Neuseeland/Aotearoa

Die Frauenbefreiungsbewegung
- von unten empor

Als in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts europäische (Pakeha-) Frauen in größerer Zahl nach Neuseeland einzuwandern begannen, trafen sie auf eine eingeborene Maori-Gesellschaft mit einem ganz anderen Wertesystem, was sich auch in den Aufgaben der Geschlechter zeigte. Christliche Missionare (und ihre Verwandten) machten sich sofort daran, die Kosmologie der Maori zu zerstören, die die Erde als Mutter, den Himmel als Vater und Götter und Göttinnen als aktive Prinzipien in der Natur und im Leben der Menschen auffaßt und nach der der erste Mensch eine Frau war. Diese Vorstellung wurde durch das aus einer Mischung aus hebräischem und griechischem Gedankengut bestehende Christentum aus dem England des 19. Jahrhunderts ersetzt. Schließlich versuchten die Einwanderlnnen, den Maori den gesamten englisch-viktorianischen Sittenkodex mitsamt der starren Geschlechterhierarchie und der extremen Prüderie aufzuzwingen. Die Maori-Frauen sollten sich nun nach britischen Vorstellungen »angemessen« kleiden und benehmen, und sie sollten sich wie die bürgerlichen Engländerinnen auf das Heim beschränken - ohne Bildung, ohne Erwerbstätigkeit, ohne politische Rechte. Diese englische Geschlechterhierarchie war der Maori-Gesellschaft, worin der Status einer Frau genauso von ihrer Abstammung wie von ihrem Geschlecht abhängig war, vor der Pakeha-Einwanderung unbekannt. Frauen besserer Herkunft hatten Zugang zu Bildung, brauchten keine Hausarbeit zu tun und übten politischen Einfluß aus, was für Männer von niedrigerer sozialer Stellung unerreichbar war. Im englischen System des 19. Jahrhunderts hatten selbst adlige Frauen keine garantierten Bildungsmöglichkeiten und verfügten über keinerlei politische Rechte. Außerdem waren in der gleichen Zeit Frauen aller Schichten schlechter als Maori-Frauen gestellt, wenn es um Schutz vor Gewalt in der Ehe und um das Sorgerecht für die Kinder ging.

Der Feminismus im 19. Jahrhundert

Der Feminismus als organisierte politische Bewegung entstand zuerst in der englischen Mittelschicht und wurde von den ersten Emigrantinnen nach Neuseeland gebracht. Über ein Jahrhundert lang interessierte sich dieser angelsächsische Mittelstands-Feminismus kaum für die Maori-Frauen, und die Maori-Frauen interessierten sich ebenso wenig für die Pakeha-Feministinnen. Erst in den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts sollte sich das ändern. Zunächst konzentrierten sich die Pakeha-Feministinnen darauf, Mädchen und Frauen Zugang zu höherer Bildung zu verschaffen, darin sahen sie den Schlüssel für die Frauen, sich Achtung zu erwerben und sich am Arbeitsleben beteiligen zu können. 1867 wurde in Dunedin die erste höhere Mädchenschule Neuseelands eröffnet; die anderen größeren Städte zogen bald nach. Frauen wurden anders als in Großbritannien zum Studium zugelassen, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts machten viele Frauen ihren Abschluß in Jura, Medizin oder in den Geisteswissenschaften. Fürsorge für Frauen und Kinder war ein weiterer »ehrbarer« Bereich, in dem sich die Frauen der Mittelschicht engagierten, aber ein großer Teil dieser Arbeit war durch religiöse Überheblichkeit gekennzeichnet und von den viktorianischen Vorstellungen von bedürftigen und nicht bedürftigen Armen bestimmt. Die meisten Frauen der Mittelschicht betrachteten Frauen, die ein uneheliches Kind erwarteten oder von ihren Männern im Stich gelassen worden waren, nicht als ihre Schwestern. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist die katholische Nonne Mutter Mary Aubert, die versuchte, die Bedürfnisse der ledigen Mütter und der Waisenkinder in ihrer Obhut mit ihrem eigenen Bedürfnis, »Gutes zu tun«, in Einklang zu bringen.
Gebildete Frauen begannen immer mehr sich mit den Forderungen ihrer Geschlechtsgenossinnen zu beschäftigen, und in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer organisierten Wahlrechtskampagne. 1893 nahmen die neuseeländischen Frauen als erste Staatsbürgerinnen der Welt an einer Wahl teil unter Neuseelands erster Parteienregierung. Die Liberal Party, die 1891 an die Macht kam, setzte weitere Reformen durch, wie die Einführung einer Altersrente und einer Bodenreform zugunsten kleiner Bauern.
Die Feministinnen begnügten sich nicht mit dem Wahlrecht, sondern gründeten zunächst eine Organisation, den Nationalen Frauenrat (National Council of Women), für den es in Sachen Feminismus viel zu erstreiten gab, z.B. gleichen Lohn für gleiche Arbeit, bessere Arbeitsmöglichkeiten, bessere Schwangerschaftsversorgung, Unterstützung für Witwen und verlassene Mütter, und das passive Wahlrecht für Frauen. Leider überlebte der Frauenrat in dieser Form nicht: nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zu einer Vereinigung, der alle möglichen Frauenorganisationen angegliedert waren, ohne sich für weitere radikale Reformen für Frauen einzusetzen. An ihn wandten sich nun viele Regierungen, um in einer Vielzahl von Themen (wie Ökologie, Verteidigungspolitik, Erziehung usw.) Informationen zum Standpunkt der Frau zu erhalten.

Der Feminismus im 20. Jahrhundert

Zwischen 1895 und 1935 hörte man nicht viel vom neuseeländischen Feminismus, obwohl einzelne Frauen und kleine Organisationen einige bedeutende Veränderungen durchsetzten: z.B. die Einführung einer amtlichen Zulassung für Krankenpflegerinnen und Hebammen, die Einrichtung von Entbindungsheimen, die Organisierung der Lehrerinnen und Textilarbeiterinnen und (was ein Skandal war) die Versorgung der neuseeländischen Soldaten mit Kondomen.
Die Weltwirtschaftskrise erreichte Neuseeland 1930. Arbeitslosigkeit und in der Folge soziales Elend verbreiteten sich, und bei den Neuseeländerinnen kam der Wunsch nach einer neuen Partei auf. 1935 kam die erste Labour-Regierung an die Macht und begann, den von der Liberal Party in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begonnenen Aufbau eines Wohlfahrtsstaates weiter zu führen. Frauen galten allerdings immer noch als dem Manne Untertan und sollten sich um den Nachwuchs sorgen. Verheirateten Frauen stand keine Arbeitslosenunterstützung zu, alleinstehende Frauen bekamen zunächst keine, dann eine geringere Unterstützung, und das Kindergeld wurde eingeführt (um die Mütter zu unterstützen). Auch eine Kommission zur Untersuchung illegaler Abtreibung (jährlich 4.000 Fälle, die oft den Tod oder bleibende Schäden bei den Frauen zur Folge hatten) bot den Frauen keine wirkliche Hilfe weder gesetzgeberische Reformen noch eine Versorgung mit Verhütungsmitteln.
Viele Wählerinnen der Labour Party hatten geglaubt, daß diese ihr 1920 aufgestelltes sozialistisches Programm in die Tat umsetzen würde. Auch Mitglieder der Kommunistischen Partei Neuseelands, die in den dreißiger Jahren ihre höchsten Mitgliederzahlen hatte, hatten Labour unterstützt. Unter den Sozialistinnen befanden sich einige engagierte Feministinnen, und Neuseelands zweite feministische Zeitschrift, Woman Today begann 1937 als Zeitschrift der kommunistischen Partei. Als sie 1939 ihr Erscheinen einstellte, war sie von der Partei unabhängig geworden. Sowohl für den Sozialismus als auch für den Feminismus brachen mit dem Zweiten Weltkrieg schlechte Zeiten an.
Die kommunistische Partei gewann das Ansehen nie zurück, das sie durch den Hitler-Stalin-Pakt verlor. Außerdem entschärften die wohlfahrtsstaatlichen Reformen der Labour Party das Bedürfnis nach radikalen Veränderungen. Der Feminismus schien wieder aufzuleben als Tausende von Frauen eine Erwerbsarbeit aufnahmen, um die Männer für den Krieg in Übersee freizustellen. Viele Frauen sahen sich jedoch gezwungen, die Arbeit weiterzumachen, die sie vor dem Krieg gehabt hatten, nur nähten sie vielleicht Uniformen statt modischer Kleidung oder melkten alle Kühe - statt nur die Hälfte. Die Versuche, Kinderbetreuung für erwerbstätige Mütter einzurichten, gelangen nur unzureichend. Die Frauen hatten nur fünf Jahre Zeit, sich an die erweiterten Beschäftigungsmöglichkeiten zu gewöhnen, danach sollten sie zu ihren Aufgaben im Haus zurückkehren. In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Krieg, den fünfziger und sechziger Jahren, war man in Neuseeland näher daran denn je, die sozialen Wunschvorstellungen der konservativen Männer zu verwirklichen, die in der Labour Party und der neuen Regierungspartei, der National Party, an der Macht waren. Es herrschte Vollbeschäftigung, die meisten Familien waren kurz davor, sich ein kleines Eigenheim leisten zu können, mit einem männlichen Ernährer für die daheim bleibende Frau und mindestens drei Kinder. Die gut haushaltende Arbeiterfamilie konnte sich schließlich ein Auto und alle modernen Haushaltsgeräte leisten.
Diese scheinbare materielle Sicherheit bildete den Nährboden für das in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren aufkommende politische Phänomen der »Protestbewegung« und im Zusammenhang damit für eine zweite Welle von militantem Feminismus, die in Neuseeland und im Ausland unter der Bezeichnung Frauenbefreiungsbewegung
(Women's Liberation Movement) WLM bekannt ist.

Die Ursprünge der Frauenbefreiungsbewegung

Die ersten Anzeichen dafür, daß die Frauen der Nachkriegszeit mit einer vollkommen abhängigen, nur auf den Haushalt beschränkten Identität nicht völlig zufrieden waren, machten sich in den fünfziger Jahren bemerkbar, als sich Frauen organisierten, um gegen den Widerstand von Medizinern und von seiten der Kirche die ersten Familienplanungskliniken in Neuseeland zu eröffnen. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte vermutlich das höhere Heiratsalter ebenso wie (heimlich vorgenommene) Abtreibung und Verhütung dazu beigetragen, die Familien in der gewünschten Größe zu erhalten, aber danach wurde wegen des ständig sinkenden Heiratsalters der Frauen (ein Trend, der erst in den achtziger Jahren rückläufig wurde) die Frage der Verhütung wichtig. Außerdem fanden die Frauen der Nachkriegszeit immer mehr Arbeitsmöglichkeiten außerhalb des Hauses vor, da sich der sekundäre und der tertiäre Wirtschaftssektor stark entwickelten, mit einer großen Nachfrage nach Bürokräften, Textilarbeiterinnen, Lehrerinnen und Krankenschwestern. Die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit wurde wieder aktuell.
1957 wurde ein Rat für Lohn- und Chancengleichheit (Council for Equal Pay and Opportunity) ins Leben gerufen. Kampagnen für gleichen Lohn wurden erfolgreich geführt, zuerst im öffentlichen Sektor (1960), später auch in der Privatwirtschaft (1972). Viele Frauen konnten erst durch den Bau von Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder voll erwerbstätig werden. 1963 wurde eine Gesellschaft für Kinderbetreuung gegründet (die New Zealand Child Care Association), die geeignete Einrichtungen forderte, um Kinder rund um die Uhr betreuen zu können. 1966 gründeten Frauen eine Gesellschaft für Frauenforschung (Society for Research on Women) aus der Erkenntnis heraus, daß die Untermauerung frauenrelevanter Politik wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse bedurfte.
In all diesen Kampagnen zeichneten sich bereits einige Hauptanliegen der WLM ab. Dennoch war sie selbst für einige ältere Feministinnen ein Schock. Meist von jüngeren Frauen orientiert und geführt, darunter einer Vielzahl, die mit den Taktiken und dem Stil der von Männern geleiteten »Protestbewegung« vertraut waren, zog die WLM schnell die Beachtung und Unterstützung auf sich, die den zurückhaltenderen Erscheinungsformen des Feminismus nicht zuteil geworden war. Die WLM wollte alles, was ihre Vorgängerinnen gewollt hatten - und noch mehr. Nicht bloß »Familienplanung«, sondern kostenlose Verhütungsmittel und freie Abtreibung. Nicht nur Kinderbetreuung, sondern kostenlose Kinderbetreuung rund um die Uhr. Die WLM empörte sich auch über jeden Bereich des Lebens, in dem Frauen als minderwertig angesehen wurden. Bars in Christchurch, Wellington und Auckland wurden durch Frauen »befreit«, die in diese männliche Domäne einbrachen und verlangten bedient zu werden. Sie machten sich lustig über Kosmetik und unbequeme Modekleidung. Sie propagierten, die Anrede »Ms« anstelle von »Mrs« (Frau) und »Miss« (Fräulein) zu verwenden. Der Zugang zu Schönheitswettbewerben wurde versperrt, Proteste gegen sexistische Werbung formuliert, und am 19. September 1971 begingen die Feministinnen zum ersten Mal den »Suffrage Day«, den Stimmrechts-Tag, als einen wichtigen Tag für die neuseeländischen Frauen.
Die Feministinnen ließen keine Gelegenheit aus, um vor Clubs, Vereinen und in den Medien aufzutreten. Von Männern dominierte Organisationen und die Medien nahmen »das ganze Theater« meist nicht ernst und machten sich darüber lustig, aber in den Frauenorganisationen und unter nicht organisierten Frauen begannen sich die neuen Ideen herumzusprechen. Die ersten Frauenbefreiungsgruppen bildeten sich 1970, die erste Zeitschrift der neuseeländischen Frauenbewegung erschien 1971, die erste nationale Konferenz der Frauenbefreiungsbewegung (National Women's Liberation Conference) wurde im April 1972 in Wellington abgehalten. Zu dieser Konferenz kamen an einem Samstag über 330 Frauen (und 70 Männer) zu einem Sit-In, und am darauffolgenden Sonntag 150 Frauen zu einer Konferenz über politische Grundsätze und Maßnahmen. 1973 kamen schon 1500 Frauen zu der ersten United Women's Convention (UWC), einer Versammlung aller Frauenvereinigungen, die im September in Auckland stattfand. Die Frauenbewegung war zu einer sichtbaren Macht geworden.
Die WLM entwickelte sich nicht isoliert, sondern stand unter dem Einfluß von Untersuchungen aus dem Ausland, vor allem aus den USA, mit denen Neuseeland nicht nur die Sprache gemeinsam hat, sondern zu denen auch schon die Protestbewegung Kontakte aufgebaut hatte. Zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten WLM-Gruppen in den USA begannen diese auch in Neuseeland zu entstehen.

Charakteristika der Frauenbefreiungsbewegung

Die neuseeländischen Frauen waren durchaus in der Lage, sich selbst zu organisieren, wenn sie auch die meisten der bahnbrechenden Prinzipien aus den USA übernahmen, die diese Phase des Feminismus von seinen früheren Phasen unterscheiden.
Ausschluß von Männern: Während in früheren feministischen Organisationen Männer oft de facto ausgeschlossen gewesen waren, machte die WLM diesen Ausschluß nun zu einem Grundprinzip. Dies war bei der Organisation der WLM ein umstrittener Aspekt, der immer wieder kritisiert wurde. Die Gründe für dieses Organisationsprinzip blieben jedoch bestehen, und heute sind in den meisten neuseeländischen Frauengruppen Männer von der politischen Teilnahme und von führenden Rollen ausgeschlossen, wenn ihnen auch eine Art passiver Mitgliedschaft gewährt wird.
Selbsterfahrungsgruppen wurden zu einem Mittel, um die politische Ebene der persönlichen Erfahrungen aller Frauen, wie fehlende Abtreibungsmöglichkeiten, niedrige Löhne, Einschränkung auf die Hausarbeit, fehlende Einrichtungen zur Kinderbetreuung zu erkennen.
Frauen aus Randgruppen: Während einige der frühen Feministinnen kühn die »freie Liebe«, den Schutz von Prostituierten und andere schockierende Dinge gefordert hatten, hatte sich die Mehrheit der Frauenbewegung von diesen nicht respektablen Schwestern eher distanziert. Im Gegensatz dazu trat die WLM öffentlich für die Rechte der Frauen ein, die aus der Männergesellschaft ausgegrenzt waren. In Neuseeland erklärte sie sich mit Alleinerziehenden (ledigen oder verlassenen Müttern) vom Zeitpunkt ihrer Gründung 1972 an solidarisch und verteidigte durchweg deren Rechte auf besondere soziale Leistungen (den Domestic Purposes Benefit). Die Unterstützung lesbischer Frauen war ebenfalls ein wesentliches Prinzip der WLM. 1973 wurde in Christchurch und Wellington die erste feministische Lesbenorganisation Neuseelands, Sisters for Homophile Equality, gegründet. Während später der Streit über die Bedeutung des Lesbentums für feministische Theorie und Praxis die WLM zerrüttete (nicht nur in Neuseeland, sondern fast überall), gab es in diesem frühen Stadium im Prinzip allgemeine Unterstützung für Lesben und ihre Belange.
Kollektive: Die nicht nur in Neuseeland für die Frauenbewegung typische Organisationsform war und ist das Kollektiv, eine kleine nichthierarchisch aufgebaute Gruppe, in der die Verwaltungsaufgaben gemeinsam erledigt und Entscheidungen gemeinsam getragen werden. Dies bedeutete einen Bruch mit der eher formellen Organisationsstruktur anderer feministischer Gruppierungen.
Militanz: Die WLM befürwortet, wie die Suffragetten, aber anders als die meisten feministischen Organisationen, gewaltloses direktes Vorgehen als ein Mittel, Aufmerksamkeit für die Forderungen von Frauen zu erregen. Daher sind die frühen Tage der neuseeländischen WLM gekennzeichnet durch Streiks, Demonstrationen, »Guerilla-Theater«, Behinderung von Schönheitswettbewerben und anderen sexistischen Veranstaltungen, und sonstigen Formen des direkten Protests. Nachdem die WLM-Frauen Gesundheitsgruppen, Notdienste für vergewaltigte Frauen und ähnliche Organisationen aufgebaut hatten, um Frauenprobleme auf feministische Weise angehen zu können, und nachdem sie besseren Zugang zum Establishment gefunden hatten (hauptsächlich durch die Tätigkeit innerhalb seiner Strukturen), trat der militante Protest als typisches Merkmal der WLM allmählich zurück.

Ziele der Frauenbefreiungsbewegung

»Abortion - a woman's right to choose«, Abtreibung als Selbstbestimmungsrecht der Frauen, war die radikale Forderung nach Empfängnisverhütung, die zunächst die Liberalen, die behutsam eine Reformierung des Abtreibungsgesetzes anstrebten, genauso verprellte wie die Konservativen, die gegen eine solche Reform waren. Die Forderung fand in weiten Kreisen der Bevölkerung Unterstützung und bildete von da an die Grundlage der Abtreibungspraxis, wenn auch nicht der Abtreibungsgesetzgebung. Eine Priorität der Frauenbewegung war schon immer eine bessere Gesundheitsfürsorge für Frauen gewesen. Ausgehend von dem Prinzip, daß die elementare Gesundheitsfürsorge von Frauen durch Frauen gestellt werden sollte, und zwar ebenso durch Laien und Pflegerinnen wie durch voll ausgebildete Ärztinnen, begann die WLM in Neuseeland von 1973 an, Frauengesundheitsgruppen und -Zentren zu gründen. Ebenso kämpft die WLM für eine stärkere Selbstbestimmung der Frau bei Fragen der Fortpflanzung. Außerdem forderte sie in ihren Gesundheitskampagnen in den siebziger Jahren stationäre Hebammen für Hausgeburten und die Einrichtung von kleinen Entbindungskliniken, und kämpfte gegen gesundheitsschädliche Verhütungsmittel.
Das Bildungswesen ist ein weiteres traditionelles Feld des feministischen Kampfes. Der wesentlichste Beitrag der WLM bestand darin, Geschlechtsrollenfestlegungen sowohl im offiziellen Lehrplan (von Anfängerfibeln bis zu Universitätsvorlesungen) als auch im »verborgenen« Lehrplan aufzudecken, zum letzteren gehört, daß Männer in den Schulen die höheren Positionen innehaben als Frauen, daß die Mädchen in gemischten Schulen von den Lehrern weniger Beachtung erfahren als die Jungen, etc.
Das erste nur von Frauen und nach feministischen Prinzipien verwaltete Frauenhaus in Neuseeland wurde 1974 gegründet, als erstes einer großen Zahl von Frauenhäusern mit überarbeiteten Mitarbeiterinnen und unzureichenden finanziellen Mitteln. Der Bedarf an dem Hilfsangebot der Frauenhäuser war groß, und später von Feministinnen durch geführte Untersuchungen bestätigten die Ergebnisse von Forschungen aus dem Ausland, wonach Gewalt in der Ehe ein weitverbreitetes Phänomen und nicht auf Alkoholikerfamilien der Unterschicht beschränkt ist. Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch von Kindern waren ebenfalls weiter verbreitet, als man angenommen hatte, und in der Mitte der siebziger Jahre entstanden nach den Prinzipien der WLM operierende Gruppen, Zentren und Kampagnen, die sich dieser Probleme annahmen.
Schlimm genug, als Hausfrau und Mutter kein eigenes Einkommen zu haben und von einem Mann abhängig zu sein, aber in Neuseeland wurde die Situation dadurch noch schlimmer, daß die Städte von Männern entsprechend den Bedürfnissen von Männern angelegt worden waren, und die Frauen oft mit einem Haus voll kleiner Kinder in Vororten isoliert waren, wo es keine Verkehrsverbindungen gab und keine zu Fuß erreichbaren Arbeits- und Erholungsmöglichkeiten oder soziale Kontakte. In den sechziger Jahren wurde ein neues psychologisches Syndrom mit der Bezeichnung »Vorortneurose« (suburban neurosis) bekannt, betroffen waren Hausfrauen und Mütter. Selbst heute ist es noch so, daß Frauen mit Kindern im Vorschulalter mit höherer Wahrscheinlichkeit als jede andere Bevölkerungsgruppe psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
Die WLM hält Mutterschaft an sich noch für keine psychische Gefährdung von Frauen, aber die Zwangsbetreuung von Kindern 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche unter isolierten Bedingungen sei ein sicheres Rezept für einen Zusammenbruch. Deshalb fordert die WLM kostenlose professionelle Kinderbetreuung rund um die Uhr - davon würden alle profitieren, sowohl Vollzeitbeschäftigte und Schichtarbeiterinnen als auch diejenigen, die zu Hause arbeiten. Diese radikale Forderung ist in Neuseeland weit von der Verwirklichung entfernt - die konservative Vorstellung, daß »die Frau ins Haus gehört«, hat immer noch viele Anhänger.

Das internationale Jahrzehnt der Frau 1975-1985

Zu Beginn des internationalen Jahres der Frau (1975) hatte die neuseeländische WLM im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen, in den Fragen Vergewaltigung, Gewalt in der Ehe, Sexualität, Verhütung, Arbeit und Einkommen eine radikale Politik vertreten und radikale Organisationen ins Leben gerufen. Mehrere Frauenzentren wurden eingerichtet. Die WLM- und andere feministische Gruppen verbreiteten sich stark, und die größte feministische Monatszeitschrift Neuseelands, Broadsheet, erschien im dritten Jahr. Paradoxerweise ließ zu diesem Zeitpunkt die radikale Energie in der Bewegung nach. Rückblickend ist dies bei einer Bewegung nicht überraschend, die vom freiwilligen Einsatz von Leuten mit geringen Mitteln abhängig ist. Wenn die Regierung die durch die WLM aufgeworfenen Fragen anerkennen sollte, bedeutete dies, daß viel Zeit für die öde unbezahlte Arbeit aufgebracht werden mußte, Forschung zu betreiben, Eingaben zu einer Vielzahl von Themen zu schreiben, und diese dann Komitees und Ausschüssen vorzulegen. Dies war lange nicht so spannend wie militantes Auftreten und auch sicherlich nicht so effektiv, vor allem im Falle der Abtreibungsgesetzgebung, die nach drei Jahren Forschung, Eingaben und Beratungen sogar noch verschärft wurde. Eine ungeheuer umfangreiche Petition, die daraufhin von nicht-militanten Feministinnen eingereicht wurde, um die Politiker dazu zu bringen, das Gesetz über Verhütung, Sterilisation und Abtreibung von 1977 aufzuheben, erhielt im Parlament noch nicht einmal die ihrem Umfang angemessene Berücksichtigung, und 1978 sahen sich die Militanten in der WLM gezwungen, für Neuseeländerinnen, die im eigenen Lande keine Möglichkeit zu risikofreier Abtreibung fanden, einen Pendelverkehr zu australischen Abtreibungskliniken einzurichten.
Bevor die Regierung irgendeinem von der WLM vertretenen Anliegen gesetzliche Unterstützung oder Mittel zukommen ließ, verlangte sie »Nachweise« in Form wissenschaftlich fundierter Beweise für die Diskriminierung von Frauen. Die Society for Research on Women, die bereits einiges an Forschungsleistungen vorzuweisen hatte, bekam Unterstützung durch eine weitere Vereinigung für Frauenforschung, die Women's Studies Association, eine radikal-feministische Organisation, so daß noch mehr Forschung zu erwarten war. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß es viel leichter ist, »Nachweise« für z.B. niedrigere Einkommen von Frauen zu erbringen, als die Regierung dazu zu bewegen, die Situation wirklich zu verändern.
Mitte der siebziger Jahre änderte sich die Ausrichtung der WLM. Kulturelle Aktivitäten nahmen allmählich vor politischen Aktivitäten, ob im Parlament oder auf der Straße, den Vorrang ein. Feministisches Drama, Musik, Film, Malerei, Lyrik und Prosa breiteten sich explosionsartig in der männerdominierten Kunstszene Neuseelands aus, und zum ersten Mal seit dem späten 19. Jahrhundert war Literatur mit einem feministischen Standpunkt überall zugänglich. 1976 kam die feministische Kunstzeitschrift Spiral zum ersten Male heraus. Manche Feministinnen genossen zwar die Früchte all dieser kulturellen Aktivitäten, kritisierten aber, daß soviel Energie in die Kunst gesteckt wurde und dabei die direkte politische Arbeit zu kurz kam. 1975 bildeten sich in mehreren großen Städten parteiunabhängige Gruppen sozialistischer Feministinnen, und ab 1978 drangen sie darauf, daß die staatlichen und privatwirtschaftlichen Gewerkschaftsverbände und die Labour Party eine Charta der berufstätigen Frau verabschiedeten, ein 16 Klauseln umfassendes Dokument, das allen Aspekten der Lohn- und Beschäftigungssituation von Frauen, der Kinderversorgung und den Verhütungsfragen Rechnung trägt. Weil sie Bestimmungen über die Einrichtung von Kinderbetreuung rund um die Uhr und die Beseitigung »gesetzlicher, finanzieller, sozialer und medizinischer Erschwerung der risikofreien Abtreibung« enthielt, dauerte der Kampf zwei Jahre, bis die Charta von einer Gewerkschaft akzeptiert wurde. Dennoch ist sie von einer Realisierung immer noch weit entfernt. Vielleicht war deshalb der wichtigste Aspekt im Kampf um die Charta die größere Beteiligung der Frauen an der Mitbestimmung innerhalb der Gewerkschaften, die sich bis heute gehalten hat.
Die Pakeha-Frauen hatten um 1980 allen Grund, sich erschöpft zu fühlen - nicht nur wegen des verlorenen Kampfes um die Abtreibungsgesetzgebung, nicht nur dadurch, daß sie sich selbst die aufreibende Aufgabe gestellt hatten, Frauenzentren, Frauenhäuser und andere Hilfsorganisationen mit freiwilligen Helferinnen und fast ohne Geld zu unterhalten, sondern auch durch die Zerstrittenheit innerhalb der Bewegung. Die United Women's Convention (UWC) von 1975 war ein noch größeres Ereignis als die erste UWC von 1973, und da sie im Internationalen Jahr der Frau stattfand, erhielt sie noch zusätzliche Aufmerksamkeit, auch von offizieller Seite. 1977 allerdings wurde die UWC von rechtsgerichteten Organisationen angegriffen und spaltete sich in der Frage, ob männliche Medienvertreter anwesend sein durften. Die WLM und ihre Anhängerinnen waren dagegen, andere dafür. Bei der letzten UWC 1979 waren die Beziehungen zwischen den militanten lesbischen Feministinnen und den heterosexuellen und nicht-militanten lesbischen Feministinnen in der WLM an einen Nullpunkt gelangt, und die unangenehmen Zusammenstöße bei der Versammlung spiegelten die Konflikte in allen neuseeländischen WLM-Gruppen und -Versammlungen wieder.
Auf der UWC von 1979 (bis heute die vorläufig letzte) begannen farbige Frauen (vor allem Maori, aber auch Frauen von den Pazifischen Inseln, Inderinnen und Chinesinnen), die Konzentration der WLM auf die Probleme der weißen Frauen anhaltend zu kritisieren. Die farbigen Frauen hatten sich zusammengeschlossen und ihre eigenen Untersuchungen darüber angestellt, was in Neuseeland geändert werden müßte, und angefangen sich in ihrer ethnischen Gruppe zu organisieren. Eines der Gründungsmitglieder der WLM in Neuseeland (und gleichzeitig das erste Maori-Mitglied) war Donna Awatere. 1982 begann sie in Broadsheet mit der Veröffentlichung einer Artikelserie, die den Obertitel »Maori Sovereignty« (»Selbstbestimmungsrecht für die Maori«) trug. So war erstmals in einer Zeitschrift der WLM eine ausformulierte Version der Ziele des Maori-Radikalismus zu lesen. Diese Artikelserie wurde später von Broadsheet illustriert als Buch veröffentlicht und rief viele Auseinandersetzungen hervor. Viele Pakeha-Feministinnen fanden ihre Darstellung übertrieben und reagierten ärgerlich und beleidigt auf Awateres Darlegungen. Die meisten Frauen der WLM dagegen nahmen sie soweit ernst, daß sie die Zielsetzung und Vorgehensweise ihrer Gruppen kritisch untersuchten und, wo nötig, änderten, z.T. versuchten, mehr Mittel für Maori-Frauen zu bekommen.
Die Frauenbewegung der Maori brachte neue Themen in die Diskussion der WLM. Konkrete Mißstände, wie der katastrophale Gesundheitszustand der Maori-Frauen, Fragen nach sprachlicher und nationaler Identität. Die Pakeha-Feministinnen lernten die Differenzen der beiden neuseeländischen Kulturen zu sehen und wurden sich bewußt, wie die koloniale Kultur die der Ureinwohnerlnnen dominierte, sowohl auf physischer und mentaler Ebene als auch auf spiritueller. Wie alle politischen Bewegungen hatte die Maori-Frauenbewegung ihren Anteil an wütenden politischen Debatten. Stammesbeziehungen und -identi-täten gaben Anlaß zu Streit; die Differenzen zwischen lesbischen und heterosexuellen Frauen waren denen der Pakeha-Frauen vergleichbar, desweiteren fanden Auseinandersetzungen statt zwischen Maori-Frauen und Frauen anderer Ethnien. Nicht alle radikalen Maori-Frauen sind Feministinnen, und unter denen, die sich als Marxistinnen verstehen, bestehen unvermeidbare Differenzen in der Interpretation und Anwendung. Die Frauenbewegung der Maori ist beides eine Kritik an der WLM und eine Fortführung derselben. In ihrer Schwerpunktsetzung auf die spirituellen Werte des Landes und der Identität ihrer Vorfahren geben sie neue Anstöße auf dem Weg zu einer gerechten und friedlichen Gesellschaft (vgl. Dann 1985, 34ff).
Als 1985 das Internationale Jahrzehnt der Frau zu Ende ging, hatte sich die WLM in Neuseeland weit verbreitet. Die Gründerinnen der Bewegung, die aktiv geblieben waren, arbeiteten hauptsächlich in beruflich spezialisierten Bereichen wie im Gesundheits- und Bildungswesen, in der Behandlung von Gewaltopfern und der Prävention von Gewalt, und in den Medien. Außerdem waren sie in feministischen Gruppen innerhalb dieser Bereiche aktiv, wie zum Beispiel die feministischen Lehrerinnen, die feministischen Bibliothekarinnen, die Frauen in den Medien, die feministischen Krankenschwestern, die Frauen in der Landwirtschaft und in der Frauengalerie. Es entstanden neue politische Kampagnen zu Themen wie Rassismus, Sozialabbau, Weltfrieden und atomare Abrüstung, berufliche Weiterbildung, Pornografie, gesundheitsschädliche Verhütungsmittel etc. Eine zentrale oder nationale Dachorganisation für die WLM ist nie zustande gekommen, und die Praxis und die Prinzipien der solch einer Organisation sehr unwahrscheinlich. Ein kleines von der Regierung eingerichtetes Ministerium für Frauenfragen mit Sitz in Wellington hat unter seinen 20 bis 30 Mitarbeiterinnen mehrere WLM-Mit-glieder, aber da seine Hauptfunktion die politische Beratung der Regierung ist, verfügt es weder über das Mandat noch über die Möglichkeiten, den Feministinnen mehr Macht zu verleihen. Die kleinen, vielseitig arbeitenden, nur aus Frauen bestehenden Basisgruppen, die typisch für die Frühzeit der WLM waren, sind weitgehend verschwunden, und themenzentrierte Kampagnen und Organisationen mit dem Schwerpunkt auf der praktischen Arbeit haben ihre Stelle eingenommen. Dies hat Folgen für Theorie und Praxis des radikalen Feminismus in Neuseeland, der m.M.n. sein eigentliches Ziel noch finden muß.

Politische Richtungen innerhalb der WLM

Die Initiatorinnen der ersten WLM-Gruppen in Neuseeland hatten Beziehungen zur »Protestbewegung« und/oder zur neuseeländischen Linken. Einige waren Mitglieder organisierter sozialistischer Gruppen, hauptsächlich des Sozialistischen Aktionsbundes und des Spartakusbundes (beides trotzkistische Organisationen). Die meisten hatten nur lockere Verbindungen zu der sehr zusammengewürfelten »Neuen Linken« im Neuseeland der späten sechziger und frühen siebziger Jahre, die zwar das in England und Europa entstehende neue kritische Denken in der marxistischen Tradition zur Kenntnis nahm, sich aber meist einen in Amerika aufgekommenen politischen »Hurra-Stil« angeeignet hatte. Mit dem Entstehen der ersten WLM-Gruppen wurden die Sozialistinnen durch die radikalen Feministinnen und die liberalen Feministinnen in die Minderheit gedrängt. 1970 bedeutete radikaler Feminismus und WLM ein und dasselbe, eine völlig neue politische Kategorie mit dem theoretischen Ziel, materialistischer als der Marxismus zu sein, und dem praktischen Ziel, alle Formen der Unterdrückung von Frauen abzuschaffen. Diese Richtung stützte sich hauptsächlich auf Shulamith Firestones Buch Frauenbewegung und sexuelle Revolution; ebenfalls von großer Bedeutung war Simone de Beauvoirs klassisches Werk Das andere Geschlecht.
Die neuseeländischen Frauen hatten Zugang zu Veröffentlichungen von radikal-feministischen Gruppen aus den USA, und Frauen, die dorthin fuhren, kamen mit neuen Ideen zurück. Die sozialistischen Frauen nahmen entweder das neue Gedankengut auf oder kehrten zum orthodoxen Sozialismus zurück. Die Richtung des liberalen Feminismus ist viel schwieriger zu bestimmen, da sie mit der vorherrschenden politischen Einstellung in Neuseeland übereinstimmt. Die erste liberale feministische Organisation der »zweiten Welle« in Neuseeland, die nationale Frauenorganisation NÖW (National Organisation of Women), wurde 1972 gegründet. Sie unterschied sich von den jungen Radikalen der WLM durch die Ablehnung militanten Vorgehens und durch die Befürwortung allmählicher Reformen. Das Ziel war klar: die Hindernisse für Frauen abbauen, die sich am öffentlichen Leben beteiligen wollen, denn dies ist das Gebiet, auf dem in einer liberalen Volkswirtschaft für den einzelnen die Bonbons verteilt werden. Liberale stellen es fälschlicherweise oft so dar, als wären Geld, Prestige und Macht für jede/n verfügbar, der/die sich intensiv genug darum bemüht. Liberale Feministinnen weisen zu Recht darauf hin, daß Personen weiblichen Geschlechts durch diskriminierende Praxis und Gesetze daran gehindert werden, sich entsprechend intensiv zu bemühen, und sie kämpfen dafür, diese diskriminierende Praxis abzuschaffen (z.B. beschränkte Zugangsmöglichkeiten zu beruflicher Ausbildung, restriktive Abtreibungsgesetzgebung etc.). Theoretisch sehen die liberalen Feministinnen die Ursache der Frauenunterdrückung in der sozialen »Konditionierung«, die Frauen und Männer gleichermaßen betreffe und sie in stereotype Rollen zwinge. Der erste, der eine eingehende Kritik des Liberalismus und vor allem seiner ökonomischen Untermauerung und seiner Bedeutung vornahm, war Karl Marx. Es überrascht deshalb nicht, daß die marxistischen Feministinnen Neuseelands eine sehr kritische Einstellung zum liberalen Feminismus haben, der großen Wert darauflegt, die Stellung der Frau innerhalb der bestehenden politischen und wirtschaftlichen Strukturen zu verbessern. Schon seit den Anfängen der neuseeländischen WLM bestehen Spannungen zwischen den marxistischen und den liberalen Feministinnen. Spannungen gab es allerdings auch zwischen marxistischen und radikalen sowie zwischen radikalen und liberalen Feministinnen. Diese Position ist inzwischen von den radikalen Feministinnen heftig kritisiert worden (vgl. Redstockings 1978), besaß aber in den frühen siebziger Jahren große Attraktivität für eine Bewegung, in der theoretische Abgrenzungen sehr unscharf waren und Militanz mit Radikalität verwechselt wurde.
Es wäre irreführend, die Kritik des radikalen Feminismus am Liberalismus mit der marxistischen Kritik zu vergleichen. Radikale Feministinnen kritisierten den Liberalismus zuerst im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften - Geschichte, Literatur, Psychologie, Soziologie und Anthropologie. Eine Reihe radikaler kritischer Untersuchungen über die Art, wie in diesen Disziplinen Frauen vertreten sind, haben die Hegemonie des Liberalismus in diesen Bereichen nachhaltig zerstört (obwohl sich das nur allmählich herumspricht). Die radikalen Feministinnen setzten an dieser Stelle erst an, wo die Marxistinnen bereits 50 Jahre nach Erscheinen des »Kapitals« anfingen. Die radikalen Feministinnen haben mit der Kritik der Ökonomie erst begonnen - aber ihre ersten Versuche zeigen, daß, obwohl der Marxismus für viele ein guter Ausgangspunkt ist, in der Geschlechterfrage neue Begriffe entwickelt werden müssen. Ich denke, daß der klassische Marxismus schließlich um eine radikalere Kritik der politischen Ökonomie erweitert werden muß, die die Erfahrungen von Frauen und anderen (z.B. von den Maori) beinhaltet, die u.a. nicht von den Werten des Kapitalismus überzeugt sind.
Solche unterschiedlichen theoretischen Auffassungen waren in der Anfangszeit der Bewegung, als der Schwerpunkt noch auf Aktionen lag, eher anregend als störend, und die Euphorie über die neu entdeckte Schwesternschaft taucht diese Zeit trotz der bestehenden Differenzen in ein rosiges Licht. In den späten siebziger Jahren war der Ton der Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Richtungen scharf bis bitter geworden. Zu den sozialistischen, radikalen und liberalen Richtungen waren nun lesbische Feministinnen gekommen, die als politische Taktik und Ziel den Separatismus vertraten, ferner die Feministinnen, die sich besonders dafür einsetzten, eine Frauenkultur als Gegensatz zur patriarchalischen Gesellschaftsordnung aufzubauen. Darüber hinaus bestanden Kombinationen und Permutationen all dieser unterschiedlichen Richtungen - lesbische Sozialistinnen, liberale Kul-turfeministinnen etc. In den achtziger Jahren kam noch der Maori-Feminismus hinzu, womit die theoretische Verwirrung komplett war. Die letzte WLM-Versammlung unter dieser Bezeichnung fand 1978 in Auckland statt. Über 100 Frauen waren nötig, um das gesamte politische Spektrum des Feminismus abzudecken - lesbisches, radikales, marxistisches, anarchistisches, trotzkistisches, Kultur- und Maori-Gedankengut war vertreten. Es schien, als sei eine Einigung unmöglich und die Schwesternschaft ein unerfüllbarer Traum.[1]
Es ist fraglich, ob es in der Praxis von Bedeutung war, daß die Theorie an einem toten Punkt angekommen war. Die feministischen Einrichtungen (Frauenhäuser, Notdienste für vergewaltigte Frauen etc.) bestanden immer noch, und es entstanden weiterhin neue. Auf den Arbeitsplatz bezogene Kampagnen zu feministischen Grundsatzforderungen gediehen in den achtziger Jahren - im Gegensatz zum vorigen Jahrzehnt. Neuseeland ist ein kleines Land mit einer geringen Bevölkerungszahl. Die größte Stadt, Auckland, hat noch nicht einmal eine Million Einwohner. Jahrelang schienen die Feministinnen in Auckland mehr zu diskutieren als zu handeln. In den kleineren Zentren waren die Feministinnen nicht zahlreich genug und zu weit verstreut, als daß sie sich den Luxus ideologischer Debatten hätten leisten können. Alle Richtungen mußten zusammenhalten, damit die Belange des Feminismus nicht aus der öffentlichen Diskussion verschwanden. Neue nationale feministische Organisationen, wie die New Zealand Women's Studies Association, eine Vereinigung für Frauenbildung, die 1978 die erste ihrer jährlichen Versammlungen abhielt, mußten sich einige Gedanken über die Konzeption eines neuen, zugleich radikalen wie thematisch umfassenden Feminismus machen. Die Ziele der Women's Studies Association lauten: »Diese Vereinigung ist eine feministische Organisation, die durch das Mittel der Frauenbildung radikale gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen will. Wir glauben, daß ein feministischer Ausgangspunkt notwendigerweise nicht nur die Unterdrückung aufgrund des sozialen Geschlechts, sondern ebenso aufgrund der Rasse, des Sexualverhaltens und der Klasse berücksichtigt. Wir erkennen die Maori als Tangata Whenua ('Menschen des Landes' - Ureinwohner) von Aotearoa/Neuseeland an. Dies bedeutet, daß wir die besondere Verantwortung haben, in unserer Arbeit und mit unseren Aktivitäten ihre Unterdrückung zu berücksichtigen.«
Heute kann man das Erbe der ideologischen Spaltungen der späten siebziger Jahre nur erkennen, wenn man die Theorie untersucht, die jeweils verschiedenen Kampagnen zugrundeliegt. Frauen, die sich in den frühen siebziger Jahren der WLM anschlössen und vom radikalfeministischen und sozialistischen Denken dieser Zeit beeinflußt waren, bilden heute den harten Kern in Frauengesundheits-, -bildungs-und -arbeitsinitiativen. Diejenigen, die von lesbischem und kulturfeministischem Denken beeinflußt sind, engagieren sich mehr im Bereich von Frauenfriedensgruppen, auf dem Gebiet der Kunst und in Anti-Por-nografie-Kampagnen. Berücksichtigt werden muß, daß man in einer kleinen Gruppe nicht so scharf differenzieren kann und daß es zwischen den verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen große Überschneidungen gibt. Einigkeit besteht bei bestimmten Grundsatzforderungen wie im Kampf gegen die Abtreibungsgesetzgebung, für Lohngleichheit, für sexuelle Selbstbestimmung etc. Die meisten Feministinnen in Neuseeland richten sich nicht nach bestimmten politischen Theorien, sondern legen großen Wert auf praktische Arbeit.

Das Verhältnis der WIM zu den Parteien

Das neuseeländische Wahlsystem hat das britische zum Vorbild und ist so angelegt, daß in dem 97sitzigen Parlament nur zwei Parteien regieren können. Dritte Parteien konnten nie mehr als zwei Parlamentssitze erlangen und sind nur dann von politischer Bedeutung, wenn die regierende Partei eine sehr knappe Mehrheit hat. Die beiden gegenwärtig (seit 1935) im neuseeländischen Parlament vertretenen Parteien sind die Labour Party und die National Party. In den siebziger Jahren beschrieb der Marxist und politische Kommentator Bruce Jesson den Unterschied: Die National Party sei die Partei der Kapitalisten, und die Labour Party die Partei des Kapitalismus.
In den achtziger Jahren ist es zu einigen wesentlichen Veränderungen gekommen. Die Labour Party, die in den dreißiger und vierziger Jahren den Wohlfahrtsstaat konsolidiert hatte, und von der man annahm, daß sie in Wirtschaft und Politik sozialdemokratische Prinzipien verfolgte, begann plötzlich mit Wirtschaftsreformen, die sich mehr nach Milton Friedman und anderen rechten Wirtschaftstheoretikern richteten als nach Keynes, Galbraith, Robinson u.a. Offensichtlich wurde, daß die früher als konservativ geltende National Party, die von 1949 bis 1984 in Neuseeland an der Macht war, viel stärker zu staatlichen Eingriffen in der Wirtschaft bereit gewesen war als die Sozialisten.
Die WLM hat nie versucht, sich der National Party anzuschließen, um sie vielleicht von innen zu beeinflussen. Während der gesamten siebziger Jahre stand an der Spitze der National Party ein Premierminister, der in der Öffentlichkeit ein Anti-Feminist und privat ein Chauvinist war. Die National Party hielt sich an die traditionellen Wertvorstellungen, nach denen für die Frauen Kinder, Küche und Kirche vorgesehen waren. Dennoch konnte sie einem Mindestmaß von Feminismus nicht entgehen. In den späten siebziger und frühen achtziger Jahren gab es ein einsames feministisches Parlamentsmitglied der National Party, Marilyn Waring. Während sie zweifellos eine wichtige Rolle spielte, Frauenangelegenheiten in die politische Diskussion einzubringen, bestand ihre Unterstützung seitens der WLM darin, daß diese sich gegen Warings Unterstützung einiger der stärker rechtsgerichteten Wirtschaftspolitiker in der National Party-Regierung wandte. Seit sie nicht mehr im Parlament ist, konzentriert sich Marilyn Waring darauf, weltweit feministische Kontakte herzustellen und alternative Statistiken der Volkswirtschaft zu analysieren, die den unbezahlten Beitrag der Frauen in der Wirtschaft berücksichtigen. Dies ist eine Abweichung von ihrer Position im Parlament, und ihr Vorschlag, daß Frauen Volkszählungen sabotieren sollten, indem sie die Bezeichnung »Hausfrau« ablehnen und statt dessen all ihre unbezahlten Tätigkeiten aufführen, ist ganz vielversprechend. Warings Nachfolgerinnen könnte man ebenfalls als liberale Feministinnen bezeichnen. Die einflußreichste unter ihnen ist Ruth Richardson, gegenwärtig finanzpolitische Sprecherin der National Party. Wirtschaftlich gesehen steht sie der »Neuen Rechten« nah. Sie glaubt, daß Frauen von den wirtschaftspolitischen Veränderungen der Neuen Rechten, wie der Kürzung von Sozialleistungen und der Liberalisierung des Arbeitsmarktes, profitieren werden. Die meisten Feministinnen teilen diese Meinung nicht, denn für sie hat Feminismus nichts mit dem individuellen Erfolg einzelner Frauen zu tun.
Die Labour Party zog eher die Durchschnitts-Feministinnen an, obwohl diese noch 1974 den Labour-Parteitag durch Demonstrationen hatten behindern müssen, um mehr Beachtung für die Belange der Frauen zu fordern. Innerhalb von zehn Jahren allerdings setzten die Frauen in der Labour Party ihre eigenen Frauenbeauftragten durch, ihre eigene Konferenz für Frauenpolitik, eine rechtlich vorgesehene und gewählte Vertretung im Grundsatzkomitee, und sie konnten eine bedeutende Zunahme der Zahl von weiblichen Kandidaten für Wahlen verzeichnen. Die Labour Party ging 1974 mit einem starken frauenpolitischen Programm und einer großen Zahl von Kandidatinnen zur Sicherung seiner Durchsetzung in die Wahl. Es ist erwiesen, daß die Stimmen der Frauen dafür ausschlaggebend gewesen sind, daß die Labour Party nach zehn Jahren einen Wahlsieg errang. Andererseits ist aber auch erwiesen, daß die Frauen von der Wirtschaftspolitik der Labour-Regierung zwischen 1984 und 1987 schneller enttäuscht waren als die Männer, und es könnte sein, daß weder der kürzlich erfolgte Übergang zu mehr staatlicher Wirtschaftslenkung noch die Unterstützung der Friedenspolitik durch die Frauen für eine Wiederwahl der Labour Party ausreichen. Die Feministinnen innerhalb und außerhalb der Labour Party fordern darum mit immer mehr Nachdruck, daß die Wahlversprechungen, wie z.B. genug Mittel für die Kinderbetreuung, vor dem Ende der Legislaturperiode erfüllt werden.
Wie kaum anders zuerwarten, haben rechtsstehende Parteien weniger weibliche Kandidaten und verfolgen eine konservative Frauenpolitik, während in linksstehenden Parteien mehr Frauen aktiv sind und die Frauenpolitik progressiver ist. Es hat im heutigen Neuseeland zwei von vornherein zum Scheitern verurteilte Versuche gegeben, reine Frauenparteien durchzusetzen. Die eine, in den frühen siebziger Jahren, ging auf den Einfall einer einzelnen Frau zurück, die andere, in den frühen achtziger Jahren, kam aus der WLM, ging aber nicht über die Idee der »Frauengemeinschaft« hinaus. Keine von beiden hatte auch nur die geringste Aussicht auf Wahlerfolg. Die erste Partei, die eine feministische Politik vertrat, die Values Party, schien mehr Anklang zu finden und bekam bei den Wahlen von 1975 5% der Stimmen. Als die wahrscheinlich erste grüne Partei der Welt - sie bekannte sich eindeutig zu Umweltschutz, atomarer Abrüstung und sozialer Gerechtigkeit überall in der Welt - gewann sie eine große Zahl weiblicher Mitglieder, Wählerinnen und Kandidatinnen. Außerdem wählte sie 1979 als erste eine Frau zur Vorsitzenden einer neuseeländischen Partei. Allerdings forderten die Unmöglichkeit eines Wahlsiegs und wachsende ideologische Uneinigkeit ihren Tribut, so daß die Values Party heute nur noch dem Namen nach existiert. Es bleibt abzuwarten, ob die Grüne Liste den gleichen Erfolg haben wird wie die Values Party. An der Grünen Liste beteiligen sich Feministinnen aktiv, und es wird erwartet, daß ihre Frauenpolitik mindestens ebenso gut wie die der Labour Party ist - wenn nicht noch besser.

Die Gemeinschaft der Frauen

Wieder einmal kamen die Auswirkungen der Theorien und der Praxis des »Kulturfeminismus«, der sich in den USA Mitte der siebziger Jahre entwickelte und von 1975 an einen Einfluß auf Neuseeland zu nehmen begann, wegen der geringen Einwohnerzahl nicht voll zum Tragen. In Neuseeland kann eine alternative Dienstleistungsgemeinschaft von Frauen für Frauen nicht überleben, obwohl es einige Unternehmen von Frauen gibt, die ihre Dienste hauptsächlich für Frauen anbieten. Solche Unternehmungen sind in Großstädten wie Auckland am auffälligsten und auch am erfolgreichsten, während es sie in kleineren Städten wie Dunedin überhaupt nicht gibt. Paradoxerweise halten sich Frauenzentren in der Provinz am längsten und sind dort auch am erfolgreichsten, da sie eine Art Brennpunkt des sozialen Lebens darstellen. In den größeren Städten erfordern sie einen großen Einsatz an Energie und verschaffen relativ wenig persönliche oder politische Befriedigung, keine der vier größten Städte hat heute ein Frauenzentrum. Als Alternativen dienen in Auckland, Hamilton, Palmerston North, Wellington und Christchurch die Frauenbuchläden, zumal es in Neuseeland keine Frauencafes und -bars gibt (wenn auch in einigen Lokalen ein weiblicher und/oder lesbischer Kundenstamm überwiegt). Intellektuelle feministische Aktivität ist ganz auf die Women's Studies Association (WSA) konzentriert, die etwa 300 Mitglieder hat und in der Provinz und in den größeren Städten Jahreskonferenzen mit hoher Beteiligung abhält.
Die WSA gibt eine halbjährlich erscheinende Zeitschrift heraus und veröffentlicht jeweils die Beiträge der Jahreskonferenzen. Andere feministische Publikationen werden von einem kleinen feministischen Verlag (The New Women's Press) oder bei anderen Verlagen, die mit dem Feminismus sympathisieren, herausgegeben. Diese Bücher sind eine wertvolle Stütze für die vielen Kurse in den Frauenstudien,[2] die es jetzt auf drei Ebenen gibt - höhere Schule, Universität und Erwachsenenbildung. Das erste Frauen-Buch-Festival Neuseelands wurde in einer Septemberwoche 1988 in Auckland und Wellington abgehalten und hatte großen Zulauf. 1989 soll es auch in Dunedin und Christchurch stattfinden. Es ist nicht schwer, für eine Woche ein volles Programm mit Seminaren, Vorträgen, Neuerscheinungen etc. aufzustellen - es gibt genügend ortsansässige Schriftstellerinnen.
Die WLM hat großen Erfolg damit gehabt, eine auf Lektüre und Diskussion von Sachbüchern aufbauende Frauenkultur zu entwickeln, war aber weniger erfolgreich bei der Entwicklung einer alternativen Frauenkunst. Die feministische Neudefinition von Kunst (in Musik, Film, Malerei u.v.m.) als kreativer Erfahrung anstelle eines teuren Konsumguts ist zwar zweifellos politisch richtig, erschwert aber das materielle Überleben. Auch für feministische Musikerinnen ist das Überleben ein harter Kampf, aber einige schaffen es, weiterhin aufzutreten. Feministische Filmproduzentinnen haben sicher den schwersten Stand, aber drei feministische Regisseurinnen haben es geschafft, die Talente, Gelder und Unterstützung für Spielfilme aufzubringen.

Die Zukunft der Frauenbefreiungsbewegung

Das Neuseeland der späten achtziger Jahre hat sich gegenüber dem der siebziger stark verändert. Während sich die gesetzliche Stellung der Frau verbessert hat, etwa durch das Gesetz über Lohngleichheit (Equal Pay Act, 1972), durch das Gesetz über die Güterverteilung in der Ehe (Matrimonial Property Act, 1976) und durch das Gesetz zur Kommission der Menschenrechte (Human Rights Commission Act, 1988), durch die Einrichtung des Ministeriums für Frauenfragen (1985), die Einführung der sozialen Leistungen des Domestic Purposes Benefit, die Abschaffung solch kleinlicher Diskriminierungen wie der, daß den Ehemännern von Neuseeländerinnen die neuseeländische Staatsbürgerschaft vorenthalten wurde (was den Frauen das Recht entzog, in ihrer angestammten Heimat zu leben), sind Frauen den Männern immer noch nicht gleichgestellt, wo es um Lohn, Beschäftigungsmöglichkeiten, sozialen Status, Vertretung im Parlament, persönliche Sicherheit, geistige und körperliche Unversehrtheit und Gesundheitsfürsorge etc. geht.[3] Im privaten Bereich, den die WLM ebenfalls als politisch ansieht, sind es immer noch die Frauen, die die meiste Arbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung leisten. Was sich wohl am meisten verändert hat, ist das Klima, in dem die Anstöße zu Veränderungen gegeben werden. Das Mitglied der Protestbewegung der siebziger ist vom Yuppie der achtziger Jahre verdrängt worden. Die Idee der Selbstverwirklichung durch die gemeinsamen Bemühungen, die Welt in Ordnung zu bringen, ist abgelöst worden von dem individualistischen Ideal, möglichst schnell reich zu werden. Neuseeland hat die höchsten Arbeitslosenzahlen in der industrialisierten Welt, seine Wirtschaft ist ausländischem Einfluß völlig frei zugänglich, und die großen Wirtschaftsführer sind einer skandalös geringen Kontrolle unterworfen. In jedem Bereich des Lebens gilt zunehmend die Maxime, daß man für Leistungen, die man in Anspruch nimmt, selbst zahlen muß, auch im Gesundheits-, Bildungsund Sozialwesen. Nichts könnte weiter von den Werten und Zielen der WLM entfernt sein als das Gesicht, das der Feminismus in den achtziger Jahren hat: Geschäftsfrauen, die sich mit Zähnen und Klauen nach oben kämpfen und ihre persönlichen Erfolge eher ihren weiblichen Eigenschaften anrechnen als der kollektiven Kraft der Frauenbewegung. Die Ideale der WLM sind nicht völlig verloren und vergessen. An vorderster Front der Opposition gegen die rechtslastige Wirtschaftspolitik des Labour-Finanzministers, der 1984 an die Macht kam und 1988 entlassen wurde, standen Feministinnen, und anscheinend hatte die Furcht der Labour Party die Stimmen der Frauen zu verlieren, die ihr 1984 und 1987 zur Macht verholfen hatten, einen Einfluß auf diese Entlassung. 1987 wurde die Feststellung der WLM, daß die Medizin in Neuseeland im Grunde sexistisch sei, in weiten Kreisen bekannt und bestätigt, als die WLM-Gründungsmitglieder Phillida Bunkle und Sandra Coney Fälle von ethisch fragwürdigen Experimenten an Frauen in Neuseelands größter Frauenklinik aufdeckten. Es gibt jetzt Männergruppen, die sich die feministischen Untersuchungsergebnisse über Männergewalt zu eigen machen und an der Therapie gewalttätiger Männer mitarbeiten. Die Kampagne mit dem Ziel »gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit« soll die Kluft zwischen den Einkommen von Männern und Frauen schließen, die dadurch entsteht, daß von Frauen ausgeübte Tätigkeiten geringer geschätzt und schlechter bezahlt werden als von Männern ausgeübte. Die Initiative wird offiziell von der Labour-Regierung unterstützt, die hoffentlich vor der nächsten Wahl 1990 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Frühere feministische Bewegungen und Kampagnen hat das männliche Establishment ohne Mühe vor der Geschichtsschreibung verbergen können, da es ja bestimmt, was in die Schulen und die Bibliotheken, auf die Rednertribünen und in die Medien kommt. Die Frauenbefreiungsbewegung hat aber im Verlauf von zwanzig Jahren ihre eigenen Archive und Organe aufgebaut, ist nach und nach in die Schulen und auf die Tribünen vorgedrungen und setzt nun zum Angriff auf die Medien an. Sie hat sich gegen eine große Übermacht durchgesetzt. Es ist nicht möglich, genau zu sagen, wie weit Neuseeland auf dem Weg zur Frauenbefreiung gekommen ist, aber es sieht so aus, daß auch im 21. Jahrhundert noch die Ideale der Frauenbefreiungsbewegung die Neuseeländerinnen und die neuseeländische Politik beeinflussen werden.
Aus dem Englischen von Ursula Brummack

Wenn ich dich anseh... - Ein Gedicht

(* Das Gedicht ist entnommen aus: Christine Dann, 1985: Up from Under. Wellington)

Wenn ich dich anseh [4]
Schwarzer Mann
Denk ich an Hone Heke,
Der den Fahnenmast fällte,
Das Symmbol des weißen Imperialismus!
Und ich spüre Zorn,
Wenn ich daran denke,
Daß du das Gewehr fortwarfst und zur Bibel griffst,
Während die Weißen unser Land stahlen.
Ko taku riri
Tekaha
TeToa
To mana   
Mein Zorn ist zur Tat geworden.
Das Abkommen [5]2 und dein stets treu erneuertes Jawort
Wie die National Party und das Maori Council
Haben uns immer gelähmt.
»Kastriert den Haushahn, der auf der Würde schwarzer
Frauen herumstolziert!« Er hat sich immer heimlich gefürchtet Vor dem, was wir zwischen unseren Beinen tragen. Wir stehen auf unserer Mutter Erde, die Beine geschlossen,
fest zusammen, Wir haben die Ketten gesprengt.

Aus dem Englischen von Else Laudan