Lob der Freundschaft II für Erich Wulff

Angewidert vom Geschunkel ufm Müllemer Bötche
streiften wir durch die Trümmerstadt
mitten im kölschen Karneval betranken wir uns
mit dem nichtenden Nichts
an diesem naßkalten Tag im Februar
fingen wir an zu buddeln
in unseren Kinderzeiten
ich grub meine bayrischen Vorberge aus
du stelltest mir deine Ostsee vor
das abblätternde Ferienhaus am Strand in weißen Nächten
dann entdeckten wir den Himbeersaft wieder
den wir als Kinder bekamen
in dem Jahrhundert vor Pepsi

Du hast auf Himbeersaft bestanden
der wurde zum Codewort
und Zwieback versteht sich
und la nausée vor der Bierlache am Marmortischchen
heiliger Roquentin noch ein Erkennungszeichen
es ekelte uns gründlich
wenn wir auch noch nicht wußten warum
in den Jahren
als erst drei Brücken wieder über den Rhein führten

Paris war damals nur in uns
und dann hast du mir erzählt
wie der Schizophrene den Thee einschenkt
tagelang hast du das beschrieben
und zogst mich langsam in die Unbezüglichkeit
bis ich mich fürchtete Thee einzugießen
nicht auszunüchtern war unser Theerausch
und die Einkehr ins Wesen weste an und ab
und wenn etwas heilig nüchtern war
dann unser Himbeersaft
den wir noch auf der Zunge hatten
in den kurzen Jahren ohne deutsche Offiziere

Aus der Kaiserstadt Hué kamst du später
es ging mir hundeelend aber gracias a dios
sprachen wir nicht darüber du brachtest
etwas anderes mit aus diesem Land
dessen Sprache kein Ich kennt nur den Neffen meines Onkels
kein Wort für Ich und die Menschen so klein gegen uns Grobschlächtige
woran man denn einen Vietkong erkennen könne
fragt ich dich einmal nachts
ganz unbaltisch lachtest du kurz auf
ein toter Vietnamese wiederholtest du ist immer ein Vietkong
zählen die toten Kinder da mit fragte ich dich
und in dieser langen Erzählnacht hab ich verstanden
was vor sich ging
in den Jahren nach Hiroshima und lange vor My Lai

Ich studierte die Metastasen des Krebses
in unserem Land
und liebte Viet-Nam eh ich es kannte
— wie Tamino liebt und die Flöte spielt ehe er sieht —
das Bild in mir war der Hütejunge auf dem Wasserbüffel
wenn er ein Buch halten wird sagtest du
auf dem Wasserbüffel liegend
das ist die Revolution

In eurem Haus stehn die Türen meist offen
und bei allem Talent Freunde aufzutun
wo immer du auftauchst
manchmal verquere Tröpfe
bist du doch nie ganz zuhause im tüchtigen Leben
und siehst manchmal drein wie einer
der einem verlorenen Ton nachhört
als sei in dieser Begabung zur Freundschaft
noch ein Fremder am Werk
in diesen unsern Jahren des großen Verhungerns
Geschenke die hab ich von dir bekommen
ein Land das einen Vater hatte den Onkel Ho
die Haustür der Freundschaft einen Fußbreit weiter aufgestoßen
und eine klebrige Flasche Himbeersaft
die nicht alle wird vorläufig

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Laudatio