5. Verabreden mit Männern: Spaß oder Russisch-Roulette?

Die quälende Frage am Anfang einer neuen
Beziehung: Soll man miteinander schlafen? Wird
man danach »fallengelassen«?

»Manchmal glaube ich, es wäre mir lieber, wenn sie mir die Kehle durchschneiden würden, statt mich nur zu einer weiteren Nummer auf ihrer Strichliste zu machen. Weil ich einem Mann so was nie antun würde, nicht einmal wenn ich ihn nicht mag, kann ich nicht einsehen, warum sie mir das antun. Ich wollte, sie wären so freundlich, mir vorher zu sagen, was sie von mir wollen oder erwarten. Dann hätte ich nämlich die Chance zu entscheiden, ob ich damit leben kann. Manchmal glaube ich, wenn ich wieder fallengelassen werde wie eine heiße Kartoffel, bin ich am Ende. Ich habe mir einige Male die Finger verbrannt, weil ich meine Gefühle wachsen ließ, und bin in was reingeraten in dem Glauben, daß ich dem Mann etwas bedeute. Aber dann mußte ich feststellen, daß er bloß sehen wollte, wie weit er gehen kann.«

94 Prozent der Frauen sagen, die Zeit, bevor sie wüßten, ob eine Beziehung wirklich eine Beziehung ist (und falls ja, was für eine) sei extrem schwierig, die Zeit, in der sie sich am meisten verletzlich fühlten.
»Ich kann nie sagen, wie ernst es den Männern mit einer Beziehung ist und ich kann nicht verhindern, daß ich mir dabei die Finger verbrenne. Sicher muß es nicht gleich eine Beziehung fürs Leben sein, aber ich finde, daß Sex zumindest irgendeine Art Bindung braucht. Die meisten Männer sind offenbar anderer Meinung. Ich habe keine Lust mehr zu raten, ob es eine richtige Beziehung wird, ob der Mann will oder nicht und ob er überhaupt was empfindet.«

Viele Frauen weisen darauf hin, daß die Vorstellungen über die »Bedeutung« des »Miteinander-ins-Bett-Gehens« erschreckend unterschiedlich sein können, wenn kein ausgesprochener Konsens über die »Grundauffassungen« zustande gekommen ist:
»So viele Regeln gibt es ja nicht - und darum fällt es schwer zu wissen, ob man den >rechten Weg< eingeschlagen hat, sich moralisch, >normal< usw. verhält.«
»Man muß sich jemanden suchen, der die gleichen Vorstellungen davon hat, wie eine Beziehung aussehen soll, ob man sich treu ist, wie oft man sich sieht, was man zusammen macht. Sonst ist es ein Chaos.«

56 Prozent der alleinlebenden Frauen beschweren sich darüber, daß viele Männer zu glauben scheinen, sie seien immer »verfügbar« oder »sexhungrig«; eine Frau kann zu einem Mann nicht einmal freundlich sein, ohne daß sie Gefahr läuft, »angemacht« zu werden:
Die Kerle denken immer noch, daß wir alle sie wollen. Sie sehen uns als Lustobjekte, obwohl wir arbeiten - sie kapieren nicht, daß wir als Menschen geschätzt werden wollen, genauso wie sie. Sie kapieren nicht, warum Pornographie und sexistische Witze weh tun sie denken, wir finden es widerwärtig, weil wir >sexualfeindlich< sind!«

Eine Frau prägt die Bezeichnung »Ex-und-hopp«-Männer:
»Viele Männer haben in ihren Beziehungen mit Frauen Schwierigkeiten mit der Kontinuität. Ex und hopp, ex und hopp. Das mögen sie. Sie haben Angst, Angst, Angst. Bloß keine Bindung!! Viele, die ich kannte, konnten sich nicht mal dazu überwinden, das Wort auszusprechen ich schwöre es.«

85 Prozent der Single-Frauen sagen, daß die meisten Männer Sex nach wie vor als Sport sehen oder eine »Die-nehtnen-wir-auch-noch-init«-Einstellung zu Frauen haben; »Männlichkeit« wird unverändert mit »Eroberungen« unter Beweis gestellt:
»Ich bin ausgesprochen ungern Single. Zuviel Männer wollen dich aufreißen und mögen dein Aussehen, aber nicht dich. Es ist öde. Nichts ist stabil.«
»Nach dem zweiten oder dritten Mal geht die Beziehung meistens in die Brüche. Der Kerl hat dann das typische Chauvi-Verhalten drauf und kommt zu dem Schluß, daß er keinen Respekt vor mir haben kann, weil ich >zu leicht ins Bett zu kriegen< war. Daß er leicht ins Bett zu kriegen war, ist okay, und daß er unfair Druck gemacht hat, um mich ins Bett zu kriegen, ist natürlich auch okay.«

Hat sich dieses Verhaltensmuster aufgrund von AIDS geändert? Den Antworten von 1987 zufolge nicht. Einige Männer beginnen allerdings, sich über den Preis von Kondomen zu beschweren.

War es von vornherein eine »Affäre für eine Nacht«,
oder hat er es sich hinterher anders überlegt?

80 Prozent der Single-Frauen sagen, sie hätten schon einmal Sex mit einem Mann gehabt und dann nie wieder von ihm gehört; siefühlen sich »billig« und benutzt und sind zornig:
»Diese >Eroberungen für eine Nacht< müßten doch eigentlich schon längst out sein. Es ist mir nur einmal passiert, vorigen Monat. Eine von meinen Freundinnen sagte: >Ach, nimm es nicht tragisch. Er hat es sich eben anders überlegt. Jeder kann es sich anders überlegen.< Aber der Knabe hat es sich nicht >anders überlegt<. Ich glaube, er war von Anfang an unehrlich, er wollte mich bloß ins Bett kriegen, mich >haben< - mehr wollte er nicht. Ich möchte wetten, es war nicht mal sexuelle Lust. Und wenn er es sich anders überlegt hat, hätte er nicht so ruppig zu sein brauchen. Es sollte wirklich so eine Art Knigge geben schick der Frau Blumen oder schreib ihr, du hättest deine langvermißte Exfreundin wiedergefunden. Aber laß nicht einfach nie wieder von dir hören.«

Frauen wollen in den meisten Fällen nicht Sex an sich, sondern sie wollen ein gutes Gefühl haben, wenn sie Sex haben - es soll ihrefreie Entscheidung sein, zu der sie niemand drängt; sie möchten es wirklich wollen - und daß sie der Mann danach nicht einfach fallenläßt:
»Wenn ich Sex mit einem Mann hatte und es eigentlich nicht wollte, sondern unter Druck gesetzt worden bin, fühle ich mich benutzt, dreckig, schuldig und bin sauer auf mich. Andererseits habe ich einige der glücklichsten Momente, die ich mit anderen Leuten hatte, im Bett erlebt. Ich habe mich oft sicher und geborgen gefühlt, natürlich und weit weg von den Pflichten des Lebens. Diese Leute habe ich nicht unbedingt geliebt, ich war auch nicht unbedingt verliebt in sie.«

Einigen Frauen ist es peinlich, jemandem zu erzählen, daß sie Sex mit einem Mann hatten, der nie wieder von sich hören ließ:
»Er war groß, faszinierend, unberechenbar, manipulativ, fast sadistisch und das nicht nur mir gegenüber. Ein Schmarotzer, ein Benutzer von anderen. Faul und klatschsüchtig. Nach einem kurzen Versuch habe ich ihn gemieden wie Gift, nie jemandem gesagt, daß ich mit ihm im Bett war, und jetzt bin ich nur noch wütend auf mich, daß ich so dumm war.«

»Die erfreuliche Geschichte von der Rache einer Frau ...«

Eine Frau Anfang Zwanzig erzählt »die erfreuliche Geschichte von der Rache einer Frau für den ekelhaften Einmal-und-nie-wieder-Fick« und nennt sie »einen großen Sieg für die weibliche Menschheit«:
»Vor zwei Monaten ungefähr ging ich zweimal mit Sam aus. Der Grund war in erster Linie, daß er mir immer wieder sagte, wie schön ich wäre, und da bin ich echt drauf reingefallen oh, du hast so schöne Beine, so schöne Augen ... Ich hätte es wissen müssen.
Jedenfalls ignorierte ich meinen natürlichen Instinkt und ging mit ihm aus. Am ersten Abend schlief ich nicht mit ihm, aber am zweiten tat ich's dummerweise, und er verschwand spurlos. Das war furchtbar, daß mir so was passiert ist. Ich hatte nicht damit gerechnet. Er hatte gesagt, mit dem Einmal-und-nie-wieder-Fick hätte er nichts am Hut, und so war ich echt verletzt und stand vor einem Rätsel.
Dann begegnete ich ihm eines Tages zufällig auf der Straße und lud ihn - total doof - zu einer Party ein, die ich gab. Ich sagte niemandem außer meiner besten Freundin, daß ich ihn eingeladen hatte, weil ich wußte, alle würden über mich herfallen und mich eine Masochistin schimpfen (ich hatte die Geschichte mehreren Leuten erzählt). Ich hoffte, daß er nicht kommen würde. Niemand sollte mitkriegen, daß ich schwach geworden war und ihn eingeladen hatte. Aber er kam. Ich ignorierte ihn. Dann standen wir in der Küche, und er versuchte, mich zu küssen. Ich sah ihn an und sagte: >Sam? Warum sollte ich dich küssen wollen? Letztesinal, als ich mit dir geschlafen habe, hast du mich nicht mal angerufen. Also warum sollte ich dich küssen wollen?< Und er sagte: >Du machst mir Schuldgefühle<
Nach der Party gingen wir mit ein paar Leuten in ein Café, und er tatschte mich immer wieder an und tat so, als wäre ich seine Freundin. Als wir gingen, fing er an, mich auf der Straße zu küssen. Ich war echt nicht interessiert, aber er sagte zu mir: >Möchtest du jetzt mit mir schlafen?< Der Kerl ist so was von penetrant - wenn du nein sagst, fragt er dich einfach wieder! Hundertmal, bis er dich weich gemacht hat - so war es jedenfalls beim letzten Mal. Und ich sagte: >Nein. Wie kommst du darauf? Du weißt, was los ist, ich hab's dir vorhin gesagt. Das ist doch völlig albern!< Er ignorierte es und sagte: >Willst du nicht mit zu mir kommen?< Ich sagte: >NEIN!< Dann sagte er: >Kann ich dich in deine Wohnung raufbringen?< Ich dachte mir: >Wenn er so ein Idiot sein will - bitte. Ich lasse mich von ihm nach oben bringen, und dann schmeiße ich ihn raus.< Ich fand, es wäre doch ein Riesenspaß, wenn ich mich an ihm rächen könnte. Ich hatte echt vor, die große Schwanzfopperin im Stil der fünfziger Jahre zu sein, ihn spitz zu machen, bis ihm die Eier weh taten, und ihn dann sitzenzulassen.

Ich ließ mich also von ihm nach oben bringen, und wir hatten ein Wischiwaschi-Gespräch, das immer langweiliger wurde. Ich gähnte. Dann brachte ich ihn zum Aufzug. Aber er stieg nicht ein. Er gab mir einen Gutenachtkuß und wurde immer wilder. Wir standen im Hausflur, vor der Aufzugtür, und er machte mein Kleid auf und fing an zu fummeln. Er sagte ein paarmal: >Mann, du bist ja abenteuerlich - ich kann's nicht glauben, daß wir's hier machen... < Schließlich ging er mir an die Unterwäsche, und ich dachte: >Na schön, vielleicht macht er ein anständiges Vorspiel, bis ich einen Orgasmus kriege, und dann kann ich ihn rausschmeißen!< Das mußte zu schaffen sein! Ich dachte mir: >Was soll's, ich hatte lange keinen Sex und kann das ruhig ausnutzen.< Aber gerade als es anfing, Spaß zu machen, sah ich nach unten, und plötzlich zog er seinen Reißverschluß auf, holte den Schwanz raus, nahm meine Hand und wollte, daß ich ihn anfaßte. Ich zog die Hand weg. Dann versuchte er, den Schwanz in mich reinzukriegen, ohne sich zu vergewissern, ob ich überhaupt naß war. Er hatte gerade so lange mit mir rumgespielt, bis ich naß genug war, daß er in mich rein konnte (dachte er), und dann versuchte er's eben - ätzend! Und dann sagte er: >Kann auch nichts passieren?~ (Ich hatte zwar meine Tage, aber trotzdem.)
Dann kriegte er ihn kaum rein, nur die Spitze, und ich sagte: >Hör auf, aber sofort!< Er machte einen Satz und fragte: >Warum??!< (Mein Kleid war ganz auf, seine Hose schlabberte ihm um die Füße rum, so standen wir da.) Ich sagte: >Sam, ich habe dir doch gesagt, daß es mich echt gestört hat, daß du mich letztesmal nicht angerufen hast, und es war mir, ehrlich gesagt, etwas schleierhaft, wieso du dir die Mühe gemacht hast - warst schön angezogen, bist mit mir zum Essen gegangen, hast mich rumkutschiert. Warum bist du nicht einfach zu Hause geblieben und hast dir einen runtergeholt? Ich meine, interessante Konversation machen und das alles ... < Er sagte: >Oh, es war keine Mühe, interessante Konversation zu machen ... < (!!!) Er sagte nicht: >Ich war gern mit dir zusammen, der Abend hat mir gefallen. < Er sagte: >Es war einfach, Konversation zu machen!< Und dann sagte er (das war echt stark): >Ich bin gern verliebt, ich wäre gern verliebt; meine erste Freundin und ich, wir haben uns in ein, zwei Wochen verliebt, und dann sind wir ein paar Jahre miteinander gegangen< - womit er mir wohl sagen wollte: >Ich bin noch nicht in dich verliebt, also kann ich mich auch nicht in dich verlieben - du fällst in eine andere Kategorie.<
Er versuchte zu beweisen, daß er ein lieber Mann war, indem er mir demonstrierte, daß er an die Liebe glaubte. Dann wiederholte er: >Ich mag keine Geschichten für eine Nacht. < Ich sagte: >Sam, als ich mit dir geschlafen habe, hast du das auch gesagt, daß du keine Geschichten für eine Nacht magst... Darum habe ich überhaupt mit dir geschlafen weil ich dachte, du wolltest eine Beziehung, aber du wolltest offenbar doch keine, also vergiß es! Ich bin für dich nur ein Körper, sonst liegt dir nichts an mir (muß auch nicht, denn du kennst mich ja nicht mal), aber tu wenigstens nicht so, als wäre es anders!< Das war es dann, und er war fassungslos. Als er ging, hatte er sich genug bekrabbelt, um noch ein paarmal zu murmeln: >Du bist echt abenteuerlich ...
Und so verabredeten wir uns für diesen Samstag zum Essen. Ich habe keine Ahnung, ob ich was von ihm hören werde.
P. S.: Jetzt ist nächste Woche, und ich habe nichts von ihm gehört.

Die neuesten Anmach-Sprüche ***70-10-1***

»Er sagte: >Was soll das denn heißen - du willst nach Hause, ohne mit mir zu schlafen? Du ziehst deine Komm-fick-mich-Pumps an und deine knallenge jeans und siehst mich den ganzen Abend mit deinem Super-Schlafzimmerblick an, und dann wartest du bis jetzt, um es dir anders zu überlegen?<«
»Hättest du gern etwas Zuwendung?«
»Es ist Gottes Wille.«
»Ich hab' dir ein Bier ausgegeben.«
»Wir sind schon so lange Freunde - wir wissen fast alles voneinander. Was für einen Unterschied würde das machen, außer daß es unsere Freundschaft vertieft?«
»Wenn wir miteinander schlafen, dann können wir den sexuellen Druck aus unserer Freundschaft raushalten.«
»Ich möchte dich bloß die ganze Nacht umarmen.«
»Meistens bin ich der erste Mensch, den ich am Morgen sehe - im Spiegel. Wie würdest du es finden, wenn ich sagen würde, daß ich das morgen gern anders hätte?«
»Kommst du mit mir nach oben und bringst mich ins Bett?«
»Ich hab' das noch nie gemacht, ich wußte gleich, daß du die Frau fürs Leben bist.«
»Mir tun die Eier so weh.«
»Ich will nur, daß du dich gut fühlst.«
»Ich will dir bloß zeigen, wie sehr ich dich liebe.«
»Wenn es morgen einen Atomkrieg gibt, stirbst du, ohne Sex mit mir gehabt zu haben.«
»Die Leute behaupten, du wärst lesbisch. Stimmt das?«
»Wenn du mich wirklich liebst, dann beweis es mir.«
»Du bist schön... ich würde gern Liebe mit dir machen. (Das sage ich ehrlich nur, wenn ich finde, daß es wahr ist.)«
»Das Leben ist kurz. Also amüsieren wir uns.«
»Ich könnte dir soviel beibringen ...«
»Hübsches Kleid. Kann ich dich da rausreden?«
»Nimmst du die Pille?«
»Deine Beine gefallen mir... über meinen Schultern würden sie mir noch besser gefallen.«
»Du weißt doch selbst, daß du willst.«
»Magst du eine Pizza mit mir essen und dann mit mir ficken?« (Sie ohrfeigt ihn.) »Was ist, magst du keine Pizza?« (In einer Cafeteria mitgehört.)
»Ich könnte dir ja sagen, daß ich dich wegen deiner Intelligenz mag, deiner witzigen Art und deiner Persönlichkeit. Aber ich bin ehrlich... laß uns ins Bett gehen.«
»Ich glaube, ich bin schwul. Aber du könntest mich umdrehen.«
»Möchtest du mit zu mir kommen auf einen Drink und einen Fick, oder trinkst du nicht?«
»Du willst nicht tanzen? Dann hat es wohl keinen Sinn, dich zu fragen, ob du mir einen bläst.«
»Wenn du mich lieben würdest, tätest du's.«
»Wie siehst du das - zwei Leute, die gute Freunde sind? Ich meine, glaubst du, sie können Sex haben, ohne daß sich das negativ auf ihre Freundschaft auswirkt?«
»Wenn du's nicht mit mir machst, sag« ich allen, daß du's mit mir gemacht hast.«
»Möchtest du tanzen?« »Nein.« »Möchtest du Sex haben?« »Nein.« »Ich auch nicht, also bringen wir's schnell hinter uns.«
»Du brauchst es.«
»So verliebt war ich noch nie. Du bist was ganz Besonderes, nicht so wie all die anderen.«
Das berühmte »Ich werde auch morgen nicht schlecht von dir denken!«
»Nun hab' dich nicht so... du bist doch genauso scharf wie ich.«
»Gehen wir wohin, wo wir unsere Ruhe haben.«
»Willst du meine Klickersammlung sehen?«
»Du, ich trage keine Unterwäsche.«
»Ich glaube, ich bin verliebt - aber du tust's auch für heute nacht.«
»Mein Kommilitone ist übers Wochenende weg. Wenn du mir Gesellschaft leistest, kann ich die Betten zusammenrücken.«
»Ich leide seit einem Monat unter sexuellem Notstand - kannst du mir helfen?«

»Niemand hält sich lange mit Verabredungen auf, sie schlafen gleich zusammen« ( ... immer noch, trotz AIDS?)

85 Prozent der Single-Frauen zufolge erwarten die meisten Männer Sex bei der ersten Verabredung. 76 Prozent der Frauen sagen, daß sie dann meistens auch Sex haben - obwohl 65 Prozent meinen, sie würden oft lieber warten, selbst wenn sie erregt sind und physisch Sex haben wollen. Doch die meisten haben das Gefühl, daß sie nicht viel Wahlfreiheit haben: Wenn eine Frau nicht »mitmacht«, bezichtigt der Mann sie häufig, »Spielchen mit ihm zu treiben«. Wenn sie dagegen Sex mit ihm hat, meint er vielleicht, daß sie »leicht ins Bett zu kriegen« ist - und damit nicht die Frau, der er »vertrauen<, in die er sich verlieben und die er ernst nehmen kann. Also kann sie so und so nicht gewinnen.
Die meisten Männer im zweiten Hite Report sagen, daß sie Affären für eine Nacht nicht mögen, doch das heißt offenbar nicht, daß sie keine haben. Die meisten denken zwar, sie seien nicht »die Art Mann«, finden aber auch, daß sie das Recht haben (bzw. unter sozialem Druck stehen), »die Frau auszuprobieren«, zu sehen, wie weit sie gehen können - herauszufinden, ob die Frau für eine Nacht gut ist. Wie es eine Frau formuliert: »Es ist nicht ihre Schuld, wenn sich herausstellt, daß wir es für eine Nacht mitgemacht haben!«

41 Prozent der Frauen, die in den letzten zehn Jahren geheiratet haben, sagen, es sei mit das Schlimmste am Singlesein, daß man ständig auf der Hut davor sein müsse, »reingelegt« zu werden; die meisten freuen sich, nicht mehr die »dummen Spiele« mitmachen zu müssen, die sie so oft erlebt haben, als sie noch nicht verheiratet waren:
»Ich bin seit einem halben Jahr verheiratet, und es gefällt mir. Ich muß mir keine Gedanken mehr wegen der dummen Spiele machen, die zwischen alleinstehenden Männern und Frauen laufen, und das ist ein Genuß. Ich bin die Ängste losgeworden, die aus diesen Spielen resultieren, und das hat dazu beigetragen, daß ich viel ruhiger geworden bin. Das Beste an der Ehe sind die Momente der innigen Empfindung für die andere Person. Man kann diese Gefühle genießen und sie sich erlauben, weil man weiß, daß er am nächsten Morgen nicht über alle Berge sein wird.«

»Empfängnisverhütung? Kondome? Er hat nicht mal gefragt!«

91 Prozent der alleinlebenden Frauen sagen, daß sich Männer vor dem Geschlechtsverkehr selten nach empfängnisverhütenden Maßnahmen erkundigen (1987 boten allerdings 15 Prozent an, ein Kondom zu verwenden); bei späterer Befragung sagen Männer, sie hätten angenommen, daß die Frau »geschützt« war lind sie, wenn sie AIDS gehabt hätte, darüber informiert hätte: ***71-10-2***
»In meiner Heimatstadt gibt es einen Mann, der sich für enorm männlich und cool hält. Er hat ein fünfzehnjähriges Mädchen geschwängert und sie sitzenlassen. Sie bekam das Kind, und er hat es nicht einmal angesehen.«
Obwohl sich AIDS immer mehr ausbreitet, sagen die meisten Männer, wenn sie auf »Sex« zusteuern, nicht klar, daß sie ein Kondom haben und es benutzen wollen. Noch weniger Männer vergegenwärtigen sich, daß sie bei Fellatio ein Kondom verwenden sollten und drängen Frauen häufig zu Fellatio vor dem Geschlechtsverkehr bzw. »Kannst du's mir nicht mit dem Mund machen, wenn kein Geschlechtsverkehr drin ist?«
Laut 87 Prozent der Mädchen im Alter von neunzehn Jahren und darunter benutzen die meisten jungen im Teenageralter keine Kondome - selbst jetzt nicht, angesichts der erhöhten AIDS-Gefahr. ***71-10-3*** Wenn ein Mädchen im Teenageralter empfängnisverhütende Maßnahmen trifft, denkt der Junge vielleicht, daß sie damit gerechnet hat, Sex zu haben, daß sie es »immer macht« und »schon erfahren« ist. Und so betrachtet er sie womöglich als »leicht ins Bett zu kriegen« oder gar als »Hure«, weil sie sich auf alle Eventualitäten vorbereitet hat. Das ist besonders dann der Fall, wenn sie ihm ein Kondom gibt oder ein Pessar verwendet, was sie noch »erfahrener« scheinen läßt. Und darum ist es, wenn sie ihren Körper von Chemie freihalten will, wahrscheinlich, daß sie überhaupt keine empfängnisverhütenden Maßnahmen trifft. Wenn ein Mädchen versucht, die Pille oder ein Pessar zu bekommen, erfahren außerdem in manchen ländlichen Gegenden die Eltern davon, weil sie noch den Hausarzt der Familie konsultiert.
Wenn eine alleinstehende Frau schwanger wird und sich zur Abtreibung entschließt, wird sie das höchstwahrscheinlich allein entscheiden. Wenn sie abtreibt, kann es sein, daß die Leute mit Fingern auf sie zeigen und sie »Mörderin« nennen, weil sie »ihr Kind getötet« hat, während dem jungen Mann niemand Vorhaltungen macht, der definitiv einen Orgasmus hatte, auch wenn sie keinen hatte. Wenn sie sich andererseits dafür entscheidet, das Kind zu behalten, wird ihr oft gesagt, sie »manipuliere« den jungen Mann oder sie schöpfe ihr Potential als moderne Frau, die doch an ihre Karriere denken sollte, nicht aus! Sie kann nicht gewinnen. Immer ist sie schuld, immer ist sie verantwortlich, nicht der Mann.

»Ledige Väter«

Das Problem der Teenagerschwangerschaften wird fast nie adäquat behandelt, nie an der Wurzel gepackt. Mit anderen Worten, die Vorstellung, die man jungen lehrt, die Vorstellung, daß sie »zum Mann« werden, wenn sie zum erstenmal Geschlechtsverkehr haben, wird weder reflektiert noch in Frage gestellt. Um die Zahl der Teenagerschwangerschaften zu reduzieren, ist jedoch ein Wandel im Hinblick darauf nötig, was die Kultur den jungen als »männliche Sexualität« vermittelt. Warum können Jungen nicht auch Gefallen an Zärtlichkeit und oralem Sex finden?
Obwohl Mädchen oft ein Vorwurf daraus gemacht wird, wenn sie schwanger werden (»Sie hätte Empfängnisverhütung betreiben sollen«), oder es wird auf »ihre« Situation »zurückgeführt« (»Sie wollte geliebt werden«, »Sie ist in ungünstigen Verhältnissen aufgewachsen und sehnte sich nach einer Familie«), stößt man selten auf Bücher und Fernsehsendungen über »ledige Väter« und die Charakterschwäche, die darin zum Ausdruck kommt, daß sie ein Kind gezeugt haben und dann einfach gegangen sind, oder daß sie es versäumt haben, empfängnisverhütende Maßnahmen zu treffen.
Wenn Männern/Jungen nicht beigebracht würde, Sex sei identisch mit »Penetration/Geschlechtsverkehr« und alles andere sei »Kinderkram« und »zweite Wahl«; wenn Jungen nicht beigebracht würde, sie würden als Männer nicht »anders können« als Geschlechtsverkehr zu wollen und zu brauchen, dies sei ein »hormoneller Zwang« und bedeute, daß sie »richtige« Männer seien; wenn Jungen nicht beigebracht würde, für Empfängnisverhütung sei die Frau verantwortlich
(»Wenn sie schwanger wird, ist es ihre eigene Schuld« - »Sie hat mich reingelegt«); wenn Mädchen nicht beigebracht würde, immer liebevoll zu sein, zu geben, nicht anderer Meinung zu sein als Männer und sie, die »schlauer« und »mehr wert« seien, nicht herauszufordern gäbe es dann so viele Schwangerschaften, für die der Vater nicht verantwortlich sein will, sei es finanziell ***71-10-4*** oder emotional und moralisch, indem er, wenn schon nicht mit der Mutter, wenigstens eine Beziehung mit dem Kind unterhält?

Die doppelte Moral besteht weiter

Die meisten Frauen unter fünfundzwanzig sagen, daß Mäntier/Jungen immer noch auf Frauen, die sexuell »zu erfahren« sind, herabsehen oder sie fallenlassen:
»Als ich meine Jungfräulichkeit verlor, war er verdattert. Er sagte, er hätte gedacht, eine Frau, die so leidenschaftlich ist, müsse erfahren sein. Er glaubte, bei einer Jungfrau sei Leidenschaft nichts Natürliches. Ich wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, daß mir meine >Leidenschaftlichkeit< vorgehalten werden könnte.«

Haben Männer ein Anrecht auf Gelegenheitssex?  ***71-10-5***
Was gibt ihnen dieses Recht?

»Ich bin zweiundzwanzig, habe ein Kind und habe mich vor kurzem von meinem Partner getrennt. Ich habe mir vorgenommen, weiterzustudieren und einen Abschluß in Mathematik zu machen. Ich bin mir meiner Sexualität sehr sicher und habe keine Schuldgefühle wegen Sex. Ich kann großzügig geben, mag und verlange aber auch Befriedigung. Nur schüchtere ich die Männer anscheinend mit meinen Fähigkeiten ein. Ich bin die Frau, die Phantasien befriedigt, aber nicht mit nach Hause zu Mama genommen wird. Seit meiner Teenagerzeit, in der ich mit Sex experimentiert habe, ist das Madonnen-Huren-Stereotyp der Männer mein größtes Problem. Ich genieße den Sex und habe Freude daran, einem Mann sexuelle Befriedigung zu geben, aber ich fühle mich hin und her gerissen zwischen dem, was ich bin, und dem, was jeder von mir erwartet.«

Viele Frauen leiden unter der Einstellung der Männer

Eine Frau empfindet, nachdem sie es mit verschiedenen Beziehungen versucht hat, großen Schmerz und fragt sich im Alter von vierunddreißig Jahren, was das alles soll:
»Mein Sexualleben ist ein Witz. Den Männern, die sich für mich interessieren, scheint es nur um etwas Beiläufiges oder um Geschichten für eine Nacht zu gehen. Und danach fühle ich mich schlechter, als wenn ich überhaupt keinen Sex gehabt hätte. Die Redensart >Ich komme mir so billig vor hört sich albern an, aber genauso komme ich mir vor. Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich eine richtige, stabile Beziehung brauche, auch wenn es keine Ehe ist. Ich kann nicht mehr befristet lieben. Vielleicht sende ich die falschen >Signale< aus, aber ich habe bis jetzt noch nicht herausgefunden, was die richtigen >Signale< sind.
Wenn die Männer mir nicht sagen, daß es nichts Ernsthaftes ist, und ich mich dann verliebe, regen sie sich furchtbar auf und gehen. Das ist mir zwei- oder dreimal passiert. Wenn sie mir von Anfang an gesagt hätten, was sie vorhatten, hätte ich sie natürlich nicht so weit gehen lassen, wie sie gegangen sind, und dann hätte ich mich nicht so benutzt gefühlt.
Warum wollen sie nicht zur Ruhe kommen? Von meinen bisherigen Liebhabern hatten die in den Vierzigern entweder >alle Kinder, die sie wollten<, oder sie schreckten vor dem bloßen Gedanken an Kinder zurück. Die jung waren, wollten >noch< keine Kinder, sie waren noch nicht soweit (in fünfzehn Jahren vielleicht, dachten einige!). Es muß doch irgendwo ein paar Vatertypen geben, aber ich habe bis jetzt noch keinen gefunden. Ich fühle mich als Frau betrogen, aber ich bin wirklich nicht dafür, schwanger zu werden ohne einen Mann, der das Kind auch will.
Vielleicht weiß ich nicht, wie man es anstellt, daß eine Beziehung funktioniert, oder vielleicht ist mein Problem, daß ich zu liebevoll bin. Erdrücke ich die Menschen, die ich liebe? je mehr ich jemanden liebe, desto schneller scheint er zu fliehen! Ich halte mich in letzter Zeit sehr damit zurück, Männern meine Liebe zu zeigen. Ich versuche, mich selbst zu erkennen, um ein Stadium zu erreichen, in dem ich einen Mann lieben kann, ohne ihn mit meiner Liebe zu erdrücken, einen Zustand, in dem er sich behaglich und ich mich sicher fühlen kann.«

Das Spiel heißt: »Wieviel Demütigungen läßt sie sich gefallen
und macht trotzdem Sex mit mir?«

Die meisten Frauen sagen, daß Männer vor dem Sex im allgemeinen liebevoll und zärtlich sind. Woher soll eine Frau wissen (falls sie Sex nur dann haben will, wenn es nicht nur eine Affäre für eine oder zwei Nächte ist), ob er wirkliche Emotionen empfindet oder ob ihm nur der Sinn nach Sex steht? Das kann sehr verwirrend sein und Frauen (besonders junge Mädchen mit wenig Zuwendung von der Familie, die sehr liebes- und aufmerksamkeitsbedürftig sind) in eine Sackgasse nach der anderen führen, bis sie sich emotional zerstört fühlen. Vor allem das erste Jahr im College oder fort von zu Hause ist oft mit großer Einsamkeit verbunden; demütigende oder schäbige Behandlung von seiten eines Mannes kann die Isoliertheit einer jungen Frau gefährlich steigern.

Seit der »sexuellen Revolution« und der weitverbreiteten Akzeptierung des Konzepts, daß »Frauen jetzt Sex ohne Ehe haben können«, befinden sich Frauen in einer schwierigen Lage. Wenn eine Frau einen Mann mag, hat sie häufig das Gefühl, daß sie Sex haben muß, um zu sehen, ob sich daraus eine Beziehung entwickelt. Wie es eine Frau formuliert: »Am Anfang kannst du einfach nicht sagen, ob er dich mag oder ob ihm nur die Vorstellung gefällt, mit dir Sex zu haben. Also mußt du, um eine Beziehung zu kriegen, es darauf ankommen lassen und mit ihm schlafen.« Doch den Single-Frauen in dieser Untersuchung zufolge ist nur eine von fünf Begegnungen liebevoll oder zumindest respektvoll. Die Frau, die wir gerade gehört haben, schließt mit den Worten: »Wenn er später eklig ist, hast du ein entsetzliches Gefühl, kommst dir ausgenommen vor, in den Dreck gezerrt - aber welche Wahl hast du schon, als dich diesen Situationen auszusetzen und es weiter zu versuchen?«
Haben Männer das Recht, auf Affären für eine Nacht zu bestehen, auf Gelegenheitssex, ohne zu wissen, ob sie ein anderes Interesse an der Frau haben? Was gibt ihnen dieses Recht? Die »Natur«? Die Gesellschaft? Jungen und Männer stehen zwar unter enormem sozialem Druck, Sex zu haben und damit ihre »Männlichkeit« zu beweisen, und Sex ist das wichtigste »Instrument«, das Männern von der »männlichen« Ideologie in die Hand gegeben wird, um ihre Herrschaft über Frauen konkret zu erfahren - aber sollten nicht mehr Männer beginnen, das-in Frage zu stellen, sich zu überlegen, was »Sex« für sie persönlich bedeutet, und selbständig zu denken?
92 Prozent der alleinlebenden Frauen bringen Empörung über diesen ständigen Druck von seiten der Männer zum Ausdruck: ***71-10-6***
»Der Druck, Sex haben zu müssen, ist für Frauen ein ungeheures Problem seit der verlogenen >sexuellen Befreiung< der sechziger Jahre, die uns die >Freiheit< gebracht hat, das zu tun, was die Männer von uns verlangen. Sie waren alle so dreist anzunehmen, daß wir es jetzt, wo uns keine moralischen Zwänge mehr daran hinderten, Sex zu haben, mit ihnen >machen< wollten, wann immer sie es wünschten, und durch AIDS hat sich an dieser Einstellung nicht das geringste geändert. Als Teenager >machte< ich es, um >in< zu sein, um zu provozieren, um erwachsen zu sein, und redete mir ein, daß ich >affengeil< war - dabei sehnte ich mich nur nach Liebe und Akzeptiertwerden. Bei Dauerbeziehungen tat ich"s auch, um eine liebevolle, erotische Freundin zu sein, um ihm das Gefühl zu geben, er sei großartig so daß er mich liebte und bei mir blieb.«
»Als er gesagt hat, jetzt will er, habe ich mir die Pille besorgt und mit ihm geschlafen, obwohl ich lieber noch gewartet hätte und mir meiner Gefühle für ihn sicherer gewesen wäre. Aber für die heutigen Verhältnisse war er so ausgesprochen nobel - er ist einen ganzen Monat mit mir gegangen, bevor er mich um Sex gebeten hat - wie hätte ich mich da weigern können? Ich habe ihn nicht verlieren wollen.«

Wann wird aus Druck Vergewaltigung?

Vergewaltigung im Zusammenhang mit Verabredungen ist extrem häufig, wird jedoch bis jetzt von der Gesellschaft kaum wahrgenommen:
»Ich habe mich oft zum Sex beschwatzen lassen. Ein paarmal habe ich es nur gemacht, damit der Kerl mich in Ruhe ließ.«
»Einen Mann fand ich echt aufregend. Ich verabredete mich mit ihm und dachte, wir würden uns zusammensetzen, was trinken und miteinander reden, vielleicht auch einen Spaziergang machen. Wie sich dann herausstellte, erwartete er, daß ich zu ihm kam. Ich war zwar etwas mißtrauisch, wollte ihn aber nicht >vorverurteilen<, glaubte nicht, er würde versuchen, das so schnell auf die Spitze zu treiben. In seiner Wohnung kam dann eins zum anderen - genau wie bei allen - und ich war bitter enttäuscht. Er setzte mich auf die Couch, gab mir einen Drink, zog mir die Schuhe aus, gab mir ein Kissen, legte sich neben mich, hielt meine Hand, drückte sich an mich. Ich hätte bei jeder Etappe aufstehen können, aber es ist wie eine Lähmung - sie werfen dir ja immer vor, daß du eine Szene wegen >nichts< machst, wenn du bei einer dieser kleinen Etappen aufstehst, und wenn du bei einer der großen Etappen aufstehst, behaupten sie, du hättest sie bloß scharfmachen wollen. Warum bist du so weit gegangen? Und jetzt willst du sie einfach verlassen ... ? jedenfalls ließ ich mich auf die alte College-Routine ein und lag einfach da und konnte es nicht fassen, sein Raus und Rein. Ich wünschte mir nur, es wäre vorbei, damit ich endlich gehen konnte, aber ich schaffte es nicht, ihm das zu sagen.«

Und »richtige« Vergewaltigungen, deren Häufigkeit nach wie vor zunimmt, sind für Frauen eine fortgesetzte Erinnerung daran, die Aggression von Männern auf sich zu ziehen:
»Ich glaube, es wird mein Leben lang ein Trauma bleiben, daß ich als neunzehnjährige Jungfrau vergewaltigt worden bin. Es dauerte viele Jahre, bis ich darüber hinwegkam. Als ich den größten Schock überstanden hatte, wurde mir klar, daß ich jetzt nicht mehr sagen konnte, ich sei Jungfrau, daß ich diese Möglichkeit, nein zu sagen zu all den Fieslingen, die mit mir schlafen wollten, nicht mehr hatte. Und das war vielleicht die schlimmste Folge der Vergewaltigung. Schlimm war auch die Desillusionierung. Ich war neunzehn, und er war eine vertraute Gestalt auf dem Campus und in den Vierzigern, jemand, von dem ich wußte, daß er väterliche Gefühle für mich empfand, und die konnten doch nicht sexuell sein, weil er viel älter war als ich. Nachdem das passiert war, hatte ich eine sehr begründete Paranoia vor Männern, brachte mich aber immer wieder in Situationen, wo es der einzige Ausweg war, okay zu sagen und den Kerl danach nie wiederzusehen.«

»Als ich vergewaltigt wurde, dachte ich mittendrin: >Das ist wie eine Phantasie.< Das brachte mich durcheinander, denn es war wie eine Phantasie, und ich kam. Aber ich empfand dabei nur Angst und Ekel vor diesem widerlichen Typ. Es war so furchtbar, und trotzdem hatte ich irgendwo das Gefühl, daß ich es provoziert hatte. Wie die Männer immer sagen - du hast es gewollt - und es hat dir gefallen. Doch obwohl ich einen Orgasmus hatte, hat es mir nicht gefallen, und ich habe es nicht gewollt.«

Eine Frau bringt ihren berechtigten Zorn zum Ausdruck bei der Antwort auf die Frage »Wie würden Sie Weiblichkeit definieren?«:

»Als ich heranwuchs und erwachsen wurde, hieß weiblich sein, sich als Loch zu fühlen und als Loch definiert zu werden. Ich liebte meine Vagina, meine Klitoris, aber ich haßte das, was sie für Männer bedeuteten. Ich haßte das, was - zumindest in den Augen der Männer - ihre Überlegenheit signalisierte. Eroberung. Oder Ablehnung einer minderen Fotzen-Güteklasse, nicht hübsch genug, nicht knackig genug, nicht weiblich genug. Rigorose Maßstäbe. (Ich realisierte damals nicht, daß sie so ziemlich durch die gleiche Hölle gingen mit ihren Männlichkeitsmaßstäben, aber wenn sie vor denen bestanden, würden sie allen Frauen überlegen sein, und darum hielt sich mein Mitgefühl in Grenzen.) Liebe, Liebe, Liebe, die Kunst, Männer zu lieben, als großer Bottich der Liebe für das Pfauenräder schlagende Männchen gesehen werden. Nicht geachtet werden. Verspottet werden für genau das, wofür sie einen bestrafen, wenn man es nicht hat - Eitelkeit, Brüste, Po, hohe Absätze. Die ständige Unterminierung der Würde. Das sind meine Erfahrungen mit Weiblichkeit.«

»Bedeutet« es etwas, Geschlechtsverkehr mit einem Mann zu haben?
Was können Frauen »erwarten«,
wenn sie »Sex« haben?

Ob und wann sie Sex mit einem Mann haben sollen, ist für Frauen aller Altersstufen eine Frage, die mit enormer Angst und enormen Zweifeln verbunden ist. Da die »sexuelle Revolution« die »Spielregeln« für Beziehungen unter Unverheirateten abgeschafft hat (erst »geht« man miteinander, dann hat man einen »festen Freund«, dann verlobt man sich, wobei in jeder Phase ein gewisses Maß an körperlicher Intimität akzeptabel ist), ist es ein Ratespiel geworden, was Frauen wann tun sollen. Und was dieses Ratespiel mehr zum Russisch-Roulette gemacht hat als zur normalen Interaktion (mit den üblichen Mißverständnissen), ist die nach wie vor unvermindert herrschende (aber geleugnete) doppelte Moral: Die meisten Männer fordern Frauen zwar ständig dazu auf, Sex mit ihnen zu haben, respektieren diese Frauen aber häufig nicht, nachdem sie Sex mit ihnen hatten, es sei denn, die Frau ist ziemlich lange »standhaft geblieben«. Vom Gehabe eines Mannes vor dem Sex darauf zu schließen, wie ehrlich es ein anderer meint, ist fast unmöglich.

Dieser Teil des Buches war in gewisser Hinsicht der schwierigste (das gilt für die Forschungsarbeit wie fürs Schreiben), weil wir es hier mit einem Gebiet zu tun haben, in dem die Dinge sehr in Fluß sind. In den letzten zwanzig Jahren haben wir stark gegenläufige Strömungen erlebt: die »sexuelle Revolution«, die Frauenbewegung und die »Rückbesinnung auf traditionelle Werte«. Besonders junge Mädchen und Frauen am College haben inmitten dieser Kontroversen gestanden und die fast unglaubliche Verwirrung aushalten müssen, die daraus erwachsen ist. Auf Mädchen an der High School und sogar in der Grundschule wird immer noch - von jungen und anderen Mädchen außergewöhnlich großer Druck ausgeübt, »sexy« zu sein, und wenn sie es sind, geraten sie nach wie vor in »Verruf«. Frauen müssen heute die extremsten Veränderungen durchleben; einige wachsen mit dem strikten Moralkodex ihrer Eltern auf (»ein anständiges Mädchen tut das nicht«), wenn sie im Teenageralter oder in den Zwanzigern sind, wird ihnen plötzlich an der Schule oder am College gesagt: »Das machen doch alle. Was ist denn mit dir los?« Und schließlich entdecken sie voller Bestürzung, daß sie den Respekt eines Mannes, den sie innig lieben, verlieren können, wenn sie Sex mit ihm haben (und vielleicht verlieren sie auch ihren Respekt vor ihm, wenn ihnen seine Einstellung klar geworden ist).

»Als wir zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, sagte er:
>Wir wollen da nichts Ernstes draus werden lassen.<«

Die unausgesprochene »Spielregel« lautet: »Einmal miteinander geschlafen zu haben, bedeutet gar nichts. Es heißt nicht, daß man sich wiedersieht oder versucht, eine Beziehung zu haben - geschweige denn, einander zu lieben.« »Frauen sollen Männer nicht anbinden; Männer müssen frei sein« - das ist das unbestrittene Motto der Single-Welt geworden. Darum besteht das höfliche, »richtige« Verhalten nach dem Sex darin, nicht zu sagen, daß man den Mann »für sich« will. Die Frau soll sich auch nicht »zuviel Gedanken darüber machen«, ob sie ihn wiedersieht. Sie soll jedoch zu verstehen geben, daß sie offen und interessiert ist (wenn auch nicht »übermäßig«); soll irgendwie durchblicken lassen, daß beide noch »frei« sind; soll sich »ganz locker« verhalten, aber »herzlich« und nicht »bedrohlich«. Etwa: »Es war schön, aber ich habe keine >Erwartungen<.«
Und wenn eine Frau all das schafft (seine Gefühle und Reaktionen mehr zu berücksichtigen als ihre, es sich nicht erlauben zu können, die Situation und das Verhalten auf eine Weise zu definieren, die ihren Gefühlen entspricht), wird sie womöglich damit belohnt, daß sie nicht einen Freund oder Liebhaber gewonnen hat, sondern sich Vorwürfen und einer herablassenden Haltung ausgesetzt sieht, die impliziert, daß sie keine seriöse Person ist, »zu oberflächlich« ist, »es wahrscheinlich mit jedem macht« usw.

Und so erfordert die Entscheidung, ob man Sex haben soll, von seiten der Frau viel Energie und Überlegung und veranlaßt sie zu wesentlich intensiverem Nachdenken über die »Bedeutung« von Beziehungen als Männer. Frauen haben außerdem immer noch auf ihren
»guten Ruf« zu achten, so unglaublich das auch klingen mag nach der Phrasendrescherei der »sexuellen Revolution«. Ja, die doppelte Moral blüht und gedeiht nach wie vor - und schlimm daran ist, daß die meisten jüngeren Männer noch nicht gelernt haten, sie in Frage zu stellen.
Einige College-Studenten halten sich an die »Dreimal-Regel« (so wird das an manchen Colleges genannt): Wenn ein Mann bei der dritten Verabredung noch nicht »landen« konnte, hat er keine Punkte gesammelt und sollte gehen. Andererseits sagen viele Frauen an diesen
Colleges, daß der Mann auch dann geht, wenn sie beim drittenmal  miteinander geschlafen haben - denn jetzt hat er seine Punkte gesammelt, und warum sollte er da noch bleiben? Dies ist eine Art kulturell bedingter Kampf der Geschlechter: Er wird gelehrt, Punkte zu sammeln, indem er »es macht«, während sie nicht »gehabt« werden will, sondern Gemeinsamkeit mit jemandem möchte, Nähe und/oder Sex und so läßt sie sich voller Bangigkeit zum Sex mit ihm ein, nicht wissend, ob sie danach fallengelassen wird.
Die unausgesprochene Prämisse lautet: »Wenn wir Sex haben, bedeutet das gar nichts, und es sollte dich nicht dazu verleiten, etwas zu >erwarten<. Es kann also sein, daß ich wieder von mir hören lasse, es muß aber nicht sein. Doch darüber wollen wir uns jetzt keine Gedanken machen. Sehen wir mal, wie sich die Dinge entwickeln - falls sie sich entwickeln. Und wenn du das nicht akzeptieren kannst, stimmt irgendwas nicht mit dir.« Ist das nicht die schiere, aufs Schlafzimmer angewandte Marktpsychologie?

2500 College-Studenten haben darüber abgestimmt, ob die
doppelte Moral beibehalten werden soll.
Zwischen 1983 und 1987 stellte die Verfasserin über 2500 Col-
lege-Studenten folgende Fragen und erhielt folgende Antworten:
1. Glauben Sie, daß die doppelte Moral fair ist? Nein, entschie-
den 92 Prozent der Männer.
2.  Wenn Sie einer Frau begegnen, die Sie mögen und mit der
Sie sich gern verabreden würden, aber dann herausfinden, daß
sie im vergangenen Jahr mit zehn bis zwanzig Männern Sex
hatte, würden Sie sie dann immer noch mögen und ernst nehmen?
Die meisten Männer hatten ziemliche Zweifel daran, ob sie diese
Frau noch ernst nehmen konnten; nur 35 Prozent konnten es.
3. Wenn einer Ihrer besten Freunde innerhalb eines Jahres Sex
mit zehn bis zwanzig Frauen hätte, würden Sie dann aufhören,
ihn ernst zu nehmen und es als Charakterfehler betrachten?
Durchaus nicht, so 95 Prozent der Männer.
4. Ist das nicht doppelte Moral? Was sollte getan werden, um
das auszugleichen? Glauben Sie, daß
(a) Männer aufhören sollten, so »promiskuös« zu sein, oder daß
b) Frauen soviel Sex haben könnten wie Männer, ohne negatives Feedback?
Die meisten Männer hielten das für eine sehr schwierige Frage, konnten die Logik
dahinter jedoch sehen; die Mehrheit, fast zwei Drittel, stimmte für (b),
zog es also vor, Frauen das »Recht« zur Veränderung ihrer eigenen Auffassung
vom Sex zu geben. Viele Männer sagten auch, daß die Frau, die sie heiraten würden,
wahrscheinlich keine von denen wäre, die sich dafür entschieden hätten, mit so
vielen Männern Sex zu haben!

»Wenn man zusammen schläft, verlagern sich
die Machtverhältnisse. Am Abend danach treffen sich nicht
mehr zwei Gleiche zum Essen.«

Ironischerweise kann sich, wenn man Sex hat, der emotionale Abstand zwischen Mann und Frau vergrößern - Angst und Mißtrauen eskalieren um die Zeit des »ersten Mals«. Wie wir gesehen haben, sind Frauen oft in einer Position, in der sie nicht gewinnen können: Die schlichte Tatsache, daß die Frau Sex mit einem Mann hat, kann bedeuten, daß er ihr, zumindest eine Weile, weniger vertraut (sie weniger respektiert?), weil er das Gefühl hat »Vielleicht macht sie's mit jedem, und darum kann ich ihr nicht vertrauen.« Und so sind sich die beiden traurigerweise ferner statt näher, erhöht der Sex sogar die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich nicht mehr sehen.
Selbst wenn eine Frau mit einem Mann schläft und ihm sagt, daß sie ihn liebt, überzeugt ihn das oft nicht - oder es verwirrt ihn. Ihm ist unterschwellig oder direkt beigebracht worden, daß »sexuelle« Frauen irgendwie bedenklich sind, und darum reicht es auch nicht (obwohl er wahrscheinlich begierig darauf war, mit ihr Sex zu haben), daß sie Sex mit ihm hat und ihm so ihre Zuneigung zeigt. Er vertraut ihr deswegen noch nicht, glaubt noch nicht an sie. Um einem Mann zu »beweisen«, daß sie ihn liebt, ist etwas anderes nötig - oft eine Art Selbstaufopferung. Daß Frauen sich und ihre Liebe überhaupt »beweisen« müssen, ist ein Zeichen von psychologischer Diskriminierung.
Eine Frau kann einen Mann bei der ersten Verabredung nicht fragen, welche Ziele er verfolgt - oder doch? Wieviel von dem, was vor sich geht - sexuelle Aggressivität von Männern zum Beispiel, sexuelle Provokationen, keine Klarstellungen vorab - sollen Frauen sich bieten lassen? Müssen sie mit der (immer noch grassierenden) PlayboyMentalität und der doppelten Moral einverstanden sein? Müssen sie die »männlichen« Spielregeln im Hinblick darauf, wann Sex stattfindet und woraus er besteht, akzeptieren?

92 Prozent der Frauen in dieser Untersuchung sind ziemlich irritiert darüber, daß das »Spiel« (der Sport?), »ein Mädchen rumzukriegen«, eine Frau zu verführen, um »Punkte zu sammeln«, immer noch weitergeht. Vor dem Sex, sagen sie, kann man sehr wenig Ehrlichkeit erwarten - und sie haben den ständigen Druck immer mehr satt, die stets gegenwärtige Möglichkeit, daß all die Freundlichkeit nur eine Lüge ist, um sie zum Sex zu ködern, auf den dann Kälte oder Spott folgt. Kurz, der Mangel an Respekt von Männern vor Frauen führt dazu, daß Frauen den Respekt vor Männern verlieren. Doch während es einigen Frauen nach wie vor widerstrebt, ihren Freundinnen zu erzählen, wie sich ein Mann benommen hat, weil sie meinen, es würde ein schlechtes Licht auf sie werfen, scheuen sich viele andere nicht davor; und wie wir gesehen haben, glauben fast alle, daß das Verhalten der Männer ein schlechtes Licht auf Männer wirft.

Spaß an der Aufmerksamkeit von Männern

Andererseits gibt es Dinge, an denen Frauen Spaß haben, wenn sie sich mit Männern verabreden; viele Frauen sagen, von einem Mann als »etwas Besonderes« behandelt zu werden, sei einer der großen Geniisse lin Leben, etwas, auf das nian sich nach einem harten Arbeitstag freuen kann; vie!leicht werden diese Dinge unterschätzt:
»Um ganz ehrlich zu sein - obwohl mich Männer rasend machen und ich ihre Einstellung Frauen gegenüber haarsträubend finde, bekomme ich von ihnen eine Aufmerksamkeit, die ich von Frauen nicht kriege. Meine Freundinnen bewundern mein Aussehen und meine Intelligenz nicht so wie Männer. Ich mag es auch, wenn mich ein Mann in den Armen hält und mich streichelt und mich küßt und Sehnsucht nach mir hat. Aber wenn ich reden und mich aussprechen will, gehe ich zu Frauen. Sie sind meistens verständnisvoller, mitfühlender und hilfsbereiter. Männern fällt es schwer, mit mir zu diskutieren und mir zuzuhören. Es interessiert sie nicht, wie ich mich fühle und was ich nötig habe. Trotzdem brauche ich ihre warmen Umarmungen, ihre lieben Worte, ihre bewundernden Blicke. Bin ich ein hoffnungsloser Fall?«

»Ich liebe es, wenn er mich sehr liebevoll behandelt und mir sagt, daß ich schön und sehr erotisch bin. Wenn er so zu mir ist, habe ich das Gefühl, daß es im Moment nichts gibt als ihn und mich! Es ist, als wären wir ganz allein mit unserer Liebe und unseren Gefühlen, nur wir zwei.«

Männer als Spielzeug -  ***71-10-7*** mögen Frauen Sex
»zum Spaß«?

Mögen Frauen seit der »sexuellen Revolution« nicht auch »Sex nur so zum Spaß«? Einige ja. Die meisten Frauen sagen zwar, daß ihnen Sex mit Gefühl definitiv lieber ist, aber die meisten möchten sich irgendwann in ihrem Leben auch mal einfach austoben.

Frauen beschreiben ihre sexuellen Abenteuer

13 Prozent der Single-Frauen sagen, daß sie Gelegenheitssex mögen - sogar Affären für eine Nacht:
»Manchmal mag ich eine Zeitlang Sex mit verschiedenen Männern. Warum? Experimentierfreude! jeder Mann fühlt sich anders an.«

»Ich habe die Erfahrung gemacht, daß eine Person nicht all meine Bedürfnisse befriedigen kann. Monogamie ist eine romantische Vorstellung. Ich weiß nicht, ob ich je vollständig monogam sein könnte. Wenn man eine Beziehung hat, ist Sex außerhalb der Beziehung okay, solange es der Partner nicht merkt - besonders wenn es nicht allzu gut läuft und man ein bißchen Zärtlichkeit, liebevolle Fürsorge und freundliche Unterstützung braucht.«

»Ich habe sechs Jahre mit einem Mann zusammengelebt. Vor fünf Jahren haben wir uns getrennt. Danach war ich zwei Jahre enthaltsam - habe nicht mal masturbiert. Aber dann wurde ich eines Tages wieder neugierig auf Sex*. Diesmal versuchte ich es mit einem (für mich) neuen Ansatz: Gelegenheitssex. Ich habe Männer aufgerissen, hauptsächlich in Bars, denn da ist es am leichtesten. So lebe ich seit ungefähr einem Jahr, und es gefällt mir. Es gefällt mir besser, als ewig lange auf jemand Besonderen zu warten und überhaupt keine Liebe und keine Zuwendung zu kriegen. Ich muß natürlich vorsichtig sein wegen Krankheiten, aber Sex mit Fremden macht Spaß, weil ich mich frei ausdrücken kann. Da sie mich nicht kennen, wissen sie nicht, was sie erwarten können. Dank dieser Freiheit habe ich das Masturbieren beim Koitus >entdeckt<. Wenn ich jetzt einen Mann mit nach Hause nehme und er ein altes Ekel ist, das nicht im Traum an Cunnilingus oder so was denkt, oder wenn er echt ein netter Junge ist und ich mich nicht ärgern will, weil er ohne mich kommt, sorge ich dafür, daß ich komme! Damit ist für mich ein großer Streß entfallen.«
»Ich bin mal auf einer Orgie gewesen und habe Sex mit drei Leuten gehabt. Viele von meinen Freundinnen waren entsetzt, als ich ihnen das erzählt habe. Ich sehe das alles nicht so eng. Ich bin gern nackt mit anderen Leuten zusammen, ich mag Sex und ich mag meinen Körper.«
»Mit vierundzwanzig hatte ich meine erste >Affäre<. Es war phantastisch, sehr intensiv. Ich war betrunken, als ich mit dem Mann mitging. Ich war sexuell sehr frustriert gewesen. Es war phantastisch eine Sommernacht, ein großer Regen. Seine Fenster standen offen, und es regnete auf uns, wahrend wir uns liebten. Ich fand ihn so besonders, seine großen, grünen, schräg stehenden Augen. Ich hatte keinen richtigen Orgasmus, und sehr erregt war ich auch nicht, aber am nächsten Tag saßen wir uns nur gegenüber und sahen uns in die Augen - es war aufregend. Ich habe ihn nie wiedergesehen, weil ich meinem Freund davon erzählte, der extrem eifersüchtig war. Ich habe noch Monate von ihm geträumt.«
»Wenn es kurz und lieb ist, habe ich immer was davon - es stärkt mein Selbstbewußtsein. Ich fühle mich sehr sexy - exotisch - begehrenswert.«
»Ich bin Single, sechsundzwanzig, Dr. med., wirklich scharf und finde, es gibt haufenweise süße Männer. So viele, daß ich nicht weiß, wie ich es anstellen soll, monogam zu sein. Ich nehme an, was ich gerade empfinde, ist die Lust am Experimentieren! Männerkörper erforschen! Ich mag sie, Brust und Bauch und Flanken ...«
»Wenn ich Affären wollte, habe ich mir Männer ausgesucht, die sich nur für eins interessierten: Sex für eine Nacht. Sie waren super für mich.«

Viele andere Frauen (53 Prozent) phantasieren von einem sehr freien Sexualleben, sind aber auch beunruhigt über diese Phantasien und fürchten, »zu sexuell« zu sein:

»Manchmal stelle ich mir vor, daß ich allein lebe und sehr sinnlich und frei bin und viele Männer in meinem Bett empfange: ein ziemlich exzentrisches, aber aufregendes Leben (mit Karriere). Und manchmal sehe ich mich mit einem Mann, vielen Kindern und gelegentlichen außerehelichen Affären. Meine Tante hat mir neulich erzählt, meine Mutter sei total verdreht und neurotisch gewesen, sie habe meinen Vater nie geliebt., sondern ihn aus Angst geheiratet - aus Angst, eine Hure zu sein. Mein Freund ist auf Reisen, darum hatte ich in letzter Zeit ein paar Geschichten für eine Nacht. Dabei habe ich festgestellt, daß ich gern Liebe gebe - sexuell, meine ich. Es ist vielleicht sehr eitel, aber ich mag es sehr, wenn mich Männer schön finden und von mir erregt sind, und ich liebe die Nähe, die wir sexuell miteinander haben können. Ich muß noch dazu sagen, daß ich jedesmal betrunken war ich habe Angst davor, eine Hure zu sein.«

Frauen ist immer noch nicht erlaubt, Phantasien dieser Art zu haben, obwohl es eine Tatsache ist, daß in den meisten Frauenphantasien (wie die Forschungsarbeit zum Hite Report ergab) Fremde, anonymer Sex, mehrere Partner usw. eine Rolle spielen. Allerdings ist Phantasie nicht gleich Realität, und Frauenphantasien sind noch nicht genug analysiert worden. Darum kann man hier keine simplen Analogieschlüsse ziehen.

Eine junge Frau empfindet große Reue über die »schrecklichen Sünden«, die sie sich bei einem Auslandsaufenthalt zuschulden kommen ließ:
»Meine größte Krise hatte ich mit sechzehn, als ich in Europa war und einen Monat bei einer fremden Familie wohnte. Ich konnte die Sprache nicht gut, obwohl in meinem High-SchoolZeugnis das Gegenteil stand. Ich hatte irrsinnig Heimweh und fühlte mich sehr verloren, hatte den Eindruck, daß ich mit niemandem kommunizieren konnte. Ich fing an, mich an alle jungen Männer ranzuschmeißen, weil ich wußte, damit würde ich mich beliebt und begehrt machen. Außerdem hatte ich dann auch was zu tun. Ich hatte das Gefühl, daß mich meine Gastfamilie eigentlich gar nicht haben wollte und daß mich die Tochter, die so alt war wie ich, nicht leiden konnte. Ich ging nach einem Monat von dieser Familie weg und hinterließ wahrscheinlich den falschen Eindruck, daß alle Amerikanerinnen recht locker sind, weil ich mit etwa neun Kerlen geschlafen habe (ich habe meine Jungfräulichkeit mit einem verloren, den ich erst eine Stunde kannte) und mindestens fünfzehn andere geküßt habe. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Wenn ich"s getan hätte, wäre ich übergeschnappt.
Ich glaube bis heute, daß ich das getan habe, weil ich psychisch nicht stabil war. Die ganze Zeit, die ich da war, hatte ich das Gefühl, ich wäre nicht ich, sondern jemand anderes. Hätte ich sonst neunmal mit wildfremden Männern Sex gehabt, Sex ohne Empfängnisverhütung? Kaum. Ich muß jemand anderes gewesen sein.
Schließlich bekam ich es irgendwie in den Griff, und es vergeht manchmal eine ganze Woche, daß ich nicht mehr diese schreckliche Person, diese Schlampe sehe, wenn ich den Spiegel schaue. Ich kann akzeptieren, was ich getan habe, und eine Beziehung mit einem Mann haben und sogar sexuell sein, ohne mich für furchtbar zu halten.«

Die Mehrzahl der Frauen will meistens
Sex mit Liebe und Gefühl

Viele Single-Frauen sagen, sie hätten versuchsweise Sex mit verschiedenen Liebhabern gehabt und dabei nicht »Liebe« zur Voraussetzung gemacht, hätten es aber schließlich - und meistens nach nicht allzu langer Zeit - satt gehabt und als sinnlos empfunden; 62 Prozent der Single-Frauen sagen, sie schliefen nicht gern mit vielen Männern, wechselten nicht gern von Mann zu Mann:

»Ich habe versucht, promiskuös zu sein, aber ich habe es nicht durchgehalten, weil es mir so sinnlos vorgekommen ist. Manchmal kann ich es als Geschenk genießen, aber eine ganze Prozession von Männern - das hasse, hasse, hasse ich.«

»Ich habe mehr als nur ein bißchen was dagegen, mit vielen Männern ins Bett zu gehen. Es macht keinen Spaß. Für mich wird Sex mit einer Person im Lauf der Zeit immer besser. Wenn ich einmal mit jemandem geschlafen habe, will ich mehr. Ganz ohne geht es mir besser als mit nur einem Mal. Es macht mich auch psychisch fertig, nur einmal Sex mit jemand gehabt zu haben.«

»Letztes Jahr auf der High School habe ich mit mehreren Jungen aus dem Kreis von Leuten geschlafen, mit denen ich von Zeit zu Zeit zusammen war, und es war entsetzlich. Ich wußte, sie vertraten in etwa den Standpunkt >Machen wir's, aber bleiben wir trotzdem Freunde.< Natürlich waren sie nie richtige Freunde von mir, und ich habe jedes Gefühl für sie und allen Respekt vor ihnen verloren, als sie oberflächlichen Gelegenheitssex ohne die geringste Verpflichtung wollten. Mit einem von ihnen gibt es jetzt noch eine Art Freundschaft. Das ging aber nur, weil ich aus meinem Gedächtnis gestrichen habe, daß wir je miteinander geschlafen haben. Keine gute Umgebung, um erwachsen zu werden. jede Menge Sex, aber keine Beziehungen.«

24 Prozent der Frauen sagen, sie hätten im Grunde ihres Herzens das Gefühl, es sei nicht richtig für sie, Sex zu haben, ohne verheiratet zu sein oder innige Liebe zu verspüren:

»Am leidenschaftlichsten war ich mit meinem Freund, weil ich es okay fand, mit jemandem leidenschaftlich zu sein, an den ich eine Bindung hatte. Manchmal habe ich Schuldgefühle, wenn ich mit jemandem leidenschaftlich bin, den ich kaum kenne und von dem ich mich bloß irgendwie angezogen fühle.«

»Ich komme mir wie das letzte Flittchen vor, wenn ich von Kerl zu Kerl hüpfe. Ich mag feste Beziehungen.«

Eine Frau Anfang der Zwanzig macht sich Gedanken darüber, ob sie ein Recht auf Sex hat, auch wenn der Mann nicht der »Richtige« ist:

»Es ist mir schon passiert, daß ich mit jemand schlafen wollte, den ich nicht mochte oder von dem ich wußte, er tut mir nicht gut. Ich wollte nein sagen, weil ich geglaubt habe, daß es nicht klug wäre, mit dem was zu haben, aber als er mich angefaßt hat, war ich >hin und weg<! Ich wollte es, aber da war diese Angst, dieser Widerwille. Ich glaube, Männer haben Geschichten für eine Nacht ganz ähnlich beschrieben, aber bei ihnen ist es sozial voll akzeptiert - >Mann ist Mann<!«

Männer verbinden gewöhnlich Sex und Cefühle nicht auf die gleiche Weise wie Frauen, meinen die meisten Single-Frauen in dieser Untersuchung; oder - wie eine Frau sagt - mit den Geühlen vieler Männer ist es vorbei, wenn sie »gekommen« sind:
»Meiner Erfahrung nach wollen die meisten Männer bloß ficken. Diese Gesellschaft scheint in Männern unrealistische sexuelle Bedürfnisse zu produzieren. Die meisten können Liebe und Sex mühelos trennen.«

»Für Frauen gehören Sex und Liebe zusammen. Wir sehen das als echte Widerspiegelung unserer Gefühle. Es ist schwer zu begreifen, daß die andere Hälfte der Menschheit es nicht so sieht. Ich glaube vor allem, daß die meisten Frauen über den Ausdruck ihrer Gefühle (ihrer Liebe?) durch Sex eine emotionale Zusammengehörigkeit empfinden. Für die meisten ist Sex ein Symbol der Bindung an ihren Partner - der aber will Sex oft aus ganz anderen Gründen. Und das beschert uns die emotionalen Horrortrips.«

83 Prozent der Frauen sagen, daß ihnen Sex init emotionaler Beteiligung, Sex mit Gefühl lieber ist:
»lch liebe den Sex - aber inzwischen lehne ich es ab, Sex zu machen, ohne eine gute Beziehung zu haben. Das joggen kann ich mehr genießen als Sex ohne Gefühl.«

»Sex ohne Bedeutung ist schlimmer als überhaupt kein Sex. Vielleicht ist ein weniger befriedigender Sexualpartner der Einsamkeit vorzuziehen, aber es sollte wenigstens einer sein, der Wärme und Freundschaft bietet.«

»Das Beste am Sex ist das Gefühl des Einsseins. Das Schlimmste ist die Verletzlichkeit, die Möglichkeit, daß es nicht geschätzt wird - daß der Mann danach keine Achtung vor einem hat.«

»lrgendwas hat mir immer gefehlt am Sex. Ich glaube, es liegt daran, daß es meistens zu >nebenbei< war. Der Geschlechtsverkehr selbst ist wunderbar, ich mag ihn sehr. Normalerweise orgasme ich, wenn ich genügend erregt bin, und das bin ich in ungefähr 80 Prozent der Fälle. Aber es ist schwierig, diese Seite von mir mit jemandem zu teilen, von dem ich ziemlich genau weiß, daß er nicht bei mir bleiben wird. Das ist wahrscheinlich das Schlimmste an einem Mann - dieses Gefühl danach, daß es für ihn eigentlich nichts weiter war als eine physische Erleichterung. Das Schönste ist, wenn man aufwacht und er immer noch da ist und es immer noch genießt. Aber das Glück hat man selten.«

»Viele Frauen sind enttäuscht, weil sie dem Mann als Person scheißegal sind. Er will nur ihren Körper, um in sie hineinzumasturbieren. Ich weiß es, ich habe es selbst erlebt.«

»Gefühl und Sex sind bei einer Frau viel mehr miteinander verbunden - oder vielleicht ist es auch diese >Anständige-Mädchen-tun-dasnicht<-Einstellung der Gesellschaft, die es Frauen verbietet, sexuell frei zu sein, wenn sie nicht als Flittchen abgestempelt werden wollen. Keine von meinen Freundinnen hat Sex mit Leuten, für die sie nicht was empfindet ob es Liebe ist oder nur große Zuneigung.«

Obwohl die meisten Single-Frauen Sex mit Gefühl wollen, heißt das nicht, daß sie alle heiraten wollen:

»Ich habe meine Zweifel, was die Ehe angeht. Emotional kann ich sie mir vorstellen, aber intellektuell stößt sie mich ab. Für mich ist die optimale Beziehung eine monogame Beziehung, bei der beide getrennte Wohnungen haben, aber viel Zeit miteinander verbringen essen, reden, Liebe machen. Ich liebe meinen eigenen Bereich.«

»Das größte Problem? Ich würde sagen, daß Michael vermutlich nicht weiß, wie ambivalent ich manchmal bin. Ich habe das Gefühl, daß ich mich Hals über Kopf in diese Beziehung gestürzt habe, und das ist mir hin und wieder unbehaglich. Ich kann es am besten ausgleichen, indem ich mir meine Freiheit und Unabhängigkeit bewahre, mich zurückziehe, wenn ich das Gefühl habe, daß es mir zuviel wird.«

Kurz gesagt: Manchmal mögen Frauen einfach nur Sex zum Spaß. Was ihnen weh tut und dazuführt, daß sie Männern mißtrauen, sind die »Spielchen«, das Wegwerfverhalten und die doppelte Moral von Männern:

»Ich glaube, das Schlimmste am Sex sind für eine ungebundene Frau diese Spielchen, die um den Sex herum gespielt werden müssen. Am Geschlechtsakt selbst kann ich nichts >Schlimmes< finden!«

Angesichts der negativen Stereotype (»Hure«, »Flittchen« usw.), mit denen Frauen belegt werden, wenn sie Sex um seiner selbst willen mögen und ohne emotionale Bindung, ist es ihnen nicht immer möglich, solche Erlebnisse zu genießen bzw. sie überhaupt zu haben. Die diesbezügliche Einstellung eines Mannes kann es beim Sex oder beim Zusammensein der Frau unmöglich machen, sich »natürlich« zu verhalten. (Das soll nicht heißen, daß Frauen - und Männer - »von Natur aus« promiskuös sind und nur von der Gesellschaft daran gehindert werden, diese »Veranlagung« auszuleben; ***71-10-8*** es soll lediglich heißen, daß eine experimentelle Einstellung zu bestimmten Zeiten im menschlichen Leben genau das Richtige sein kann.)
Frauen haben ein berechtigtes Verlangen nach Sex, und ihre sexuellen Gefühle sind vielfältig und differenziert. Doch durch gewisse soziale Unterströmungen werden wir immer noch daran »erinnert«, daß eine Frau, die »wahllos~< Sex hat, nicht ganz respektabel sei wogegen es Männern erlaubt ist und sie dazu ermutigt werden, »sich die Hörner abzustoßen«.

Flirten und Männer »benutzen«: weibliche »Eroberungen«

Flirten, Spaß mit Männern haben - einige Frauen genießen es, Männer zu »erobern«, Männer dazu zu bringen, daß sie sich in sie verlieben, ihnen »nachlaufen«, Verlangen oder Sehnsucht zeigen. Das kann für manche Frauen sehr befriedigend sein. Sie drehen den Spieß einfach um und kümmern sich nicht um den höheren Status der Männer.
Für die meisten Frauen stellt der emotionale Sieg den Höhepunkt des Flirts, die »Eroberung« dar - wenn sie den Mann dazu kriegen, sie zu wollen, nicht wenn sie ihn ins Bett kriegen:

»Die größte Macht empfinde ich, bevor wir Sex haben, beim Küssen und beim Schmusen - es ist ein reiner Ego-Trip, ehrlich gesagt. ~<

»Wenn ich in seinen Armen fast ohnmächtig werde und weiß, daß er vor Sehnsucht nach mir fast umkommt, gerate ich am ehesten in Ekstase.«

»Ich habe es immer gern gehabt, die Aufmerksamkeit der Männer zu erregen, obwohl ich gewußt habe, sie reagieren eigentlich nicht auf mich, sondern bloß auf meinen Körper oder auf meine Verfügbarkeit. Aber das war mir egal. Ich kriege nicht viel Liebe und Aufmerksamkeit im Leben!«

Ist Flirten etwas Verkehrtes?

Einige Feministinnen haben darauf hingewiesen, daß Make-up und »weibliche Tricks« symbolisch sind für ein System, in dem Frauen Männern gefallen und sie anziehen müssen. Doch eine Frau findet, daß das Problem zwei Seiten hat: »Ich glaube, die >Weiblichkeit< ist von Frauen geschaffen worden, um den Mann gefügig zu machen und von ihm zu bekommen, was sie wollen. Sie ist ein Ausdruck von ungerechter Behandlung, von Ausgeliefertsein; da die Männer die Macht hatten, war >Weiblichkeit< ein Mittel, mit dem die Frauen zumindest versuchen konnten, den Mann zu kontrollieren. Die Frauen waren sich der sexuellen Bedürfnisse der Männer bewußt und haben die >weiblichen Tricks< wohl erfunden, um Macht über ihr eigenes Leben zu bekommen. Wir können das auch heute noch beobachten, und es wird wahrscheinlich dabei bleiben, solange Frauen Männern ausgeliefert sind. Aber wenn man sich schön macht, sich frisiert, sich schminkt usw., sehe ich das nicht unbedingt so, daß man als machtlos definiert wird. Es ist, was es ist - der Wunsch, sich der Welt gutaussehend zu präsentieren, und ein kreativer Ausdruck der eigenen Individualität.«

Tatsächlich ist dies ein sehr komplexes Thema und nicht so einfach, wie es in der frühfeministischen Theorie dargestellt wurde, und auch nicht so einfach, wie es in manchen sozialistischen Theorien abgehandelt wird.

Sexuelle Macht - gibt es so etwas?

Die meisten Frauen erfahren ihre sexuelle Macht zum erstenmal als junge Mädchen oder als Teenager:
»Ich kann sehr verführerisch sein und weiß es genau. Ich glaube, das ist was Angelerntes. Ich glaube, man lernt es als kleines Mädchen, wenn man auf Daddys Schoß sitzt und so süß ist und die Leute einen dafür bewundern, und plötzlich machst du das auch bei jungen, bist süß, und später stellst du fest, daß es sich manchmal wirklich auszahlt, weiblich zu sein. Ich weiß, wie ich das zu meinem Vorteil einsetzen kann, und wenn ich Sex will, kommt das rüber - ich setze es auch für das ein, was ich sonst möchte.«

»Mein Vater soll sehr zärtlich gewesen sein, als ich ein Baby war. Ich konnte nicht immer durchschlafen, und da ist er aufgeblieben und hat mich in die Arme genommen. Aber als ich in die Pubertät kam, wurde ihm wohl mulmig. Ich wurde und werde für >sexy< gehalten. Was immer das heißen mag - damals entdeckte ich, daß hier die Macht einer Frau liegt. Damals kam es auch zum totalen Bruch zwischen ihm und mir. Solange ich zur High School ging, kritisierte er mich ununterbrochen, beklagte sich ständig. Wir stritten uns darüber, wann ich abends zu Hause sein sollte, über meine Frisur, meine Kleider, meine Faulheit, meine Zensuren - und er zog mich dauernd durch den Kakao.«

»Mit sechs oder sieben hab' ich mal mit meinen Eltern im Autokino einen Film gesehen, in dem eine Stripperin vorkam, und da hab'ich einen richtigen Fimmel gekriegt: ich wollte sexy sein. Ich zog fünf Schichten Kleider und Wäsche übereinander an und zog sie wieder aus, während ich in meinem Zimmer auf- und abstolzierte (die Tür war zu) . Meine Mutter hat mich mal erwischt, da hatte ich nur ein Höschen an. Aber sie hat nichts gesagt. Ich hab' nicht gewußt, was sie dachte. Ich hab' das Gefühl gemocht, sexy zu sein, aber auch gewußt, daß es was Geheimes war und irgendwie >unrecht<.«

In diesen Geschichten sehen wir, wie die »männliche«/kulturelle Definition von Sexualität auf Frauen projiziert und dann, zumindest teilweise, verinnerlicht werden kann. Karen Horney, Freuds berühmte Rivalin, hat diesen Vorgang treffend geschildert. ***71-10-9***
Während die Männer versuchen sollten, ihre Definition von Sexualität/Heterosexualität und die doppelte Moral zu überdenken, sollte man es Mädchen und Frauen nicht verbieten, ihre Sinnlichkeit und ihre Sexualität zu zeigen, nicht behaupten, sie hätten kein Recht dazu.
Flirten ist von der Frauenbewegung zu etwas »Verbotenem« erklärt worden, weil sie darin die Unterwürfigkeit der Frau verkörpert sah, die Stellung der Frau im »männlichen« System (die Frau »muß sich einen Mann angeln«). Und tatsächlich war das oft der Fall. Flirten kann aber auch Spaß machen (und einem zeitweise Macht geben). Man denke zum Beispiel an den koketten Persönlichkeitsstil von Marlene Dietrich (früher nannte man das eine »Femme fatale«); heute sehen wir ihn bei Madonna und anderen weiblichen Popstars oder vielleicht auch bei Joan Collins im »Denver-Clan«. Dem Flirten wird schon seit Jahren, weil völlig obsolet, das Aussterben prophezeit - aber ist es ausgestorben? Hinter dieser »Prophezeiung« steckt die Annahme, daß Frauen (und Männer) in einer neuen und »gleichen« Gesellschaft »natürlicherweise« nicht würden flirten oder andere mit ihrem »Charme« faszinieren wollen.
Doch wenn wir schöne Kleider, geistreichen Stil und erotischen Zauber aus unserem Leben verbannen - wie es die Chinesen während ihrer Kulturrevolution taten, als Frauen und Männer uniform gekleidet waren, Make-up tabu war, alle kurze Haare hatten und gleich aussahen - würden wir dann nicht verarmen? Eine so enge Sicht wird meistens diktatorisch und bringt keine Gleichheit. Seit Anfang der Hochkulturen (und auch zuvor - in 20000 Jahre alten Gräbern sind kunstvoll mit Perlen verzierte Kleider gefunden worden) haben Frauen und Männer große Mühe darauf verwendet, sich zu schmükken oder mit ihrer persönlichen Erscheinung etwas auszusagen. Die Männer der Römerzeit kleideten sich »femininer«, als es heute üblich ist, und das gilt erst recht für die Männer des achtzehnten Jahrhunderts mit ihren Spitzenjabots, Parfums und Seidenstrümpfen.

Wenn sich eine Frau des zwanzigsten Jahrhunderts schmückt, kann das zwar symbolisieren, daß sie »männerorientiert« ist, aber es ist nicht gelungen, mit einer Art Kleiderordnung (»Einheitskleidung«) Klassen- und Geschlechtsunterschiede abzuschaffen, obwohl sich darin ein nobles Ziel spiegelt - alle »gleichwertig« zu machen; »schmucklos« zu sein hat Frauen nicht so mächtig wie Männer gemacht. Und tatsächlich ist der Weg zur Gleichheit vielleicht genau das Gegenteil: Frauen sollten sich in puncto Kleidung alle Möglichkeiten offenhalten, und Männer sollten dazu ermutigt werden, das auch zu tun. »Weiblichkeit« ist ein Stil, den es seit Jahrhunderten gibt und an dem sich Frauen und Männer weiterhin freuen können. Mit anderen Worten, jede und jeder soll beliebig viele Möglichkeiten haben - mehr Möglichkeiten jedenfalls - und so wird aus uns vielleicht eine Gesellschaft von Individuen ohne eine »alleinseligmachende«, rigide Ideologie.

Eine neue Jungfräulichkeit und Enthaltsamkeit

Entziehen sich jungfräuliche/enthaltsame
Frauen dem »Sex« oder dem »männlichen« Wertesystem?

Während einige Frauen Gelegenheitssex ausprobieren, empfinden andere einen solchen Abscheu vor lieblosem Sexualverhalten von Männern (oder Frauen), daß sie es vorziehen, enthaltsam zu bleiben, um mehr Zeit für sich zu haben, um sich nicht »benutzt« oder »mißbraucht« zu fühlen.

27 Prozent der Frauen sagen, vieles am »Sex« lohne sich einfach nicht; sie verweigern sich lieber dem ständigen Druck, Sex haben zu müssen:

»Ich weiß nicht genau, wie oft ich Sex haben mag. Der Geschlechtsverkehr ist nicht mehr so wichtig für mich. Ich kann mich besser befriedigen, als es die Männer früher getan haben, also brauche ich sexuell eigentlich keinen. Die Männer, die ich gekannt habe, wollten nur Sex. Ich habe mich immer benutzt gefühlt und war wütend. jetzt spielen die Männer keine so große Rolle mehr in meinem Leben. Um den Sex wird viel zuviel Wind gemacht. Ich glaube nicht, daß die Leute ehrlich sind in sexuellen Dingen. Sie machen halt jede Mode mit und sagen, Sex wäre toll und je mehr, desto besser. Ich kann es tun oder lassen so sehe ich das mit dem Sex.«

33 Prozent der Single-Frauen in dieser Untersuchung haben schon einmal beschlossen, nachdem sie zuvor sexuell aktiv gewesen waren, mindestens ein halbes Jahr enthaltsam zu sein, also keinen Geschlechtsverkehr ***71-10-10***  zu haben. Fast alle schätzten diese Zeit, denn sie bot die Chance, sexuell unengaglert eine Pause im Gefühlsleben einzulegen und ihre Energie und Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu konzentrieren:
»Ich war drei Jahre lang enthaltsam. Es war eine gute Zeit. Ich habe studiert und war sehr mit meiner Arbeit beschäftigt. Ich hatte die Nase voll von Männern, hatte ihren Mist für alle Zeiten satt. Allein hat man diese Klarheit des Selbst. Man kann ungewöhnliche und phantasievolle Sachen tun! Die Nachteile: Einsamkeit, zuviel Anmache.«

»Wenn ich keine intime Beziehung habe, habe ich auch kein Sexualleben. Ich genieße diese Phasen der Enthaltsamkeit, ich fühle mich dann kraftvoller, mehr Herr meiner selbst.«

»Ich war ungefähr sechs Monate enthaltsam. Es war meine freie Entscheidung. Ich konnte mich auf meine eigene Entfaltung konzentrieren und mir überlegen, was ich in einer Beziehung mit einem Mann will und erwarte. Manchmal habe ich mich ziemlich allein gefühlt, aber es war gut für mich, meine Unabhängigkeit und meine Talente zu entwickeln. Ich habe es nicht als Verlegenheitslösung empfunden - es war genau das, was ich brauchte.«

»Ich war ein Jahr lang enthaltsam. Ich bin davon überzeugt, daß diese Zeit der sexuellen Identität mit mir selbst und des Aufbauens von Selbstachtung nach einer unglücklichen Affäre mit einem verheirateten Mann von entscheidender Bedeutung für die Vorbereitung meiner jetzigen Beziehung war. Ich finde, Enthaltsamkeit ist wirklich gut, wenn man eine Perspektive hinsichtlich dessen bekommen will, was man möchte und was einem zusteht.«

Enthaltsamkeit ist anscheinend einfacher, wenn man sich nicht mit Männern verabredet; sich mit Männern zu treffen und das Körperliche aufs »Schmusen« zu begrenzen, ist wesentlich schwieriger:

»Wenn ich mit einem Typen ausgehe, heißt es gleich >Alles oder nichts<, obwohl ich das nicht leiden kann. Als ich mal protestiert und einem gesagt habe, er setzt mich zu sehr unter Druck, hat er gemeint, ich spinne, ich sehe ihn und die Männer überhaupt und den Sex als >bösen Feind<. Er hat gesagt, er will mir doch bloß was Nettes tun, damit ich mich gut fühle, und warum ich mich da so wehre? Er hat mich einfach nicht kapiert, egal was ich gesagt habe. Das ist mir schon ein paarmal passiert. Es ist ein entsetzlicher Frust.«

Ist es realistisch zu fragen, ob es eine Rückkehr zum »Schmusen« als Alternative, als Möglichkeit geben kann, statt immer »Sex« (Geschlechtsverkehr) zu haben oder gar nichts? Vielleicht wird das mit der zunehmenden Angst vor AIDS auch für Männer zunehmend interessanter werden. Die Frauen im Hite Report über weibliche Sexualität waren oft dafür, sich diese Möglichkeit offenzuhalten.

11 Prozent der Frauen in dieser Untersuchung waren Jungfrau geblieben und hatten nie Sex (Koitus) -fast ein Wunder angesichts des Drucks, der in den letzten Jahren auf Frauen ausgeübt worden ist (ein paar geben religiöse Gründe an):

»Ich war immer enthaltsam. Offiziell bin ich damit >Jungfrau<, aber da ich gelernt habe, Orgasmen zu haben (durch mich selbst), habe ich mich eher als enthaltsam erfahren (im Sinn von keinen Geschlechtsverkehr haben) denn als >Jungfrau<.«

»Ich bin Jungfrau, aber andere sexuelle Aktivitäten könnte ich mir in meinem Leben vorstellen. Es ist sehr schwierig für mich, jemanden näher kennenzulernen, den ich mag und zu dem ich mich hingezogen fühle und vor dem ich Respekt habe - und der mir nicht zusetzt. Wenn es einfacher wäre, hätte ich eine Beziehung. Ich bin irgendwie entmutigt. Ich bin gern Single, aber mit einer Beziehung wäre ich glücklicher.«

»Ich bin noch Jungfrau. Es liegt nicht daran, daß ich nicht >gefragt< wäre. Der Mann, von dem ich mich gerade getrennt habe, war wunderbar - und phantastisch, was das Sexuelle anging. Wir haben Vorspiel gemacht, und er hat sich damit zufriedengegeben, er hat mir nie Schuldgefühle eingeimpft, weil ich beschlossen habe zu warten, bis ich verheiratet bin. Mit ein Grund für seine Geduld war, daß er mich heiraten wollte.«

Wenn Frauen die Einstellung sexueller Beziehungen erwägen, scheint bei den meisten weniger die Scham über ihre Sexualität eine Rolle zu spielen als emotionale Frustration und das Gefühl, daß sich Männer selten darauf verstehen, eine sexuelle Beziehung mit liebevoller Einstellung zu haben. Deshalb kommen sie aus Selbstachtung zu dem Schluß, daß sie glücklicher sind, wenn sie keinen Sex haben.

Was bedeutet »Jungfräulichkeit«?

Eine Frau sagt, Jungfräulichkeit und Reinheit seien nichts Körperliches, sondern etwas Geistiges, und warnt Frauen nicht etwa davor, ihren Körper »hinzugeben«, sondern ihr Herz und ihre Seele:
»Ich bin dreiundzwanzig, Jungakademikerin, unverheiratet, und habe mit Kunst und Medien zu tun. Beim Umgang mit Männern finde ich, daß es ausgezeichnet funktioniert, kühl aufzutreten. Sie haben die Frau ja immer noch als > Objekt der Begierde < verinnerlicht, das erobert werden muß. Wenn man ein bißchen Distanz wahrt, bemühen sie sich mehr um einen; es steigert die Sehnsucht, die Dramatik. Wenn man alles zu schnell wegwirft, verkauft man sich unter seinem Wert. Komisch, nicht wahr, aber ich meine das nicht sexuell. Das war zwar vor nicht allzu langer Zeit der entscheidende Punkt. Aber wenn ich sage, man soll sich nicht zu schnell hingeben, meine ich das nicht nur sexuell, sondern auch psychisch, emotional und geistig.«

Jungfräulichkeit kann eine innere Verfassung sein, eine Lebensform, die man zeitweise lebt und dann auch wieder aufgibt, die jedoch immer aus dem heraus entsteht, daß eine Frau über sich selbst verfügt nicht etwa, um sich »aufzusparen«, und dann von jemandem »besessen« zu werden. Diana/Artemis ist die »jungfräuliche Göttin« der Antike, was nicht bedeutete, daß sie asexuell war oder keinen Sex mit Männern hatte, sondern daß sie nie besessen wurde. Für einige Frauen in dieser Untersuchung scheint dieses Konzept wieder aktuell zu werden: Sex haben, aber nicht besessen werden, sich selbst treu bleiben, nie jemandes Eigentum sein.

Hatten Frauen vor der »sexuellen Revolution« mehr »Macht«,
weil sie »jungfräulich« blieben,
solange sie Single waren, und Sex »verweigerten«?

Eine 65jährige Frau beschreibt, was in den fünfziger Jahren - vor der »sexuellen Revolution« - galt:
»Als ich ein junges Mädchen war, hieß es: >Wenn du einem Mann zu Willen bist, hat er bekommen, was er wollte und läßt dich sitzen.< Meiner Meinung nach sollte ein Mädchen den Mann auf Sex warten lassen.«

Eine Frau Anfang Zwanzig beschreibt, was sexuell »angesagt« war, als sie aufs College ging:
»Ich habe haufenweise mit Jungs geschlafen. Es lag wohl an der Zeit. Mein Freund, den ich echt gern mochte, sagte immer: >Ich will, daß du mit anderen Männern schläfst.< Können Sie sich das vorstellen? Ich fühlte mich verpflichtet dazu. Es war auch ein bißchen Revanche - wenn die jungs es tun konnten, warum sollte ich es dann nicht auch tun? Heute würde ich sagen, daß ich's nicht richtig wollte. Aber alle anderen Versuche mit Beziehungen gingen daneben, und ich wußte nicht, was ich sonst machen sollte. Außerdem war es irgendwo eine Mischung aus Spaß und Trotz.«

Doch dieselbe junge Frau fügt hinzu:
»Jetzt wünsche ich mir, ich wäre eine Art Jungfrau. Ich fühle mich auch fast so.«

Seit der »sexuellen Revolution< wird von Frauen erwartet, daß sie Sex vor der Ehe haben. Die doppelte Moral sei tot, so hieß es, und damit könnten Frauen so oft Sex haben, wie sie wollten, und würden deswegen nicht als »unanständig« gelten. Wie wir hier gesehen haben, kam es in Wirklichkeit ganz anders: Man erwartete von Frauen, daß sie Sex hatten, wann immer Männer es wollten. Und gleichzeitig sah man dafür auf sie herab, betrachtete sie als »frivol«, »flatterhaft«, »leicht zu haben«; kurz, Frauen werden von vielen Männern schief angesehen, wenn sie sich - oft unter Druck - auf die »freie Liebe« einließen. (Wie es eine Studentin formuliert: »Die Männer schauen auf dich runter, wenn du >zu scharf< oder >zu ungehemmt< bist, aber wenn du es nicht bist und eine Beziehung willst, finden sie dich >lächerlich< und >verklemmt<.«)

Manche Leute sehen die Lösung des Problems in einer Rückkehr zur Jungfräulichkeit vor der Ehe. (Frauen sind ja sowieso die »Hüterinnen der Moral« ... ) Doch ist eine solche Umkehr möglich? Wenn man meint »Frauen können auch nein sagen<, wird das Problem wieder ihnen in die Schuhe geschoben. Und das nötigt sie außerdem zu der Wahl, sich entweder emotional frei auszudrücken oder aber sich zu verteidigen. Niemand käme auf die Idee, eine große Kampagne durchzuführen, die Männern einbleut: »Zum Orgasmus brauchst du keinen Geschlechtsverkehr - du kannst auch masturbieren.«

Wenn Männer davon ausgehen, wenn Männer gelehrt werden, daß sie versuchen sollten, Sex ohne Bindung zu haben, ist der Hintergedanke dabei: »Wie kommen wir am besten >ungeschoren< davon?« Jungen und Männer geben sogar häufig damit an, sie seien schließlich »nur Männer« und würden sich »bloß nehmen, was sie kriegen können«. Die Widerlichkeit mancher Aspekte der sexuellen »Szene« besteht in der Arroganz und Blasiertheit, mit der jungen und Männer Frauen so leichthin »abservieren« können, nachdem sie sie »hatten« und das mit dem Gefühl, völlig im Recht zu sein und in Einklang mit der Natur zu stehen (Im Tierreich sei es ja auch nicht anders usw.).

Wenn das Problem den Frauen in die Schuhe geschoben wird Rückkehr zur »Jungfräulichkeit«, »Frauen können auch nein sagen« -, werden die Männer stillschweigend dazu ermutigt, es wie bisher zu halten, wird ihnen das »Recht« gegeben, das sie immer zu haben glaubten: Sex zu haben, wo sie ihn kriegen können, Frauen dementsprechend unter Druck zu setzen, weil »Männer nun mal Männer sind« und »nicht anders können«; und die für Männer bestimmte Botschaft dahinter - daß sie sich, wenn sie es nicht versuchen, ernstlich Gedanken über ihre »Männlichkeit« machen sollten bzw. daß sie keine »richtigen« Männer sind - wird perpetuiert.

Die Erziehung von Frauen zum Lieben und Geben (siehe 1. Teil) läßt Verabredungen, wenn es um die Bedürfnisse beider »Parteien« geht, zu einer sehr ungleichen Angelegenheit werden. Entfremdete, skrupellose Jungen und Männer, die sich »männlich« fühlen wollen, die gelehrt worden sind, ihre >~Hormone« trieben sie dazu, Geschlechtsverkehr mit Frauen zu haben, und dadurch würden sie erst »richtige« Männer, nutzen die Sehnsucht der Frauen nach Lieben und Geben aus, um auf Sex zu drängen.

Einige Männer sagen: »Frauen genießen den Sex genauso wie Männer. Deshalb nutzt der Mann die Frau nicht aus, sondern er gibt ihr etwas - und sei es auch nur vorübergehend -, das sie genauso braucht wie er.« Frauen haben zwar manchmal Freude am Experimentieren und an »Abenteuern«, doch es steht fest, daß den meisten Frauen die meiste Zeit Sex mit Gefühl und Respekt weitaus lieber ist.

Frauen sollten nicht mit der Wahl konfrontiert werden, entweder sexuell oder aber asexuell zu sein; Frauen sollten ihre Sexualität auch nicht unter solchem Druck und angesichts einer so negativen Haltung von seiten der Männer definieren müssen. Statt dessen sollten Frauen und Männer die herrschende Ideologie in Frage stellen - d. h. jene Variante der »Männer«kultur, die »Mann ist Mann« verfügt und beide Augen vor dem »Ex-und-hopp« oder »Die-nehmen-wir-auch-noch-mit«-Verhalten vieler Jungen gegenüber Mädchen zudrückt - dieselbe »Männer«-Kultur, die auf Mädchen im Teenageralter, die abtreiben, herabsieht, aber nicht daran denkt, daß die Jungen, die wahrscheinlich auf Geschlechtsverkehr gedrängt und sich dann abgesetzt haben, auch »Schurken«/Opfer sind und nun ebenfalls Verwirrung und Entfremdung zu gewärtigen haben. Sex ist nicht böse; doch es ist böse, eine andere Person rücksichtslos zu behandeln.

Ist es »natürlich«, soviel »Sex« wie möglich haben zu wollen?
Sind die Frauen Opfer einer »Gehirnwäsche«,
oder sind die Männer »dehumanisiert«?

Sind die monogame Liebe und/oder der Wunsch zu heiraten »natürliche« Neigungen, die zu unterdrücken Männer gelehrt wurden? Oder sind multiple sexuelle Beziehungen »natürlich« und meiden Frauen sie lediglich, weil man sie zur Prüderie des »anständigen Mädchens« erzogen hat? (Oder weil die Leute sie sonst »Huren< schimpfen?)

Wie wir im I. Teil festgestellt haben, ist die Prämisse gewöhnlich die, daß das, was Männer tun, denken und empfinden, »natürlich« ist; daß Frauen, wenn sie keine »Komplexe« hätten, »wie Männer< wären. Darum ist man seit der »sexuellen Revolution« fast global davon ausgegangen, daß Frauen ihre Werte und ihr Sexualverhalten ändern würden - und sollten - um mehr wie Männer zu sein; d. h. daß sie mehr vor- und außerehelichen Sex haben und ihn nicht als so bedeutungsvoll betrachten würden. Dieses Denken basiert auf der Annahme, daß das »männliche« System biologisch bedingt und das »weibliche« System »akkulturiert« ist - daß Frauen »gehemmt« sind, weil sie Angst haben, schwanger zu werden, wozu noch andere, historische, Ursachen kommen.

Aber gibt es irgendeinen logischen Grund zu glauben, daß Promiskuität »natürlich« ist? (Schließlich werden Männer gelehrt, »wild auf Sex« zu sein.) Selbst wenn es »natürlich< sein sollte (um das als reine Hypothese in die Diskussion einzubringen), »Sex« höher zu stellen als innige Liebe (und den Wunsch nach Monogamie), wäre das ein Wertesystem, das die meisten Frauen nicht übernehmen wollten. Die meisten Frauen würden hier sagen, die Männer müßten sich ändern und allmählich den Zusammenhang von Sex und Gefühl begreifen und auch, daß Leib und Seele vielleicht doch nicht getrennt sind.

War die »sexuelle Revolution« falsch?  ***71-10-11***
Oder ist es die »männliche« Ideologie
und deren doppelte Moral, die sie falsch werden ließ?

Sind sich Jungen dadurch entfremdet,
daß man sie gelehrt hat, Mädchen als »Nummern« zu betrachten?
Durch die Playboy-Mentalität?

Die »männliche« Ideologie bringt Jungen bei, daß sie zum Mann werden, wenn sie zum erstenmal eine Frau »haben« - d. h. Geschlechtsverkehr mit einer Frau haben/sie penetrieren -, und daß ein Mann desto mehr Mann bleibt, je öfter er dies tut. Andere Glaubenssätze des »männlichen« Credo lauten: »je mehr Sex, desto besser«, »Häufiger Partnerwechsel ist natürlich«, »Die Natur hat es so eingerichtet, daß Männer so viele Frauen wie möglich schwängern wollen« usw. Die logische Folge dieser Einstellung (für die »eine kriegen« - d. h. penetrieren - immer noch gleichbedeutend ist mit »Punkte sammeln«) ist die Auffassung, daß alle Frauen »einen Mann wollen«, ihn »sich angeln« ihn »zur Ehe ködern« möchten. Und so läuft, obwohl es nie zugegeben wird, zwangsläufig ein bestimmtes Spielchen ab. Er versucht, »eine zu kriegen«, sie versucht, ihn dazu zu bekommen, daß er »sie mag« - und er flieht, als wäre »Mögen« ein schlimmeres Los als der Tod.
Die »männliche« Philosophie tendiert dazu, Sex als schlichtes biologisches Vergnügen zu betrachten, ja diese Sicht zur alleingültigen zu erheben. Männer haben einen enormen Druck auf Frauen ausgeübt, »Sex« mit ihnen zu haben. Die meisten Frauen finden diesen Druck und diese Philosophie mechanisch und unsensibel, finden, daß Erotik und sinnliche Interaktion dadurch fast unmöglich werden. Männer haben Frauen, die »nein< zum Sex ohne Gefühl sagen, »verklemmt« oder »prüde« genannt (in den sechziger Jahren) bzw. »männerfeindlich« (in den siebziger und achtziger Jahren). Diese Theorien haben selbst in »seriöse« wissenschaftliche Zeitschriften Eingang gefunden nämlich daß Frauen im Lauf der Geschichte durch >Gehirnwäsche« dazu gebracht wurden, »anständige Mädchen« zu sein, und deshalb Angst davor haben, den Sex zu mögen, vor allem Sex ohne Liebe »wie es Männer (auf ihre erwachsenere Art?) tun. < Statt die Philosophie der Frauen als genauso gültig zu betrachten wie ihre eigene - Gegenstand der Forschung oder der philosophischen Debatte zwischen zwei gleichberechtigten, aber voneinander verschiedenen kulturellen Richtungen, nachdenkens- und analysierenswert - machen viele Männer den Frauenstandpunkt lächerlich, indem sie ihn im Gespräch und in Artikeln für unsinnig erklären. Ob sich dieses Verhalten durch die Möglichkeit, sich mit AIDS zu infizieren, ändern wird, bleibt abzuwarten; die Forschungsarbeit von 1987 im Zusammenhang mit dieser Untersuchung zeigt eine verblüffende Apathie, was Verhaltensänderungen betrifft - obwohl alle der Meinung sind, daß es »eigentlich« sein müßte.

Woher kommt die doppelte Moral?
Adam und Eva als frühe Propaganda

Warum muß die »männliche« Ideologie einen solchen Fetisch aus der Geschlechtertrennung machen? Viele Theoretikerinnen und Theoretiker haben darauf hingewiesen, daß die Männer offensichtlich nur durch Kontrolle über weibliche Sexualität und Fortpflanzung die männliche Erbfolge etablieren und dadurch eine von Männern beherrschte Gesellschaft schaffen konnten. Ohne strikte (vor allem für Frauen gültige) Regeln und Bestimmungen hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Verhaltens konnten die Männer nicht sicher sein, daß die Kinder, die die Frauen austrugen, ihre eigenen waren, und konnten sie nicht als ihr Eigentum beanspruchen und Rechte über sie haben. Deshalb ist eine so kontinuierliche kulturelle Bekräftigung dessen, »was Sexualität ist«, notwendig. (Ist es möglich, daß die Geschlechtertrennung nicht immer das fundamentale Prinzip der Gesellschaft war - oder daß die Geschlechter nicht immer so definiert wurden wie heute?)
Man kann die Geschichte von Adam und Eva auch anders interpretieren als es die meisten Historiker tun. Könnte es nicht sein, daß eine der Botschaften dieser Geschichte - eine Botschaft, die heute nicht mehr gesehen wird, aber früher völlig klar war - darin bestand, die Aufmerksamkeit auf die Geschlechtertrennung als fundamentales Prinzip einer neuen Gesellschaftsordnung zu lenken und die wesentlichen »Eigenschaften« dieser beiden »ersten Menschen« als prototypisch für die künftige Gesellschaft zu konstituieren? Diese Eigenschaften waren damals vielleicht noch nicht der Standard für die zwei Geschlechter. Jedenfalls sind Adam und Eva gewiß das früheste bekannte Symbol für die doppelte Moral und die negative Einstellung gegenüber Frauen im westlichen Denken. ***71-10-12***

Bilder und Symbole von Adam und Eva werden nach wie vor in der Werbung und im Design verwendet, tauchen ständig in unserer Umgebung auf und »gemahnen« uns an Evas »Verderbtheit«, die zum »Sündenfall« führte, zur Vertreibung aus dem Garten Eden. Frauen waren angeblich für die »Erbsünde« verantwortlich, und wir werden nach wie vor an unsere »Urnatur« erinnert - und somit aufgefordert, uns noch mehr anzustrengen, »gut« zu sein, zu beweisen, daß wir »vertrauenswürdig« sind, damit wir von der Gesellschaft akzeptiert werden, geliebt werden können. Es nimmt nicht wunder, daß etwas, das in der westlichen, patriarchalischen Tradition so fest verwurzelt war wie die Dichotomie zwischen »guten« und »bösen« Frauen ***71-10-13*** in den zwanzig Jahren nicht beendet werden konnte, in denen Frauen die männliche Vorherrschaft in Frage gestellt haben. Auch die hundert Jahre seit der Abschaffung des Eigentumsrechts von Ehemännern und Vätern an Frauen haben nichts daran geändert, weil diese Dichotomie - für die es bei Männern natürlich kein Pendant gibt uralte Wurzeln hat, die tief in die Fundamente unserer Kultur hinabreichen.

Stellt die neue religiöse Erweckungsbewegung
in den Vereinigten Staaten die doppelte Moral in Frage?

Hat die neue religiöse Erweckungsbewegung etwas gegen die weitverbreitete Akzeptanz der männlichen Doppelmoral ausrichten können? Kaum. Diese Bewegung übt großen Druck auf Frauen aus, ihren natürlichen Kinderwunsch zu »realisieren«, Mutter zu sein und den Bedürfnissen der Kinder und des Vaters Vorrang zu geben. Unverheiratete Frauen und Mütter werden dazu aufgefordert, ihre Gründe für die Ehelosigkeit zu überdenken und auf die zu hören, die besser wissen als sie, was »richtig« ist im Leben. Außerdem erwartet die religiöse Variante der »männlichen« Ideologie gewöhnlich von Frauen, daß sie in der Ehe und in Liebesbeziehungen Opfer bringen (an Männer wird dieses Ansinnen fast nie gestellt).

Die doppelte Moral hat zwei Seiten: die Playboy-Variante - »alle Frauen sind für den Sex da, also nehmen wir sie« - und die religiöse Variante - »alle Frauen sollen Hausfrauen und Mütter sein«. Mit anderen Worten, die doppelte Moral ist ein fester Bestandteil der »männlichen« Ideologie, die in sämtliche Bereiche unseres Lebens hineinspielt. Und deshalb ist sie auch nicht mit der »sexuellen Revolution« verschwunden, ja nicht einmal mit den Fortschritten, die die Frauenbewegung gemacht hat. ***71-10-14***

Außerdem hat die »Wiedergeburts«-Bewegung, obwohl sie die Playboy-Mentalität gewiß nicht gutheißt, sehr wenig dafür getan, Jungen dazu anzuhalten, Mädchen weder als »Sexobjekte« zu sehen noch als »Mütter« - d. h. als Dienstleistungspersonen - zumal im Vergleich mit der massiven Propaganda, mit der Frauen eingedeckt werden in bezug auf die Betonung der Werte der Mutterschaft und der Unterordnung unter die Familie. Die meisten Richtungen der religiösen Erweckungsbewegung stellen unmißverständlich klar, daß Mann und Frau zwar ein Team sind, aber der Mann letztlich die Führung innehaben muß - auf traditionell-patriarchalische Weise. Wie es Jerry Falwell 1986 im Fernsehen formulierte: »Der Mann ist der spirituelle Born der Familie - der Führer.« Mit anderen Worten, die »gute alte Zeit« wieder anzustreben bedeutet nichts weiter als jene Zeit der Ungleichheit und der Unterdrückung fortzusetzen, zu der Frauen Alternativen gesucht und der zu entrinnen Frauen gekämpft haben.
Trotzdem kann eine familienorientierte Philosophie, auch wenn sie sich auf hierarchische Strukturen gründet, von einer Frau, die aus der Single-Szene der »sexuellen Revolution« kommt, in der Sex als biologischer Drang betrachtet wird, den weder zwischenmenschliche Beziehungen noch ein Moralkodex hemmen dürfen, durchaus als Verbesserung aufgefaßt werden. So erstaunt es nicht, daß Frauen zu einem großen Teil das Rückgrat der konservativen religiösen Bewegung bilden und mit ihrer Energie - unbezahlte Büroarbeit, Organisationstätigkeit, Kirchenbesuch, Beschaffung von Geldmitteln - zu einem ebenso großen Teil deren treibende Kraft sind. Viele Frauen mögen die Kirche, weil sie sie bei ihrem Kampf um die Erhaltung des Familienwertesystems ***71-10-15*** unterstützt - d. h. sie unterstützt sie, solange sie im Haus bleiben oder ihre häuslichen Aufgaben wenigstens erst dann mit dem Beruf kombinieren, wenn die Kinder zur Schule gehen. Frauen mit Kleinkindern, die gern außer Hauses arbeiten würden, bekommen manchmal das Gefühl vermittelt, sie sollten sich schämen, wenn sie sich »vor ihrer Verantwortung drücken« wollen. Es hat einen gewissen Reiz, wenn von seiten mancher Männer der Wunsch vertreten wird, die Tradition der »Familienwerte«, der humanen Werte, fortzuführen. Wenn diese Männer nur lernen würden, diese Werte nicht vom zweitrangigen Status der Frau, von der Unterwürfigkeit der Frau abhängig zu machen - und von ihrer eigenen Dominanz!

Was ist Sexualität?
Entwicklung eines neuen Konzepts
von Sexualität

Wie war die weibliche Sexualität ursprünglich beschaffen?

Wie sähe weibliche Sexualität aus, wenn es keine Gesellschaft gäbe, die sie formt? Die Frauen im ersten Hite Report sagten mit großer Bestimmtheit, daß Frauen das Recht haben, Sexualität »umzudefinieren« ***71-10-16***, sie individuell neu zu gestalten; daß wir das Recht haben, »nein« zum Sex zu sagen, und daß wir vielleicht noch nicht richtig wissen, was »weibliche Sexualität« überhaupt ist.

Ist Sex grundsätzlich »Geschlechtsverkehr« - oder eine individuelle Ausdrucksform von Aktivitäten? Der Hite Report über weibliche Sexualität plädierte 1976 dafür, Sexualität umzudefinieren - sowohl die körperlichen »Akte«, die wir als »Sex« bezeichnen, als auch die kulturelle Atmosphäre, die den »Sex« umgibt. Der Begriff Sex könnte von einem individuellen Vokabular für Aktivitäten abgelöst werden, das zeigt, wie wir zu einer bestimmten Zeit bestimmte Gefühle und ihre Bedeutung ausdrücken wollen - Aktivitäten bezeichnend, die nicht immer und unweigerlich heißen müssen: »Vorspiel«, gefolgt von »vaginaler Penetration« (warum nicht: Penisumhüllung) und Geschlechtsverkehr, der mit dem männlichen Orgasmus endet.

Die jüdisch-christliche Tradition hatte eine sehr engstirnige Vorstellung von »Sexualität« und bezog sich dabei hauptsächlich auf die Fortpflanzung. Sie legte in der Bibel, in rabbinischen Schriften und päpstlichen Enzykliken nieder, wie oft man Koitus haben soll, wann, mit wem usw., und vermittelte so gewiß den Eindruck, der Koitus sei der zentrale Akt des »Sex« - der zentrale Verbindungspunkt, der Nexus zwischen den zwei Geschlechtern, ihre wichtigste Beziehung. Interessanterweise spricht die Bibel nicht vom weiblichen Orgasmus, sondern bloß vom männlichen. Liegt das daran, daß zu Schwangerschaft und Fortpflanzung nur der männliche Orgasmus nötig ist?

Die Umdefinierung von Sex:
ein individuelles Vokabular könnte entstehen

Frauen können sehr wohl großen Gefallen haben (siehe Hite Report I) am Geschlechtsverkehr mit Männern, mit denen sie ihn wollen, ob sie dabei orgasmen oder nicht - aber die Vorstellung, daß man Geschlechtsverkehr haben muß, daß dies eine zwangsläufige Aktivität ist, wenn man eine Person liebkost, ist dem spontanen Ausdruck oder der Freiheit des Begehrens, einer offenen Weise, Gefühle in Taten umzusetzen, nicht gerade förderlich. Und solange die »männliche« Ideologie Bestand hat und Frauen als »Punkte« gezählt oder als Mütter betrachtet werden, wird sich die Atmosphäre, die die körperliche Lust umgibt, nicht ändern, wird es uns verwehrt sein, neue Arten von Sexualität zu entdecken, zu fühlen, zu gestalten - Arten, die die ganze Fülle und Großartigkeit dessen feiern, was »weibliche Sexualität« und »männliche Sexualität« sein können.
Wir haben den Sex noch nicht genügend umdefiniert, um ihn individuell neu definieren zu können - oder liegt es daran, daß wir die gesellschaftlichen Bedingungen noch nicht genügend verändert haben, um uns zu einer solchen Neudefinition in der Lage zu sehen.

Wie es im Hite Report über weibliche Sexualität zusammenfassend heißt: »Obwohl wir dazu neigen, >Sex< als festgelegte Struktur, als Komplex von Handlungen zu betrachten (im wesentlichen als eine Funktion der Fortpflanzung), müssen wir uns nicht auf diese Weise einschränken... Unsere Definition des Begriffs Sex gehört einer vergangenen oder gerade vergehenden Weltanschauung an. Sexualität und sexuelle Beziehungen werden nicht mehr wie früher vom Besitzrecht bestimmt, Kinder stehen nicht mehr im Mittelpunkt staatlicher oder individueller Macht. Obgleich alle unsere sozialen Institutionen immer noch auf hierarchischen und patriarchalischen Formen beruhen, ist doch das Patriarchat als Lebensform endgültig tot und damit die von ihm bestimmte Sexualität. Wir befinden uns in einer Obergangsphase, von der wir nicht genau wissen, wohin sie führt.« ***71-10-17***

Können Frauen den Sex jetzt zu ihren Bedingungen bestimmen?

Wenn wir unseren Körper gut genug kennen, um zu wissen, wie wir zum Orgasmus kommen können, und uns nicht scheuen, das den Männern mitzuteilen, dann ist das eine »sexuelle Revolution« - und es ist tatsächlich eine gewaltige Veränderung, wenn man es mit der Zeit vergleicht, in der die Frau nach dem Sex ins Bad gehen und die Tür abschließen mußte, wenn sie masturbieren wollte. Dennoch bleibt weiterhin die Tatsache bestehen, daß fast jeder Mann, mit dem eine Frau Sex hat, auch weiterhin erwartet, daß beim Sex Penetration und Geschlechtsverkehr im Mittelpunkt stehen - fast so, als sei dies sein »verbrieftes Recht«. Obwohl viele Männer inzwischen das Bedürfnis der meisten Frauen nach klitoraler Stimulierung begreifen, betrachten die meisten Männer Penetration und Geschlechtsverkehr nach wie vor als die »einzig wahre« Definition von Sex. Das soll nicht heißen, daß Frauen keine Freude an diesen Aktivitäten hätten, sondern daß ihre starke Betonung, ihre Glorifizierung vor allen anderen von seiten der Gesellschaft ebenso eine Sache der Ideologie wie des körperlichen Verlangens ist.

Fortdauernde Kontroversen über den weiblichen Orgasmus

Hat es für Frauen in den letzten Jahren nicht doch durchgreifende Veränderungen in ihrer Sexualität gegeben? Was die Sti-ulierung, zum Orgasmus betrifft, kann man das bis zu einem gewissen Grad bejahen. Daß die meisten Frauen klitorale oder äußerliche (nicht vaginale) Stimulierung brauchen, um zu orgasmen, wie im ersten Hite Report belegt wurde, ist nun weitgehend von Frauen (auch von Gynäkologen und Eheberatern) akzeptiert - das gilt für die Vereinigten Staaten wie für viele andere Länder.
Schon in den fünfziger Jahren wurde die Frage gestellt, ob Geschlechtsverkehr allein bei den meisten Frauen zum Orgasmus führt; das gilt insbesondere für Albert Ellis' Aufsatz »Ist der vaginale Orgasmus ein Mythos?« ***71-10-18*** Eine Pionierin war auch Ann Koedt, die 1970 »Der Mythos vom vaginalen Orgasmus« schrieb, eine Abhandlung, die später in dem Sammelwerk Radical Feminism ***71-10-19*** veröffentlicht wurde. In der Bundesrepublik publizierte Alice Schwarzer Der kleine Unterschied ***71-10-20***, ein Buch, in dem sie ebenfalls die Vorstellung attackierte, daß Frauen durch einfache vaginale Penetration orgasmen sollen.
1973 veröffentlichte Leah Schaefer Tiefeninterviews mit dreißig Frauen über deren sexuelle Gefühle, die zeigten, daß es für Frauen eher normal als »anormal« ist, durch Koitus allein nicht zu orgasmen. In einer 1972 publizierten psychologischen Studie stellte Seymour Fisher fest (bezeichnete es allerdings nicht als »normal«), daß zwei Drittel der Frauen in seiner Untersuchung sagten, durch einfachen Koitus könnten sie nicht orgasmen (obwohl sie es auf andere Weise konnten), während ein Drittel der, Frauen es konnte. Fisher versuchte, diese »Orgasmusfähigkeit« damit in Verbindung zu bringen, ob die Frauen von ihren Vätern ganz allgemein zur Leistung ermutigt worden waren oder nicht, da das die einzige Korrelation war, die er fand. Und schließlich zog Helen Singer Kaplan 1974 in Tlie New Sex Therapy+++ ebenfalls in Zweifel, daß es richtig ist, die große Zahl von Frauen, die durch Koitus allein nicht orgasmen (aber auf andere Weise) als »anormal« abzustempeln.

Der erste Hite Report, dessen Forschungen zwischen 1971 und 1976 durchgeführt wurden und an dem 3500 Frauen teilnahmen,erbrachte,
daß zwei Drittel der Frauen durch einfachen Geschlechtsverkehr nicht, aber auf andere Weise leicht orgasmen. Auf Grund der Aussagen dieser Frauen wurde die in unserer Kultur gängige Definition von »Sex< als biologischer Gegebenheit in Frage gestellt. Der Hite Report dokumentierte außerdem die vielen Methoden, mit denen Frauen bei Selbststimulierung (Masturbation) leicht zum Orgasmus kommen können, und postulierte, sie sollten in die Definition von »Sex« einbezogen und als genauso wichtig und erregend betrachtet werden wie die Aktivitäten, die zum männlichen Orgasmus führen.
Es ist erstaunlich, daß Masters und Johnson selbst heute noch Frauen eine »sexuelle Dysfunktion« zuschreiben, wenn sie bei einfacher »vaginaler Penetration« nicht orgasmen, aber auf andere Weise leicht orgasmen können. Obwohl sie feststellen, klitorale Stimulierung sei wichtig für den weiblichen Orgasmus, glauben sie, eine »normale« Frau müsse durch Geschlechtsverkehr allein genug »indirekte« klitorale Stimulierung bekommen, um zu orgasmen. Sie meinen, manuelle Stimulierung sollte nicht nötig sein. ***71-10-21*** Dies sagen sie angesichts des Beweismaterials im Hite Report ***71-10-22*** und in anderen Untersuchungen, angesichts von Daten, die eindeutig zeigen, daß der einfache Geschlechtsverkehr den meisten Frauen nicht genug Stimulierung bietet, um zu orgasmen. Tatsächlich ist es sinnlos, Frauen je nachdem, ob sie durch »vaginale Stimulierung« oder »klitorale Stimulierung« orgasmen, als »normal« oder »anormal« zu bezeichnen.

Es ist interessant, darüber zu spekulieren, warum sich Kinsey nicht näher mit diesem Thema befaßte, da doch schon seit geraumer Zeit bekannt ist, daß Frauen beim Sex - d. h. beim Geschlechtsverkehr - »Orgasmusschwierigkeiten« haben und viel leichter durch klitorale Stimulierung oder Masturbation orgasmen können. Aber abgesehen von zwei oder drei indirekten Sätzen ging Kinsey nicht auf das Thema ein. In seiner Privatkorrespondenz soll er die Frage jedoch diskutiert haben; er soll auch geglaubt haben, daß klitorale Stimulierung mit der Hand oder mit dem Mund für Frauen der bei weitem leichteste Weg zu orgasmen ist. ***71-10-23*** Mit anderen Worten: »Obwohl das >Problem< seit einiger Zeit bekannt ist, wurde das ideologische Mißverständnis der weiblichen Sexualität erst durch den Hite Report ans Licht gebracht und auf der Grundlage wissenschaftlich gesicherten Materials unter besonderer Berücksichtigung der Kultur analysiert«, so William Granzig, der ehemalige Vorsitzende der American Association of Sex Educators, Counselors and Therapists.
Die besten Informationen, die hier in letzter Zeit vorgelegt wurden, sind die anatomischen Zeichnungen der Illustratorin Suzanne Gage, die detailliert das innere Klitorissystem zeigen. Man kann die Anatomie der weiblichen Sexualität dank dieser Zeichnungen viel besser begreifen. Freud hätte das sicher zu schätzen gewußt; wie er sagte, würden sich all seine Theorien über weibliche Sexualität vielleicht als falsch erweisen, weil die innere Anatomie der weiblichen Geschlechtsorgane zu seiner Zeit noch nicht bekannt war. Wir lernen auch heute noch dazu, was diese innere Anatomie betrifft. Die Gage-Zeichnungen finden sich in A New View of a Woman's Body, der gegenwärtig besten Informationsquelle.

Eine sechsundzwanzigjährige Frau schildert den Kampf, der in ihrer Beziehung stattfindet und bei dem es um die Neudefinition von Sexualität und den damit verbundenen Gefühlen geht:

»Meine Wut auf ihn hat sehr früh eingesetzt, schon beim ersten Geschlechtsverkehr. Zum einen wollte ich in dem Moment keinen Sex und hatte das Gefühl, daß er das einfach ignorierte in seinem typisch männlichen, intensiven Verlangen, >den Akt zu vollziehen<, als würde das auch ohne meine Kooperation ein Paar aus uns machen. Zum andern mochte ich die Grobheit des Fickens nicht. Mir gefiel nicht sein ausschließliches Interesse für den Akt, bei dem ich keine Lust empfand, keinen Orgasmus hatte, und daß er auf mir einschlief und kolossal mit sich zufrieden war. Ich glaube, für ihn ist es viel lustvoller als für mich, und das ganze System ist darauf ausgerichtet, daß man so tut, als wäre Ficken der Inbegriff von Sexualität. Ich meine daher, der Sex ist unser größtes Problem.
Ich habe ihm gesagt, daß ich normalerweise durch Geschlechtsverkehr nicht orgasme, und wenn doch, dann ist es nicht so intensiv und befriedigend wie ein klitoraler Orgasmus. Ich sage ihm das schon seit zwei Jahren. Er möchte heute noch glauben, das sei nur. ein vorübergehender Zustand - denn sonst, sagt er, geht für ihn irgendwas kaputt. Er hat immer davon geträumt, eine Frau zu finden, die auf ihn anspricht, auf seinen Penis. Er sagt, das würde das pornographische, sadistische Bild vom Mann als dem, der nimmt, aufheben und ihn zum Gebenden machen.
Er hat nie richtig akzeptiert, daß meine Klitoris für mich der Ursprung der vollkommenen Befriedigung ist, unbeschadet dessen, was für wunderbare Gefühle meine Vagina mir gibt. Es fällt mir schwer, meine Sexualität zu genießen, wenn er sie als traurigen Witz für Männer begreift. Merkwürdig, jetzt verstehe ich Freud erst richtig. Es muß traurig gewesen sein für diesen phallozentrischen, viktorianischen Mann zu erkennen, daß sein Penis nur für ihn zählte - er wollte, daß er das sexuelle Instrument »par excellence« sein sollte. Ausgreifend, verwandelnd. Auch meinen Bruder, der achtzehn ist, machte es traurig zu erkennen, daß sein Penis einer Frau nicht soviel Lust bereiten kann wie ihm selbst. Ich meine, wirklich traurig - in dem Sinn: Was soll es dann überhaupt?
Ich versuche, meinem Liebhaber klarzumachen, daß es mich nicht stören würde - daß ich überglücklich wäre, auf diese Weise zu geben - wenn er meine Sexualität so akzeptieren würde, wie sie ist. Ich habe mich hinsichtlich dessen, was für mich am besten ist, nie von ihm akzeptiert gefühlt; wir mißverstehen uns ständig und versuchen, das Unmögliche zu schaffen. Und was mich sauer macht dabei, ist, daß er kommt und ich nicht. Ich habe Schuldgefühle, weil ich beim Ficken nicht komme. Ich habe Angst, daß er mich wegen einer verläßt, die so tut, als käme sie beim Ficken, die lügt oder es nicht besser weiß. Er hat Schuldgefühle, weil er von einer Frau angetörnt werden will, die wirklich gern fickt. Merkwürdig, beim Ficken törnt mich am meisten an, daß es so schön für ihn ist. Manchmal bin ich traurig, weil wir solche Schwierigkeiten haben.
Lange Zeit konnte kein Maß an Aufmerksamkeit, das er nach dem Geschlechtsverkehr meiner Klitoris widmete (vor dem Geschlechtsverkehr hielt sich das immer in Grenzen, weil er mit dem Ficken anfangen wollte), einen Ausgleich für die Intensität bieten, mit der er vaginale Stimulierung betrieb. Das machte ihm offensichtlich viel mehr Spaß. Ich bekam allmählich das Gefühl, daß ich für die Lust des Mannes eine Vagina hatte, nicht für meine. Es war zum Teil eine Reaktion in dem Sinn >Wenn du dich nicht an meine Regeln hältst, spiele ich nicht mehr mit<, aber das wurde noch schlimmer, weil er annahm, daß die Vagina für uns beide da ist, daß vaginale und klitorale Stimulierung austauschbar sind, daß die Klitoris dazu da ist, mit dem >richtigen< Sex anzufangen oder aufzuhören, aber nicht für den Sex an sich.
Ich hatte auch starke Schmerzen in den ersten Monaten unserer Beziehung. Wir hatten oft Sex, und ich war ständig wund, bekam einen Pilz in der Vagina und eine Blasenentzündung (beides heilte schließlich). Mein Liebhaber ignorierte die Verletzlichkeit meiner Organe (im Gegensatz zu seinen), es scheint ihm heute noch angst zu machen, nur daran zu denken.
Ich frage mich, ob es Frauen gibt, die einen Mann aktiv mit ihrer Vagina ficken. Ich würde Frauen gern fragen, wie sie mit Männern leben und ob sie den Sex genießen, bis ich Antworten kriege, die diesen Namen verdienen. Ich habe mit zwei, drei Frauen darüber gesprochen, daß ich beim Geschlechtsverkehr nicht komme - daß es mich sauer macht, daß Männer beim Sex so zuverlässig Lust empfinden und wir nicht. Meistens vermitteln mir Frauen den Eindruck, daß das zu den Dingen gehört, mit denen zu leben sie gelernt haben. Doch eine Frau, mit der ich gesprochen habe, hat beim Sex anscheinend eine große Vertrautheit mit ihrem Freund und findet, es steht ihr frei, keinen Sex mit ihm zu haben - je nachdem, wie die emotionale Situation ist. Eine andere Frau, mit der ich gesprochen habe, hat die Männer als Liebhaber aufgegeben, obwohl sie ab und zu mal einen für eine Nacht hat das heißt, sie hat die Männer emotional aufgegeben, was für mich bedeutet, daß sie irgendwo die Nase voll haben muß.«

Eine andere Möglichkeit, unsere Frage zu klären, »Was kann Sexualität/Lust für Frauen sein?« ist, zu untersuchen, wie Sex von Frauen in lesbischen Beziehungen verstanden/definiert/gestaltet wird. Siehe IV. Teil.

Haben Männer wirklich soviel Freude an Sexualität,
wie sie sie definieren? ***71-10-24***

Es scheint zwar so offenkundig zu sein, aber wissen wir wirklich, was »männliche Sexualität« ist? Schließlich läßt es sich ja nicht genau in Erfahrung bringen, wieviel von dem, was wir Männer tun sehen, »natürliche« »männliche Sexualität« ist und wieviel erlerntes oder verstärktes Verhalten.
Die gegenwärtige Definition von »männlicher Sexualität« (triebhaftes Verlangen nach »Penetration«) ist eine kulturelle Übertreibung. »Männliche Sexualität« beinhaltet mit Sicherheit ein wesentlich breiteres, vielfältigeres Spektrum von körperlichen Empfindungen - wie es Männer im Hite Report II beschrieben haben. Wir wissen kaum, was »männliche Sexualität« ist, weil die Kultur sie so eng gefaßt hat.
Überraschenderweise ist die Definition von »Sexualität«, die die »männliche« Ideologie bietet, bei näherer Betrachtung durchaus negativ. Das ist überraschend insofern, als man oft glaubt, Männer seien »pro«, also für den Sex, Frauen dagegen »anti«. In Wirklichkeit haben Frauen mehr für Sinnlichkeit übrig. Die meisten Frauen haben ein sehr viel umfassenderes Konzept von Sexualität als jenes Fortpflanzungsmodell, das für »natürlich« zu halten wir gelernt haben, während die »männliche« Ideologie Sexualität im wesentlichen als »Körperfunktion« sieht, als Trieb, als »animalisches Gefühl« - das »Gegenstück« zum spirituellen Gefühl. In diesem Wertesystem ist das »animalische Gefühl« irgendwie nicht respektabel, etwas »Seelenloses« (der frühen christlichen Tradition zufolge hatten Tiere keine Seele), primitives »tierisches Verhalten«. Es soll hier zwar gewiß nicht behauptet werden, Sex müsse immer »lieb« sein, leidenschaftslos. Aber eine völlig vom Gefühl abgeschnittene Sexualität - Sex als etwas »Untermenschliches«, das Tiere tun (die keine Gefühle haben?) und weshalb sie nicht unserem menschlichen Bereich angehören, keine vollständige Persönlichkeit haben - das ist eine ziemlich seltsame Definition von Sexualität und wohl nicht die erotischste, die wir uns vorstellen können.

»Penetration sollte für Männer nicht nur etwas Physisches sein, sondern etwas Emotionales ...«

Ein Aspekt der doppelten Moral, der nicht oft zur Sprache kommt, ist der möglicherweise zu Entfremdungsgefühlen führende Druck auf Mäniier, häufig Sex zu haben und die Welt in extrem parzellierten sexuellen Kategorien zu betrachten und zu erfassen. Tatsächlich beraubt die »männliche« Ideologie Männer der Möglichkeit, die Liebe zu genießen, denn sie warnt sie davor, leidenschaftliche Anziehung mit »Liebe« zu »verwechseln«, warnt sie vor echter Nähe, sagt »Frauen kann man nicht trauen«, »Laß dich nicht von deinem Geschlechtstrieb verwirren« usw. - verfügt, daß ein »richtiger« Mann »unabhängig« sein, so lange wie möglich »frei« und unverheiratet bleiben, aufpassen soll, daß er nicht »angebunden« wird. »Richtige« Männer müssen Sex mit möglichst vielen Frauen haben wollen und haben, und das so oft wie möglich. »Richtige« Männer verlieben sich nicht Hals über Kopf. Das Resultat dieser Dressur von Männern auf Gefühlskontrolle ist, daß viele von ihnen ihren tiefsten Gefühlen entfremdet werden.

Die »Neugestaltung« der »männlichen Sexualität« wurde im Hite Report II diskutiert. Viele Männer schienen im Grunde ihres Herzens den Eindruck zu haben, daß sie irgendwie zu kurz kämen - daß sie, egal wieviel Sex sie hatten, irgendwo unbefriedigt blieben. Und dennoch ist das, was unsere Kultur Männer gelehrt hat, so stark, daß sich nur wenige Männer darüber hinwegsetzen konnten, um sich eine eigene, persönliche Sexualität zu schaffen bzw. die doppelte Moral zu überwinden. Doch eine neue Sexualität und eine neue Identität sind für Männer sicher möglich.

Damit soll die tratitionelle »Lust« der Männer keineswegs herabgesetzt, sondern neu definiert werden: »Leidenschaft gehört zum Schönsten an der Sinnlichkeit - das sehnliche Verlangen zu besitzen, zu nehmen, hinzureißen und hingerissen zu werden, zu penetrieren und penetriert zu werden. Aber ist körperliche Liebe wahre Liebe? Liebe ist Fürsorge, ja, aber sie ist auch Leidenschaft und Begierde, der Wunsch, anderen Menschen zu gehören, sich mit ihnen zu verschmelzen, in ihnen zu sein. Ein Teil der Liebe ist reines Körpergefühl nicht nur das Verlangen, Orgasmus und >Sex< zu haben, sondern eng aneinanderzuliegen, wenn man schläft, den Atem des anderen zu atmen, Brust an Brust (und Seele an Seele), nah, so nah wie möglich; dazuliegen und den anderen im Schlaf atmen zu hören, der Atem streicht über deine Wange und vermischt sich mit deinem; du riechst den anderen Körper, liebkost den Mund mit deiner Zunge, als sei es dein eigener Mund, den Geruch und Geschmack seiner Genitalien zu kennen. Was ist Liebe? Liebe ist Reden und Verstehen und Sich-aufeinanderVerlassen, Liebe ist auch die tiefste Verschmelzung von Körpern. Irgendwie ist die Körpererinnerung an einen geliebten Menschen stärker und nachhaltiger als alle anderen Erinnerungen.« ***71-10-25***

Auf dem Weg zu einer neuen Sexualität:
Die Wiedervereinigung von Sexualität und Spiritualität

In der traditionellen (»männlichen«) Philosophie und Religion des Westens ist der Körper als abgetrennt von Geist und Seele betrachtet worden, und infolgedessen wurde der Sex ebenso aus dem Zusammenhang gerissen (außer dem der Eroberung und Fortpflanzung?), seine Bedeutung herausgenommen aus dem wechselseitigen Ausdruck der Gefühle, vom Rest des Lebens abgeschnitten.

Für die meisten Frauen gibt es diese Aufspaltung in Leib und Seele jedoch kaum; für sie sind beide eine Einheit, ist der Sex nicht von der Emotion zu trennen. Eine Frau beschreibt die Liebe: »Liebe ist das ersehnte Gefühl der Einheit, der Seligkeit, der Erfüllung. Ein starkes Gefühl, das man von Anfang an für jemanden empfindet - ein Gefühl des Wohl-Seins durch und durch. Sexuelle Leidenschaft und die Sehnsucht nach einer Beziehung sind ununterscheidbar.« Und eine andere sagt: »Am nächsten fühle ich mich ihr, wenn wir uns geliebt haben, weil das ein Ausdruck all der wunderbaren und vertrauten Gefühle ist, die ich für sie empfinde. Wenn wir uns lieben, ist mir, als wären wir eins - ich weiß nicht, wo sie aufhört und wo ich anfange. Es ist ein >totales< Gefühl, es umfaßt meine Emotionen, meinen Geist und mein physisches Bewußtsein.«
Die meisten Frauen finden also, daß Leidenschaft nicht nur den Körper, sondern auch den Geist und die Emotionen in sich einbegreift; wenn sie von einer »leidenschaftlichen Verbindung« sprechen, meinen sie nicht nur die sexuelle Lust. Wie es eine Frau formuliert: »Es gibt leidenschaftliche und weniger leidenschaftliche Beziehungen. Die Leidenschaft liegt in jedem Stück Kennen der andern Person, nicht bloß im Sex.« Und viele Frauen, die im Zusammenhang mit »Verliebtheit« von leidenschaftlicher Anziehung sprechen, beziehen sich dabei auch auf transzendente oder spirituelle Gefühle.
Dies auf »sexuelle Lust« reduzieren zu wollen, kündet unter anderem von einem sprachlichen Problem, in dem sich die philosophischen Vorurteile der westlichen Geschichte widerspiegeln. Die Wörter, mit denen wir arbeiten müssen, sind »Lust«, »lieben«, »mögen«, »verliebt sein«. Aber empfinden Frauen in diesen abgegrenzten Kategorien? Oder beschreiben viele hier Leidenschaft als etwas intensiv Leibliches und Seelisches, das gleichzeitig erlebt wird - in einer Art ekstatischer Verschmelzung?

Einige feministische Philosophinnen ***71-10-26*** haben daran gezweifelt, daß die Auspaltung in Leib und Seele für Frauen je existiert hat. Mit Sicherheit geht aus der vorliegenden Untersuchung hervor, daß die meisten Frauen - obwohl sie den Unterschied natürlich kennen - keine solche Polarität empfinden. Frauen sehen und empfinden Dinge oft »holistisch«, d. h. eher ganzheitlich als dualistisch, wie es die »männliche« Ideologie tut. Und das trotz der Tatsache, daß wir überall von Bildern umgeben sind, die die Trennung der »männlichen« Ideologie zwischen sexueller und mütterlicher Liebe verstärken. Das zeigt sich besonders im Gegensatz Eva/Maria, der »bösen« und der »guten« Frau der jüdisch-christlichen Tradition. »Gute Frauen« sind Mütter, asexuell (wie Maria, die ein Kind gebar, ohne Sex gehabt zu haben), und »schlechte Frauen« sind sexuell und »lustbetont« (sie »essen vom Apfel der fleischlichen Erkenntnis« und »bringen Männer vom rechten Weg ab«). Solche Stereotype sind in populären Schlagworten und Motiven enthalten, und tatsächlich müssen, wie wir in dieser Untersuchung gesehen haben, Frauen - und sogar Mädchen auf der High School - immer noch ständig gegen die Auswirkungen dieser Stereotype kämpfen, da Jungen und Männer sie beim und nach dem Sex respektlos behandeln. Und obwohl Mädchen und Frauen diese Bilder vielleicht verinnerlichen und deshalb Identitätsprobleme bekommen, sich fragen, welcher »Typ« sie sind, bevor sie alt genug sind, um zu wissen, daß sie nicht zwischen vorgefertigten Stereotypen zu wählen brauchen, leisten sie nach wie vor Widerstand dagegen, ihre Definition von Leidenschaft aufzugeben.

Wie wir im I. Teil gesehen haben, meint die »männliche« Ideologie, daß das, was Männer tun, »Realität« ist, während das, was Frauen tun, »Rolle« ist. Wenn Frauen also Sex und Gefühl miteinander verbinden, ist das nach diesem Denkmodell »Rollenverhalten«, das man sie gelehrt hat und das sie ablegen sollten, nichts »Realistisches« oder »Natürliches«. »Natürlich« ist das, was Männer praktizieren - d. h. Sex haben, ohne es für nötig zu halten, Sex und Gefühl miteinander zu verbinden. Tatsächlich erfahren jedoch wohl die meisten Menschen (Männer ebenso wie Frauen) die leidenschaftliche Anziehung durch jemanden, das Verliebtsein als etwas Physisches und Emotionales obwohl die Männer (aber seit der »sexuellen Revolution« auch die Frauen) dazu aufgefordert werden, diese Gefühle als »rein körperlich«, »bloß sexuell« zu betrachten. Doch fast alle Frauen glauben nach wie vor, daß diese Gefühle der Anziehung physische und emotionale Elemente in sich einbegreifen und daß man sie nicht voneinander trennen kann. Das führt möglicherweise dazu, daß eine Frau einem Mann schon nach relativ kurzer Zeit sagt, sie sei zu einer emotionalen Beziehung bereit - während der Mann gewöhnlich länger braucht, um zu diesem Schluß zu kommen.

Ist es wirklich ein »moralistisches Relikt«, daß Frauen Sex und Gefühl miteinander verbinden - ein Relikt, das uns daran hindert, unseren durch Kultur und Religion »unterdrückten< »natürlichen Hedonismus« auszuleben? Oder ist es nicht vielmehr so, daß die Aufspaltung in Leib und Seele auf dem Gebiet der Liebe und des Sex menschlichen Gefühlen und menschlicher Erfahrung nie entsprochen hat? Schließlich sagen auch Männer, daß der Sex sehr viel besser ist, wenn sie jemanden lieben (siehe Hite Report II) - obwohl es sie weniger stört als Frauen, Sex ohne Gefühl zu haben.
Tatsächlich war die Sexualität in den frühesten Kulturen (vor dem »Garten Eden«) vermutlich nicht nur Individualverhalten, sondern fester Bestandteil der Spiritualität, der Religion, manchmal sogar Teil von religiösen Riten; man betrachtete die Fortpflanzung und die Gefühle, die zur Fortpflanzung führen, mit Recht als Teil des Mysteriums der Wiedergeburt des Lebens. Noch in griechischer Zeit waren die CTberbleibsel dieser frühen Religion, die »Mysterien«, mit sexuellen/religiösen Riten verbunden. Mit anderen Worten, die Sexualität hatte wahrscheinlich einmal eine religiöse Bedeutung, stand im Zusammenhang mit der Verehrung der Fortpflanzung, der Heiligkeit der Neuerschaffung des Lebens. ***71-10-27*** So gesehen hat der Widerstand der Frauen gegen die Trennung von Sex und Gefühl vielleicht eine ganz andere Tragweite, hat er Wurzeln in der fernen Vergangenheit - in einer anderen Philosophie. Und vielleicht kündigt er eine ganz andere Zukunft an.