Brasilien

Brasilianischer Feminismus im Überblick*

  • *Panorama do Feminismo no Brasil.
    Die erste Version wurde für UNIFEM geschrieben.
    Zuerst veröffentlicht in new left review 173, 1989; gekürzt.

Frauenbewegung und Feminismus als eine ihrer Varianten spiegeln die gesellschaftliche Situation der Frauen in Brasilien wider. Ihre Gemeinsamkeit als Frauen wird von der Ungleichheit ihrer Lebenszusammenhänge (wie Ethnie, soziale Schicht etc.) zerrissen. Die Heterogenität der Frauenbewegung verweist auf die Besonderheiten der brasilianischen Gesellschaft, ihren ausgeprägten Pluralismus und den politischen Kontext, in dem sie sich entwickelte. Ein wesentliches Charakteristikum dieser Gesellschaft ist die ungleiche Verteilung ihrer Ressourcen und Reichtümer. Dadurch konnte ein Sektor entstehen, der ökonomisch privilegiert und für kulturelle Neuerungen offen ist. Er konzentriert sich in großen Städten und verfügt über einen materiellen und kulturellen Lebensstandard, der dem jeder Großstadt in einem Industrieland vergleichbar ist. Auf der anderen Seite steht die große Mehrheit der Bevölkerung, Bewohner der städtischen Peripherien und der ländlichen Gebiete: sie ist ausgeschlossen von den Vorteilen dieses konzentrierten Wirtschaftswachstums.
So verschieden wie die Lebensverhältnisse sind die Forderungen. In den Randgebieten der Großstädte werden selbst die ursprünglichsten Grundbedürfnisse nicht gestillt: fließendes Wasser, Licht, Kanalisation, befestigte Straßen, Gesundheitsversorgung und Erziehung. Obwohl diese Bevölkerung von den Bequemlichkeiten, die eine Großstadt bietet, ausgeschlossen ist, ist sie doch ihrer Modernität ausgesetzt. Sie hat die Möglichkeit, von Dienstleistungen zu profitieren oder zumindest ihre Berücksichtigung einzufordern.
Das großstädtische Nebeneinander eines modernen Pols und einer Schicht, die Mangel am Notwendigsten leidet, verdeutlicht, wie komplex und heterogen die sozialen Anforderungen in diesem Land sind. Der Feminismus fand in der städtischen Mittelschicht die Vertreterinnen, die einer individualistischen Einstellung und zeitgemäßen Veränderungen mehr zugetan sind. Sie forderten die Politisierung des Privatbereichs und wollten die Voraussetzungen der Verhältnisse in der Familie, im Alltag und in den täglichen Umgangsformen neu überdenken und verändern.
Die politischen Ausrichtungen entspringen den grundverschiedenen ökonomischen Situationen. Für die Frauen der unteren Schichten hat ihre Rolle als Mutter und Hausfrau eine weit größere Bedeutung für ihr Selbstverständnis und ihre soziale Identität als die bezahlte Arbeit. Ihr Alltag wird von den häuslichen Aktivitäten geprägt, die stark an Nachbarschaftsbeziehungen geknüpft sind. Die Frauen der Mittelschicht, die eine höhere Schulbildung und zuweilen eine Berufsausbildung besitzen (obschon benachteiligt, verglichen mit den Männern), sehen in der Hausarbeit einen Unterdrückungs- und Verdummungsbereich. Andererseits ermöglicht ihnen das zur Verfügung stehende Einkommen Hausangestellte einzustellen. Unter diesen Umständen hat ihre Entscheidung für einen Beruf größere Erfolgschancen und bildet ein Gegengewicht zu den häuslichen Pflichten, die zwar schwer wiegen, aber in den Hintergrund treten. Selbstverständlich ist die Bedeutung der Arbeit für die, die sie frei wählen konnten und als Teil ihrer Selbstverwirklichung sehen, grundverschieden von der Erwerbstätigkeit benachteiligter Gruppen. Der strukturelle Unterschied zwischen den sozialen Klassen läßt sich mit den Begriffen »Selbstwahl« bzw. »Hinnehmen des Schicksals« fassen.
Die Anwesenheit von Hausangestellten in großen Teilen der mittleren und der oberen Schicht ist eine brasilianische bzw. lateinamerikanische Eigenheit. Durch diese Tatsache werden gleichermaßen die Möglichkeiten eines Teils der weiblichen Bevölkerung und die Grenzen des anderen Teils abgesteckt und die durch das Übergewicht der Hausarbeit bedingten Konflikte zwischen Mann und Frau abgeschwächt (Cardoso 1983).
Die moderne Aufgeschlossenheit der brasilianischen Frauen nahm in den 60er Jahren ihren Anfang, mit ihrer Entscheidung für Individualwerte, Verhütungsmittel, der Verbreitung der Psychoanalyse, dem Zugang zum höheren Bildungswesen, ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt usw. Sie war nur möglich in einer schichten-, rassen- und geschlechtsspezifisch stark hierarchisierten Gesellschaft, deren Muster sie reproduzierte. Die weibliche Unabhängigkeit trägt das Mahnmal ihrer Klassen- und Rassenzugehörigkeit. Finanzielle Mittel und neu eröffnete Chancen verbesserten hauptsächlich die Situation von Frauen der entwickelteren Region des Landes, des urbanen und weißeren Südostens. Hausmädchen sind hier gang und gäbe und unter ihnen ist ein hoher Prozentsatz schwarz. Es ist das Erbe aus der Sklavenzeit, das eine unmittelbare Verbindung zwischen schwarzer Herkunft und unqualifizierter Arbeit herstellt.
Die Hausangestellte, die den »Befreiungsprozeß« anderer Frauen, nämlich ihrer Arbeitgeberinnen erleichterte, wurde selbst nicht in diesem Prozeß befreit. Die Arbeit in Haushalten nimmt nach wie vor den größten Teil der Frauen in Anspruch. Aber die Zeiten haben sich geändert. Zumindest in den Großstädten sind weder die Arbeitgeberinnen noch die Hausangestellten die gleichen geblieben. Erstere arbeiten auswärts (neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bieten sich vor allem für ausgebildete Frauen, die von vornherein einer relativ hohen Verdienstgruppe angehören), haben den Haushalt dafür nicht mehr mit der Effizienz ihrer Großmütter im Griff und leiten ihn mit anderen Vorstellungen. Auch die Hausangestellte benimmt sich nicht wie damals, sondern professioneller. Sie versteht sich mehr als Arbeitskraft, denn als angegliederter Teil der Familie, wie es die brasilianische Tradition vorsieht (Freyre 1980; Candido 1951). Sie klagt ihre Arbeitsrechte ein, die nach dem brasilianischen Gesetz nicht denen anderer Arbeiter entsprechen. Die Ungleichheit wird heutzutage auf neue Weise reproduziert.

Eine besondere Entwicklung

Nach seinen Anfängen in der Mittelschicht verbreitete sich der Feminismus in den unteren Schichten. Die organisierten Feministinnen standen in ihrer Mehrheit linken Parteien und Organisationen nahe. Sie beeinflußten Frauen aus den unteren Schichten beispielsweise in ihrer Einstellung zur Sexualität, Fortpflanzung und Fruchtbarkeit, wurden umgekehrt aber auch von diesen beeinflußt. Die Einbeziehung der Probleme sozial schwacher Frauen führte zu einem empfindlichen Zusammenstoß mit der katholischen Kirche, dem wichtigsten Brennpunkt der Auseinandersetzung gegenüber der politischen Leere des Militärregimes.
Die im ganzen Land dominierende katholische Kirche ist in Brasilien weit davon entfernt, ein einträchtiges Ganzes zu bilden. Außer der steigenden Zahl nicht-katholischer Sekten, vor allem der Pfingstbewegung, aber auch denen afrikanischer Herkunft wie dem Candomble sowie dem weitverbreiteten Synkretismus der Sekten, ist die katholische Kirche in einen konservativen Flügel und einen progressiven, der der Theologie der Befreiung nahesteht, gespalten. Dank dieser theologischen Richtung entwickelte sich seit den 70er Jahren über die kirchlichen Basisgemeinden eine vielseitige Zusammenarbeit mit der armen Bevölkerung, die zum wichtigen Brennpunkt gegen das bestehende autoritäre Regime wurde.
Die Frauenorganisationen in den Armenvierteln entstanden aus dieser Seelsorgearbeit und beziehen aus dieser Teilhabe ihre Kraft. Die Versuche, die Vormacht zu erhalten, führten zu einer dauernden Auseinandersetzung zwischen Feministinnen und Kirche. Im großen und ganzen lag das Gewicht allerdings auf einer Allianz zwischen Feministinnen, Linken und der Kirche im gemeinsamen Kampf gegen das autoritäre Regime. Mögliche Uneinigkeiten wurden deshalb, zumindest öffentlich, vermieden. Die Themen, die zu einer offenen Auseinandersetzung mit der Kirche führen mußten, wie z.B. Abtreibung, Sexualität oder Familienplanung, wurden privat in kleinen Gruppen diskutiert.
Die Haltung der Kirche hatte in bezug auf eine feministische Perspektive stets ihre eindeutigen Grenzen. Die Bindung an ihre unterschiedlichen Fraktionen und ihr unbedingter Gehorsam gegenüber der kirchlichen Hierarchie mit dem Papst als Oberhaupt führen zu einer Politik des Vor- und Zurückweichens, deren rigide Prinzipien schwerer wiegen als die praktische Arbeit der progressiven Repräsentantinnen der »Ameisen-Arbeit«. Daraus erklärt sich die einmütige Verurteilung der Themen, die an die Sexualmoral rühren: Abtreibung, Scheidung und Familienplanung.
Von den Frauenorganisationen erstellte Untersuchungen klären über die Möglichkeiten und Grenzen auf, die der starke Einfluß der katholischen Kirche auf das Alltagsleben der Frauen hat, die die Mehrheit in den religiösen Gemeinden bilden. Chiriac und Padilha (1982) zeigten, daß sich die von der Institution Kirche vertretenen Interessen über die der Frauen hinwegsetzen und so Diskussionen erschweren, die der geltenden Auffassung der Geschlechterbeziehung widersprechen. Alvarez (1986) analysierte, wie Inhalt und Richtung der politischen Bewußtwerdung von Frauen benachteiligter Schichten durch die Vormacht der Kirche über jene volksnahen Organisationen begrenzt werden. In den Mütter-Clubs, so Moraes (1985), werden sowohl die evangelische Auffassung der Befreiungstheologie diskutiert als auch die Familienvorstellungen des orthodoxen Katholizismus, die zwar die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben fordern, gleichzeitig aber an den traditionellen Rollen in der Familie festhalten.
Ein anderer Unterschied zwischen dem Feminismus in Brasilien und Europa liegt im Charakter der sozialen Bewegungen. In Europa stehen sie seit Ende der 60er Jahre in einem starken kulturellen Kontext. Sie stellten die Werte der Industriegesellschaft in Frage, um zu zeigen, daß bei weitem nicht alles in Ordnung ist, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt werden. Sie opponieren gegen den Staat, indem sie den Wohlstand in Frage stellen. Dagegen ist der Erfahrungskontext der städtischen Sozialbewegungen in Brasilien der Alltag der Bewohner der Peripherien, die in erster Linie für eine gerechtere Verteilung von Infrastruktur und Konsumgütern kämpfen. Sie richten sich an den Staat insofern er diese Mittel verteilt, während in einer Wohlstandsgesellschaft Straßen, Licht, Wasser oder Kanalisation keine Forderungen mehr darstellen. In Brasilien sind dies Hauptpunkte im Forderungskatalog der Frauen (Costa et al. 1985). Ihre Teilnahme an den Bewegungen bezieht sich auf den Bereich der Reproduktion, einschließlich der Familie und ihrer Lebensbedingungen.
Der Feminismus setzte innerhalb dieses Rahmens an. Das führte zu großen Vorbehalten, da schon zu Beginn dem Wort »Feminismus« etwas Negatives anhaftete. Rechte sahen darin eine gefährliche, weil unmoralische Bewegung, Linken erschien er als bürgerlicher Reformismus und für viele Frauen und Männer hatte er, unabhängig von der politischen Zugehörigkeit, eine unweibliche Konnotation. Man verstand darunter die Entgegensetzung von Mann und Frau, die in dieser radikalen Version nie in Brasilien existiert hat. Dieses Muster »Feminismus kontra Weiblichkeit« spaltete die Frauenbewegung in Fraktionen. Die Selbstbezeichnung »Feministin« beruht auf der Überzeugung, daß spezifische Frauenprobleme nicht in eins mit strukturellen Gesellschaftsproblemen gelöst werden, sondern einer eigenen Berücksichtigung bedürfen. Der brasilianische Feminismus entwickelte sich durch die Verbindung der Gruppen aus der Mittelschicht und der Unterschicht und führte so zu einer engen Zusammenarbeit mit der demokratischen Oppositionsbewegung gegen das Militärregime.
Als die Politik der »Öffnung« im Land Fuß fassen kann, gewinnen auch die feministischen Forderungen Raum, sowohl auf allgemeinpolitischer als auch auf frauenspezifischer Ebene. Ein großer Teil der Gruppen bekennt sich nun öffentlich zum Feminismus. Die Konflikte und Uneinigkeiten, sowohl mit der katholischen Kirche als auch mit einigen linken Untergruppierungen, die in puncto Sexualmoral ähnlich konservativ denken, kommen nun offener zum Tragen.

Die ersten Schritte

Das Internationale Jahr der Frau, 1975 von der UNO ausgerufen, kann als Anfang der derzeitigen Frauenbewegung gelten. Zwar fiel er in eine Zeit der noch andauernden politischen Repression und Zensur, aber die schlimmste Phase nach dem Putsch 1964, die 1968 begann, war vorbei. Mit dem Gesetzerlaß Nr.5 von 1968 wurden für unbestimmte Zeit die verfassungsrechtlichen Grenzen aufgehoben, die der Regierung gesetzt waren, der Kongreß geschlossen und der Exekutive eine Reihe Sondergewalten eingeräumt. Es war eine dramatische Zeit voller Entführungen, Verbannung, spurlosem Verschwinden und Folter. Die Zensurkommissare und die Agenten der Geheimdienste waren die Gespenster des Alltags, und jeder Bürger wurde zunächst verdächtigt, gegen die nationale Sicherheit zu verstoßen. Der oppositionelle Kampf verlief sich zu einem heimlichen Widerstand.
Die Nachfolge an der Regierungsspitze leitete 1974 eine Zeit der bescheidenen und begrenzten Änderungen ein, bekannt als die Politik der »langsamen und graduellen Entspannung« des Präsidenten Geisel. Die Konsequenzen des »Wirtschaftswunders«, die Konzentration der Einkommen und die steigenden Inflationsraten, dämpften die Euphorie der Vorjahre und trugen dazu bei, daß die Unzufriedenheit in Anbetracht dieser Ungleichheit zunahm. 1964 war ein Zweiparteiensystem eingeführt worden, das erst 1982 durch ein Vielparteiensystem aufgehoben wurde. Der Unmut der Bevölkerung äußerte sich schließlich im einzigen verfügbaren Medium, der Parlamentwahl von 1974, im unübersehbaren Sieg der Opposition MDB über die regierende Partei ARENA.
Zu dieser Zeit, als die feministische Bewegung bereits international Anerkennung fand, übten wir uns in den ersten Schritten. Es gab sowohl Interesse als auch Neugierde für unser Anliegen. Das zeigte "sich in einer Reihe von Interviews und Artikeln, die hauptsächlich in der sogenannten alternativen Presse erschienen. Es begannen sich Gesprächsgruppen zu bilden. Und trotzdem wurde zu der Zeit mit Feminismus etwas verbunden, das jenseits unserer Wirklichkeit liegt, nichts als kleinbürgerliche Sorgen.
Das Internationale Jahr der Frau war deshalb von Bedeutung, da es als Vorwand diente, Diskussionen und Frauengruppen zu einer Zeit zu organisieren, als die Möglichkeiten politischer Mitbestimmung noch verschlossen waren. Die Feierlichkeiten des Jahres eröffneten Wege, so daß die ersten Gruppen sich öffentlich bilden konnten, meist Sympathisantinnen aus dem linken Untergrund. Es entstanden das »Zentrum für den Fortschritt der brasilianischen Frau« (Sao Paulo) und das »Zentrum der brasilianischen Frau« (Rio de Janeiro), wo sich hauptsächlich berufstätige Frauen einfanden.
Die Frauenbewegung beginnt sichtbar zu werden. Die Entstehung der »Feministischen Bewegung für Amnestie« im gleichen Jahr erweitert ihre Reichweite bedeutsam. Diese Gruppe gründete sich im Bundesstaat Paranà und wurde später nach Sao Paulo verlegt. Sie gab von 1975 bis 1980 die Zeitschrift Brasil-Mulheres heraus, die von ihrem anfänglichen Kampf für Amnestie und Demokratie nach und nach zu spezifisch feministischen Fragen überging. 1976 kam Nos Mulheres heraus, die sich von Anbeginn als feministische Zeitschrift verstand und mit Brasil-Mulher das Sprachrohr der Bewegung war. Seit 1975 wurde der Tag der Frau am 8. März begangen.
Die feministischen Gruppen arbeiteten mit Frauengruppen in den Stadtvierteln zusammen. In den ärmeren Vierteln mit den Mütter-Clubs oder den Hausfrauen-Vereinigungen, die größtenteils über die Basisgemeinden (CEB) der katholischen Kirche nahestehen. Diese Gruppen, in denen sich nicht-erwerbstätige Frauen trafen, gab es schon seit den 60er Jahren. Es waren Gruppen, wo typische Frauenbeschäftigungen wie Handarbeiten oder religiöse Aktivitäten verfolgt wurden. Seit Mitte der 70er Jahre nehmen sie eine forderndere Haltung ein. In Übereinstimmung mit der politischen Linie jenes Teils der Kirche, der für die Unterdrückten und Armen eintritt, setzen sie sich für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen ein. Der Mutter-Club »Bewegung der Lebenshaltungskosten« im Südteil der Stadt Sao Paulo verschaffte sich durch seinen Protest gegen die Überteuerung landesweit Gehör.
Die feministischen Gruppen pflegten außerdem Kontakt mit den Assoziationen berufstätiger Frauen (Hausangestellten z.B.) oder mit Gewerkschaftsfrauen. Die Zahl organisierter Frauen in der Gewerkschaft ist zwar noch gering, nimmt aber seit den 70er Jahren zu: 1978 in den Städten 36,1%, bezogen auf die Gesamtzahl der organisierten Arbeitnehmer aber nur 20,5%. Zwischen 1970 und 1978 stieg der Anteil der Frauen um 176%, während nach den Daten von Gitahy et al. (1982) in den Städten die Zahl nur um 123% anstieg. Die Autorinnen vertreten die Ansicht, daß die Zahl der organisierten Frauen erklärt, warum die Gewerkschaftsleitung vermehrt für die Sache der Frauen eintrat. In den letzten Jahren stieg sogar die Zahl der Frauen in der Gewerkschaftsleitung (Pena 1986). Die aktuelle Gewerkschaftsbewegung beginnt ein kritischeres Auge auf die Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen zu werfen, vor allem seitdem Frauen berufsspezifische Treffen und Kongresse organisieren.

Der Feminismus schleicht sich ein

Obschon die Gruppen, die sich selbst »feministisch« nannten, d.h. für Frauenprobleme eintraten, in der Organisationsleitung der Festlichkeiten zum 8. März vertreten waren, war der feministische Ton kaum zu vernehmen. Diese Tendenz wurde verstärkt, als die Arbeiterin zum zentralen Thema des Feminismus wurde: Diskussionen entbrannten um Ungleichheit der Löhne, Doppelbelastung und die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits war dies eine Frage der Strategie: Arbeit von Frauen war ein Thema, das alle Frauen bewegte, und Einigkeit war
Hauptziel gemeinsamer Aktivitäten. Zu Polemik verleitende Themen wie Abtreibung und Sexualität wurden vermieden, insbesondere gegenüber dem großen Verbündeten im Oppositionskampf, der katholischen Kirche. Andererseits wurde dieses Thema insbesondere von Feministinnen vertreten, die aufgrund der doppelten Unterdrückung von Klasse und Geschlecht in der Arbeiterin die Hauptagentin der feministischen Gesellschaftsveränderung sahen. Dies erklärt, daß sich die brasilianische feministische Bewegung an der marxistischen Ideologie der Linken orientierte und an der Idee, daß die bezahlte Arbeit das Hauptinstrument der Befreiung der Hausfrau sei.
Die politischen Umstände begünstigten die Zusammenarbeit im Kampf gegen das herrschende autoritäre Regime. Kindertagesstätten waren ein gemeinsames Hauptanliegen. Obwohl lediglich eine Summe von Einzelinitiativen zusammengefaßt wurde, kam es so zu einer breiten kollektiven Mobilisierung: von den Arbeiterinnen, über die Frauen der Peripherien bis zu den Feministinnen der Mittelschicht, so verschieden ihre Gründe auch waren. Die Kindertagesstätten sollten den Frauen die Möglichkeit geben, am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können. Besonders akut war das Problem für die Frauen, die sich Dienstleistungen, welche sie in der Rolle als Mutter und Hausfrau vertreten, nicht leisten können.
Für die Feministinnen steht diese Forderung im Rahmen einer umfassenderen Neudefinierung des Familienverständnisses und im Kampf um Autonomie (Rosemberg 1984), während das nicht notwendigerweise für die Frauen der Peripherien gilt. Sie setzten sich im Rahmen eines allgemeinen und unexpliziteren sozialen Engagements für Frauenaktivitäten in den Wohnvierteln auch für Kindertagesstätten ein. Allein die Beteiligung konfrontiert sie aber mit einem neuen öffentlichen Umfeld und setzt sie einer Erfahrung außerhalb des häuslichen Bereichs aus. Erstaunlich ist, daß gerade diese Frauen von der Peripherie Sao Paulos hauptberuflich Hausfrauen und nicht erwerbstätig waren, obwohl viele die Möglichkeit besessen hätten. Daran zeigt sich, daß für sie der Kampf um bessere Lebensbedingungen im Vordergrund steht.
Die Feministinnen setzen sich mit der traditionellen Mutterrolle auseinander, die es über öffentliche Institutionen, welche die Kindererziehung übernehmen sollen, neu zu definieren gilt. Aber gerade durch die Mutterrolle nehmen sie an diesem Kampf teil. Die unmittelbar erfahrenen Schwierigkeiten als Mutter und Hausfrau sind der Anstoß, sich über die Verbesserung der Lebensumstände im Wohnviertel (Kindertagesstätten, Gesundheitswesen usw.), für die Verbesserung der Lebensumstände der Familie sowie bessere Bildungsmöglichkeiten und Ernährung der Kinder einzusetzen. Gerade ihre Rolle als Mutter legitimiert die Teilnahme am öffentlichen Leben, sei es durch die Ausübung eines Berufs oder politische Arbeit (vgl. Sarti 1985). Die Perspektive der Feministinnen aber liegt in der Veränderung dieser Rolle.
Bis Anfang der 80er Jahre war die Bewegung von einer Einheit gekennzeichnet, die Streitpunkte nicht verdeutlichte und sich insgesamt um die Demokratiebewegung drehte. Sichtweise und Motivation unterschieden sich je nach sozialen Rahmenbedingungen. Feminismus als Ideologie und Praxis blieb auf eine kleine Gruppe innerhalb der Frauenbewegung beschränkt. Als Grund wurde angeführt, daß im Kampf gegen das autoritäre Regime und soziale Ungerechtigkeit feministische Forderungen an zweiter Stelle rangieren. So kam es zu den bekannten Gegensätzen: zwischen den politischen Richtungen einerseits, die ihr Programm durchzusetzen suchten und die Probleme der Frauen hintan stellten, und einer autonomen Frauenbewegung andererseits, die den Feminismus zu ihrem Hauptanliegen erklärte. Wo immer es zu solchen Entwicklungen kam, scheint es landesweit diese Gemeinsamkeit zweier Tendenzen auch innerhalb der Frauenbewegung zu geben. Den einen ging es primär um die öffentliche Handlungsfähigkeit von Frauen: in der Arbeit, im Rechtswesen und in der Machtverteilung zwischen den Geschlechtern. Sie versuchten, über die Gruppen Druck auszuüben. Den anderen ging es in erster Linie um private Handlungsfähigkeit: im subjektiven Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie versuchten, ihrem Ziel in Forschungs- und Arbeitsgruppen und im Zusammenleben näher zu kommen.

Die Bewegung faßt Fuß

Seit 1978 gehört die Frauenbewegung zum politischen Spektrum des Landes. Mit der Konsolidierung des politischen Demokratisierungsprozesses Ende der 70er Jahre eröffnen sich neue Wege. Die Divergenzen werden klarer. Der politische Rahmen wandelt sich, so daß die alte Entgegensetzung »Oppositionskampf versus spezifische Forderungen« an Schlagkraft verliert. Die Frauen widmen sich nach und nach ihren eigenen Problemen. Es entsteht ein feministischer Diskurs, der sich mit Erziehung, Recht, Arbeit, Gesundheit, Sexualität, Abtreibung, Kindertagesstätten, sexueller Gewalt, Medien und auch mit neuen Wissens- und Ausdrucksformen sowie zwischenmenschlichen Beziehungen aus einer spezifisch feministischen Perspektive beschäftigt. Feministische Ideen werden durch die Forderungen einer sich modernisierenden Gesellschaft zum Bestandteil der kulturpolitischen Szene im Land. Unzählige Unruhen, vor allem der weiblichen Bevölkerung, die bezahlte Arbeit leistete und im öffentlichen Bereich tätig war, die sich dem traditionellen Rollenverständnis entfremdet hatte, aber keine neuen Verhaltensmuster besaß, führten dazu, daß die Medien der Frauenfrage mehr Platz einräumten und ihr so indirekt zu mehr Glaubhaftigkeit und Sichtbarkeit verhalfen. Feministische Gruppen traten in Arbeitsverbänden, Parteien und Gewerkschaften bemerkbar zutage. Zu den Parlamentswahlen von 1978 trugen Frauen in Sao Paulo und Rio de Janeiro erstmals ihren Forderungskatalog vor. Ihre politische Unterstützung machten sie von der Kompromißbereitschaft der Kandidaten abhängig. Zum ersten Mal beteiligten sich Frauen am Wahlkampf bestimmter Kandidaten, um für ihre eigene Sache zu werben.
Das Jahr 1980 brachte die intensivste Mobilisierung von Frauengruppen unterschiedlichster Richtungen. In Sao Paulo fand der »2. Kongreß der paulistaner Frau« statt, an dem ungefähr 4.000 Frauen teilnahmen. Dieser Höhepunkt war zugleich der Punkt, an dem die internen Konflikte stärker hervortraten und die Einheit der Bewegung angesichts ihrer Heterogenität zu sprengen drohten. Themen, die direkter und offener den Konflikt der Geschlechter ansprachen, wie Gewalt gegen Frauen, Anzeigen, Demonstrationen und Proteste gegen Prügel und Ermordungen von Frauen durch ihre Ehemänner, radikalisierten die Bewegung. Die Amnestie von 1979 und die Rückkehr der exilierten Frauen trugen zu einer Festigung der feministischen Bewegung bei. Die Brasilianerinnen, die nach 1964 in Europa im Exil gelebt hatten, brachten Einflüsse einer aktiven Frauenbewegung mit (Lima 1983), die auf ihr Privatleben und ihre politische Haltung wesentlich eingewirkt hatten.
Die zerbrochene Einheit
Während 1980 »Gewalt gegen Frauen« das zentrale Thema war, könnte 1981 ironisch das »Jahr der internen Gewalt« genannt werden. Seit Beginn der Bewegung angestaute Konflikte brachen offen aus. Die Einheit verlor ihren gemeinsamen Nenner, nachdem auch politisch neue Räume eröffnet worden waren. Einigkeit im Oppositionskampf reichte nicht mehr aus. Gerade der politische Charakter der Frauenbewegung sorgte in der feministischen Fraktion, die den Kampf gegen sexuelle Unterdrückung in den Vordergrund stellte, für Unzufriedenheit. Außerdem gab es Meinungsverschiedenheiten im feministischen Lager selbst, eine Folge der heterogenen Lebensbedingungen. Die Ungleichheit hier brach mit den Forderungen der Lesbenbewegung auf. Der Austausch mit den schwarzen Frauen zeigte noch deutlicher die Schwierigkeit, mit dem Anderen innerhalb der Bewegung umzugehen (Carneiro/Santos 1985). Die anhaltenden Streitereien zwischen dem »politischen« und dem »feministischen« Lager spalteten schließlich die Bewegung. Es wurde unmöglich, gemeinsam den 8. März zu begehen, wie sich 1981 in Sao Paulo zeigte. Das Ziel einer Föderation der Frauen rückte mehr und mehr in die Ferne.
Als in den 80er Jahren ein Bewußtsein von der Unterdrückung der Frau entsteht, beginnt gleichzeitig die Zersplitterung der feministischen Gruppierungen. Aus dem allgemeinen Kampf gegen die Unterdrückung der Frau wird ein zielgerichteteres Handeln, eine pragmatischere und sachverständige Einstellung. Die Gruppen entstanden aus der Kritik an der Gesundheitspolitik der Regierung, die bis vor kurzem die Frauen schlicht ignorierte oder Kontrollprogramme einzuführen versuchte, ohne je ihre Wirksamkeit zu prüfen. Der Fortschritt liegt darin, daß sie, so Barroso (1985), »mit dem Staat in Dialog treten und ihm Handlungsmöglichkeiten vorschlagen. Ohne ihre Autonomie aufzugeben, stellen sie die Reife der Bewegung unter Beweis.«
Diese Tendenz führte landesweit zu Frauenforschung, insbesondere in den Human- und Sozialwissenschaften, Demographie, Psychologie, Sprach- und Kommunikationswissenschaften, Geschichte. Die anfänglichen Privatinitiativen in einem wenig aufnahmebereiten akademischen Umfeld beginnen nach und nach in den Institutionen an Bedeutung zu gewinnen. In acht verschiedenen Bundesländern werden an Universitäten Frauenforschungsgruppen gegründet. Obschon Frauenforschung heute anerkannt ist, liegt in ihrer Isolierung und einem mangelnden Dialog mit den Humanwissenschaften als Ganzes die Gefahr der Ghettoisierung (Costa et al. 1985). Das Verlagswesen erlebte einen regelrechten Bücher-, Artikel- und Zeitschriftenboom zu Frauenfragen. Es entstanden Dokumentationszentren wie das CIM (Centro Informa-?ao Mulhier) in Sao Paulo. Es verfügt über ein Archiv, das alle Informationen zu Frauengruppen und der Frauenbewegung in Brasilien sammelt.
Die Ereignisse von 1982 zeigen eine Bewegung mit stark veränderten Protestformen. In Sao Paulo inszenierten Feministinnen mit dem »Tribunal Bertha Lutz« eine Verurteilung der Diskriminierung der Frau am Arbeitsplatz. Rund um das Thema fanden Theateraufführungen, Musik und Tanz statt. Absicht war, eine neue Sprache zu finden, die dem politischen Kampf kulturellen Ausdruck verleihen sollte. Im September desselben Jahres fand in Sao Paulo das »1. Landesfestival der Frauen in der Kunst« statt. Abgesehen davon, daß es dieses Festival ermöglichte, weibliche Kunst aus Film, Theater, Literatur, Musik, Tanz,Malerei und Plastik zu versammeln, war es an sich schon ein Ereignis. Es fanden sich feministische Delegationen aus verschiedenen Ländern der Welt ein. Es bot Raum, die feministische Arbeit, die in verschiedenen Teilen des Landes geleistet worden war, auf vielfältigste Weise (z.B. audiovisuell oder in Inszenierungen) darzustellen (Moraes 1985). Die Spannung, mit der die Novemberwahlen erwartet wurden, bot dazu eine anregende politische Atmosphäre.

Die Wahlen von 1982

Höhepunkt des Jahres waren die Parlamentswahlen, zu denen erstmals seit 1964 auch wieder Landeswahlen hinzukamen. Die Reorganisation des Parteiensystems hatte die Opposition in drei Lager gespalten: die »Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens« (PMDB), Erben der alten Opposition, die nun die orthodoxen Kommunisten (PC) in ihre Reihen aufgenommen hatte; die »Partei der Arbeiter« (PT), die aus den Gewerkschaftsführungen der 70er Jahre sowie linken Intellektuellen hervorgegangen war und deren Führerfigur Luis Ignacio da Silva als »Lula« bekannt wurde. Die dritte war die »Demokratische Arbeiterpartei« (PDT), die in der Tradition der Arbeiterbewegung seit Getulio Vargas und jetzt hinter dem ehemaligen Verbannten und späteren Gouverneur von Rio de Janeiro, Leonel Brizola stand. Diese Wahlen waren deshalb von so großer Bedeutung, weil sie die Machtverteilung neu definierten. Die Mehrheit der Bevölkerung hatte die Opposition unterstützt, aus der die Landesführung hervorging. Sie garantierte den Oppositionsparteien in den ökonomisch wichtigsten Bundesländern die Führung und grenzte die Macht der »Partei der Situation« (PDS) auf die ärmeren Länder mit traditioneller Wählerschaft im Nordosten des Landes ein.
Angesichts der Zersplitterung der Frauenbewegung und auch der feministischen Fraktion unterstützten die im Wahlkampf aktiven Frauen hauptsächlich Kandidaturen der »Arbeiterpartei« und der »Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens«. Diese Spaltung der Frauengruppen erklärt ihr nachträgliches Verhältnis zur neu etablierten Machtverteilung (Moraes 1985). Die Wahlkampfdebatte um die Reorganisation des Mehrparteiensystems schloß alle politisch anstehenden Fragen und die Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten in der Ökologie, beim Drogenproblem und Fragen der Indianer, Homosexuellen und Schwarzen und so auch der Frauen ein. Nach den Wahlen 1982 wurde eine weniger allgemeine, dafür aber auf Einzelfragen konzentrierte Behandlung der Probleme betont. Die neue Machtverteilung schürte die Hoffnung auf größere Freiräume, um die Forderungen einlösen zu können. Der Feminismus gewinnt in den Bereichen an Boden, wo Frauen politisch und beruflich tätig sind und ihre Arbeits- und Lebensperspektive einbringen. Diese Konzentration auf einzelne Bereiche charakterisiert die Frauenbewegung heute.
Die Landarbeiterinnen
Neu ist die Mobilisierung der Landarbeiterinnen. Als 1978 die Forderungen der städtischen Arbeiterinnen bereits in den Gewerkschaften spürbar sind, findet der 3. Kongreß der »Nationalen Konföderation der Landarbeiterinnen« (CONTAG) statt. Ein Plan zur Bodenumverteilung wird vorgelegt, ohne daß die Frauen in irgendeiner Weise als mögliche Nutznießer auftreten: »Sie betonen die Vorteile der Familienbewirtschaftung, verkennen aber den wesentlichen Beitrag der Frauen, ob-schon ihre Argumente mit der Präsenz der Frau in der Familie stehen und fallen« (Spindel 1985). Bedeutung und Rolle der Frauen in dieser Produktionsform werden nicht als solche erkannt, sondern als Teil ihrer häuslichen Verpflichtungen angesehen.
Politisch aktive Frauen sind auf dem Land keine Neuheit. In unserer Geschichte ist es keine Seltenheit, daß Frauen den Kampf ihrer Männer, Landarbeiter und Bauernführer, die auf Befehl der Grundbesitzer ermordet worden waren, aufnahmen. Ungewöhnlich an den Treffen ist, daß hier über die Situation der Frauen auf dem Land gesprochen wird. Aus den regionalen Treffen wurde 1986 ein landesweites Treffen: der »1. Nationale Kongreß der Frauen aus Landgebieten«, an dem 350 Abgeordnete aus ganz Brasilien teilnahmen. Hauptanliegen der Landarbeiterinnen sind der Kampf um die Organisierung der Frauen in Gewerkschaften und die Forderung, daß Land auch in Frauenbesitz übergehen könne, unabhängig davon, ob sie verheiratet oder ledig sind. Die zuletzt genannte Forderung war ständiger Bestandteil der Diskussion um den Nationalen Plan zur Agrarreform, wie ihn die jetzige Regierung vorsah. Dieser Streitpunkt und die sich verschärfenden Spannungen um die Landverteilung waren in den letzten Jahren Themen der Landarbeiterproteste.

Der Frauenrat

Die Errichtung einer zentralen Behörde, die die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern stimulieren, verbreitern und garantieren sollte (Costa 1985), ging auf die Kopenhagener Konferenz von 1980 zurück. Als sich die Politik der Öffnung noch nicht durchgesetzt hatte, strebte die Bewegung weder politische noch öffentliche Ämter an. Erst als nach 1982 die demokratische Regierung antrat, begann die Diskussion um eine zentrale Leitstelle der Frau, die die Oberaufsicht über Gleichberechtigungsfragen haben sollte. Und erst die Neuverteilung der Staatsgewalt durch die gewählten Oppositionskandidaten in den fortschrittlicheren Bundesstaaten führte zur Neudefinierung der Frauenfrage in der Politik. Pionierländer waren Sao Paulo und Minas Gerais. Auf Initiative des Landesrats von Sao Paulo und der Landesbehörde für Innere Sicherheit wurden in Sao Paulo-Stadt zunächst fünf »Polizeistationen zur Verteidigung der Frau« eingerichtet, weitere in einigen Kleinstädten. Sie sind Zuflucht für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Zu den Gründungsideen gehört auch das Ziel, die Zwänge abzubauen, die Frauen daran hindern, Sexualverbrechen anzuzeigen. Heute existieren 33 dieser Polizeistationen, in denen ausschließlich Frauen beschäftigt sind, in 18 Bundesländern.

Die bundesweite Frauenrechtskommission

Fast zehn Jahre hatten die brasilianischen Frauenorganisationen Erfahrungen gesammelt, als sie 1984 im ganzen Land eine Kampagne entfachten, deren Forderung die sofortige direkte Präsidentschaftswahl ist. In den Großstädten demonstrierten abertausende Bürger und Bürgerinnen für die Durchsetzung dieses Ziels. Ein heterogenes Bündnis zwischen der »Liberalen Front« (PFL) (ein Abkömmling der »Partei der Situation«) und der »Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens« (PMDB): die »Demokratische Allianz« stellte als Präsidentschaftskandidaten Tancredo Neves auf, der gegen den Regierungskandidaten Paulo Maluf antrat. Die Opposition war in der Kampagne um die Direktwahlen gestärkt worden und erreichte, daß Tancredo vom Nationalkogreß gewählt wurde. Er starb, bevor er sein Amt antreten konnte. Jose Sarney, der Vize von Tancredo, wurde der erste zivile Präsident der Neuen Republik, die noch über indirekte Stimmabgabe eingerichtet worden war und die nach 21 Jahren der Militärdiktatur ein Ende setzte. Die Frauen forderten ein Amt. 1985 wurde die Forderung umgesetzt und der »Nationale Rat der Frauenrechte« eingerichtet — ein Meilenstein in der Geschichte, mit dem die Arbeit der Frauenorganisationen und die real existierende Benachteiligung der Frauen anerkannt wurden. Dank seiner Tragweite ist das der bisher bedeutendste Schritt zur Anerkennung der Forderungen und Rechte der Frauen in Brasilien. Seine Mehrparteilichkeit garantiert ein breites Handlungsspektrum. Es ist auch ein Schritt von Regierungsseite, von bloßen Erklärungen zu konkreten Taten überzugehen.

Aus dem Portugiesischen von Anette Hammerschmidt

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