Straffällige Frauen

Der Anteil der Frauen an der Kriminalität ist nicht leicht zu erfassen. Es ist zunächst eine Frage der Definition und der Quellen, die es zu erhellen gilt; erst dann können Schlüsse über eine spezifische weibliche Form von Straffälligkeit gezogen werden, die im übrigen nicht unabhängig von persönlichen Beziehungen und der familiären Umgebung gesehen werden kann. Um Mißverständnisse und Anachronismen zu vermeiden, wird die weibliche Kriminalität hier in einem weiten Sinne und mit Bezug auf die Verhaltensnormen der Zeit verstanden. Wir werden daher nicht nur die Straftaten betrachten, die vor Gericht verhandelt wurden, sondern auch die Verstöße, die durch eine eher informelle soziale Kontrolle der Gesellschaft geahndet wurden.
Spuren davon finden sich in erster Linie in den Akten der Justiz; allerdings weisen sie große Lücken auf, die glücklicherweise zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert geringer werden. Ergänzt werden diese durch die Akten der Regierungsverwaltung, insbesondere durch die sogenannten lettres de cachet, königliche Haftbefehle, die ohne vorausgehendes Gerichtsurteil erteilt wurden. Natürlich wurden viele Vergehen und Verbrechen nie aktenkundig, weil sie geschickt verheimlicht wurden, oder aufgrund der tief verwurzelten Gewohnheit, sogar die schlimmsten Verbrechen - häufig vor einem Notar - zu schlichten, in der Absicht, Wiedergutmachung und Entschädigung zu erhalten und dabei die Prozeßkosten zu sparen. Betrachtet man all diese Quellen, so stellt sich die Frage, warum nur so wenige Frauen straffällig geworden sind: Der Anteil der Frauen an der Kriminalität betrifft je nach Instanz zwischen 10 und 20%. Diese niedrige Kriminalitätsrate steht im Widerspruch zu den zeitgenössischen Urteilen über das weibliche Geschlecht, über die »rohe und unbeherrschte Natur der Frau«, die diese zur Maßlosigkeit und Lüsternheit treibe. Die »sündige Eva, trunken vor Begierde nach den Männern« wird von der katholischen wie von der protestantischen Kirche verurteilt, die die »Kontrolle der Sinnlichkeit« empfehlen, indem sie das Bild der Jungfrau oder der Gattin und Mutter aufwerten, die ihre Leidenschaften, die Fallstricke des Dämonen, beherrscht. Diese weibliche Schwäche, die so häufig mit Gewalttätigkeit in Verbindung gebracht wird, ließe auf bestimmten Gebieten eigentlich eine hohe Delinquenz erwarten, wofür im übrigen ein Frauenanteil von 80% bei den Hexenprozessen spricht. Aber die gewöhnliche Kriminalität bestätigt dies nicht, mehr noch, sie beschränkte sich auf ganz bestimmte Bereiche, in erster Linie auf die häusliche Welt zwischen privatem Raum und Öffentlichkeit, in der die Frau nahezu uneingeschränkt herrschte.

Ehre und Gewalt im Alltag

Zum Bereich der Frau gehörten das Haus und seine Umgebung, die Nachbarschaft, die Straße, das berufliche Milieu. Gerade hier kam es häufig zu Regelverletzungen und kleineren Straftaten. Es handelt sich um einen familiären Raum, der in Westeuropa im Durchschnitt 4 bis 6 Personen umfaßte, die Tisch und Herd teilen, nicht gerechnet die Mägde und Knechte. Die Ehefrau ist für diesen Raum verantwortlich, in erster Linie für die materiellen Dienstleistungen (Küche, Betreuung der Kranken und Sterbenden, Aufzucht der Kinder), alles Dinge, die sie mit dem Schmutz und den Niederungen des Alltags in Berührung bringen (von daher ihre realistische Sprache), aber auch schnell dem Verdacht der Hexerei oder der Giftmischerei aussetzen. Auf ihr lastet aber auch ein moralischer Auftrag, die Aufrechterhaltung von Tugend und damit von Ehre. Diese Ehre beruht natürlich in erster Linie auf der Forderung nach Keuschheit und Treue, aber ebenso sehr auf der Sorge um ihren guten Ruf und den ihrer Familie. Entsprechend dem Stand der Familie, des jungen Mädchens, der Gattin oder der Witwe wurde ein alles in allem ziemlich flexibler Verhaltenskodex eines ehrbaren Lebenswandels entwickelt, der sich nach und nach in den mittleren und weiten Teilen der unteren Klassen durchsetzte. Dieser Kodex war bei Katholiken wie Reformierten von gleicher Strenge und wurde überall durch die väterliche Gewalt und ab dem 16. Jahrhundert durch den modernen Staat gestärkt. Dem Ehrenkodex zu trotzen oder ihn zu verletzen, war riskant. Wer gegen ihn verstieß, bekam es mit der Justiz zu tun, sofern nicht eine indirekte Bestrafung durch die nachbarschaftliche Öffentlichkeit (Kirchenrat, Gemeinschaften, Jugendgruppen) in Form von Denunzierungen, diffamierenden Liedern oder lautstarken Gerüchten erfolgte. Man kann einwenden, daß Familiengeheimnisse viele Unregelmäßigkeiten nicht ans Licht kommen ließen, umso mehr, als die Dienerschaft darauf verpflichtet wurde und im Falle einer Indiskretion als treulos galt. Das im allgemeinen enge Zusammenleben in der Familie und mit der Nachbarschaft und die unersättliche Neugierde aller Beteiligten, besonders der Frauen, erlaubten es freilich nicht, die Abweichungen und Gewalttätigkeiten lange geheimzuhalten, die aus der zwangsläufig an ihren Besitz gefesselten Familie zwar einen Zufluchtsort machen, aber auch ein kriminalitätsträchtiges Milieu, in dem die Frau wohl oder übel eine wesentliche Rolle spielt.
Große Aufmerksamkeit schenkte man den Verstößen, die die Familienordnung insofern verletzen, als sie mit der Sexualmoral brechen, die von Kirche und Staat streng überwacht wurde. Ein Verstoß gegen die Sexualmoral hatte in erster Linie für junge Mädchen und Witwen institutionelle und familiäre Sanktionen zur Folge. Welcher Art sie waren, hing unter anderem auch von der väterlichen Autorität und von der sozialen Stellung ab. Im Falle einer ungewollten Schwangerschaft hatte etwa ein Mädchen aus der englischen gentry oder aus angesehenem Provinzadel gute Chancen, dem öffentlichen Skandal zu entgehen, und die Affäre konnte durch eine arrangierte Heirat mit finanzieller Entschädigung oder im Falle einer heimlichen Entbindung durch ein diskretes Verschwinden aus der Welt geschafft werden. Der Macht des in Windeseile von Haus zu Haus getragenen Gerüchtes konnte es freilich nicht entgehen. Mit Mädchen aus bescheideneren Verhältnissen wurde anders verfahren: Ein Edikt Heinrichs II sah vor, daß außereheliche Schwangerschaften angezeigt werden müssen und deren Verheimlichung unter Strafe gestellt
wird; eine ähnliche englische Verordnung von 1624 sah in der Verheimlichung der Schwangerschaft den Willen zum Kindsmord. Diese Gesetze und Verordnungen wirkten sich vor allem im städtischen Milieu aus. Über 55% der Schwangerschaftsanzeigen wurden im 18. Jahrhundert in den Städten erstattet. Im Laufe des Jahrhunderts werden immer mehr Verstöße aktenkundig - sei es aufgrund der Korrumpierung der städtischen Sitten und im Namen des damals häufig beschworenen Rechtes der Liebe, oder sei es auch aufgrund des größeren Eifers der Justiz bei der Strafverfolgung angesichts des Zustroms der Mädchen vom Lande, die vor der Familienjustiz und vor der Schande fliehen und in ihren Heimatgemeinden nicht mehr leben können. Hatten die Diziplinierungsbemühungen im 16. und 17. Jahrhundert Erfolge gezeigt, war die Rate der unehelichen Geburten in Frankreich und England rückläufig gewesen, so stagnierte sie im 18. Jahrhundert auf dem Lande auf einem sehr niedrigen Niveau. In den Städten jedoch wurden immer mehr Mädchen angezeigt, die ihre Ehre verloren hatten oder mittellos geworden waren; sie begegnen uns in den Registern der Hospitäler Frankreichs und Italiens ebenso wie in den Besserungsanstalten Englands, Hollands und Deutschlands.
Der Ehebruch galt als subversiver Akt par excellence, da er in Gesellschaften, die stark am Prinzip der Ehelichkeit festhalten, eine Bedrohung für die Weitergabe des Namens und des Erbes bildet. Deshalb wird er seit dem 16. Jahrhundert verstärkt kriminalisiert, zumindest wenn die Ehefrau ihn begeht, und harten juristischen Sanktionen unterworfen. Tatsächlich kamen jedoch nur wenige Fälle vor Gericht, meist nur die, die damit enden, daß der zutiefst gekränkte Ehemann seine Frau ermordet oder die Frau zusammen mit ihrem Liebhaber den Ehemann umbringt, vielleicht weil der Liebhaber - als Diener in ihrem Haus oder von niedrigerem Rang - einfach die Stelle des Verstorbenen einnehmen möchte. Sofern der Ehemann der ehebrecherischen Gattin nicht verzieh oder sie keinen Straferlaß durch den König bekam, wie die Frau aus einer Familie großer Pariser Juristen im 16. Jahrhundert, wurde sie mit der Verbannung hinter Klostermauern bestraft. Argwöhnische Ehemänner freilich benützten die lettres de cachet als Präventiv- oder Sanktionsmaßnahme. Und eine Frau machte sich, wie das Beispiel einer Bürgersfrau aus Aquitanien zeigt, leicht verdächtig. Diese Frau genoß große Freiheiten, ihren Haushalt führte sie eigenständig, und in Begleitung einer Magd waren unselbständige Ausritte erlaubt. Ihr vertraulicher Umgang mit einem Geistlichen jedoch überschritt die vom argwöhnischen Ehemann gezogenen Grenzen. Sein Mißtrauen wuchs, als er Verdauungsstörungen bekam und die Katze starb, die von einem Stück Eingemachtem gekostet hatte, das seine Frau zubereitet hatte. Deshalb wurde sie des Ehebruchs angeklagt und des Versuchs, ihren Gatten zu vergiften. Aber der Gang vor das Gericht erforderte überzeugende Beweise und drohte, sich zu einem Skandal auszuweiten und damit die Ehre der gesamten Familie in aller Öffentlichkeit in Frage zu stellen. Der Ehemann zog es daher vor, zu dem diskreteren Mittel des königlichen Haftbefehls zu greifen, und die Ehefrau wurde zu den Ursulinen in der Nachbarschaft geschickt.
Auch im Zusammenhang mit der damals häufigen Wiederverheiratung eines Witwers kam es oft zu Gesetzesverstößen. In den Märchen von Perrault hat die böse Stiefmutter großen Anteil an der häuslichen Gewalt. Habgier, der Wunsch, diejenigen aus dem Weg zu räumen, die nicht von ihrem Blut sind, und der Wunsch, über die Gesamtheit der Güter zu verfügen, dies alles macht die Stiefmutter von Catherine Estines, deren Prozeß ganz Frankreich kurz vor der Revolution in Atem hielt, zum Prototyp der eifersüchtigen bösen Stiefmutter, die entschlossen ist, sich ihrer Stieftochter zu entledigen. Die Stiefmutter hat die Tochter bereits zu ihrer Dienerin gemacht: als der Vater, ein wohlhabender Kneipenwirt und notorischer Säufer, bei der Rückkehr von einer Messe, auf der er zuviel getrunken hatte, stirbt, wird Catherine auf der Stelle von ihrer Stiefmutter beschuldigt, ihn vergiftet zu haben. Die Anklage ist plausibel, da das junge Mädchen, wie es üblich war, Arsen gekauft hatte, um die Vorräte vor Nagetieren zu schützen. Obendrein hat sie an diesem Abend, nachdem sie dem Vater die Suppe serviert hat, gegen alle Gewohnheit unverzüglich den Topf ausgeleert und gespült. Aufgrund von Expertisen ahnungsloser Ärzte und nach einem übers Knie gebrochenen Prozeß wird Catherine zur grausamen Strafe für Vatermord verurteilt: zum Tode durch das Feuer, wobei zuvor die Hand abgeschnitten wird. Zum Glück revidierte das Parlament dieses Urteil. Diese berühmte Affäre beweist vor allem die große Schwierigkeit, zum Kern der zumeist latenten Zwietracht in der Familie vorzudringen, die spontan oder nach langer Vorbereitung zum Ausbruch kommen kann. Dies wird gern den Frauen aufgrund ihrer »natürlichen Heimtücke und Schwäche« zugeschrieben, so daß sie häufig wegen Vergiftung angeklagt werden. Aber nur wenige dieser Dramen kamen vor Gericht; so kann man sie in den Urteilen des Parlaments von Toulouse im 18. Jahrhundert an den Fingern abzählen. Vor dem Chatelet in Paris werden während der Regierungszeit Ludwigs XVI. nur vier Fälle verhandelt, wobei die angeklagten oder verurteilten Frauen, die um Straferlaß nachsuchten, das Argument vorbrachten, daß »der Zorn sie ergriffen hat«, eine legitime Verteidigung angesichts der auch den Kindern zugefügten Behandlung. Im England des 17. Jahrhunderts, genauer in der Grafschaft Essex, hinterläßt diese Gewalttat Spuren, wenn es eine Leiche gibt. Es überrascht nicht, daß sie eher von Männern begangen wird: Zwischen 1620 und 1680 waren in fünf von sieben Fällen, die dem Schwurgericht vorgetragen wurden, die Ehefrauen das Opfer. Diese werden eher angeklagt, Kinder und Dienerinnen vernachlässigt und geschlagen zu haben. In der ungefähr 80000 Einwohner zählenden Grafschaft Surrey hingegen stehen im 18. Jahrhundert sechs Männern neun Frauen gegenüber; sie handelten vor allem aus Eifersucht, aus lange aufgestautem Groll über die von ihnen erlittene schlechte Behandlung und nicht zuletzt aufgrund der Ablehnung durch die Kinder aus erster Ehe. Auf traurige Weise und ohne Nachdruck, aber mit dem Wunsch zu überzeugen, enthüllen Verhöre und Zeugenaussagen, in welchem Ausmaß Haß und Ressentiments im privaten Raum - ohne die Möglichkeit des Entkommens oder der Ablenkung - gedeihen. In Frankreich nehmen die von den Familien eingereichten Gesuche um Verhaftung deutlich zu: Zu Beginn des Jahrhunderts betrafen 20% aller Gesuche um königliche Intervention Familienmitglieder, während es gegen Ende des Jahrhunderts schon 30% sind. In Paris betreffen ein Drittel der Fälle einen der beiden Ehegatten. Im Bezirk von Caen zeigte man folgende Vergehen an, um die Inhaftierung von Frauen zu erreichen: Ausschweifung und Verschwendung in 52,6% der Fälle, Verrücktheit in 18,1%) und die Gefahr einer Mesalliance in 15.8% der Fälle. Diese Anklagen, die im allgemeinen vom Vater oder der Mutter, vom Ehemann oder der Ehefrau unterschrieben wurden, gingen von allen Klassen der Gesellschaft aus, von der Aristokratie bis zu den Händlern, Handwerkern und Bauern, und ihre Zunahme im 18. Jahrhundert kann
sowohl ein Hinweis sein auf den Anstieg der häuslichen Straffälligkeit als auch auf die Schwierigkeiten der Familienautorität, schädlichen und destruktiven Handlungen Schranken zu setzen, für die häufig, durch die Gewalt der Dinge, die Frau verantwortlich gemacht wird.

Aggressive Geselligkeit

Die Beziehungen der Frauen untereinander könnten am Fortschritt der Umgangsformen zweifeln lassen, so sehr herrscht hier ein Klima der Gewalt, der Beleidigungen und Schläge, die im 19. Jahrhundert die Strafkammern beschäftigen werden. Diese Unbeherrschtheiten charakterisieren gelegentlich die mittleren Schichten, aber mehr noch und täglich das gemeine Volk, allerdings eher in der Stadt als auf dem Land. Solche Konflikte machten über die Hälfte der Streitfälle in den Städten aus; davon gehen 20 bis 25% auf das Konto von Frauen, wobei die Angeklagten zur Wiedergutmachung und zum Schadenersatz verurteilt werden. Aber auch die vornehme Welt war reich an heftigen Auseinandersetzungen, die fast immer aus einem verletzten Ehrgefühl heraus entstehen. So wie bei jener Bürgersfrau in Südwestfrankreich, die mit Klauen und Zähnen den Ruf ihres Sohnes verteidigt, der für den Militärstand bestimmt ist: »Wie kann mein Sohn erhobenen Hauptes zu seinem Regiment zurückkehren?« Was sind die Gründe für eine derart leichte Erregbarkeit, vor allem in den unteren Schichten? Zweifellos spielte hier die Freiheit eine große Rolle, die Frauen, weit davon entfernt, zu Hause eingeschlossen zu sein, in allen westlichen Ländern hatten: Frauen trafen Freunde und Bekannte vor ihrem Haus, auf der Straße herrschte ein Kommen und Gehen zu den Arbeitsstätten, zum Waschplatz und zu den Geschäften. Frauen waren Informantinnen und Kommentatorinnen, Neuigkeiten und Klatsch trugen sie von Haustür zu Haustür. Aufgrund der engen Wohnverhältnisse wußten sie über alles Bescheid und brachten es an die Öffentlichkeit. Ständiger Anlaß für diese Redseligkeit waren die Reibereien des täglichen Lebens, die zuweilen konfliktträchtige gemeinsame Benutzung des Hauses (Wasser, Abfall, Tor), die quengelnden Kinder, die ein Klima voller Gezeter und Tumult schufen.
Wie Arlette Farge gezeigt hat. ist in Paris die Straße der bevorzugte Ort für Auseinandersetzungen, in denen Frauen ihre Streitereien mit Beleidigungen austragen: »Landstreicherin, Hure, verdorbenes Stück«, schreit eine Wagenvermieterin, die von einem Klatschweib beschuldigt wird, 6 Pfund gestohlen zu haben, das Ganze begleitet von Ohrfeigen, Besenhieben und der Gegnerin ins Gesicht geschleuderten Pferdeäpfeln. Trotz der Bemühungen der Kirchen, die Barmherzigkeit und Frieden predigen, war die Gewalt Teil der Volkskultur; sie wird vielleicht in dem Maße schwächer, wie sie eher verbal und in obszönen Gesten als durch einen Messerstich zum Ausdruck kommt. Zu berücksichtigen ist auch, daß Frauen, die von nicht bloß gesellschaftlichen öffentlichen oder hierarchischen Rollen ausgeschlossen sind, nur allzu gerne bereit sind, ihre eigenen Streitereien auszutragen, und dies vor einem Publikum, das die Akteurinnen zu schätzen weiß. Ein Zeugnis dafür ist ein Konflikt um den Vortritt, bei dem in einer Bäckerei im Departement Gard die Tochter des Bürgermeisters und die Frau eines Handwerkers aneinander geraten: Die Handwerkersfrau will sich nicht von dieser Aufsteigerin herabsetzen lassen. Zuerst fallen grobe Beleidigungen über die gesellschaftliche Herkunft und die Ehre der Familie, dann entsteht ein heftiger Wortwechsel, und die Bürgersfrau landet im Backtrog. Aber sie gibt sich nicht geschlagen und organisiert mit ihren Freundinnen eine Prügelei: »Sie kamen mit einem Stock in der Hand, hüpfend und tanzend, und schrien: >Wir haben es ihr gegeben, sie kann sich verarzten lassen.<« Wenn durch Zufall die Angelegenheit schlecht ausging, vor allem im Todesfall, konnte man sich immer noch auf Notwehr berufen und um Straferlaß nachsuchen. Aber wie Natalie Zemon Davis gezeigt hat, ist das die Ausnahme: In Frankreich und England steigt der Prozentsatz der von Frauen verübten Morde vom 13. bis zum 18. Jahrhundert von 7,3 auf 11,7%. Im 16. Jahrhundert betrifft nur 1% der Straferlasse durch Gnadenerlasse (lettres de remission) Frauen. Die weibliche Gewalt äußerte sich eher in Geschrei und Wutausbrüchen, was im übrigen von den Männern, die dies geschickt einzusetzen wissen, mit ironischer Nachsicht betrachtet wurde.

Die Kriminalität des Elends

Wir haben es hier mit Fällen zu tun, die heute vor dem Schwurgericht verhandelt würden, damals jedoch körperlichen und entehrenden Strafen unterlagen. Die Frauen sind hier in der Minderheit, im allgemeinen unter 10%, und es sind noch weniger, wenn man nur diejenigen berücksichtigt, die tatsächlich eine Strafe verbüßt haben. Es sind fast ausschließlich Frauen, die ihre Familien verlassen haben oder von ihr aus dem Haus gejagt wurden, die Hälfte oder zwei Drittel davon Töchter, ein Fünftel verlassene Ehefrauen und ein unterschiedlicher Anteil von Witwen. Da sie keinen familiären Schutz mehr genießen, arbeiten sie als Tagelöhnerinnen, Dienstmädchen, Arbeiterinnen in der Textilindustrie und sind daher allen Risiken der Marktwirtschaft ausgesetzt und der Arbeitslosigkeit, Krankheit und Witwenschaft ausgeliefert. Die Versuchungen der Kriminalität lauern überall: Sie machen Jeanne Deschamp, eine aus Fribourg stammenden Spinnerin, die zuweilen auch bettelt, zur Gelegenheitsdiebin. Andere Frauen, wie in Toulouse Marion, die von ihrem Mann, der in den Krieg zog, verlassen wurde, versuchen, sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsarbeiten wie Wäschewaschen, Wassertragen oder als Bedienung durchzuschlagen. Es sind Entwurzelte, die oft Zuflucht in den Städten suchen und die der Justiz oder sogar dem Galgen zum Opfer fallen, da sie sich auf kleinere Delikte spezialisieren.
Neben dieser Kleinkriminalität spielt insbesondere ein Delikt eine große Rolle: der Kindsmord. Der Kindsmord wurde dem Vater- oder Muttermord gleichgestellt, wobei das Verheimlichen der Schwangerschaft bereits den Vorsatz dazu ankündigte. Er war ein »abscheuliches« Verbrechen gegen »die Frucht des Leibes« und wurde deswegen mit dem Tod durch das Feuer oder den Galgen bestraft. In Wirklichkeit war es im allgemeinen eine Handlung, die aus der Not geboren und von Frauen in Panik begangen wurde. Eine ehrenrührige Schwangerschaft war für sie eine Katastrophe, die sie in das Dilemma brachte, zwischen ihrer Arbeitsstelle und ihrem Kind zu wählen. Also entledigten sich nicht wenige ihres Kindes, wie sie konnten, indem sie es erstickten, indem sie es zwischen ihren Schenkeln erdrückten, wie ein Arzt aufgrund des langgezogenen und platten Kopfes bezeugte. Es ist schwierig, die Häufigkeit dieser Handlungen abzuschätzen, vor allem im ländlichen Milieu, da Frauen einerseits die Anzeichen einer Schwangerschaft und heimlichen Niederkunft schnell entdeckten, andererseits aber auch aus einer momentanen Solidarität heraus bereit waren, diese geheimzuhalten und nicht vor Gericht auszusagen. Der Kindsmord machte daher weniger als 1% der Fälle aus, die vor dem Parlament von Toulouse verhandelt wurden, und nur drei Fälle kommen während der Regierungszeit Ludwigs XVI. vor das Chatelet in Paris. In Essex machen im 17. Jahrhundert die dieser Tat Angeklagten, überwiegend junge Witwen oder ledige Frauen, noch fast 10% der zum Tode verurteilten Frauen aus. Aber im 18. Jahrhundert war man weniger streng, und in Surrey, wo im Durchschnitt eine Anklage pro Jahr erfolgt, gab es zwischen 1750 und 1800 nur vier Verurteilungen zum Galgen und keine Exekution. Der Unterschied ist nicht so sehr auf das religiöse Bekenntnis zurückzuführen, denn Katholiken und Reformierte kämpfen im 16. und 17. Jahrhundert gleichermaßen gegen die Ausschweifungen, die die Familie und die öffentliche Ordnung bedrohen. Aber im 18. Jahrhundert verlangen englische Jurys und französische Magistraten begründetere Beweise und berücksichtigen die Umstände des Todes. Sogar die auf frischer Tat ertappte Marie Guyot, die von ihren Nachbarn dabei überrascht wurde, wie sie ihr Kind zum Fenster hinauswirft, kann dies abstreiten: »Ich stand da, als es herauskam, ich wußte nicht, was das war... da…« Es ist eher üblich, daß die Angeklagten behaupteten, ein
totgeborenes Kind auf die Welt gebracht zu haben, was die medizinischen Expertisen nicht ausdrücklich widerlegen können. Die Todesstrafe ging daher zurück, und die Angeklagten wurden in Besserungsanstalten eingeliefert, der Zwangsverwahrung durch die Hospitäler oder den Bons Pasteurs überantwortet. Gleichzeitig läßt sich eine andere veränderte Einstellung feststellen, entsprechend der in diesem Jahrhundert gepflegten Empfindsamkeit: Sie zeigt sich im spektakulären Anstieg der Kindesaussetzungen, die größtenteils unehelich geborene Kinder betreffen, was wiederum den wachsenden Anteil der unehelichen Geburten in den Städten bestätigt. Dies hatte zwar einen Rückgang der Strafverfolgung wegen Kindsmord zur Folge, aber auch den Ruin der Finanzen der Hospitäler, trotz der erschreckend hohen Sterblichkeitsrate der zu einer Amme gegebenen Kinder.

Kleinere und grössere Diebstähle

Schenkt man den Kriminalitätsakten Glauben, so ist der Diebstahl das weibliche Delikt par excellence. Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, hierin eine typisch proletarische Aggression zu sehen. Tatsächlich handelt es sich bei den Diebinnen jedoch um eine sozial hochdifferenzierte Schicht von Bäuerinnen von niedrigem Stand bis hin zu Frauen aus dem kleinen Handel und dem Handwerk, denen man vorwirft, sich auf Forderung oder Vorschlag ihrer Männer hin zu deren Komplizinnen zu machen und andere durch widerrechtliche Bodennutzung oder Unterschlagung zu schädigen. Der Mann befindet sich nicht unbedingt im Elend, aber er ist ein gewohnheitsmäßiger Dieb, wie er in allen Gemeinschaften anzutreffen ist und bis zu einem gewissen Grad toleriert wird - dies kann in der Tat ein Weg zur Bereicherung sein. Und die Ehefrau kann sich umso mehr auf das eheliche Herrschaftsgefüge berufen, als sie zur Erfüllung ihrer Rolle als Hausfrau und Ernährerin zu schäbiger Habsucht und Geldgier autorisiert wird, was sie dazu treibt, das Gut anderer zu schädigen. Zudem ist man einer Diebin gegenüber nachsichtiger, sobald diese sich auf die Notwendigkeit beruft, ihre Kinder ernähren zu müssen. So kann sie trotz kleiner Diebstähle im wesentlichen ihre Ehre als Frau bewahren, die für ihre Familie verantwortlich ist. Insgesamt handelt es sich dabei um unbedeutende, aber häufige Diebstähle - mit einer Ausnahme: Der Diebstahl im Hause der Herrschaft stellt einen Vertrauensbruch dar. Weil eine ständige Überwachung nicht möglich ist. schöpft man schnell Verdacht, und auch einfache Familien teilen Tisch und Herd mit einem Dienstmädchen. Diese stellen allerdings keine große Gefahr dar, eher diejenigen, die in reichen Häusern dienen, bei denen es sich manchmal um Abenteurerinnen und häufig um Entwurzelte handelt - so auch C. Petit, verwitwete Bouclard, 44 Jahre alt. Köchin in Paris mit einem Gehalt von 18 Talern im Jahr, die jedoch für den Unterhalt eines Paukenschlägers der königlichen Garden aufkommen muß. Sie stiehlt und wechselt von einer Arbeitsstelle zur anderen - Mobilität wird in diesem Beruf ungern gesehen und unterscheidet die treue Dienerin von all den anderen, deren Habgier in den Romanen und Komödien der Zeit beschrieben wird. Die Habgier wird dadurch angestachelt, daß die Dienerinnen für sie unerreichbare Reichtümer vor Augen haben und daher voller Ressentiments sind. Aber die Befürchtungen der Herrschaft, die Louis-Sebastien Mercier am Ende des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck bringt, führen nur selten zur Strafverfolgung. 1782 gab es im Zuständigkeitsbereich des Parlaments von Paris nur wenige Fälle und vor dem Präsidialgericht von Angers im Laufe des 18. Jahrhunderts nur 18 Anklagen: das entspricht 5 bis 8% der Diebstähle in den Städten, die zu fünfzig Prozent von Frauen begangen wurden, denen weitgehende Straflosigkeit sicher war, denn Herrschaften und Magistraten oder Geschworene schreckten davor zurück, sie zum Tode zu verurteilen. Man zog es vor, die Treulose auf ziemlich brutale Weise zu durchsuchen und fortzuschicken. Die Todesstrafe ereilte jedoch gefährliche Wiederholungstäterinnen oder z. B., nach mehrfachen Anklagen, ein armes Mädchen von siebzehn Jahren, das wegen eines Diebstahls von Taschentüchern in Toulouse und eines silbernen Löffels in Paris gehängt wurde. Streng verurteilt wird auch die Erschleichung oder der Raub eines Erbes, wodurch auch eine Frau bescheidenen Standes, wenn sie es geschickt anstellte, zu Reichtum gelangen konnte. Der Fall kommt nicht häufig vor, denn in reichen Familien ist es nicht üblich, einen Greis seiner Dienerin auszuliefern. Ideal ist der alte gebrechliche Junggeselle, der keine nahen Verwandten hat und von dem, wie in einem Fall, das Gerücht geht, er habe Schuldanerkennungen über 40 000 Pfund und jede Menge Gold und Taler. Die Frau macht sich im Haus dank der für ihren Herrn erforderlichen abstoßenden Pflege unersetzlich. In Komplizenschaft mit den Nachbarn plündert sie das Haus und nutzt das durch den Todesfall hervorgerufene allgemeine Durcheinander, um sich der Geldscheine und Goldstücke zu bemächtigen. Aber sie war so unvorsichtig, verdächtig hohe Investitionen zu tätigen, die sie schließlich verrieten.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich um banale und unbedeutende Diebstähle, wenn man außer acht läßt, daß sie wiederholt begangen wurden und eine Gesellschaft hart trafen, die über eine begrenzte Menge an Verbrauchsgütern und Gebrauchsgegenständen verfügte, in der die Güter der Armen am meisten gefährdet waren und ihr Verschwinden äußerst schmerzhaft empfunden wurde. Diese Diebstähle sind zu einem großen Teil verantwortlich für das unsichere Klima vor allem in den großen Städten und insbesondere in Paris, wo Eigentumsdelikte die Hälfte bis drei Viertel aller Straftaten ausmachen. Im Jahr 1782 sind von den 532 Angeklagten vor dem Parlament von Paris 98 (davon 17 Frauen) wegen schwerer Gewalttätigkeit angeklagt, aber 399 wegen Diebstahl und Betrug, davon 76 Frauen. Frauen sind also signifikant beteiligt, in Paris in einem von vier Fällen, wobei sie bei den Diebstählen von Wäsche und Stoffen in der Mehrheit sind, aber in der Minderheit, wenn es sich um Silberwaren, Schmuck oder Geld handelt. Auf dem Land sind Diebstähle seltener und betreffen vor allem Getreide, Gemüse, Obst und Holz, während in den Städten vor allem Wäsche, Gebrauchsgegenstände und insbesondere Lebensmittel gestohlen werden, was damit gerechtfertigt wird, daß die Familie ernährt werden muß. Auch wird in den Geschäften gestohlen, wo die reichlich vorhandenen Waren und die relative Leichtigkeit, sich ihrer zu bemächtigen, reizen.
Das Sozialprofil der Diebin unterschied sich in den verschiedenen europäischen Ländern nur unerheblich: Die Frauen kommen fast alle aus den arbeitenden oder notleidenden Klassen; sie wohnen weniger auf dem Land als in der Stadt: sie sind Lohnabhängige, die von einem Tag zum andern leben. Nach Montyon ist über die Hälfte von ihnen ledig, annähernd 45% sind verheiratet und 4,5% verwitwet, wobei dieser Prozentsatz unterschiedlich sein kann, je nach Art des Delikts. Ob es sich um professionelle Diebinnen handelt, ist schwer zu sagen, da diese Qualifizierung mehr oder weniger ihre Zugehörigkeit zu einer Bande impliziert. Dieses Faktum ist selten, und man begegnet ihm vor allem in England, wo die Presse 1764 auf Banden junger Frauen aufmerksam macht, die die Londoner Geschäfte plündern. Bei den Professionellen handelt es sich eher um organisierte Hehlerinnen, die mit anerkannten Dieben in Verbindung stehen, die alle möglichen gestohlenen Gegenstände weiterverkaufen, Pfandleihen tätigen und im allgemeinen den Polizeibeamten, die sie mit Informationen beliefern, als Kupplerinnen bekannt sind.
Erst die Zunahme der Diebstähle in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beunruhigt die öffentlichen Gewalten. Dem Problem, das eng mit der Armut verbunden ist, begegnete man seit dem 16. Jahrhundert sowohl mit Hilfsmaßnahmen als auch mit der Einsperrung der Bettler. Armut, Bettelei und Landstreicherei hatten Kriminalität zur Folge, die besonders in schlechten Jahren in den Städten und auf den Überlandstraßen überhandnahm. Für diese entwurzelten Frauen war es schwierig, den Teufelskreis zu durchbrechen, der sie zu Opfern der Justiz und insbesondere der Gendarmerie machte; nur wenige schafften es. den Zwangsverwahrungsabteilungen der Hospitäler oder der riesigen Salpetriere in Paris für immer zu entkommen.

Strafen

Will man versuchen, weibliche Kriminalität zu klassifizieren, so muß zuerst untersucht werden, welche Strafen eine Gesellschaft wählt: Sie sind ebenso signifikant wie die Vergehen selbst, die uns im übrigen nur bekannt sind, weil sie Gegenstand einer gerichtlichen Verhandlung waren. Daraus resultiert auch das ständige Problem der Dunkelziffer, die die weibliche Delinquenz aufgrund ihres privaten Charakters besonders betrifft; es gibt gerade in den oberen und mittleren Klassen nur wenige Frauen, die nicht den Schutz der Familie genießen. Überdies schreibt die Jurisprudenz im 18. Jahrhundert in ganz Europa auch der unterprivilegierten Frau nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit zu, vor allem wenn sie für Kinder zu sorgen hat. So erklärt sich der Unterschied zwischen der Zahl der Frauen, die angeklagt, und der Zahl derer, die tatsächlich verurteilt wurden. Viele Angeklagte wurden freigelassen, weil man an ihrer Schuld zweifelte, und mehr noch deswegen, weil sie sich um den Haushalt kümmern mußten. So geraten hauptsächlich, insbesondere in den Städten, alleinstehende und sozial deklassierte Frauen in die Fänge der Justiz. Das erklärt im großen und ganzen, warum Frauen in den Kriminalitätsstatistiken unterrepräsentiert sind.
Die Wahl der Strafe war natürlich abhängig von den am häufigsten begangenen Straftaten. Frauen neigen weniger zu schweren Gewalttaten als Männer: In Surrey entfielen zwischen 1660 und 1800 von 7 000 tätlichen Angriffen nur ein Viertel auf Frauen. Aber die von Frauen begangenen Gewalttaten stoßen auf besondere Ablehnung, weil sie die Werte und fundamentalen Tugenden der Familie betreffen: Mord, Kindsmord und Diebstahl im Haus der Herrschaft, die alle unter Todesstrafe stehen, welche noch im 16. Jahrhundert streng angewandt wurde. In den Jahren 1535 und 1545 wurden von 18 Frauen, die des Kindsmordes angeklagt waren. 13 in erster Instanz und 8 in zweiter Instanz zum Tode verurteilt. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurden zusehends mildere Strafen verhängt. Die Todesstrafe wurde zunehmend durch Gefängnisstrafen abgelöst, und dies in einem unveränderten (so die Ordonnanz von 1670) oder sogar, wie in England, durch neue Statuten verschärften legislativen Kontext (»Blutkodex«). So wurden in Neuchatel in einem Jahrhundert 103 Personen zum Tode verurteilt (10,2% aller Verurteilungen), darunter 14 Frauen; 9 Frauen wurden hingerichtet, davon 6 wegen Kindsmord. Am häufigsten (65% aller Strafen) wurde die Verbannung verfügt, oft in Verbindung mit Auspeitschung: meist wurden damit Eigentumsdelikte geahndet. Wiederholungstäterinnen. Diebinnen oder Frauen, die gegen die guten Sitten verstießen, kamen in eine Strafanstalt. Ebenso verhielt es sich in England, wo harte Strafen wie Hinrichtung und Deportation den Männern vorbehalten waren und Frauen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vorzugsweise in Besserungsanstalten gesteckt wurden; minderjährige Straffällige wurden
ausgepeitscht, oder es wurde ihnen das Halseisen angelegt.
Auch die französischen Gerichte behandelten straffällig gewordene Frauen nicht härter: Sie wurden streng verurteilt, wenn sie die heilige Familienehre verletzten, und mit relativer Milde, wenn ihr Vergehen für wenig gefährlich angesehen wurde. Selbst die in erster Instanz gefällten Urteile, die in der Regel immer strenger sind, wurden zusehends milder. So wurde nahezu die Hälfte der Frauen freigesprochen, die vor dem Parlament von Toulouse in den letzten zwölf Jahren des Ancien Regime Berufung einlegten; Von 462 Frauen wurden 3.9% zum Tode, 25.7% mit Gefängnis, 22,2% zur Verbannung und die anderen zur Auspeitschung, zum Halseisen etc. verurteilt. Auch in Paris läßt sich eine solche Tendenz feststellen, die die Todesstrafe grausamen Verbrechen und dem wiederholten schweren Diebstahl vorbehält: 15,8% wurden wegen Verbrechen innerhalb der Familie. 7,7% wegen Kindsmord und 6,1% wegen Gewaltanwendung zum Tode verurteilt, aber im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Todesstrafen ständig ab. So kam es bereits vor der Revolution zu einer Milderung der Strafen, von der vor allem die Frauen profitierten.
Die Urteile waren insgesamt zwar streng, aber - wie die Beispiele zeigen - auch begrenzt und sollten die Kontrolle der Familie über die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau wahren. Man ließ deutlich Milde walten im Falle der wirtschaftlichen Schwäche der Frau, von der die Moraltheologie zurückhaltend sagte, daß sie den Diebstahl entschuldige. Was kann man anderes erwarten von einer Gesellschaft, die zu arm war, um auf eine konstitutive Disziplinierung der Familienordnung und auf minimale Sanktionen für jeden Angriff auf fremdes Gut zu verzichten?

Aus dem Französischen von Roswitha Schmid

Autor(en)