Geschichte
Ghana ist ein multi-ethnischer Vielvölkerstaat. Bei der Beschreibung der traditionellen und modernen Situation der Frauen in Ghana beschränke ich mich auf die ethnischen Gruppen der Gä, Fanti und Aschanti. Die traditionelle Lebensweise der Gä und Fanti, Bewohner der atlantischen Küste, ist durch den Kolonialismus besonders beeinflußt worden. Die Europäer erreichten 1483 zuerst die Küste und gelangten erst 300 Jahre später durch Kriege in das Landesinnere (Buah 1980).
Die meisten ethnischen Gruppen Ghanas, insbesondere Fanti und Aschanti, haben eine mutterrechtliche Geschichte. In den Königreichen Westafrikas wurde die Thronfolge vom Mutterrecht bestimmt. Bei den Aschanti z.B. gab es eine Regierung, die aus einem gewählten König, seiner Schwester, der Königsmutter, und einem Rat von Ältesten gebildet wurde. Die Thronfolge ging von der ältesten Schwester des Königs aus, die den neuen König aus einem Zweig des matrilinearen Clans erwählte. Die Aschanti hatten neben dem König (Ohene) einen weiblichen Gegenpart (Ohema). Sie war das älteste weibliche Familienmitglied der Königssippe, meist die Mutter oder Schwester des Königs. Ihr persönlicher Machtbereich erstreckte sich auf alle Angelegenheiten von Frauen, wie Heiraten, Geburten, Erziehung der Kinder, Streitfragen bei Ehebruch oder Scheidung. Vor allem aber leitete sie die Initiationsriten für Jungen und Mädchen und die Frauenzeremonien am Ende der Trockenzeit. Sie wachte über die Einhaltung der Traditionen und wurde bei der Wahl eines neuen Königs zu Rate gezogen. Sie war die einzige, die ihr ganzes Leben lang den König beraten, führen und sogar in der Öffentlichkeit kritisieren durfte. Weilte der König in Kriegszeiten außer Landes, vertrat sie ihn. Als der König von den Briten auf die Seychellen verbannt worden war, führte Yaa Aschantewa (Königsmutter von Edjiso) 1901-1902 einen Krieg gegen die Ausbreitung englischer Macht im Aschanti-Reich (ebd.).
Die Königin wurde als der Mond, der König als die Sonne verehrt. Bei den Aschanti wird die Legende erzählt, daß Frauen die Gründerinnen des Aschanti-Staates waren. Diese Geschichte hinterläßt ein positives Frauenbild für die Frauen in Ghana heute. Das Streben der ghanaischen Frauen nach finanzieller Unabhängigkeit und danach, sich in der Gesellschaft zu behaupten, hat seine Wurzeln in dieser Kultur.
Bei den Aschanti, Fanti, Gâ u.a. gelten Frau und Mann als ebenbürtig. Wie in anderen traditionellen Gesellschaften Afrikas fallen die Lebensbereiche von Frauen und Männern, der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung folgend, auseinander. Sie arbeiten und essen nicht gemeinsam und verbringen auch ihre Freizeit mit ihren Geschlechtsgenossinnen. Da Frauen und Männer sich in getrennten Sphären bewegen, ist die soziale Identität der Frauen nicht notwendig abhängig von ihrem Ehemann und seiner sozialen Position. Der Status einer Frau ist in erster Linie abhängig von ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären. Erst wenn sie ihr erstes Kind bekommt, wird sie als Erwachsene betrachtet. Je größer die Zahl ihrer Kinder, desto angesehener ist sie. Eine Frau, die keine Kinder bekommen kann, ist in einer bedauernswerten Lage. Kinderlosigkeit ist für Mann und Frau ein Scheidungsgrund.
In den traditionellen Gesellschaften Ghanas gab es kein privates Eigentum an Grund und Boden. Dieser war Eigentum des dörflichen Gemeinwesens. Auch die Frauen hatten Zugang zu Land, ohne es erwerben zu müssen. Heute noch kann die Großfamilie als grundlegende soziale und ökonomische Einheit betrachtet werden, in deren Rahmen die Nutzung des Bodens erfolgt. Der Zerfallsprozeß der Sippenstruktur ist dort am weitesten fortgeschritten, wo sich die Ware-Geld-Beziehung zuerst durchsetzen konnte, im Süden des Landes, bei den Fanti und Gä. Hier ist auch die Privatisierung des Bodens am weitesten fortgeschritten. Dies stellt einen Nachteil für Frauen dar, weil Boden nun gekauft werden muß, was eher den Männern möglich ist, die eine Lohnarbeit in den Städten haben, während die Frauen auf dem Land zurückbleiben und mit ihrer Subsistenzwirtschaft keinen Überschuß erwirtschaften können.
Bis 1872 kamen Kaufleute und Missionare aus Portugal, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien und Brandenburg (ebd.). 1874 wurde die Goldküste britische Kolonie. Jedes Mittel wurde genutzt, um Fürstentümer und traditionelle Autoritäten zu zertrümmern und auf diese Weise Macht über die Arbeitskräfte zu gewinnen. Die viktorianisch-puritanisch eingestellte britische Kolonialmacht hatte wenig Verständnis für die Stellung der Frauen in Ghana; mit der kapitalistischen Plantagenwirtschaft erlangte der Mann als Verdiener eine bessere gesellschaftliche Stellung als die Frau. So wurde z.B. die Rolle der Ohema, der Königsmutter, Erfinderin der Landwirtschaft, während der Zeit der Sklaverei unterdrückt.
Folgende Begebenheit zeigt die Bedeutung, die Frauen im Kampf gegen die Kolonialherrschaft hatten. Wegen der ständigen Angriffe britischer Soldaten auf die Aschanti fand eine Zusammenkunft der Häuptlinge statt; viele Männer äußerten ihre Furcht vor einem neuen Krieg gegen die Briten. Yaa Aschantewa, Königsmutter von Edjisu, machte den Männern klar: wenn sie sich nicht gegen die Briten erheben wollten, würde sie mit ihren Frauen zu Felde ziehen. Und so geschah es: Sie rief alle Frauen des Landes auf, gegen die Weißen zu kämpfen — und verlor.
In den verschiedenen Widerstandsbewegungen spielten die Frauen eine wichtige Rolle, da sie von der Ausbeutung der Arbeitskraft, der Zwangsarbeit auf den Feldern, wesentlich betroffen waren. Jede Forschung über das Leben der schwarzen Frauen zur Zeit der Sklaverei müßte bei ihrer Arbeit ansetzen, da diese ihre gesamte Existenz überschattete. Angela Davis (1982,8ff.) formuliert: »Da Frauen wie Männer als profitbringende Arbeitsmittel angesehen wurden, hätten sie vom Gesichtspunkt der Sklavenhalter aus auch geschlechtslos sein können.« Die im 19. Jahrhundert aufkommende Weiblichkeitsideologie, die die Rolle der Frau als nährende Mutter, sanfte Gefährtin und Haushälterin ihres Gatten betonte, hatte nichts mit dem Leben der schwarzen Frauen zu tun.
Mit dem Entstehen der nationalen Bewegung orientierten die Frauen ihre Aktivitäten zunehmend an der nationalen Frage. Sie organisierten Frauenkongresse und spektakuläre Demonstrationen gegen die Kolonialregierung, verteilten Flugblätter in den Städten und auf dem Land, pflegten Verwundete und unterstützten die Familien der Märtyrer. In den eskalierenden Auseinandersetzungen zeigten sie außerordentlichen Mut und Einsatzbereitschaft.
Yaa Aschantewa ist die letzte Frau, die in der Geschichtsschreibung des Widerstandes erwähnt wird — Frauen-Aktivitäten in den folgenden Bewegungen, Zusammenschlüssen und Parteien (Fante Confederation, 1868; Asante Confederation; National Congress of British West Africa, 1920; United Gold Coast Convention, 1947; Convention People's Party, 1949; National Liberation Movement, 1954) gerieten in Vergessenheit (vgl. Buah 1980). Allein die Convention People's Party sorgte dafür, daß nach der Unabhängigkeit 1957 Frauen im Parlament relativ stark vertreten waren. Wichtige Regierungsämter blieben aber Männersache. Die importierten patriarchalischen Strukturen der Kolonialzeit hatten ihre Spuren hinterlassen; sie wurden nicht in Frage gestellt.
Frauen in Ghana heute
Bei vielen ethnischen Gruppen in Ghana freuen sich die meisten Frauen mehr über die Geburt eines Mädchens als über die eines Jungen. Mädchen erfahren bis zum sechsten Lebensjahr mehr Zuwendung, sie werden herausgeputzt und stolz präsentiert. Mit der Schulzeit setzt die geschlechtsspezifische Erziehung ein. Die moderne Gesellschaft bietet kaum einen Boden für die soziale Entwicklung der Frauen — nahezu alle verantwortlichen Positionen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kirche sind von Männern besetzt. Und dies obwohl Frauen immer aktive Beteiligte an politischen und ökonomischen Entwicklungen waren und sind. Dennoch, das Bild der ghanaischen Frau, das in ganz Afrika verbreitet ist, sieht sie stark, unabhängig und dominierend. Doch die Faktoren, die dieses Bild produzieren — selbständige Arbeit und eigenes Einkommen — werden dazu genutzt, die Frauen zu diskriminieren, sie werden als unweiblich angesehen, z.B. im »Wettbewerb« der Heiratskandidatinnen.
Frauen in Ghana sind mit vielen Problemen konfrontiert, die ihre Unabhängigkeit stark einschränken. Wie zuvor ihre Mütter setzen die Frauen ihre ganze Kraft gegen Bedrohungen ihrer Freiheit ein. Sie sind hin und hergerissen zwischen der Vorstellung, eine »gute« Ehefrau zu sein, und eine erfolgreiche berufstätige Frau. Sie wehren sich dagegen, indem sie neue Wertmaßstäbe aufstellen, z.B. setzen sie die alleinstehende Frau, die im Beruf erfolgreich ist, gegen die »gute« Ehefrau, die die Ehe als Krönung ihres Lebensglücks betrachtet. Wie viele Menschen in der sogenannten »Dritten Welt« kämpfen Frauen und Männer in Ghana ständig mit Problemen von Armut und Arbeitslosigkeit, um ihr Überleben. Die Situation ghanaischer Frauen darf nicht nur im sozialen, politischen und ökonomischen Kontext einer Region, sondern muß im Verhältnis zu ghanaischen Männern und im Zusammenhang von Kolonialgeschichte und internationaler Wirtschaftsordnung gesehen werden.
Frauen in Ghana sind keine homogene Gruppe. Es bestehen ethnische, soziale, ökonomische und Klassenunterschiede, die z.B. bestimmen, in welchen Wohnbezirken die Frauen leben, welche wiederum das Selbstverständnis der Frauen bezüglich ihres Beitrags zur Entwicklung Ghanas beeinflussen. Vielleicht definieren ghanaische Frauen ihre gesellschaftliche Stellung deshalb eher über Bildung, Berufsmöglichkeiten sowie ihre soziale und ökonomische Situation als über Ungleichheit von Männern und Frauen.
In den letzten Jahren, insbesondere seit dem Internationalen Jahr der Frauen 1975 ist das Interesse der Frauen an Kontakten untereinander gestiegen. Ihnen ist klar geworden, daß sie Lösungen ihrer Probleme in Familie und Arbeit erzwingen können, wenn sie sich zusammenschließen. Weltbank und »The National Council on Women and Development« (NCWD) fingen an, Forschungen zur Situation der Frauen durchzuführen. Der Schwerpunkt dieser Untersuchungen gilt Frauen in der Landwirtschaft, die an der untersten Stufe der Gesellschaft stehen und wesentlich weniger Möglichkeiten als ihre Schwestern aus der Mittel- und Oberschicht haben. Letztere arbeiten z.B. in Exekutive und Verwaltung, aber auch einige Frauen aus der Unterschicht erreichen soziale Mobilität durch Bildung und werden Lehrerinnen, Krankenschwestern, Beamte oder in der Wirtschaft tätig. Die Mehrheit der ghanaischen Frauen sind immer noch Analphabetinnen. Einige betreiben erfolgreich Handel, die anderen sind jedoch eine besonders leicht ausbeutbare Bevölkerungsgruppe.
Auffallend ist die Klarheit, mit der Frauen über ihre Lebensziele sprechen. Sie wissen genau, wie groß ihre (zukünftige) Familie (werden) sein soll, in welcher Form sie mit dem Partner zusammenleben wollen, welche berufliche Tätigkeit sie anstreben und wie diese mit der Kindererziehung in Einklang zu bringen ist. Gleichzeitig ist die Mehrheit bereit Kompromisse einzugehen, wenn etwas ihren Zielen entgegensteht. Sie opfern eine Karriere für die Ehe.
Die Industrialisierung ist noch wenig fortgeschritten. Ghanas Wirtschaft basiert auf dem Agrarsektor, der von der Kakaomonokultur geprägt ist, und ist deshalb stark von Schwankungen der Weltmarktpreise abhängig. Mit der Verschlechterung der Terms of Trade 1970-1978 und der damit verbundenen hohen Auslandsverschuldung geriet Ghana in eine Wirtschaftskrise (Klingshim 1982) — die Folge war, daß qualifizierte Fachkräfte das Land verließen. Das betraf die Frauen in besonderer Weise — Ehefrauen und Kinder wurden zurückgelassen, viele versuchten, ihre Kinder bei Verwandten unterzubringen, um ebenfalls emigrieren zu können. — Dem Zensus von 1970 zufolge gibt es 1,8 Millionen Haushalte; 1,3 Millionen haben einen männlichen, 0,5 Millionen einen weiblichen Haushaltsvorstand.
Bildung und Erwerbstätigkeit
Im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten ist das Bildungssystem in Ghana relativ weit entwickelt. Mit dem »Education Act« von 1961 wurde eine neunjährige Schulpflicht eingeführt, der Unterricht ist kostenfrei, seit 1965 auch an weiterführenden Schulen. In den ländlichen Gebieten gab es erhebliche Schwierigkeiten, die Schulpflicht durchzusetzen. Vor allem Mädchen waren betroffen. Die Eltern waren nicht bereit, ihre Töchter in die Schule zu schicken, da sie deren Arbeitskraft in der familiären Subsistenzwirtschaft brauchten. Zusätzlich hatten sie Angst, daß der Unterricht eine »amoralische Lebensführung« vermitteln und damit die Ehechancen der Mädchen vermindern würde. Heute werden mehr Mädchen denn je eingeschult, aber die Abbruchquote ist sehr hoch, aufgrund früher Schwangerschaft und mangelnder Unterstützung der Eltern. 1974 waren in Primär- und Mittelschulen schon 40%, in den Sekundärschulen über 25% Mädchen.
An kaufmännischen Ausbildungskursen nahmen 29,3% Frauen teil, an Kursen für öffentliche technische Einrichtungen 17,1%, an Anfangskursen der Lehrerseminare 30,1% und an Fachkursen (specialist courses) 27%. An den Universitäten waren nur 15,6% Studentinnen, obwohl seit Anfang der 60er Jahre eine Quotierung zu Gunsten der Frauen besteht. Die Kluft zwischen gebildeten Frauen und Männern ist sehr weit — sie führt zu ungleichen Berufschancen. Der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen nimmt zu; 1960 waren 89% der Männer und 57% der Frauen über 15 Jahre erwerbstätig, 1970 84% der Männer und 64% der Frauen. Ca. 30% der erwerbstätigen Frauen arbeiten im Handel oder in der Landwirtschaft. Diese Zahlen verbergen Mädchenarbeit in Landwirtschaft, Handel, Handarbeit und als unbezahlte Haushaltshilfen sowie die beträchtliche Anzahl von Frauen, die Reproduktionsarbeit leisten. Obwohl sich die Zahl der qualifizierten Arbeiterinnen im Produktionsbereich erhöht hat, waren 1970 nur 3% der erwerbstätigen Frauen qualifizierte Arbeitskräfte (Oppong/Abu 1987).
Daß die Frauen ihren Männern gegenüber stark und individualistisch auftreten und ehrgeizig sind, was die Zukunft ihrer Kinder betrifft, beruht auf dem Ausmaß ihres Beitrags zur ökonomischen Entwicklung Ghanas. Das Nachlassen der Kraft von Frauengruppen in den 60er und 70er Jahren hat seine Ursache darin, daß Frauen der Zugang zu den beiden strategischen Ressourcen Bildung und Land verweigert wird. Die produktiven Tätigkeiten der Mütter verlagern sich zunehmend weg von Reproduktion und Versorgung der Kinder, finden außerhalb des Hauses statt — Beruf und Mutterschaft geraten in Konflikt. In ethnographischen, demographischen und ökonomischen Studien kommen Frauen kaum vor, ebenso in offiziellen Statistiken. Seit 1976 führte der »National Council on Women and Development« (NCWD) Studien zu Frauenarbeit, Bildung und Familie durch, die für die Regierungspolitik von Bedeutung sind. Es zeigte sich, daß Frauen benachteiligt sind bei Schul-und Berufsbildung, Entscheidungspositionen, Regierungspositionen und Zugang zu Krediten (vgl. NCWD Report 1982).
Es wird oft mit Stolz geschrieben, daß ghanaische Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben. Sicher, als Beamtin hat frau den gleichen Lohn wie ein Mann auf gleicher Ebene. Daten der Arbeitszentren von 1971 bis 1975 deuten darauf hin, daß Männer bevorzugt eingestellt werden. Untersuchungen der NCWD haben gezeigt, daß Frauen in Entscheidungspositionen unterrepräsentiert sind; in den 70er Jahren waren nur 6,4% der Mitglieder der verschiedenen Vorstände auf nationaler Ebene Frauen, 6% der hohen Beamtenstellen hatten Frauen inne, allerdings nur in der Verwaltung und nur Assistenzstellen (Oppong/Abu 1987).
Eine Studie der NCWD über die Situation schwangerer Arbeitnehmerinnen und medizinische Versorgung stellte fest, daß nur knapp die Hälfte der Vereinbarungen in Firmen und staatlichen Institutionen den Arbeitsgesetzen entsprachen, die minimale Vorteile für schwangere Arbeitnehmerinnen gewährleisten.
Händlerinnen und Marktfrauen sind meist wirtschaftlich unabhängig und gut organisiert, unabhängig davon, ob sie nur mit Geflügel und Gemüse handeln oder Import-Export-Geschäfte betreiben. Die Organisationen der Händlerinnen und Marktfrauen setzen Preise fest, bestimmen Geschäftszeiten, Zulassungen u.a. und erteilen Strafen an jene, die sich nicht an die Bestimmungen halten. Es wird darauf geachtet, daß Männer sich »anständig« und höflich benehmen. Sollte es einem Mann einfallen, eine Frau anzupöbeln, kann er sich auf Boykott, Streik oder sonstiges gefaßt machen. Diese Organisationen und Frauengewerkschaften gehören zu den wenigen Erscheinungen, in denen traditionelle Grundsätze in die moderne gesellschaftliche Ordnung hinübergerettet wurden. In den größeren Städten Ghanas besitzen viele Frauen eigene Geschäfte. Meist handeln sie mit Textilien, Lebensmitteln, Palmöl, oder sie besitzen Lastwagen. Die meisten dieser »Handelsprinzessinnen« sind Analphabetinnen oder verfügen nur über rudimentäre Kenntnisse in Lesen und Schreiben. In den meisten Fällen sind die Frauen mit ihren Geschäften viel erfolgreicher als ihre männlichen Konkurrenten.
Mit der ökonomischen Krise und der hohen Inflationsrate sind immer mehr Männer nicht in der Lage, ihre Familien zu ernähren — Frauen übernehmen zunehmend diese Aufgabe. Um verstehen zu können, welche neuen Lebensformen sich dadurch entwickeln, muß man die »typische« weibliche Haltung kennen: ein tiefverwurzeltes Solidaritätsgefühl gegenüber der Familie, das oft stärker ist als die eheliche Bindung. Ghanaische Frauen fühlen sich verpflichtet, für ihre Mütter, Väter und Geschwister zu sorgen, zusätzlich zu ihren eigenen Kindern und ihrem Mann. Mütter haben mehr Sozialprestige als kinderlose Frauen, deshalb ist es der Wunsch aller Frauen, Kinder zu bekommen, was bei einer schlechten finanziellen Situation den ökonomischen Druck erhöht.
Die Polygamie mit ihren traditionellen Vorteilen für die Subsistenzproduktion bereitet vielen Frauen in Ghana große Kopfschmerzen: sie beklagen sich über mangelnde emotionale Zufriedenheit. Ein positiver Aspekt der Polygamie ist, daß Frauen ihren Lebensschwerpunkt nicht auf die Ehe und den Ehemann, sondern auf ihren Beruf und die Kinder setzen.
Frauenorganisationen
Eine Frauenbewegung wie z.B. in Ländern West-Europas gibt es in Ghana nicht. Frauenfragen wurden und werden den turbulenten Kämpfen gegen Imperialismus und Rassismus — »der Feind« vom 15. Jahrhundert bis heute — untergeordnet. Frauenorganisationen und -gruppen existieren schon seit der Zeit des Königreichs Songhai (300 bis 1513 n.Chr.), wo Frauen Landwirtschaft, Initiationsriten und Eherecht kontrollierten. Organisationen in der Stadt und auf dem Land formulieren unterschiedliche Interessen und Themen, bis auf eines: die Armut.
Es gibt traditionelle Frauengruppen mit ihren Sprecherinnen und Vertreterinnen, die die Anliegen der Dorffrauen vor den Bezirksgremien vortragen. Sie werden von den Dorffrauen gewählt, kommen selbst aber meist aus den Familien der traditionellen Führer. Dieses Amt ist auch auf moderne Berufsgruppen übertragen worden — es gibt Sprecherinnen der Bäckerinnen, Händlerinnen, Näherinnen etc. Diese Frauengruppen förderten Bildung, Zugang zu Krediten, Entwicklung ländlicher Gebiete und Arbeitserleichterungen für die Frauen.
Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden Frauenwohlfahrtsorganisationen, sie entstammten englisch-viktorianischer Tradition. Ihre Mitglieder waren Frauen aus führenden städtischen Familien, die einzigen, die über eine Schulbildung verfügten. Für diese Frauen war Sozialarbeit die einzige gesellschaftlich akzeptierte Möglichkeit, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Diese Frauenvereinigungen waren apolitisch; ihre sozialen Aktivitäten waren auf europäisch-karitative Tätigkeiten von Mittelschichtsfrauen begrenzt. Sie versuchten europäische Frauen nachzuahmen, um zu beweisen, daß sie eine »Zivilisation« geschaffen hatten. Diese Gruppen wurden von europäischen Frauen geführt; ihre Beziehung zu ghanaischen Frauen war paternalistisch. Die ghanaischen Frauen traten unsicher auf, es fehlte ihnen jegliches Selbstbewußtsein — dennoch waren zur Kolonialzeit Analphabetinnen besser dran, wenn sie Mitglieder dieser Organisationen waren.
Nach der Unabhängigkeit 1957 blieben die Frauenvereinigungen eng in die patriarchalische Sozialordnung eingebunden, hierarchisch gegliedert. Ihre Bedeutung war auf den Empfang von Geschenken zur Weiterverwendung für karitative Zwecke reduziert. Die meisten dieser Gruppen sind religiös orientiert. Immer noch aktiv sind »Christian Mothers«, Presbyterianische Frauengruppen, »Methodist Women's Fellowship« und ländliche Kredit- und Sparvereine. Sie haben feste Programme oder verfolgen bestimmte Aufgaben. Jede organisierte Gruppe stellt ein Potential dar, das angesprochen bzw. zur Kooperation in bestimmten Bereichen gewonnen werden kann, damit die Erfahrungen in staatliche Planung und in die gesamtgesellschaftliche Entwicklung integriert werden können. Außerdem gibt es auch staatliche Frauenorganisationen. Ihre Aufgaben sind wichtiger für die Regierung als für die Frauen — sie versuchen, die Politik der Regierung in allen Frauengruppen populär zu machen.
Der »National Council on Women's Development« hat landesweite Untersuchungen zur Situation der Frauen durchgeführt. Er hat sich für staatliche Investitionen im Bereich von Weiterbildung, für funktionale Alphabetisierung und Erwachsenenbildung stark gemacht und ermöglicht Frauen aus allen gesellschaftlichen Bereichen die Artikulation und Vertretung ihrer Interessen. Die Frauen im NCWD haben erkannt, daß es nicht um eine abstrakte Politisierung oder eine Verbreiterung feministischer Ideen gehen kann, sondern darum, Frauen zu ermutigen, sich von einem Teil der alltäglichen Bürde zu befreien, sich Teilräume zu schaffen und Schritt für Schritt neue Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Eine neue Frauengruppe, »31st Women's Group«, ist am 31.12.1980 entstanden. Sie arbeitet ähnlich wie der NCWD.
Frauen in Ghana sind beruflich, sozial und psychisch so belastet, daß sie kaum über sozio-ökonomische und politische Prozesse diskutieren, die über ihre unmittelbare persönliche Betroffenheit wie steigende Preise oder Warenknappheit hinausgehen. Die allgemeine Armut und die ökonomische Verantwortung, die die Frauen tragen müssen, zwingt sie dazu, ihre Sorgen und Gedanken auf individuelle Überlebensstrategien zu beschränken.