sagen einander, daß wir uns lieben, in der Art, wie wir »Guten Morgen«, »Guten Abend«, »Bis bald« sagen oder »Ich sehe, du bist >down<, aber du sollst wissen, daß du geliebt wirst, und ich hoffe, daß dir das hilft« oder »Schöner Tag heute, nicht wahr?«. Tonfall und Gesichtsausdruck zeigen, was gemeint ist. Ich bin dahingekommen, es zu akzeptieren, und fühle mich sehr mütterlich, fürsorglich. Ich liebe ihn jetzt leidenschaftlich und ehrfurchtsvoll.
Ich versuche so schön und verführerisch - d. h. meinen Mann begehrend - zu sein, wie ich kann. Das ist mein Beitrag zum Aufbau seines Selbstgefühls. Ich tue es für ihn, als Geschenk, und ich tue es für mich, weil es mir Auftrieb gibt, weil ich es mag, wie er mich ansieht. Ich habe dabei nicht das Gefühl von Zwang.
Im Augenblick arbeitet er vierzig Stunden pro Woche. Er bringt seinen Gehaltsscheck mit nach Hause, und ich gebe ihm Taschengeld. Ich verfüge über das gesamte Geld, darum bin ich auch für unsere finanzielle Situation und unsere Kapitalanlagen verantwortlich. Wir haben eine Spülmaschine, und er räumt meist das Geschirr ein und aus; ich koche - er kann es nicht - aber ich bringe es ihm nach und nach bei, weil ich der Ansicht bin, daß niemand so hilflos sein darf! »Was ist, wenn mir etwas zustößt?« habe ich gesagt. »Dann müßtest du verhungern oder ständig auswärts essen.«
Hin und wieder verdiene ich gerne ein paar Dollar dazu, indem ich als Ghostwriterin tätig bin, Korrektur lese oder Manuskripte redigiere, und wenn ich arbeite, bestehe ich auf Hilfe im Haushalt. Am Anfang war es ein Kampf, aber jetzt macht er sich allmählich und interessiert sich sogar dafür, wie es im Haus aussieht, betrachtet es als etwas, um das er sich persönlich kümmern kann, und nicht als etwas, um das sich irgendjemand (ich) kümmern sollte. Ich besuche auch ein paar Lehrveranstaltungen im College - auf diese Weise führe ich meinem hungrigen Geist Nahrung zu - und so bin ich nie »müßig«.
Am meisten gefällt mir, daß ich mich auf ihn verlassen kann; er ist da, sowohl physisch als auch psychisch/emotional. Es mag lieblos klingen, da ich für diesen Mangel auf anderen Gebieten entschädigt werde, aber er befriedigt meine intellektuellen Bedürfnisse nicht. Ich kann zwar theoretisch über alles mit ihm sprechen, aber viele Themen, die mich interessieren und/oder von denen ich einiges verstehe, gehen, ehrlich gesagt, über seinen Horizont und interessieren ihn nicht. Er hört mit der größten Höflichkeit zu, solange er es aushält, wenn ich von Dingen spreche, die sein Fassungs- und Begriffsvermögen übersteigen. Er spricht auch über die Dinge, die ihn interessieren - und mich leider zum großen Teil langweilen. Aber wenn wir von Sex, Leuten, dem Leben im allgemeinen, Tieren und Essen sprechen, kommen wir wunderbar miteinander aus und können frei und endlos kommunizieren. Das ist genug. Ich habe nie von einer besseren Liebe gehört und nie eine bessere gesehen als diese. Wir sind glücklich - nicht überdreht glücklich, sondern schlichtweg glücklich.
Im wesentlichen sieht unser Alltag folgendermaßen aus: Er steht auf und geht zur Arbeit ich suche am Abend zuvor die passenden Sachen für ihn heraus, damit er immer gut aussieht , kommt nach Hause und ißt mit mir zu Abend. Ich stehe auf und ziehe mich an - ich lege mir meine Kleider zurecht, nachdem ich seine zurechtgelegt habe, gehe ins College oder studiere zu Hause, mache Gymnastik und tanze, fange an zu kochen, und dann kommt er nach Hause, und wir essen zusammen. Wir sehen selten Nachrichten - zu deprimierend. Ich schreibe, lese, sehe fern, und er hört Radio und sieht vielleicht ein bißchen mit mir fern. Ich lerne, er räumt in der Küche auf, und wir machen den Vogelkäfig sauber. (Wir haben einen Sittich.) Wir machen einmal in der Woche die Wäsche zusammen, kaufen gemeinsam ein und behalten uns zwei Abende pro Woche für die Liebe vor. Der Plan ist nicht starr sondern flexibel, aber er dient als Grundlage und sorgt dafür, daß eine gewisse Ordnung herrscht. Mein Mann bügelt seine Sachen, und ich bügle meine. Ab und zu nähe ich einen Knopf an, und er bringt den Abfall zur Mülltonne, holt die Post und sieht nach dem Öl. Unser Alltag ist angenehm, friedlich, oft lustig - manchmal machen wir einen Schaufensterbummel oder fahren aufs Land.
Sein und mein Geld ist unser Geld, es geht auf ein gemeinsames Konto. Ich verwalte es, wie gesagt, und bin darum stets für unsere Finanzlage verantwortlich. Obwohl er das Recht hat, unser Geld auszugeben, tut er es nie, ohne mich vorher zu fragen, ob wir uns den und jenen Betrag leisten können. Wir zahlen unsere Rechnungen gemeinsäm - ich schreibe die Schecks aus -, und wir sparen ein bißchen. Wenn wir etwas wollen und genug übrig haben, um es zu kaufen, kaufen wir es - oder wenn er etwas will bzw. ich etwas will, können wir es eventuell aus unserem gemeinsamen Fonds bestreiten. Mir ist es recht so, und anders hielte ich es auch nicht aus. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich nicht wüßte, wie unsere Finanzlage im einzelnen ist, oder wenn ich keine Kontrolle darüber hätte. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich Taschengeld von einem Mann bekäme, der in alleiniger Regie über das Geld verfügt.
Ich würde es allerdings aushalten, wenn wir uns zusammensetzten und die »Buchhaltung« gemeinsam machen würden, aber ich bin froh, daß sich mein Mann dafür nicht interessiert. So brauche ich mich nicht init ihm zu beraten oder ihm etwas zu erklären, und es ist praktischer und einfacher, es alleine zu machen. Ich weiß, was ich tue und wo alles ist, und kann es in Windeseile erledigen - wenn er daran beteiligt wäre oder ich ihm darlegen müßte, was ich mache oder gemacht habe, wäre es zeitraubend und schwierig, weil er nicht viel von Finanzen versteht. Ich lasse mir meinem Mann gegenüber zu schulden kommen, was ich an Männern kritisiere, nämlich daß sie wichtige Informationen zurückhalten - d. h. wenn ich etwas mit Verlust investiert habe, sage ich ihm nichts davon.

Es klingt wie ein Märchen, aber wir haben uns noch nie gestritten. Ich habe ihn ein- oder zweimal ausgescholten, als er behauptete, er hätte im Bad saubergemacht, und ich ging ins Bad und stellte fest, daß der Abfalleimer nicht ausgeleert war und Haare im Waschbecken lagen. (Verdammt noch mal, sag nicht, daß alles sauber ist, wenn es nicht sauber ist! Und wenn du dich nicht dazu überwinden kannst die Sache gründlich zu machen, dann sag's und damit basta!) Er hat nie die Stimme gegen mich erhoben. Er rechtet nicht mit mir. Er hört zu und denkt nach, und wir besprechen alles mit Liebe und Humor.
Er scheint jedoch zu glauben, daß ich ein wandelndes Lexikon bin, und das kann lästig werden, zumal wir eine schöne Nachschlagebibliothek haben (meine), die er jederzeit benutzen kann; ich habe ihm auch gezeigt, wie man das macht. Was würden Sie sagen, wenn Sie gerade Einnahmen und Ausgaben saldieren und jemand ins Zimmer kommt und wissen will, ob Kakerlaken schlafen?
Als ich ungefähr zwei Jahre verheiratet war, erkannte ich plötzlich, was das für ein Gefühl war, das ich seit mehreren Monaten hatte: Daß ich lieber sterben würde (buchstäblich), als meinem Mann weh zu tun. Sein Schmerz war mein Schmerz, sein Leben mein Leben, sein Wohl wichtiger als meines; seine Gesundheit, sein Glück, alles an ihm zählte so sehr, daß er der wichtigste Mensch in meinem Leben war - und ist - das Wichtigste überhaupt. Bis dahin hatte ich immer gedacht »Erst komme ich«; ich hatte mir meinen Weg mit Zähnen und Klauen gebahnt, absolut hart - nicht gewalttätig, aber gerissen und skrupellos - und zunächst war ich böse auf mich, weil ich es zugelassen hatte, daß ich mich in meinen Mann verliebte, einen Mann, den ich geheiratet hatte, weil er mir ein gutes Leben bieten konnte ich mußte und muß nicht arbeiten - und weil er leicht manipulierbar, kontrollierbar, »erziehbar« zu sein schien.
Frauen brauchen in dieser Gesellschaft nach wie vor finanzielle Unterstützung. Nirgendwo jedenfalls nicht, daß ich wüßte - verdient eine Frau soviel wie ein Mann, nicht einmal im selben Job, wenn sie dieselben Fähigkeiten und/oder dieselbe Qualifikation mitbringt, und das trotz des Lippenbekenntnisses zum Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Mit dem, was ich tue, verdiene ich nicht genug Geld, um mich selbst zu erhalten - ich meine die Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung und Wohnung -, und ich habe keine eigene Krankenversicherung, sondern bin bei ihm mitversichert, und diese Versicherung läuft über seine Firma; ich könnte sie also nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn wir uns trennen würden. Ich versuche, nicht zuviel darüber nachzudenken, denn es macht mich nervös. Ich lasse es darauf ankommen, daß er bei mir bleibt, »bis daß der Tod uns scheidet«, und wenn er es nicht tut, werde ich hoffnungslos blank sein - es sei denn, ich verdiene plötzlich und unerwartet viel Geld.
Das wirkt sich natürlich auf die Beziehung aus. Ich wage es nicht, ihn als selbstverständlich zu betrachten oder ihn zu betrügen oder nicht genau auf Zeichen von Unzufriedenheit zu achten. Über meinem Kopf hängt ein Damoklesschwert, und ich glaube zwar nicht, daß er sich dessen bewußt ist, aber es sorgt dafür, daß ich »nicht aus der Reihe tanze« - zusätzlich zu der Liebe, die ich für ihn empfinde und die bewirkt, daß ich ihn glücklich machen will.

Bevor ich heiratete, habe ich den Sex verflucht; ich dachte, das sei etwas, mit dem sich eine Frau eben abfinden müsse. Jetzt bin ich hoffnungslos süchtig - ich liebe den Sex! Mit meinem Mann. (Es ist wahr, was die Leute sagen - nach den »stillen Wassern« muß man Ausschau halten!) Beim Sex ist er ehrerbietig und dann frech, sagt genau, was er will, dann erneut voller Ehrerbietung und dann wieder frech. Ich orgasme immer, es sei denn, ich entscheide mich dafür, es nicht zu tun was ich manchmal mache, um mich voll auf seine Lust zu konzentrieren, als reines Geschenk. Ich orgasme, seinen Penis in meiner Vagina weil er gern die Kontraktionen spürt und der Druck seines Penis die Intensität des Orgasmus steigert - indem ich meine Klitoris mit den Fingern stimuliere, sacht und mit kleinen Auf-und-ab-Bewegungen.
Das Beste am Sex mit meinem Mann ist, daß er kein Macho ist. Er fürchtet nicht, daß seine »Männlichkeit« Schaden nimmt, wenn ich oben bin - tatsächlich mag er diese Stellung (wenn ich auf ihm sitze), weil er so meine Brüste fühlen und mit ihnen spielen kann.
Ich fand den Sex sehr enttäuschend, als ich damit anfing, und das blieb so, bis ich meinen Mann wirklich gut kennenlernte - ungefähr anderthalb Jahre, nachdem wir geheiratet hatten. Es war langweilig, blöde und manchmal sogar widerwärtig. Aber bei meinem Mann sah ich, daß ihn meine Lust erregte. Und so beteiligte ich mich, statt nur still dazuliegen und ihn »machen zu lassen« - und das gab ihm ein gutes Gefühl, Selbstwertgefühl als Mensch und Ehemann. Der Anblick, die Laute und Gerüche einer lebendigen Person, die Freude an ihm fand, erregten ihn ungeheuer. Die Männer, mit denen ich zuvor geschlafen hatte, hatten erbärmlich wenig Ahnung davon, wie man eine Frau befriedigt, keine Ahnung von weiblicher Anatomie.
Den ersten Orgasmus mit einem anderen Menschen hatte ich mit meinem Mann; er saugte und knabberte zärtlich an meinen Brustwarzen, und ich stimulierte meine Klitoris mit der Hand. Das geschah, als wir ungefähr anderthalb Jahre verheiratet waren . Eines Tages sagte er, er wolle wissen, warum ich eine solche Abneigung gegen den Sex hätte. Er war ernstlich interessiert, etwas dagegen zu tun. Ich war überrascht und erfreut über seine Reaktion, und wir begannen mit den elementaren Dingen; ich zeigte ihm bei angekipsten Licht, was »da unten« ist und was ich machte, um Lustgefühle hervorzurufen.
Jetzt orgasme ich gewöhnlich durch Masturbation beim Geschlechtsverkehr. Es fiel mir schwer, dies das erste Mal zu tun nach lebenslanger Konditionierung darauf, daß 1) Masturbation etwas »Schmutziges« ist und 2) bedeutet, der Mann sei nicht gut genug. Aber ich habe es genossen und er auch, und so dachten wir uns, nachdem wir erwachsen und einer Meinung waren, daß wir tun könnten, wollten und sollten, was schön für uns ist und bei uns funktioniert. Soviel zur Kindheitsdressur.
Außer dem Sex liebe ich es, im Bett zu kuscheln. Ich liege auf der rechten Seite und er liegt hinter mir, ebenfalls auf der rechten Seite und nimmt mich in den Arm. Das machen wir oft.

Als Kind hatte ich marineblaue Röcke und weiße Blusen und »vernünftige« Schuhe an. Ich hatte vorstehende Zähne und glattes Haar. Ich fand mich häßlich, und die anderen Kinder hänselten mich. Ich war sehr gut in der Schule. Ich hatte keine Freundinnen, also blieb m-r viel Zeit zum Lernen. Als ich erwachsen wurde, lernte ich die Kunst des Make-ups und des Hairstylings und entwickelte einen Kleiderstil, der konservativ, respektabel und würdevoll ist - ich trage cremefarbene Leinenkostüme, Seidenblusen und zehn Zentimeter hohe Absätze (ich habe tolle Beine!). Ich habe mir die Zähne regulieren lassen.
Ich hatte kein vertrautes Verhältnis zu meinen Eltern - meine Großmutter hat sich um mich gekümmert.
Meine Mutter hatte so große Probleme, daß sie weder Zeit noch Kraft hatte, sich mir zu widmen. Mein Vater war widerwärtig (er rülpste, furzte und war überhaupt ein Ekel). Er kannte mich nicht; ich kannte ihn kaum. Er hat mich nie berührt, es sei denn, um mich mit seinem Gürtel auf Po und Beine zu schlagen, wenn ihm meine Mutter gesagt hatte, ich sei »unartig« gewesen.
Er sagte mir, wenn ich »es« je »machen« würde, würde er mich erst verprügeln und dann enterben. Meine Mutter sagte mir, als ich zum ersten Mal meine Periode bekam, ich könnte jetzt »in Schwierigkeiten kommen«, darum sollte ich mich nie von Jungen »anfassen« lassen. Was bedeutete das? Vater (in freier Übersetzung): Wenn du bei der Hochzeit keine Jungfrau bist, machst du mir, dir und dieser Familie Schande, und ich würde dich dafür umbringen, wenn ich könnte, aber da ich es nicht kann, werde ich dich versohlen, vergessen, daß du je geboren wurdest, und dich für immer aus meinem Leben verbannen. Mutter (in freier Übersetzung): Die Jungen werden versuchen, sich mit dir zu amüsieren, dich zu benutzen, und wenn du schwanger wirst, ist es eine große Schande - kein Mann wird dich mehr wollen. Tu dir das nicht an! Sorge dafür, daß dich einer von ihnen heiratet, wenn er Sex haben will!

Ich zog mit fünfzehn von zu Hause aus, nahm mir eine eigene Wohnung, suchte mir einen Job und brach alle Verbindungen zu meinen Eltern ab. Zu meinen Abenteuern gehörten: Der Milchmann, von dem ich Herpes bekam (oder, genauer gesagt, ich entdeckte später, daß ich Herpes hatte). Dann war ich das Mittagsamüsement eines Mannes, der alleine lebte, aber im Kopf oder im Herzen oder sonstwo mit einer verheirateten Frau »verheiratet« war, die darauf wartete, daß die Kinder groß genug waren, um sich von ihrem Mann scheiden lassen zu können. Mit fünfzehn hatte ich auch eine »Affäre für eine Nacht« mit einem Knaben, der Probleme mit seiner Freundin hatte (die beiden lebten zusammen).
Ich glaubte in meinen späteren Teenagerjahren, es gäbe keine Liebe, Männer und Frauen würden heiraten und einander betrügen und ein Lippenbekenntnis zur Liebe und Fürsorge ablegen, obwohl sie nicht das geringste empfänden. Ich war einsam, und ich wurde kalt. Paul Simons Song »l am a rock« - »Ich bin ein Stein« - war mein Lieblingslied, weil darin genau ausgedrückt war, wie ich mich fühlte. Ich glaubte nicht, daß es wahre Liebe gibt auf dieser Welt - nur Menschen, die Menschen ausnutzen - und so wollte ich nicht leben.
Ich stellte fest, als ich mich mit Männern traf, daß der Mann die Liebe erst ernst nahm, dann aber weiterging, der nächsten Erwartung entgegen: Frauen sind Besitz, Frauen sind für den Sex da, und es gibt viele Frauen. Die Liebe wird am Anfang idealisiert, und dann stumpft sie ab.

Jetzt bin ich in meinen Mann verliebt. Er ist mein bester Freund, mein Liebhaber, mein Gefährte, mein Herz und meine Seele. Er ist ein Teil von mir, und ich bin ein Teil von ihm. Er ist für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Trotzdem ist er nicht der Mittelpunkt meines Lebens. Es ist paradox. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.
Ich liebe es, in ihn verliebt zu sein. Jemanden zu haben, mit dem ich teilen kann, gibt mir einen Daseinsgrund. Liebe ist Freude, Trost, Friede, Wärme, Sicherheit, Wahrheit erhaben. Sie ist das einzig Lohnende im Leben, die Grundlage des Lebens. Sie ist, anders als der Haß oder gar die Gleichgültigkeit, grenzenlos, positiv und aller Mühe wert.
Unsere Gegensätze? Die sind nicht so wichtig. Mein Mann ist nicht intellektuell, ich bin es. Wir haben eine Beziehung, in der er sich mir fügt, ohne unterwürfig zu sein. Manchmal denke ich, es wäre hübsch, einen Mann zu haben, der mir geistig ebenbürtig oder überlegen wäre, bis ich mich darauf besinne, daß ein solcher Mann, eben wegen seiner Bildung und seines Wissens, im Zusammenleben eine Qual wäre, weil er das Bedürfnis hätte, mich zu beherrschen.
Wenn ich in die Runde blicke - nur aus Neugier, um mich zu informieren, was es derzeit auf dem »Markt<~ gibt-, sehe ich einige Männer, die ich, wenn ich unverheiratet wäre, gerne naher kennenlernen würde. Sie sind alle, wie mein Mann, älter als ich, in gesicherter Position, dunkel, ordentlich, geschmackvoll. Im Gegensatz zu meinem Mann sind sie Intellektuelle, mir geistig ebenbürtig (in einigen Fällen auch überlegen). Ich würde jedoch keinen von ihnen heiraten wollen, weil ich fürchte, daß sie versuchen würden, mich zu »besitzen« und mir Vorschriften zu machen.
Ich mag die Dinge so, wie sie sind. Mein Mann und ich sind ähnlich, und wir sind verschieden. Er hat »gesunden Menschenverstand« und »funktioniert« im Alltag durchaus gut. Wir sind emotional großartig miteinander vertraut und haben ein phantastisches Sexualleben. Bei ihm kann ich entspannt sein und geben, geben, geben. Und es scheint, daß ich ihm, soviel ich auch gebe, immer mehr Liebe schenken will.

7
Ich bin eine fünfundvierzigjährige Hausfrau. Ich habe ein Kind zu Hause, einen vierzehnjährigen Jungen mit einigen Problemen, darunter Hyperaktivität und Lernstörungen. Mein Mann und ich sind knapp fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Meine Stieftochter ist neunundzwanzig und verheiratet. Ich bin auch noch Stiefmutter von zwei Jungen. Ich hasse die Hausarbeit!
Ich habe außer Haus gearbeitet, aber das ist schon fünfzehn Jahre her. Ich war Werbeassistentin beim hiesigen Wochenblatt. Ich würde gern wieder zur Zeitung gehen. Ich habe auch studiert, aber ohne Abschluß . Als ich jünger war, hatte ich viel mehr Freundinnen als heute. Manchmal fühle ich mich sehr isoliert. Ich bin jähzornig und ärgere mich leicht.
Irgendwie bin ich in meinem Haus gefangen. Wie ist das gekommen? Als ich nach einigen Ehejahren schwanger wurde, war meine dreizehnjährige Stieftochter gerade aus dem Gröbsten heraus, was mehr Freiheit für mich bedeutete. Aber ein Baby, das wußte ich, würde weniger Freiheit bedeuten. Ich gab meinen Job bei der Zeitung auf, den ich sehr gemocht hatte. Vielleicht habe ich mir damit für den Rest meines Lebens die Chance vermasselt, eine gewisse Unabhängigkeit zu haben. Finanziell habe ich jedenfalls viel aufgegeben. Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich es nicht getan hätte? Das weiß man natürlich nicht genau, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß ich nicht mehr mit meinem Mann verheiratet wäre. Ich habe vor allem materielle Sicherheit gewonnen und auch sonst eine Menge Materielles Farbfernseher, Fernseher in der Küche, Geschirrspülmaschine, Wäschetrockner, neue Haushaltsgeräte usw. Aber diese Dinge machen mich nicht glücklich, nur bequemer - bis zu dem Punkt, daß ich es jetzt sehr schwierig fände, ohne sie auszukommen. Mein Therapeut hilft mir dabei, ein paar Ersparnisse zurückzulegen.
Ich habe nicht die Absicht, verheiratet zu bleiben, aber ich habe mir auch keine genaue Zeit gesetzt, wann es vorbei sein soll, außer daß ich warten will, bis mein Sohn aus dem Haus ist. Er ist jetzt fast fünfzehn, aber so unreif, daß ich nicht absehen kann, wie lange er hier bleibt. Ich hoffe, frei zu sein, wenn er achtzehn ist. Der Streß, ein solches Kind zu haben, macht mich völlig fertig.
Vorigen Herbst kam mein Sohn plötzlich hundert Kilometer nördlich von hier in ein Krankenhaus. In den ersten zwei Wochen schrieb ich in mein Tagebuch, ich hätte das Gefühl, meine Rolle verloren zu haben - die Mutterrolle. Ich hatte mich vierzehn Jahre lang hauptsächlich über diese Rolle definiert. Und nun, da mein Sohn plötzlich nicht mehr im Haus war, und ich nicht einmal mehr seine schmutzige Wäsche zu waschen hatte, war ich wie ein Schiff ohne Ruder. Völlig unabhängig davon, daß ich mich oft überfordert gefühlt hatte von diesen Haufen Schmutzwäsche - das geht mir auch heute noch so. Der Verlust meines »Jobs« traf mich unerwartet. Ich kam am Morgen kaum aus dem Bett, und wenn ich mich doch dazu aufraffte, hatte ich das Gefühl, ich hätte nichts Sinnvolles zu tun.
Mein Mann und ich streiten am meisten über Sex und über unseren Sohn. Ich gehe oft an die Decke und werde unvernünftig, manchmal habe ich bei Krächen auch das Gefühl, daß ich restlos außer Kontrolle gerate - je nachdem, wie sehr ich mich aufrege. Wenn wir über Sex streiten, sagt mein Mann am Ende meistens »Vergiß es« und legt sich schlafen, und ich wasche ab oder irgendwas. Manchmal weiß ich am nächsten Tag nicht, ob wir noch Krach haben oder nicht. Er kann spuckböse ins Bett gehen und trotzdem prächtig schlafen, und da er zur Arbeit fährt, bevor ich auf bin, sehen wir uns bis zum Abend nicht. Manchmal brüllt er bei einem Streit, daß er mich und/oder meinen Sohn aus dem Haus haben will, wenn er am nächsten Tag von der Arbeit kommt. Ich nehme ihm das nie ab und mache mit dem weiter, was ich auf meinen Tagesplan gesetzt habe. Er entschuldigt sich meisten, entweder mit einem Anruf am Vormittag oder am Abend nach der Arbeit. Wenn ich das Gefühl habe, daß ich im Unrecht war, entschuldige ich mich auch.
Mein Mann sagt ab und zu: »Was du hier siehst, gehört mir - ich verdiene das Geld.« Das hat mich immer sehr verletzt, bis ich es meinem Therapeuten erzählt habe, der das sehr dumm von meinem Mann fand. Er fand, mein Mann müßte erkennen, »daß es eine Partnerschaft ist daß die Frau Dienstleistungen erbringt, mit denen gerechnet werden kann, und ... « (Den Rest habe ich vergessen.) Ich habe das heute abend ins Gespräch gebracht, als mein Mann über die künftigen Belastungen seiner beiden Neffen geredet hat (sie lassen sich gerade scheiden). Ich glaube, daß er die Partnerschaftsidee ansatzweise kapiert hat. Das finanzielle Arrangement, das wir haben, beeinträchtigt unsere Beziehung ganz entschieden.
Ich gehe jetzt neue Wege, um mich nicht mehr so abhängig zu fühlen. Ich habe angefangen zu sparen, was vom Einkaufsgeld für Lebensmittel übrigbleibt, dann hat mir mein Vater 500 Dollar zum Geburtstag geschenkt, und ich habe das alles als »stille Reserve« auf mein Konto getan. Mein Mann war wütend, als er es rausgekriest hat, aber ich habe die Feier zu seinem Fünfzigsten bezahlt (Essen für zwölf Freunde und Verwandte in einem Restaurant), und dann noch mal 218 Dollar für sein Geburtstagsgeschenk - einen Flug nach Florida mit der ganzen Familie.
Ich verwalte das Geld. Mein Mann gibt mir jeden Donnerstag abend seinen Gehaltsscheck und bekommt von mir 40 Dollar Taschengeld. Ich stelle alle Schecks aus. Trotzdem sieht mich mein Mann nicht als gleichberechtigt. Er schließt mich von fast allen Entscheidungen aus. Ich höre oft erst von »unseren« Urlaubsplänen, wenn er jemand anderem in meiner Gegenwart davon erzählt.
Die praktischen Dinge sind bei uns so geregelt, daß ich abwasche, die Betten mache und koche. Ich kümmere mich zu 85 Prozent um unser einziges gemeinsames Kind. Was mein Mann mit dem Jungen macht, beschränkt sich auf Freizeitaktivitäten und disziplinarische Maßnahmen. Bei den paar Malen, die ich abends zu Sitzungen gegangen bin und meinen Sohn in der Obhut meines Mannes gelassen habe, bin ich nach Hause gekommen, um meinen Mann schlafend auf der Couch vor dem Fernseher zu finden. Dabei sollte er unseren Sohn daran erinnern, sich sein Pausenbrot für den nächsten Tag zu machen. Deswegen komme ich jetzt immer nach Hause, bevor der Junge im Bett ist. Wenn das Pausenbrot nicht gemacht ist und ich meinen Mann darauf anspreche, reagiert er sehr feindselig. Und wenn das Pausenbrot gemacht ist, hat mein Sohn oft selbst daran gedacht.
Wenn mein Mann sagt »Das Essen hat gut geschmeckt«, fühle ich mich irgendwie nicht besonders erhoben. Vielleicht liegt es daran, daß ich ausgesprochen ungern koche - es strengt mich an, und ich muß es jeden Tag machen, mindestens sechsmal in der Woche. (Am Samstagabend essen wir meistens auswärts.) Vielleicht liegt es auch an der Beziehung zu meinem Mann, die nicht die beste ist. Es ist nicht mein Ziel im Leben, ihm gefällig zu sein. Aber wenn er kritisiert, was ich koche, bin ich meistens sehr verletzt. Und wenn es einen großen Familienkrach gibt und niemand das Essen anrührt, rege ich mich sehr auf, weil ich denke: »Ich habe mich abgeplackt, um dieses Essen zu kochen, und das ist der Dank niemand will es.« Aber es kommt jetzt nicht mehr allzu oft vor.
Manchmal macht mein Mann das Wohnzimmer sauber - er wischt Staub und saugt. Ich dachte erst, er wollte mich verlegen machen, denn wenn das Zimmer dreckig war, hatte ich es ja wohl nicht sauber gemacht. Aber meine Einstellung hat sich bald geändert, vielleicht wegen einer Frau, die ich mal im Radio gehört habe - wahrscheinlich eine Feministin. Dieses Haus ist auch sein Haus, und wenn ihn der Dreck stört, kann er ihn wegmachen. Ich sage nicht »Vielen Dank, daß du mir meine Arbeit abgenommen hast«, weil ich nicht finde, daß es nieine Arbeit ist! Mein Mann hat tatsächlich schon versucht, mich verlegen zu machen. Zum Beispiel hat er sich darüber ausgelassen, wie staubig der Couchtisch wäre. Ich habe in keiner Weise darauf reagiert. Aber am nächsten Tag habe ich die Möbelpolitur aus dem Besenschrank geholt und das Wohnzimmer so sauber gemacht, daß alles blitzblank war. Er hat kein Wort darüber verloren, er hat nicht mal gezeigt, daß er es überhaupt gemerkt hat.
Neulich habe ich wieder großen Hausputz gemacht, weil sich ein Sozialarbeiter angesagt hatte (es ging um unseren Sohn). Und wieder hat mein Mann kein Wort darüber verloren. Ich bin nicht die erste Frau, der auffällt, daß die Familie nichts sagt, wenn Frauen ihre Sache gut machen. Gesagt wird nur etwas, wenn was daneben geht. Das hat mich zu meiner jetzigen Einstellung der Hausarbeit gegenüber gebracht. Niemand weiß sie richtig zu schätzen, warum sollte ich mir also ein Bein ausreißen? Mein Haus ist recht sauber, wir haben alle saubere Kleider, wenn wir welche brauchen, und Essen, wenn wir Hunger haben, aber ich mag Hausarbeit nicht und werde sie nie mögen.

Ich halte viel von Monogamie - wahrscheinlich wegen meiner Erziehung. Aber ich bin nicht monogam, und wenn mir jemand vor zwanzig Jahren gesagt hätte, daß ich das eines Tages sagen würde, hätte ich ihm nicht geglaubt. Es gibt einen anderen, den ich seit über fünfzehn Jahren liebe. Mein Mann weiß nichts davon. Es hat als Flirt angefangen - er war der aggressive Teil. Er hatte immer die Frauen in unserem kleinen Kreis aufgezogen - alles Leute von den Stadtwerken -, der aus seiner Frau, meinem Mann und noch ein paar anderen bestand. Eines Abends gingen wir zu viert aus und danach noch zu uns nach Hause. Wir wechselten immer den Tanzpartner, also tanzte ich mit ihm, und mein Mann tanzte mit seiner Frau. Wir waren in der Küche; sie waren im Wohnzimmer.
Jim machte ziemlich bald das Licht in der Küche aus, und seine Hände begannen zu wandern. Er hatte tüchtig was geschluckt und war ziemlich betrunken, aber nicht bis zur Verblödung. Er war auch nicht abstoßend - nur leidenschaftlich. Ich hatte auch einiges getrunken. Ich protestierte nicht laut; es fühlte sich schön an. Ein bißchen sperrte ich mich aber doch. Ich flüsterte: »Paß auf, die können jeden Moment reinkommen und uns erwischen!« Er sagte nur: »Woher willst du wissen, daß die nicht dasselbe machen?«
Nach diesem Abend rief mich Jim an und sagte, daß er mich gern besuchen würde. Ich habe gezögert, aber schließlich habe ich ihn kommen lassen. Er arbeitete nachts; mein Mann tagsüber. Jim machte Liebe mit mir, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Er war anatomisch ganz anders als der einzige Mann, den ich bis dahin intim gekannt hatte (mein Mann), und ich war überwältigt. Er war immer sehr zärtlich, hat nie »schweinisch geredet«, obwohl ich wußte, daß er das konnte. Er hat mich nie gezwungen, etwas zu tun, das ich nicht wollte, aber er war ein Überredungskünstler und hat mich immer wieder dazu gekriegt, was Neues auszuprobieren.
Ich liebe ihn immer noch sehr, aber wir sehen uns nicht mehr jede Woche. Einmal haben wir uns sogar ein Jahr nicht gesehen (er hat nicht angerufen, und ich konnte ihn nicht erreichen). Jetzt sehen wir uns in Abständen von drei Wochen bis zwei, drei Monaten. In letzter Zeit habe ich ihn öfter angerufen.
Einmal hat er angerufen, um mir zu sagen, er ließe sich scheiden und würde mit einer anderen Frau zusammenziehen. Ich fragte: »Und was wird aus mir?« Er antwortete: »Das weiß ich nicht, aber du hast immer gewußt, daß unsere Beziehung keine Zukunft hat.« Ich habe »Aha« gesagt und aufgelegt. Und dann habe ich nur noch geweint. Ich war vernichtet. Ich habe die Talkshow im Radio angestellt, um nicht dauernd an ihn denken zu müssen. (Ich war, wie meistens, allein im Haus, mein Sohn war in der Schule und mein Mann bei der Arbeit.) Das Radio half auch nichts. Ich hatte nachts Schlafstörungen, und wenn ich tagsüber allein war, habe ich versucht, ein Nickerchen zu machen und ihn zu vergessen, aber ich konnte nicht schlafen. Und natürlich konnte ich keiner Menschenseele davon erzählen. Dann habe ich mir gesagt: »Vergiß ihn!« Jedesmal wenn er mir in den Sinn gekommen ist, habe ich mir das gesagt. Mein Mann hatte im Betrieb gehört, daß Jim sich hatte scheiden lassen und jetzt mit einer anderen Frau zusammenlebte. Ich habe irgendeine passende Bemerkung gemacht und so getan, als wäre es mir wirklich neu, und bin dann in den Keller gegangen, in meine Waschküche, und habe wieder geweint.
Nach drei Monaten war ich gerade dabei, über ihn hinwegzukommen, als er anrief und fragte, ob ich mittags zu Hause wäre und ob er vorbeischauen könnte - so, als wäre nichts passiert. Ich sagte ihm, wie furchtbar ich mich aufgeregt hätte, aber ich habe ihn wieder ins Haus gelassen und ins Herz geschlossen. Ich weiß, das ist wahrscheinlich schwachsinnig, aber ich liebe ihn, und wenn er mich will, kann ich nicht nein sagen. Er hält sich nicht mehr von mir fern, und so stehen wir wieder da, wo wir immer waren. Er hat mir auch gesagt, es tut ihm sehr leid, daß er mich so verletzt hat.
Warum kann ich ihn nicht aufgeben? Er tut mir gut, er ist gut für meine Selbstachtung. Er akzeptiert mich voll, er macht nie abfällige Bemerkungen über meinen Körper. Ich nehme an, daß ich von ihm abhängig bin in bezug auf sexuelle Befriedigung und emotionale Erfüllung. Außerdem ist er mein einziger echter Freund, und ich kann mit ihm reden. Aber ich versuche, meine Eigenheiten herunterzuspielen, weil er vor Jahren gesagt hat: »Ich könnte nicht mit dir leben, du würdest mich wahnsinnig machen.« Das hat mich mehr verletzt, als er ahnt.
Ich hoffe, daß ich eines Tages eine andere Beziehung habe, eine Beziehung, die »Zukunft« hat. Aber im Moment habe ich nur die.
Ich bin sexuell immer noch sehr unsicher. Meistens hat Jim das Sagen, bei den Stellungen zum Beispiel. ich habe es mal mit einer Stellung versucht, die mir mehr bringen müßte, aber ich war so ungeschickt, daß ich mich überhaupt nicht wohl gefühlt und es nie mehr versucht habe. Trotzdem weiß ich, daß ich diese Stellung mag, und manchmal macht er sie zufällig, und ich genieße es. Aber es ist eigentlich nicht genau die Stellung, mit der ich es damals versucht habe, sondern eine Abwandlung davon. Ich nehme an, das führt zu einer »ferninistischen« Frage - bin ich so selbstsicher, daß ich sagen kann, was ich im Bett will? Die Antwort ist nein, leider nicht. Ich weiß nicht warum, wahrscheinlich hätte er gar nichts dagegen, wenn ich ihm sagen würde, was für mich schön ist. Wir sind jetzt durch eine zeitliche Begrenzung gebunden (seine Mittagspause), und da bleibt natürlich nicht viel Raum für Experimente. Aber während ich dies schreibe, komme ich zu der Überzeugung, daß es okay ist zu sagen, was ich will, und vielleicht sage ich es auch, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.

Ich mache mir manchmal Sorgen, daß ich so ungesellig werde wie meine Mutter in ihren letzten Jahren. Sie hat tatsächlich gesagt: »Nein, nicht noch mehr Gesellschaft - was haben die Leute hier zu suchen?« Mein Therapeut hat mich gefragt, warum ich so isoliert bin und so wenig Freundschaften habe, und ich will versuchen, etwas dagegen zu tun. Ich kann mich nicht leicht mit Leuten anfreunden, besonders hier in dieser Stadt nicht. Einige meiner besten Freundinnen aus früheren Jahren sind von der Bildfläche verschwunden. Ich kenne sie noch vom College, und sie schreiben mir nicht mehr. (Ich habe versucht, eine wieder zum Schreiben zu bringen. Ich habe ihr eine Postkarte mit Rückporto geschickt, an mich adressiert, auf die sie bloß noch ein paar Zeilen zu schreiben brauchte - sie hat sie mir mit den Worten »Arbeit, Arbeit, Arbeit« zurückgeschickt, in Eile hingeschmiert, dazu »Viel Glück mit Deinem College-Kurs« - mehr nicht.) Ich brauche hier mehr Kontakte. Selbst wenn ich Kurse mache oder mich Gruppen anschließe, bin ich immer noch eine Einzelgängerin.
Vor zweieinhalb Jahren habe ich beschlossen, wieder aufs College zu gehen (das städtische College hier) und ein paar Kurse zu machen. Die Perspektive dabei war die Vorbereitung auf einen Job. Ich stellte fest, daß ich Hausarbeit, Studium, Sohn und Privatleben nicht so ohne weiteres unter einen Hut bekam. Die Arbeit fürs College war ziemlich aufreibend. Es war ein gewaltiger Unterschied zu damals, als ich mit achtzehn Jahren aufs College ging - da war ich unverheiratet und nur für meine eigenen Bedürfnisse verantwortlich. Nun da ich Familie hatte, fand ich es sehr schwierig, Zeit fürs Studium einzuplanen.
Irgendwie brachte ich es fertig, Arbeiten zu schreiben, die gelobt wurden, und ich schloß den Kurs mit einer Zwei ab. Aber es war kein praktischer Kurs mit dem Ziel Arbeitsmarkt. Außerdem war der Lehrer ein Pedant im Detail und schlug vor, daß ich als nächstes einen Englischkurs machen sollte, um moderne Grammatik und Interpunktion zu lernen. Also habe ich mich im nächsten Herbst für den nächsten Kurs angemeldet, und kein Job war in Sicht. Ich bin fünfmal hingegangen, habe ein, zwei Arbeiten geschrieben und bin von dem sehr dynamischen, sehr interessanten und ach so jungen Dozenten dafür gelobt worden. Dann war die Rede von einer wissenschaftlichen Hausarbeit, die bis zum 1. Dezember abgegeben werden sollte. Ich fand das völlig unwichtig für mein Leben und meine Ziele. Ich mußte andere, praxisbezogene Kurse machen - oder überhaupt keine mehr!
Am Abend vor der nächsten Stunde habe ich schließlich meine Entscheidung getroffen. Ich habe meiner Familie gesagt, ich hätte beschlossen aufzuhören. Mein Mann hat, wie meistens, nicht viel gesagt. (Ich hatte das College von meinem eigenen Geld bezahlt, von meinem kleinen Sparguthaben, und so konnte er nicht mal sein übliches »Das kostet mich wieder eine Stange Geld« anbringen.)
Als meine Familie im Bett war, war ich wieder ganz allein wie meistens - das ist eine Zeit, die ich eigentlich mag. Da mache ich noch Hausarbeit, stelle das Geschirr vom Abendessen in die Spülmaschine, wasche die Thermosflasche und die Lunch-Box meines Sohnes aus. Dabei habe ich immer das Radio oder den Fernseher an. Meistens fange ich um halb zwölf bei der Johnny-Carson-Show an.
Aber an diesem Abend konnte ich nur weinen. Ich habe bei Johnnys ganzer Show geweint und bei der nächsten immer noch. Irgendwie habe ich es geschafft, das Geschirr in die Spülmaschine zu kriegen und die anderen Arbeiten zu machen, aber mir war hundeelend. Ich konnte nur eines denken: daß ich eine Versagerin bin. Aber bevor diese lange Nacht um war, habe ich tief Luft geholt und beschlossen, mit meinem Leben weiterzumachen, obwohl das bedeutet, daß ich den Gedanken an einen Job auf unbestimmte Zeit vertagen muß.
P. S.: Das habe ich zum größten Teil in einer Nacht geschrieben, in der mein Sohn fort war auf einer Exkursion mit seiner Klasse . Mit anderen Worten, wenn mein Sohn nicht zu Hause ist, kann ich »meine eigenen Sachen machen«. Ich kann mehr ich selbst sein. Ich habe das in der Zeit zwischen 1 Uhr morgens und halb fünf geschrieben. Wahrscheinlich fühle ich mich auch freier, wenn mein Mann schläft.

8
Meine größte Leistung war, daß ich den High School-Abschluß nachgeholt habe, ein Ziel, das ich mir gesetzt hatte, als ich mit fünfzehn schwanger wurde und von der Schule abgehen mußte . Es war ein persönliches Ziel, ein richtiger Fimmel von mir, obwohl ich seit Jahren einen guten Job im Fernmeldewesen hatte, mit Elektronik gearbeitet und toll verdient habe. Jetzt habe ich noch mehr Ziele.
Ich war sechzehn, als ich mich von meinem ersten Mann getrennt habe. Meine Familie hat mich unterstützt, und meine Mutter wollte, daß ich bei ihr bleibe, sogar mit dem Baby. Sie hat mich mit offenen Armen aufgenommen, sie war mir eine große Hilfe. Aber ich habe mich geschämt, die Situation war mir peinlich. Zum Glück hatte ich einen Freund, meinen jetzigen Mann, der mir da rausgeholfen hat. Es war trotzdem unheimlich, mit einem Baby von zu Hause wegzugehen, mit siebzehn auf sich selbst gestellt zu sein.
In unserer Beziehung war ich wegen meiner Situation abhängig von ihm. Ich hatte das Gefühl, daß ich ihm alles zu verdanken hatte, weil er eine Frau mit Kind genommen hatte, die selbst noch ein Kind war. Ich war noch nicht reif und habe mir meinen zweiten Mann nicht so sorgfältig ausgesucht, wie es eine Frau normalerweise tut, wenn sie zum zweitenmal heiratet. Ich habe seine guten Eigenschaften bewundert: Er hat fleißig gearbeitet, war stark (wie mein Dad) und keiner von denen, die einen in Geldangelegenheiten unfair behandeln oder hängen lassen. Ich habe nicht gewußt, daß er mich schlagen würde, weil ich das noch nie bei jemandem erlebt hatte. ich habe gemeint, ich hätte es verdient, ich wäre eine schlechte Frau, und all die Prügel und Beschimpfungen würden mir ganz recht geschehen. Erst Mitte Zwanzig bin ich langsam aufgewacht.
Mein Mann hat mich bis vor zwei Jahren geschlagen. Ich habe ihn gehaßt, wenn er mich geschlagen hat. ich habe es in den zehn Jahren Ehe nur zwei oder drei Freundinnen gesagt. Ich habe meinen Mann für seine Grausamkeit gehaßt. Ich habe mich gerächt, indem ich mir einen Liebhaber genommen habe. Damit wollte ich mich aber nicht in erster Linie rächen, ich wollte nur jemanden haben, der mir darüber weghalf, daß ich die Gefühle für meinen Mann verloren hatte - mein Respekt vor ihm war null. Ich wollte die Ehe nicht beenden, aber er konnte sie beenden, wenn er wollte, und jetzt würde es mir nicht mehr so weh tun.
Weil ich immer einen Fulltime-Job hatte, habe ich mich per Fernkurs auf den High School-Abschluß vorbereitet. Dann habe ich eine Weile nur tagsüber gearbeitet und ein paar Abendkurse gemacht. Ich habe meinem Mann auch gesagt, daß ich mich nicht mehr von ihm schlagen lasse. (Sein Vater hat seine Mutter auch immer geschlagen.) Ich bin selbständiger geworden, weil ich angefangen habe, mich mehr zu mögen. Ich habe einen Schönheitswettbewerb gewonnen, und das hat mir mehr Selbstvertrauen gegeben. Ich war sehr beliebt an meinem Arbeitsplatz, und deswegen habe ich mir gedacht, daß ich noch viel mehr bringen kann. Ich war entschlossen, meine Ehe zu verbessern. Es war schlimmer, wenn er gesoffen hat, deswegen habe ich Streitgespräche vermieden, wenn er blau war. Er war dann ein paar Monate bei einem Analytiker, aber was der ihm gesagt hat, hat ihm nicht gepaßt. Er hat seine Fehler nicht eingesehen.
Ich glaube an die Monogamie, obwohl ich einen Liebhaber habe. Diese Beziehung habe ich schon zwei Jahre. Der Grund dafür ist einfach. Nachdem mich mein Mann jahrelang geschlagen und behauptet hat, ich hätte außereheliche Affären, und nachdem er sich mit ein paar Freunden zusammengetan und Marihuana geraucht hat (er weiß, daß ich absolut dagegen bin) und mit ihnen oft auf Angelpartien gegangen ist, wo er konnte, habe ich mich daran gewöhnt, daß er mehr weg war als da, und festgestellt, daß er mir nicht fehlt.
Eines Tages hat er wieder mal eine Stinkwut bekommen und mir ein ganzes Büschel Haare am Hinterkopf ausgerissen. Zum Glück habe ich langes, dichtes Haar, und niemand hat was gemerkt. Da hatte schon dieser Detektiv aus der Stadt, der mich nur einmal gesehen und mich sofort gemocht hatte, »ein Auge auf mich«. Er hat mich angerufen, so getan, als wäre es rein geschäftlich (ich war Zeugin in einem Prozeß), und dann sind wir vom Hundertsten ins Tausendste gekommen und »Telefonfreunde« geworden. Eines Tages hat er mich zu Hause besucht, und wir haben uns bloß angesehen wie zwei Kinder, und es war passiert. Wir lagen uns in den Armen. Er hat mich nicht bei mir zu Hause verführt, da hatte er doch mehr Format, er hat gesagt, wir sollten uns das durch den Kopf gehen lassen, bevor wir was miteinander anfangen. Am nächsten Tag sind wir in ein Motel gefahren, und er hat mit mir geschlafen - so gut, wie ich es noch nie erlebt habe.
Diese Affäre tut mir weh, weil ich nicht genug mit meinem Liebhaber zusammensein kann, um zu sehen, ob wir nicht nur im Bett miteinander auskommen. Ich hasse die Schwindeleien, die Angst, erwischt zu werden, die Angst, daß er mich vielleicht betrügen würde, wenn wir zusammen wären. Ich glaube, wir würden uns nie vertrauen. Ich habe mich in ihn verliebt und er wollte zwar nicht, aber er hat sich auch in mich verliebt. Er sagt, er hat Angst vor seinen Gefühlen, und die habe ich auch. Wir haben Angst, anderen weh zu tun, und tun uns statt dessen gegenseitig weh. Dank meinem Liebhaber komme ich mir wieder aufregend vor, und gleichzeitig komme ich mir wie ein Nichts vor, weil er mich nicht will. Ich habe so getan, als wäre ich nicht in ihn verliebt, als er gesagt hat: »Wir hätten uns nicht verlieben sollen.« Was hätten wir dann tun sollen?
Mein Mann erwartet Verständnis von mir, weil er ein fürchterliches Zuhause hatte, aber ich verstehe nicht, warum unser Zuhause eine Wiederholung von seinem sein muß. Er denkt, das ist eine Rechtfertigung dafür, seine Frau zu schlagen, mit Sachen zu schmeißen und die Sau rauszulassen, weil es ihm eben von seinem Elternhaus geblieben ist. Wir streiten uns über mein Recht darauf, daß mir das gleiche zusteht wie ihm als Mann. Ich habe das Recht, mir einen Beruf auszusuchen, der mir gefällt, und ich habe das Recht, mich in Kursen auszuzeichnen, und solange ich das selbst bezahle, sehe ich nicht, wo da das Problem ist. Er sagt: »Meine Frau arbeitet mir nicht unter Männern.« Er hält mich wohl für ein Flittchen, oder er hat überhaupt kein Selbstbewußtsein.
Es ist notwendig, daß ich arbeite, das weiß mein Mann, aber er macht immer sexistische Bemerkungen wie: »Wenn unsere Hypothek abbezahlt ist, könntest du aufhören zu arbeiten. « Als ob mein Job nicht wichtig für mich wäre. Dabei ist er wichtig für mich, sehr wichtig. Er bildet sich ein, wir leben noch in der Zeit, als die Frauen noch kein Stimmrecht hatten.
Unser größtes Problem ist seine Frauenverachtung, und das schließt mich mit ein. Er findet, es gehört sich nicht für Frauen, bei der Polizei zu arbeiten, High-Tech-Jobs zu haben oder eine Arbeit zu machen, für die man Muskeln braucht. Wenn ihm eine Frau am Steuer in die Quere kommt, nennt er sie dumme Kuh oder Nutte. Er hat mich zweimal vor Kolleginnen und Kollegen zusammengebrüllt, weil ich wo gearbeitet habe, wo nur Männer waren.
Ich wünsche mir so sehr eine Beziehung, in der beide den gleichen Respekt vor dem Beruf und den Zielen des anderen haben. In der das
Vertrauen groß genug wäre, daß man mit Frauen und Männern befreundet sein könnte und kein Mißtrauen die Beziehung vergiften würde. Ich wünsche mir, daß ein Gefühl von Freundschaft da wäre, daß man sich ermutigen würde. Ich wünsche mir Lob und Komplimente und Umarmungen und Küsse.
Wir behalten jeder unseren Gehaltsscheck für uns. Er zahlt die Rechnungen, ich kaufe Essen, lege viel Geld für den Hauskauf zurück, zahle die Autokredite ab und zahle alle größeren Anschaffungen. Was ich gern mache mit meinem Mann, ist Langlauf (10000 m), Skifahren, Angeln, dann Sex, dann auswärts essen, Abstecher in die Umgebung, Autofahrten. Alles, wobei man nicht reden muß.
Ich mag unsere Beziehung, wenn wir miteinander allein sind oder im Urlaub. Ich hasse es, wenn er depressiv ist. Ich weiß, es ist ein psychisches Problem von ihm. Ich habe Angst vor seiner Aggressivität, wenn wir uns streiten, und vor seiner kindischen Destruktivität, wenn ich nicht alles so mache, wie er will, oder mir was vornehme und er total dagegen ist. Seine Eifersucht und seine chauvinistische Einstellung zu Frauen, sogar beim Sport, sind das, was unsere Beziehung kaputtmacht, nicht mein Liebhaber und nicht mein Job. Mein Mann ist neidisch und besitzergreifend, er ist sogar auf meine Ziele und meine Kurse neidisch - auf alles, wo er nicht mit einbezogen ist. Mit meinem Liebhaber kann ich reden, er macht mir Komplimente, bestärkt mich in meinen Zielen und behandelt mich im Bett von gleich zu gleich.
Ich glaube kaum, daß ich verheiratet bleibe, es spricht zuviel dagegen. Aber mein Sohn hält mich davon ab, mein Leben sofort zu ändern, weil ich bedenken muß, ob ihm das auch gut tut. Ich habe immer an zwei denken müssen und nicht nur an einen.
Ich liebe meinen Sohn, aber er entwickelt in der Schule und in seinem Privatleben keine Initiative. Ich habe ihn auch als Baby sehr geliebt und mir geschworen, daß ich ihn beschützen und gut für ihn sorgen will. Ich habe ihm jeden Abend eine Weile vorgelesen, mindestens eine halbe Stunde, bis er ungefähr elf Jahre alt war. Dann haben wir ihn Sport machen lassen, bis er vierzehn war, und da hat er sich nicht mehr für Sport interessiert. Er spielt immer noch Gitarre, und es macht ihm auch Spaß, aber er reagiert auf nichts, was seine Lehrer sagen. Wenn er sich verspätet, hat er nicht den Anstand anzurufen, und überhaupt ignoriert er die Zeiten, wo er zu Hause sein soll, und alle Vorschriften von uns.

Ich bin körperlich so gut in Form wie noch nie. Ich bin erst einunddreißig und fühle mich jung. Ich sehe mir jetzt mehr Männer an und überlege mir, wie sie im Bett wären. Meistens Polizisten, wegen meines Liebhabers, und auch wegen ihrer Schnurrbärte, die mich scharf machen. Mein Mann sagt mir im Bett, was ich tun soll, damit er am meisten Genuß davon hat. Er sagt mir nicht, daß er mich liebt, mich schön und begehrenswert findet, er versucht auch nicht, es mir recht zu machen, aber das soll mir egal sein, denn mein Liebhaber tut es.
Mein Mann interessiert sich nicht für meinen Orgasmus, nur für seine Lust. Ich konnte Fellatio machen noch und noch, aber er hatte mit Cunnilingus nicht viel im Sinn. Ich hatte das Gefühl, daß es ihn langweilt, wenn ich zu lang brauche bis zum Höhepunkt, und so habe ich eben danach oder am nächsten Tag im Bad masturbiert. Als ich versucht habe, mit ihm darüber zu reden, war er beleidigt-. »Mach mir keine Vorwürfe deswegen, weil du Probleme hast.«
Mein Mann befriedigt sich also regelmäßig und ist erst in letzter Zeit auf die Idee gekommen (ich habe mich laut und deutlich beschwert), daß ich vielleicht auch ganz gern einen Orgasmus hätte, und wenn es bloß einmal im Monat ist. Ich habe Spaß am Sex und mache voll mit. Er sagt, es erregt ihn, wenn ich vor ihm masturbiere, aber er weiß nicht, daß ich seinetwegen viel masturbiere. Ich orgasme, wenn ich oben bin oder wenn er von hinten kommt. Das mag er aber nicht. Das Schlimmste am Sex mit ihm ist, daß er in sage und schreibe fünf Minuten fertig ist, und dann hat er schon einen guten Tag gehabt. Mein Liebhaber hat einen richtigen Touch, mein Mann hat immer ganz schnell einen »lahmen Arm«, und eine lahme Zunge hat er auch.
Ich habe vor meinem Mann masturbiert, und es hat ihn scharf gemacht, und erleichtert war er außerdem, weil er sich nicht selbst hat bemühen müssen. Ich nehme ihm seine Einstellung total übel. Mein Liebhaber ist echt aufregend, und ich denke an ihn, wenn ich masturbiere und sogar wenn ich mit meinem Mann zusammen bin.
Am einsamsten war ich, als mein Liebhaber geheiratet hat. Er hat es mir erst zwei Wochen danach gesagt und weiter eine sexuelle Beziehung mit mir gehabt. Ich habe mich so einsam gefühlt, weil ich es niemandem sagen konnte. Nur meiner besten Freundin, und die hatte es kommen sehen. Ich habe mich verraten gefühlt. Ich hatte das Gefühl, daß ich nicht nur meinen Liebhaber, sondern auch einen Freund verloren habe. Ich habe mich ausgenutzt gefühlt. Ich wollte sterben, aber ich bin nicht gestorben.
Mein Liebhaber behauptet, daß er seine Frau liebt, und trotzdem will er mich für alle Zeiten haben. Vielleicht hat er für mich ein spezielles Amüsierplätzchen außerhalb des Zusammenlebens mit seiner Frau reserviert? Ich habe kein Vertrauen zur Liebe mehr.
Wenn ich von meinem Liebhaber getrennt bin, denke ich mir manchmal, warum ist er nicht glücklich mit der Frau, die er erst vor einem Jahr geheiratet hat? Ich verstehe es nicht, aber ich kann auch nicht aufhören. Unsere Beziehung, das ist Sex und Aufregung und lange Telefongespräche. Wir halten uns gegenseitig am Leben, wenn alles andere um uns zusammenkracht.

Auf der High School hätte es mir sehr gut gefallen, wenn ich selbstsicherer gewesen wäre. Ich hatte so Angst vor den anderen Kindern. Ich war aus keiner »feinen« Familie, und deswegen habe ich mich allen unterlegen gefühlt. Ich habe gern geschrieben und gute Noten bekommen. Ich habe einen großen Druck empfunden, mich so anzuziehen wie die anderen Kinder. Wir haben für so was kein Geld ausgegeben. Weil wir auf dem Land wohnten, konnte ich nicht bei den Sportveranstaltungen mitmachen, denn wenn man den Bus verpaßt hat, gab es keine Fahrmöglichkeit mehr, und abholen konnte mich niemand.
Ich habe mich nicht dazugehörig gefühlt, und das war mit ein Grund dafür, daß ich schwanger geworden bin. Ein Baby, das ich lieben konnte und für das ich was Besonderes war. Ich glaube, Kinder sehen die Welt nicht so, wie sie wirklich ist. Sie meinen, es müßte für alles sofort eine Lösung geben. Aber ich habe allen gezeigt, daß ich für mich und mein Baby sorgen konnte. Das war eine Kraft, für die mein Vater Respekt vor mir hatte - mein Schwager, der alte Pessimist, hat mich sogar dafür bewundert.
Heute können meine Mutter und ich über alles reden. Sie ist so direkt mit ihren Gefühlen und so ehrlich. Wir teilen uns einander mit, ob das Gedichte oder Geschichten sind, Kummer oder Glück. Wir haben unsere Auseinandersetzungen gehabt, als ich in der Pubertät war, ich habe mich nicht rumkommandieren lassen. Aber als ich schwanger war, hat mich meine Mutter nicht im Stich gelassen, sie hat zu mir gehalten, wie es nur eine Frau kann. Ich habe total Respekt vor ihr, von Frau zu Frau. Sie hat immer gesagt, daß wir zu Hause willkommen sind, wenn unsere Ehen in die Brüche gehen, vielleicht weil sie einsam war ohne meinen Vater. Ich habe Respekt vor ihr, und ich verstehe sie.
Meine beste Freundin ist auch sehr ehrlich, und ich fühle mich bei ihr heimisch. Ich erzähle ihr von meinen intimsten Gefühlen und von allem, was ich tue. Ich vertraue ihr total. Sie würde nie was weitersagen, und wenn ich sie brauche, würde sie mir helfen. Sie ist ehrlich genug, um mir zu sagen, daß sie überhaupt nicht gut findet, was ich tue (Fremdgehen), und sie fürchtet für mein Leben, wenn mein Mann das rauskriegt. Sie sagt, ich soll mich scheiden lassen, wenn ich mit jemand anderem schlafen will. Sie sagt, sie könnte nicht mit meinem Mann leben. Sie haßt meinen Liebhaber, weil er mir weh tut. Sie sieht mich manchmal weinen und weiß, was ich mitmache. Wir treffen uns zweimal in der Woche in einem Restaurant. Mit ihr zusammen bin ich relaxed und glücklich. Sie ist geschieden und hat im Moment keinen Mann. Wenn sie keine Beziehung hat, kann sie eiskalt sein, was Meine beiden Beziehungen betrifft. Das ist ärgerlich.
Ich bewundere es, wie Frauen im Beruf und für ihre Zukunft die Initiative ergreifen. Ich sehe, wie sie zusammenhalten und sich am Arbeitsplatz keine sexistischen Bemerkungen gefallen lassen.
Die Männer haben nicht genug Respekt vor den Frauen. Sie behandeln uns, als wären wir nichts weiter als Ärsche, Titten, Mösen und Beine. Ich hasse es, wenn sie uns Puppe oder Mieze nennen, und ich hasse es, wenn sie uns alle in einen Topf werfen und sagen, wir wären dumm. Ich mag es, wenn sie uns die Tür aufhalten (die paar, die es noch tun), und ich mag gefühlvolle sensible Männer, die stark und sanft zugleich sind. Aber die meiste Zeit fühlt sich eine Frau in sexuellen Beziehungen abwechselnd geliebt, benutzt, gebraucht und mißbraucht.
Ich habe mir früher immer gewalttätige Männer und Chauvis ausgesucht, aber mein Liebhaber ist nicht so. Oder doch? Er hat gern eine Frau für den Sex und die Spannung und eine für zu Hause. Keine von meinen Beziehungen füllt jetzt den leeren Raum in mir aus. Ich glaube, es gibt niemanden, der das könnte. Der Platz ist zu lange leer gewesen.
Ich habe sehr hart arbeiten müssen, um mit den Problemen meiner Ehe fertig zu werden und die Beziehung am Laufen zu halten. Irgendwann habe ich es aufgegeben. Ich habe mich für andere Dinge interessiert und mich damit abgefunden, daß mich mein Mann verlassen wird, wenn ich 1) den Job wechsle und mich für einen »Männerberuf« entscheide, 2) scharfe Kleider trage, 3) mich mit Männern anfreunde.
Jetzt, mit einunddreißig, strebe ich eine bessere Ausbildung an, höhere Ziele. Ich bilde mich in allem, was in Sicht ist, und obwohl ich mir noch sicher bin, daß ich gut aussehe, macht es mich glücklich, wenn meine Lehrer Arbeiten loben, die ich geschrieben habe. Eine gute Note ist plötzlich so wichtig wie das Kompliment: »Sie könnten glatt einundzwanzig sein!«
Ich fühle mich niemandem »ausgeliefert«. Ich akzeptiere mich und bin auf den meisten Gebieten stolz auf mich. Ich bin nicht stolz darauf, daß ich mit einem Mann lebe, der mich so lange geschlagen hat, und daß ich mit einem verheirateten Bullen schlafe, der seine Frau liebt. Aber ich bin stolz darauf, daß ich damit umgehen kann.