1.1 Das Modell der New Home Economics
In den Erörterungen um die Existenz einer "Schattenwirtschaft" im Sinne einer 'zweiten' Ökonomie überwiegen bislang Analysen, die sich am Theoriemodell der Neoklassik orientieren. Damit finden auch deren spezifische theoretische Orientierungen zunehmend Eingang in die Untersuchung nicht-marktvermittelter Sachverhalte: "Es ist zu vermuten, daß man im Rahmen der Neoklassik einen Großteil der Problempunkte ... der alternativen Ökonomie als spezielle Anwendungsprobleme der allgemeinen Gleichgewichtstheorie behandeln würde. Und in der Tat ..." (de Gijsel/Seifert-Vogt 1984, S. 23). Ob nun der unentgeltliche familiale Arbeitsbereich von Frauen als Bestandteil der 'Schattenwirtschaft' bzw. einer 'Bedarfswirtschaft' erörtert wird oder ob für diesen Gegenstandsbereich eine gesonderte Theorie vorgelegt wird, die theoretischen Vorannahmen eines am Marktgleichgewichts orientierten Modells prägen auch die Argumente im Hinblick auf die Besonderheit von Frauenarbeit, ebenfalls und eher implizit der Existenzsicherung von Frauen.
Das hier vorgestellte Theoriemodell geschlechtlicher Arbeitsteilung ist der einzige ökonomische Erklärungsversuch mit gesellschaftstheoretischem Anspruch, der außerhalb der sozialwissenschaftlichen Frauenforschung entwickelt wurde. Auch aus der neueren marxistischen Forschung existiert bislang kein Pendant: sie hat sich weder einer theoretischen Begründung der 'Schattenwirtschaft', noch an einer solchen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung beteiligt. Allerdings liegen eine Reihe von Entwürfen vor, geschlechtsspezifische als klassenbedingte Arbeitsteilungen zu erklären, Geschlechter- im Rahmen von Klassenungleichheit zu interpretieren. [1]. Das neoklassische Theorem stellt darüber hinaus einen Versuch dar, Frauenarbeit (implizit auch die Gebärtätigkeit von Frauen) im Zusammenhang gesamtwirtschaftlicher Prozesse in diesem Fall des Funktionierens von Märkten - zu erklären. Seine Konzeption verdankt es wiederum noch anders gelagerten Interessen an der Fortentwicklung der neoklassischen Mikro-Ökonomik zur Neuen Mikro-Ökonomik der Chicago-Schule um Milton Friedman, Gary S. Becker und George S. Stigler. Besonders Beckers Arbeiten gelten in der ökonomischen und neuerdings auch in der soziologischen Forschung als bahnbrechend für die Begründung einer ökonomischen Theorie der Familie. Anders als Frauenforscherinnen, die auf die eine oder andere Weise den Ausbeutungscharakter von Hausarbeit und der Haushaltsökonomie nachzuweisen suchten, sind die New Home Economics Beckerscher Provenienz demgegenüber bestrebt, die moderne Variante der Grenznutzenlehre auf den Familienhaushalt und auf unentgeltliche Familienarbeit auszudehnen: Bei gegebener verfügbarer Gesamtmenge eines Gutes bestimmt der Grenznutzen den Wert aller einzelnen Gütereinheiten.
Je mehr von einem Gut angesichts gegebener Bedürfnisse verfügbar, umso stärker das Absinken des Werts pro Gütereinheit; je knapper ein Gut, umso dringlicher das mit der letzten Einheit befriedigte Bedürfnis, umso höher der Grenznutzen dieser Einheit, umso höher der Wert aller verfügbaren Gütereinheiten. Der Wert eines Gutes ist nach dieser Definition die Resultante von Nutzen und Knappheit [2]. Die feministische Diskussion greift demgegenüber auf den marxistischen Begriff der Ausbeutung von Arbeitskraft zurück, den die Neoklassik so nicht kennt. 'Ausbeutung' meint der Marxschen Theorie zufolge eine spezifisch ökonomische Form der Abpressung von Mehrarbeit im Produktionsprozeß von Waren. Sie bestimmt zugleich das Herrschaftsverhältnis von Lohnarbeit und Kapital. Eine knappe Definition von 'Ausbeutung' unterscheidet vier Merkmale:
- Ausbeutung ist Aneignung fremder Arbeit, d.h. Aneignung der Mehrarbeit der Produzenten, die über die zu ihrer Erhaltung notwendige Arbeit hinausgeht.
- Die kapitalistische Ausbeutung ist die (ohne außerökonomischen Zwang erfolgende) Aneignung der unbezahlten Mehrarbeit bzw. des Mehrprodukts in Form des Mehrwerts.
- Möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft ist das Ziel der kapitalistischen Produktion.
- Den Grad der kapitalistischen Ausbeutung drückt die Mehrwertrate aus. Die kapitalistische Ausbeutung wird verschleiert, indem die unbezahlte Mehrarbeit im Arbeitslohn als bezahlt erscheint (vgl. Lotter u.a. 1984, S. 53).
Demgegenüber existiert 'Ausbeutung' in der Neoklassik nur dann, wenn der Eigentümer eines Produktionsfaktors für die von ihm verkauften Faktorleistungen einen Preis erhält, der niedriger ist als der Wert des Grenzprodukts, das durch den Einsatz eines Produktionsfaktors hergestellt wird (vgl. de Gijsel 1984, S. 20).
Daß die Ressourcenallokation der Haushaltsökonomie unter Ökonomen in den letzten Jahrzehnten verstärkt Beachtung fand, hat allerdings wenig mit dem Interesse an der Geschlechtsspezifik familialer Arbeitsteilungen zu tun. Die Hinwendung zu diesem Gegenstandsbereich muß sicherlich im Zusammenhang einer zunehmenden Kritik an den Parametern der traditionellen Sozialproduktsrechnung gesehen werden. Spätestens in den 70er Jahren setzte sich unter Ökonomen die Einsicht durch, diese seien nicht mehr ausreichend als Indikator zur Messung der allgemeinen Wohlfahrtsentwicklung, weil sich mit ihnen nur Marktvorgänge erfassen lassen. Ausgelöst wurde diese Kritik durch die Erkenntnis, daß ein Teil der gesamtgesellschaftlichen Produktionskosten - z.B. die Sozialkosten von Umweltschäden - nicht in der SP-Rechnung registriert werden (vgl. Leipert 1975 [3]). So tauchte plötzlich auch die Hausfrau als Produzentin nicht marktvermittelter Güter und Dienstleistungen in den Wirtschaftswissenschaften auf, ähnliches gilt für die Soziologie. Die Soziologie akzentuierte besonders die Leistungen von Privathaushalten innerhalb des Begriffs der Haushaltsproduktion als Element einer allgemeinen Wohlfahrtsproduktion [4]. [5] Eine weitere Entwicklung, die der Rezeption der New Home Economies entgegen kam, besitzt ihren Grund im akademischen Status der Haushaltswissenschaften. Diese Theorie versprach ein Vakuum zu füllen, unter dem besonders die bundesdeutsche Haushaltswissenschaft litt: unter der Unsicherheit darüber, welcher etablierten Disziplin man sich denn zurechnen könne (vgl. Streissler 1974, Hamers 1981). Einige griffen interessiert das Angebot von Ökonomen auf, den Haushaltswissenschaften ein seriöses theoretisches Fundament zu verleihen, das diese zugleich als legitimen Bestandteil der Volkswirtschaftslehre auswies (vgl. Hesse 1982, 1983). Andere wiederum verstanden die New Home Economics als Konkurrenz zu einer in Anlehnung an die Betriebswirtschaftslehre konzipierten Haushaltswissenschaft (vgl. Minte 1983). Interessant scheint hier die Beobachtung, daß eine soziologische Disziplin ausgesprochene Zurückhaltung in der Rezeption der New Home Economics zeigte, obwohl sie deren Gegenstandsbereich unmittelbar berührte: Die Arbeitsmarktforschung griff sie bislang nicht auf und zwar auch dann nicht, wenn sie sich mit der Arbeitsmarktdiskriminierung von Frauen befaßt. Die Beckersche Theorie familialer Arbeitsteilung stellt insofern kein Kuriosum auf dem sozialwissenschaftlichen Theoriemarkt dar; ihre Rezeption stieß auf vielfältige Bedürfnisse. Ganz in der Tradition der großen ökonomischen Theorien erhebt dieser Autor in seinem Werk mit dem beziehungsreichen Titel "A Treatise on the Family" (1981,) zugleich den Anspruch auf Formulierung einer umfassenden Gesellschaftstheorie: "... Alles menschliche Verhalten kann ... so betrachtet werden, als habe man es mit Akteuren zu tun, die ihren Nutzen, bezogen auf ein stabiles Präferenzsystem, maximieren und sich in verschiedenen Märkten eine optimale Ausstattung an Informationen und anderen Faktoren schaffen" (Becker 1982, S. 15). Diese schon einige Jahre früher formulierte Position prägt durchgängig seine theoretischen Arbeiten. Eine Variante dieses homo oeconomicus vermutet er im Privathaushalt; auch dieser, so Becker, stelle darauf ab, 'Wohlfahrt' oder 'Nutzen' zu produzieren. Diese Auffassung ist mittlerweile, besonders in der Sozialindikatorenforschung, durchaus akzeptiert (vgl. Glatzer/Zapf 1984).
Bezogen auf Ehepartner, die in einem Haushalt zusammen wirtschaften, bedeutet nach Becker 'Nutzen' die mit einer Ehe verbundene Fürsorge: Liebe sei die zärtliche Fürsorge um das Wohlbefinden anderer. Zur analytischen Aufbereitung dieses Nutzens bedient er sich des Niveaus des Güterkonsums als einer umfassenden Maßeinheit: als Ökonom messe man 'Nutzen' naheliegenderweise über die Nutzenfunktion (Becker 1982, S. 260f.). Die Haushaltsmitglieder konsumieren Konsumgüter und Zeit, um Güter, Dienstleistungen und Haushaltsaktivitäten zu 'produzieren'. Er belegt diese Leistungen mit dem Terminus 'basic commodities [6]
Seine produktionstheoretischen Annahmen lauten:
- Die Menge der im Haushalt produzierten "basic commodities" hängt ab von einem Marktgüter- und einem Zeitinput-Vektor (Produktionsfunktion),
- nicht Konsumgüter, sondern "basic commodities" sind nutzenspendende Bestandteile der Funktion (Nutzenfunktion).
- (Konsum) Zeit ist ein knappes ökonomisches Gut (Zeitrestriktion),
- der Gesamtpreis für "basic commodities" ist die Summe der Preise pro Einheit genutzter Güter und der pro Einheit genutzten Zeit (Gesamtpreisgleichung),
- neben dem Geldeinkommen von Haushalten wird auch das nichtmonetäre Einkommen (Schattenpreise) berücksichtigt ("Full-Income"-Identitätsgleichung) (vgl. auch Keller 1984, S. 4).
Diese theoretischen Grundannahmen verweisen bereits auf ein zentrales Merkmal dieses Entwurfs: Monetäres bzw. nicht-monetäres "Einkommen" und Erwerbs - bzw. Hausarbeitszeit(aufwand) sind für ihn gleich bedeutungsvoll zur Errechnung der Nutzenmaximierung eines Haushalts und der in ihm lebenden Personen. Hinter dieser Annahme steht offensichtlich die Vorstellung eines prinzipiell harmonischen Familienhaushalts, dessen Mitglieder durch gegenseitige Fürsorge ihren jeweiligen Nutzen optimieren. Sie wiederum fügt sich bruchlos in die von der Chicago Schule vertretene Auffassung ein, die individuelle Optimierung von Nutzen unter gegebenen Marktbedingungen sei gleichbedeutend mit gesamtgesellschaftlicher Effizienz oder "Wohlfahrt" (vgl. Frank 1983, S. 279). Mit der traditionellen Neoklassik teilen die New Home Economics folgende Vorannahmen und Vorgehensweisen, sie reichen bis in die Beckersche Theorie familialer Arbeitsteilung hinein: methodologischer Individualismus, nutzenmaximierendes Verhalten, exogene Bestimmung der Präferenzen, Fixierung der Analyse auf einen (nicht näher ausgewiesenen) Zeitpunkt, Vernachlässigung motivationaler Entscheidungsmomente, Dominanz statischer Kalküle, Verzicht auf die direkte Überprüfbarkeit der Aussagen, hoher Formalisierungsgrad (vgl. auch Minte 1978, S. 307). Gerade letzterer verführt jedoch leicht dazu, eine Reihe der inhaltlichen Vorannahmen zu übersehen, die dieses Modell zu einer Theorie der "sexual division of labor" machen. Die Gründe für die Geschlechtsspezifik familialer Arbeitsteilung sieht Becker in zwei Sachverhalten: erstens in der biologischen Geschlechterdifferenz, zweitens in geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Erfahrungen und Humankapitalinvestionen (Becker 1981, S. 14 ff.). Ihm zufolge spezialisieren Frauen sich aufs Gebären und auf andere häusliche Aktivitäten. Aus diesem Grund "... they have demanded long-term 'contracts' from their husbands to protect them against abandonment and other adversities. Virtually all societies have developed long-term -protection for married women; one can even say that 'marriage' is defined by a long-term commitment between a man and a women" (Becker 1981, S. 14).
Becker zufolge haben die "kulturellen und politischen Normen" (Offe/Hinrichs 1984), die ein bestimmtes Arbeitskräftepotential vom Arbeitsmarkt fernhalten und auf andere Formen der Existenzsicherung verweisen, ihren Grund in der "Spezialisierung" von Frauen auf ihre Gebärtätigkeit und häusliche Aktivitäten. Er begründet diesen Sachverhalt humankapitaltheoretisch: Frauen und Männer investieren in jeweils unterschiedliche Typen von Humankapital, häusliches und berufliches; beide maximieren ihren jeweiligen Nutzen durch eine spezifische Ressourcenallokation entweder im Haushalt oder im Beruf. Sie ist dann optimal, wenn die jeweiligen besonderen Fähigkeiten extensiv genutzt werden. Frauen, mit ihrer "Spezialisierung" aufs Gebären und auf Haushaltsaktivitäten, optimieren ihren Nutzen dann, wenn sie anstelle von Erwerbsarbeit Hausarbeit wählen und ausüben. In dem von ihm als harmonische Einheit vorgestellten Haushalt sind alle Familienmitglieder bestrebt, ihre Zeit und andere ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen zugunsten des höchstmöglichen Güteroutputs dieses Haushaltes einzusetzen. [7] In einem effizienten Haushalt entscheidet wiederum der jeweilige Grenznutzen der Ehepartner über deren Arbeits(zeit)einsatz: ist er im Beruf hoch, weil jemand bestimmte Berufsqualifikationen besitzt, wird diese Person Erwerbsarbeit ausüben, ist er im Haushalt sehr hoch, weil jemand besondere haushälterische Qualifikationen besitzt, wird diese Person Haushaltstätigkeiten ausüben.
Ohne daß Becker seine Überlegungen sozialisationstheoretisch abstützt, könnte eine Parallele zu diesen Theorien gezogen werden. Geschlechtsspezifische Sozialisation, so eine besonders in der Frauenforschung vertretene Argumentation, trage sehr wesentlich dazu bei, daß sich Mädchen frühzeitig auf die spätere Übernahme von Familienpflichten einstellen (vgl. Ostner 1978). Was die Frauenforschung allerdings kritisch anspricht, erhält bei Becker eine affirmative Wendung. Er verknüpft das humankapitaltheoretische Argument [8] mit einer Ausdeutung des homo oeconomicus: "A man completes his biological contribution to the production of children when his sperm fertilizes a woman's egg, after which she controls the reproductive process: she biologically houses and feeds the fetus, delivers the baby, and often feeds the infant with her own milk. ... Women not only have a heavy biological commitment to the production and feeding of children but they also are biologically committed to the care of children in other, more subtile ways. Moreover" - und hier scheint die besondere ökonomische Rationalität von Ehefrauen und Müttern im Umgang mit ihrer Gebärtätigkeit ihren Grund zu besitzen - "... women have been willing to spend much time and energy caring for their children because they want their heavy biological investment in production to be worthwhile" (Becker 1981, S. 21f.). Die Anerkennung der biologischen Geschlechterdifferenz, so der Autor, erlaube die wohl niemand überraschende Schlußfolgerung, sie sei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich der Zuständigkeit für die 'Produktion' und Versorgung von Kindern, für die Haushaltsführung und für den Markt.
Er verbindet dieses Argument mit einer weiteren Überlegung: eine Stunde weiblicher Haus- oder Erwerbsarbeitszeit sei kein vollwertiges Äquivalent für eine männliche Arbeitsstunde. Das gilt erstens dann, wenn Frauen und Männer (hier: Ehepartner) entsprechend ihrer biologischen Ausstattung in Humankapital investiert haben. Effiziente Haushalte verteilen deshalb die ihnen zur Verfügung stehenden Zeitkontingente derart, daß die Frau im Haushalt, der Mann im Erwerbsleben tätig ist. Deshalb sind Haushalte mit gleichgeschlechtlichen weniger effizient als solche mit gegengeschlechtlichen Mitgliedern: erstere sind nicht imstande, aus dieser Differenz qua Humankapitalinvestition Nutzen zu ziehen. Zweitens liegt aufgrund der jeweiligen Humankapitalinvestitionen der Lohnsatz von Ehemännern höher als der von Frauen, das auch deshalb, weil Ehefrauen eben mehr Zeit im Haushalt verbringen und stärker in Haushaltshumankapital investieren. Becker belegt dieses Argument mit Zahlenmaterial seiner Auffassung nach liegen die Stundenverdienste von verheirateten Männern in den USA deshalb um über 60% derjeniger verheirateter Frauen, weil erstere mehr Zeit für den Beruf und weniger Zeit für Haushalt und Kinderversorgung aufwenden. Beckers Überlegungen sind streckenweise einer Satire auf den Ökonomismus der Grenznutzentheoretiker zum Verwechseln ähnlich, Paul A. Samuelson kommentierte denn auch dessen Versuch, das Instrumentarium der Neuen Mikro-Ökonomik auf Probleme der Familienplanung anzuwenden, als "... sterile verbalizations by which economists have tended to describe fertility decisions in terms of the jargon of indifference curves, thereby tending to intimidate non-economists who have not mis-spent their youth in mastering the intricacies of modern utility theory" (Samuelson 1976). Analoges ließe sich von der nutzentheoretischen Begründung der Geschlechterdifferenz hinsichtlich der jeweiligen Humankapitalinvestitionen sagen. Beckers Ausführungen legen die Vermutung nahe, im Uterus habe die geschlechtliche Arbeitsteilung ihren Grund. Auf biologistische Tendenzen in diesem Theorem weist insbesondere Ben-Porath hin: "... the biological differences are an essential element in the explanation. In Becker's analysis they are the source of systematic intersex differences in comparative advantage and they are the reason why people ar not identical. Thus they lead to a home-oriented allocation of time and composition of human capital for women which is reflected in lower market wages and which reinforces their home role. The economic analysis suggests how behaviour will reinforce the consequences of the biological differences. Elsewhere in the book ... the story starts from the other end: higher market wages for women changes women's allocation of time, the composition of their human capital, and the division of labor within the household, and it reduces fertility; sex roles are thus responsives to market forces. In order to understand the determinants of the status of women, or to answer questions that interest the women's movement, it matters which end is the head and which is the tail - is it mostly that biological reasons reinforced by rational economic calculation 'explain' sex roles and lower market wages for women, or is it the wage structure that (either because of discrimination or the structure of demand) determines sex roles, with biology playing a minor part?" (Vgl. Ben Porath 1982)[9].
Becker operiert darüber hinaus aber auch mit dem Opportunitätskostenansatz, um die geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen im Vergleich mit Männern zu begründen. Eine Frau wird dann im Haushalt arbeiten und auf eine Erwerbsbeteiligung verzichten, wenn sie den im Haushalt geschaffenen Werten mindestens einen ebenso hohen Nutzen beimißt wie dem Verdienst, den sie mit demselben Zeitaufwand mit Erwerbsarbeit hätte erzielen können und auf den sie verzichtet, wenn sie, statt Erwerbsarbeit auszuüben, Hausarbeit erledigt. Die Tätigkeit im Haushalt stellt insofern eine freie Entscheidung der Frau dar, sie gilt wiederum als Indiz dafür, daß sie tatsächlich ihren Nutzen maximiert. Der Wert der Hausarbeit ist diesem Modell zufolge gleich dem Wert des entgangenen Verdienstes aus Erwerbsarbeit. Anders ausgedrückt: Der Schattenpreis (oder das nicht-monetäre Einkommen) aus Hausarbeit ist gleich dem "Preis" (oder Geldeinkommen) aus Erwerbsarbeit; die Maßeinheit für die Höhe des Schattenpreises wäre demzufolge das erzielbare Einkommen aufgrund einer bestimmten Berufsqualifikation. Besitzt eine Hausfrau nur die Qualifikation, die sie im Haushalt erworben hat, d.h. ist sie erwerbswirtschaftlich nicht qualifiziert, dann entspräche der Schattenpreis ihrer häuslichen Tätigkeit vermutlich dem einer Putzfrau, d.h. dem, was Hausfrauen ohne Berufsqualifikation heute auf dem Arbeitsmarkt an Einkommen erzielen können. Ist sie demgegenüber Wissenschaftlerin, dann entspräche der Wert oder Schattenpreis einer eventuellen Haushaltstätigkeit (anstelle von Erwerbstätigkeit) dem entgangenen Verdienst einer solchen Berufstätigkeit. Diese Beweisführung kann allenfalls im Sinne einer individuellen Präferenz einige Plausibilität beanspruchen. Sie greift schon nicht mehr, wenn eine Frau auf die Ausübung einer Berufstätigkeit verzichtet und stattdessen im Haushalt tätig wird, wenn ihr gar keine andere Wahl bleibt, weil der Arbeitsmarkt keine angemessene Beschäftigungsmöglichkeit hergibt: an der Empirie bricht sich letztlich die Erklärungskraft dieses Modells. Das gilt auch für einen weiteren Zusammenhang.
Bei der Tötung oder Verletzung einer Hausfrau durch Dritte, etwa bei Unfällen im Straßenverkehr, steht die Rechtsprechung immer häufiger vor dem Problem, in Schadensersatzverfahren nach § 844 StGB eine Bewertung der Hausfrauenarbeit vorzunehmen. Entsprechend dem Modell der New Home Economics betrüge dieser "Wert" so viel, wie diese Hausfrau bei Aufnahme einer ihrer Berufsqualifikation entsprechenden Erwerbstätigkeit hätte erzielen können im Falle der nicht-erwerbstätigen Hausfrau vermutlich das Äquivalent eines Putzfrauenlohns, im Falle der Wissenschaftlerin, die sich entschlossen hat, einem Mann den Haushalt zu führen und Kinder zu versorgen, ein Vielfaches dieses Lohns. Die Rechtsprechung verfährt hier völlig anders. Wird eine Hausfrau getötet, haben der Ehemann und eventuell vorhandene Kinder einen Anspruch auf Ersatz des ihnen durch den Unterhaltsausfall entstehenden "Schadens". Die Rechtsprechung errechnet ihn in der Regel nach den Kosten einer Ersatzkraft, die den marktüblichen Lohn erhalten würde. "Entweder entstehen Kosten für eine Ersatzkraft, dann ist dies der Schaden, oder es werden keine Mittel hierfür aufgewandt, dann besteht der Schaden ... in dem Verlust der Dienste" (Eckelmann/Boos 1978, S. 212)[10]
Was das Modell allenfalls 'erklären' kann, ist die Nicht-Beteiligung von Frauen an Erwerbsarbeit: Sie verzichten darauf, weil ihre Humankapitalinvestitionen nicht auf diese, sondern auf den Haushalt gerichtet sind. Frauen tun dies aufgrund ihrer biologischen Grundausstattung. Doch selbst hier spricht die Empirie eine ganz andere Sprache: die faktische und potentielle Erwerbsbeteiligung von Frauen, gerade auch verheirateter Frauen, weist in vielen westlichen Industriegesellschaften eine steigende Tendenz auf. Frauen würden nach dieser Theorie gegen ihre "Natur" handeln, wenn sie erwerbstätig werden (wollen). So eignet sich dieses Theorem, von inneren Inkonsistenzen und zirkulären Begründungen ganz abgesehen, lediglich dazu, die gesellschaftliche "Zuweisung" von unentgeltlicher Arbeit an Frauen zu legitimieren, die noch dazu als individuelle Entscheidung im Sinne eines Nutzenkalküls ausgegeben wird. Im Rahmen einer allgemeinen Gleichgewichtstheorie, die davon ausgeht, daß allein ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den entsprechenden Märkten zur "allgemeinen Wohlfahrt" führt, hängt die angenommenen Ausgewogenheit der Märkte letztlich auch davon ab, daß die familiale Arbeitsteilung eine geschlechtliche bleibt, die allein Frauen in diese Sphäre verweist. Sie selbst sind es, die sich aufgrund ihrer Gebärfähigkeit vom Markt fernhalten und andere Formen der Existenzsicherung suchen.
Der dieser Theorie immanente methodologische Individualismus gestattet es darüber hinaus nicht, die Haushaltsökonomie und die in ihr Arbeitenden im Gesamtzusammenhang einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung wahrzunehmen. [11] Die Statik des Modells kann ökonomischem und gesellschaftlichem Wandel nicht Rechnung tragen. Die Erkenntnis haben auch jene gewinnen müssen, die unter Rückgriff auf es einem vermuteten Zusammenhang zwischen Frauenerwerbstätigkeit und absinkender Geburtenrate auf die 2 Spur kommen wollten (vgl. Zimmermann 1985) [12]. Last but not least: auch Ehe und Familie sind Becker zufolge letztlich 'marktvermittelt' der Heiratsmarkt, der seinerseits den Regeln von Angebot und Nachfrage unterliegt, kanalisiert Frauen in den ihnen angemessenen Bereich gesellschaftlicher Arbeit; von Becker innerhalb einer "Theory of Marriage" vorgestellt (vgl. Becker 1981).
1.2 Kontroversen um die Marxsche Klassentheorie
Anders als Theoreme in der Tradition der neoklassischen Wirtschaftslehre mit ihrer Akzentuierung individueller Nutzenkalküle der Marktteilnehmer stellt die marxistische Theorie einen Erklärungsansatz gesamtgesellschaftlicher Produktion und Reproduktion zur Verfügung. In ihrer endgültigen Gestalt - der "Kritik der politischen Ökonomie" - bezieht sich dieser allerdings nicht auf Produktion und Reproduktion im Geschlechterverhältnis, gemeint ist die von Kapitalkreislauf und -akkumulation abzüglich der Subsistenzmittel, die in den privaten Konsum abfließen. Insofern ist die Feststellung völlig richtig: "Genaugenommen wird der Mensch bei Marx erst geboren, wenn er seinen ersten Lohn in Empfang nimmt" (Negt 1984, S. 127).
Eine Begründung für den Zusammenhang von Arbeitsteilung und Existenzsicherung, die über die klassische, auf das Lohnarbeitsverhältnis bezogene Interpretation hinausgeht, ist von marxistischen Forschern seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr vorgelegt worden. Die unter dem Titel 'Hausarbeitsdebatte' bekanntgewordenen Argumentationen wurden vor allem in England, weniger in den USA entwickelt; in die bundesdeutsche Diskussion fanden sie kaum Eingang. Über den Erkenntnisstand der 70er Jahre ist die 'Hausarbeitsdebatte', im Verlauf der 80er Jahre hin und wieder aufgegriffen, nicht hinausgelangt (vgl. Beer 1984a, S. 91-147). Hierbei handelte es sich vorrangig um eine werttheoretische Auseinandersetzung damit, ob Hausarbeit zur Erzeugung von Mehrwert beitrage oder nicht, von Frauenforscherinnen in der Erwartung gestellt, daß sich diese Frage bejahend beantworten ließe, während die Antwort der marxistischen Forschung auf ein eindeutiges 'Nein' hinauslief. Diese negative Antwort enthält einen rationalen Kern, seine Bedeutung läßt sich allerdings nur methodologisch entschlüsseln.
Die politisch-ökonomisch orientierte Frauenforschung gab sich, indem sie die wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit der Marxschen Theorie nicht aufnahm, vorschnell damit zufrieden, daß deren innere Logik keine weiterführenden Aussagen über das Geschlechterverhältnis erlauben würde, die über das hinausgehen, was in ihr selbst schon formuliert ist. Auf mögliche werttheoretische Anknüpfungspunkte wird zurückgekommen. Die Frage nach der sozio-ökonomischen Strukturiertheit des Geschlechterverhältnisses und die ihr zugeordnete nach dem Zusammenhang von Arbeitsteilung und Existenzsicherung ist weiter gefaßt als die nach den 'Wert von Hausarbeit', läuft jedoch auf eine identische Problemstellung hinaus. Deren Kern bildet die Einschätzung und Beurteilung der An- oder Unangemessenheit einer bestimmten systematischen Vorgehensweise, wie sie der Marxschen Theorie eigen ist. Sie wird zunächst als tragfähig vorausgesetzt und im Fortgang der Untersuchung präzisiert. Nachstehend einige wichtige Themenstellungen, die gegenwärtig in der marxistischen Forschung eine Rolle spielen und die vermittelt das Geschlechterverhältnis ansprechen, es allerdings unmittelbar betreffen. Die mit dieser Problemskizze verbundene Absicht besteht darin, die Verbindungslinien zwischen marxistischem und feministischem Diskurs aufzuzeigen; in beiden Forschungsrichtungen gibt es gegenwärtig eine Reihe von parallel bearbeiteten Fragestellungen. Das Geschlechterverhältnis berühren in der marxistischen Forschung vier Themengruppen: Erörterungen um den Geltungsanspruch der Revolutionstheorie, die Frage der Konzeptualisierung einer Handlungs- bzw. Subjekttheorie, Probleme der Tragfähigkeit der Arbeitswerttheorie [13] und letztlich die marxistische Interpretation von 'Familie' und deren Eingebundenheit in die kapitalistische Produktionsweise.
Die Existenz der Neuen sozialen Bewegungen die Frauenbewegung zählt nach eigenem Selbstverständnis nicht dazu [14] konfrontiert Marxisten bzw. die marxistische Theorie zweifellos mit einem Legitimationsproblem. Erstere können nicht begründet an der Auffassung festhalten, gesellschaftsveränderndes 'Subjekt' sei allen die Arbeiterklasse und diese noch dazu als in sich homogene soziale Bewegung. Die von Frauenbewegung und -forschung schon vor zwanzig Jahren angegriffene marxistische Revolutionstheoiie wurde von der Marxismusforschung keineswegs als bedeutsain für die Beurteilung der Geltung dieses Theorems verstanden. Einer radikalen Kritik wird es erst seit wenigen Jahren unterzogen - seitdem das Verhältnis "Neue soziale Bewegungen" und "Arbeiterbewegung" zur theoretischen und politischen Klärung ansteht. Ganz in diesem Sinne argumentiert Berger (1983), wenn er feststellt, daß die enge Koppelung der wissenschaftlichen Darstellung der 'Bewegungsgesetze der bürgerlichen Gesellschaft' an die Praxis eines revolutionären Proletariats erst die "Krise des Marxismus" ausgelöst habe, und wenn er weiterhin bezweifelt, daß sich die Neuen sozialen Bewegungen im Klassenkonfliktschema verorten lassen. Von diesem Autor stammt der Hinweis, der für die Frauenforschung insofern bedenkenswert ist, als sie geschichtsteleologisches Denken ablehnt- "Denn nur aus in Widersprüchen der Produktionsweise verwurzelten Klassengegensätzen läßt sich eine Gerichtetheit der gesellschaftlichen Entwicklung und damit zugleich die Gewißheit über einen Akteur begründen, der den Übergang auf eine neue, höhere Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung bewirkt" (Berger 1983, S. 476). Der Primat der Arbeiterbewegung als politischem 'Subjekt' der marxistischen Theorie stützt sich auf den Ausweis der Einbezogenheit dieser Klasse in den gesellschaftlichen Produktionsprozeß, genauer noch: dessen Ausbeutungscharakter von Arbeitskraft.
Nun gilt nach wie vor, daß wir in einer warenproduzierenden Tauschgesellschaft leben, in der der Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen von der Plazierung der Individuen im Produktionsprozeß abhängt und über Märkte reguliert wird, in der aber auch die spezifischen Rationalitätskriterien von Produktion und Austausch solche Ressourcen in steigendem Umfang vernichten. Soziale Bewegungen wie die Friedens- oder Ökologiebewegung, gewiß auch die gar nicht so neue Frauenbewegung, setzen mit ihrem politischen Protest letztlich an den Bedingungen und Auswirkungen einer solchen Ökonornie, ihrer Produktionsweise und den sie stützenden Politiken an. Der Arbeiterbewegung bzw. der Neuen Linken allein den Anspruch auf gesellschaftsverändernde Praxis, zumindest aber deren 'Führungsrolle', zuzugestehen, läßt sich insofern nicht einmal 'ökonomisch', d.h. über das Ausbeutungstheorem, begründen. In ähnliche Richtung argumentiert Krätke: "Weil es in einer bürgerlichen Gesellschaft auch Marktausbeutung, die in der Regel ohne Herrschaft, mit bloßem 'stummen Zwang der Verhältnisse' auskommt, Steuerausbeutung durch den Staat, die auf politischer Herrschaft beruht, Ausbeutung von Familienarbeit und speziell von Hausarbeit, die auf einem speziellen patriarchalischen Herrschaftsverhältnis aufbaut, ... gibt und geben muß, deshalb versteht sich die Prominenz des möglichen Klassenkonflikts zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten keineswegs von selbst. Es ist ohne weiteres denkbar, daß die Masse der individuellen Kapitalisten und Lohnarbeiter sehr viel stärker in Konflikten wn diese Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse engagiert sind, in denen sich aber weder die Lohnarbeiter noch die Kapitalisten stets oder überwiegend in der gleichen Konfliktpartei wiederfinden" (Krätke 1985, S. 98); ähnlich auch Giddens mit direktem Bezug auf das Verhältnis Arbeiter- und Neue soziale Bewegung(en) (vgl. Kiessling 1988a, S. 293).
Theoriestrategisch ist mit dem Infragestellen der Arbeiterbewegung als zumindest dominantem, wenn schon nicht ausschließlichem, 'historischen Subjekt' von Gesellschaftsveränderung eine weitere Problemstellung angesprochen: das Fehlen einer marxistischen Handlungs- oder Praxistheorie. Dieser Mangel schlägt häufig um in einen latenten Funktionalismus und Objektivismus; seinen Ausdruck findet er darin, daß oft nur unzulänglich oder gar nicht zwischen 'Verhältnissen' und 'Verhalten' unterschieden wird. Dieser Objektivismus ist vermutlich schon bei Marx selbst angelegt, in dessen hegelianisierender Konzeption des Proletariats als 'historisches Subjekt', das die Fähigkeit zu politischem Handeln aus seiner Stellung im Produktionsprozeß von Waren und den dadurch generierten Bewußtseinsprozessen gewinnt. Solche eher geschichtsphilosophisch inspirierten Aussagen dürften für die Formulierung einer Handlungs- bzw. Praxistheorie in der Tat von nur begrenztem Stellenwert sein. Ein weiterer Theoriestrang der marxistischen Forschung befaßt sich dezidierter mit der oben angesprochenen Vermittlungsproblematik, er ist direkter mit dem Geschlechterverhältnis verknüpft als das Revolutionstheorem. Hierbei handelt es sich um Bestrebungen zur Formulierung einer Theorie individuellen Handelns, wie sie etwa in den 70er Jahren von Séve (1972), Duhm (1973), Schneider (1973), neuerdings auch von Vogel (1983) oder Brede (1986) vorgestellt wurden. Kontroversen um subjekttheoretische Entwürte entzündeten sich in der marxistischen Forschung vorrangig an den 'Anschlußstellen' im Marxschen Werk; so an der Frage der Berechtigung des Rekurses auf das Konzept des Gattungswesens in den Marxschen Frühschriften (Séve), den erneuten Versuch einer Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse (Schneider), die These der Warenförmigkeit sozialer Beziehungen (Duhm) (kritisch: Lorenzer 1974, 1976, Ottomeyer 1976). 'Anschlußstelle' der sehr viel später verfaßten Arbeiten von Vogel und Brede stellt die Kategorie der "Personifikation" dar, d.h. Marx' Feststellung, er befasse sich mit Individuen lediglich in ihrer Eigenschaft als "Personifikation einer ökonomischen Kategorie": sie verkörpern dieses soziale Verhältnis, gehen in ihrer Individualität allerdings nicht in ihm auf.
Trotz aller Unterschiedlichkeit die gemeinsam von beiden Autoren vertretene Position: von dieser Begrifflichkeit ausgehend lasse sich eine Subjekttheorie entwickeln, die die Beschränkungen vorgängiger Versuche aufhebe [15]. Die Entwicklung einer feministischen Subjekttheorie gilt wiederum als vorrangiges Ziel der Frauenforschung, vorliegende Entwürfe beziehen sich nicht unbedingt auf den Marxismus (vgl. die Beiträge in HagemannWhite/Rerrich 1988). Eine historisch-materialistische Ausrichtung, primär im Anschluß an die Kritische Theorie der Frankfurter Schule, weisen allerdings die Arbeiten der Hannoveraner Frauenforschungsgruppe auf (vgl., Becker - Schmidt u.a. 1983, Becker - Schmidt/Knapp 1987). Die marxistische Forschung weist zwei weitere Berührungspunkte mit der Frauenforschung auf. Sie betreffen die Geltung der Arbeitswerttheorie und den analytischen, letztlich auch politischen Stellenwert der Institution 'Familie'. Die in der marxistischen Forschung seit etwa zehn Jahren ausgetragenen Kontroversen um die Werttheoilic beziehen sich auf im engeren Sinne ökonomische Frage- und Problemstellungen. Sie berühren das hier bearbeitete Thema zunächst nicht [16]. Frauenforscherinnen haben bisher nicht versucht, sich in diese Debatte einzuschalten. Ein Grund könnte darin liegen, daß sie noch keinen theoretisch überzeugenden Aufschluß darüber besitzen, wie Frauenarbeit in ihrer Interdependenz von entgeltlicher und unentgeltlicher Arbeit mit dem 'inneren Band' einer kapitalistischen Ökonomie verflochten ist. Theoretische Auseinandersetzungen in der marxistischen Forschung - etwa um die Triftigkeit des Theorems des tendenziellen Falls der Profitrate, der zyklischen Krisen, der Transformation von Werten in Produktionspreise -, liegen wahrscheinlich noch zu weit entfernt von ihren gegenwärtigen Problemstellungen, als daß sie mehr als ein allenfalls flüchtiges Interesse wecken. Zugleich ist keineswegs ausgeschlossen, daß die feministische Forschung Resultate hervorbringt, die einige der gegenwärtig unter Marxisten strittigen Punkte obsolet werden lassen (vgl. etwa Woesler de Panafieu 1987).
Die feministische Forschung dreht sich, sofern sie werttheoretisch argumentiert, noch immer um die Schnittstelle, die theoretisch die "Reproduktion von Arbeitskraft" mit dem materialen familialen Reproduktionsprozeß verbindet. Eine Akzentverschiebung der Debatte läßt sich allenfalls dahingehend beobachten, daß heute weniger die Frage nach dem Wert von Hausarbeit als lösungsbedürftiges Problem gilt, sondern stattdessen die Existenzsicherung von Frauen vermittels sozialstaatlicher Politiken (vgl. Baldock/Cass 1983). Ohne daß bereits ein Austausch stattfände, ergreift die Frauenforschung mit ihrem speziellen werttheoretischen Zugriff allerdings unbewußt bereits Partei in einem in der marxistischen Forschung ungemein strittigen Punkt, der das 'Transformationsproblem' betrifft: In der Frage der Formulierung einer qualitativen oder quantitativen Werttheorie bezieht sie Position für die erstgenannte Bestimmung. Quantifizierungen muß sie schon deshalb ablehnen, weil eine wie auch immer geartete werttheoretische Bestimmung von Hausarbeit innerhalb einer Quantifizierung unmöglich ist und deshalb auch Versuchen einer Quantifizierung marktvermittelter Arbeit den Boden entzieht, werden beide Formen von Arbeit in ihrem inneren Zusammenhang gedacht.
Der letzte hier erörterte Themenbereich betrifft die Familie; genauer: die Art und Weise, wie sie in der marxistischen Forschung verhandelt wird. Wird sie zum Gegenstand von Forschung, dann im Hinblick auf ihre Funktionen für den Erhalt der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, d.h. im Zusammenhang ökonomischer Imperative. Diese vorwiegend funktionale Betrachtung ist von einer impliziten Gleichsetzung von 'Familie' mit 'Geschlechterverhältnis' begleitet. In dieser Hinsicht unteri scheidet sich die marxistische Forschung kaum von anderen geläufigen sozialwissenschaftlichen Sichtweisen, nimmt allerdings eine von diesen abweichende Akzentsetzung vor: Familie als Bereich der "Reproduktion von Arbeitskraft". Hier lassen sich wiederum mehrere typische Zugangsweisen zum Verhältnis von Produktions- und Familiensphäre unterscheiden:
- Vermittelt über die Institution 'Ehe' als Instrument staatlicher Bevölkerungspolitik: Durch die ausschließliche Bindung des Sexualtriebs an die Eheform, so die These, werde der Proletarier in eine Fortj)flanzungsform eingebunden, die ihn zur privaten Aufzucht von Kindern als künftige Lohnabhängige zwinge (Heinsohn/Knieper 1976). Diese Auffassung beruft sich auf die mit der Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise verbundene Aufhebung gesetzlicher Ehebeschränkungen, die bis dahin für mittellose Bevölkerungskreise galten. Sie sieht die Funktion der Familie in der Nachwuchssicherung und in der privaten Aufzucht als "Gratisarbeit" für die Gesellschaft.
- Vermittelt über das Verhältnis von Produktion und Konsumtion: Die Familie wird als ein gesellschaftliches Verhältnis gesehen, das in die Kernstruktur der bürgerlichen Gesellschaft eingelassen ist. Im Anschluß an eine werttheoretische Argumentation ist die Familie über das Einkommen des "Ernährers" mit dem Kapitalkreislauf verbunden und ermöglicht dessen und der Familie Reproduktion. Die Familie selbst ist als Konsumeinheit und zugleich als Arbeitsbereich vorgestellt: Der Fwnilienernährer erhält ein Nutzungsrecht auf die privat organisierte Hausarbeit innerhalb einer Tauschbeziehung zwischen Ehegatten. Die Haus- und Ehefrau kommt diesen Anforderungen nach, weil sie - so bereits Horkheimer (1936) - auf ihrer und der Kinder ökonomische Sicherheit bedacht und aus diesem Grund daran interessiert sei, daß der "Ernährer" seine Versorgungsfunktion qua Stellung im Erwerbsleben optimal erfülle (Cramer 1982).
- Vermittelt über die Dimension "Haushaltseinkommen": Diese Position akzentuiert die Bedeutung des Haushaltseinkominens (statt des individuellen Erwerbseinkommens) als entscheidenden Faktor für die Bestimmung der sozialen Lage und Lebensweise der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Wirtschaftseinheit "Haushalt" wird insbesondere als Farnilienhaushalt angesprochen. In Analysen der Einkommensverteilung werden Verschiebungen in der Klassenstruktur der Bundesrepublik Deutschland entsprechend der jeweiligen Haushaltszugehörigkeit dargestellt. Ehe und Familie als Ausgangspunkt des Mehrpersonenhaushalts werden in ihrem gesellschaftlichen Vermittlungskontext nicht herausgearbeitet, sondern als gegeben vorausgesetzt (Bischoff u.a. 1982, Herkommer 1983).
- Vermittelt über die Konstitutionslogik symbolisch vermittelter Interaktion: Die Familie wird zum Prozeß der Vergesellschaftung von Individuen (in ihrer Eigenschaft als Lohnarbeitskräfte) in Beziehung gesetzt; Erwerbsleben und Familie als gesellschaftliche Handlungsfelder dargestellt, die auf Individuen und deren Vergesellschaftung einen je eigentümlichen Einfluß ausüben. Aus der ökonomischen Struktur der Gesellschaft, so die These, lasse sich die Familie nicht 'ableiten', sie sei vielmehr im System symbolischer Interaktionen angesiedelt. Mit dem Betrieb teile die Familie die konstitutionslogische Voraussetzung von bedürftiger Subjektivität, nicht aber die ökonomische Rationalität. Diese Auffassung anerkennt zwar ebenfalls die "Funktionalität ihrer (der Familie, UB) Leistung als Institution für die Erfordernisse des Produktionsprozesses", wendet sich allerdings gegen den potentiellen Reduktionismus einer solchen Betrachtungsweise (Brede 1986).
Allen diesen Sichtweisen ist gemeinsam, daß die Familie in einem Wirkungsgefüge zum Lohnarbeitsverhältnis gesehen wird. Sie ermöglicht die Nachwuchssicherung unter privatkapitalistischen Verhältnissen durch die Kanalisierung von Sexualität (1), sie stellt eine Konsum- und Arbeitseinheit zur täglichen und generativen Reproduktion der Lohnabhängigen dar (2), sie bildet als Haushalt eine Wirtschaftseinheit, die in den Kreislauf der primären und sekundären (Um-)Verteilung von Einkommen eingebunden ist (3), über sie werden Individuen in ihrer Eigenschaft als potentielle oder faktische Lohnarbeitskräfte sozialisiert und regeneriert (4). Wesentlich ausgeprägter als in der marxistischen steht die Institution 'Familie' im Vordergrund der feministischen Forschung und deren Beschäftigung mit Marx. Sie figuriert in ihr als der zentrale Ort der Verankerung einer geschlechtlichen Arbeitsteilung. Die Frauenforschung nimmt damit eine Akzentsetzung vor, die die marxistische Forschung allenfalls deskriptiv, auf keinen Fall aber begrifflich anerkennt.
1.3 Geschlechtliche Arbeitsteilung und Hausarbeit
der feministische Rekurs auf Marx
Die Analyse der sozio-ökonomischen Strukturiertheit des Geschlechterverhältnisses rückt von einer Vielfalt der Auseinandersetzungen mit und Anknüpfungen an die Marxsche Theorie die 'Hausarbeitsdebatte' und Entwürfe zur Entstehung der geschlechtlichen Arbeitsteilung in den Vordergrund. Die Analyse bestimmter Fehlinterpretationen der Marxschen Theorie war bereits Gegenstand einer früheren Untersuchung (vgl. Beer 1984a, S. 91 - 147); im Anschluß an sie lassen sich fünf Gruppen systematischer Problematiken unterscheiden, die sich bis heute in der feministischen Theoriebildung durchhalten. Nachstehend die Kriterien, die die Analyse anleiten (ebd., S. 19-90): 1. Die Verortung des Geschlechterverhältnisses in den Texten von Marx und Engels läßt sich nur unter der Voraussetzung einer strikten Unterscheidung zwischen historisch-empirischen und kategorial-begrifflichen Aussagen dieser beiden Autoren angemessen durchführen. Überlegungen beider zum Komplex 'Geschlechterverhältnis' fallen vorwiegend in den erstgenannten Bereich. 2. Das Marx/Engelssche Werk enthält eine Reihe von werkgeschichtlichen Zäsuren hinsichtlich seiner Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Geschlechtern, deren Gehalt mit Veränderungen im Begriffsapparat bzw. vom systematischen Aufbau der Theorien korrespondiert. Die von Althusser (1968) und von Althusser/Balibar (1972) als 'Terrainwechsel' bezeichneten Zäsuren markieren auch einen Wandel hinsichtlich der Relevanz, die insbesondere Marx den Geschlechterbeziehungen beimißt. Am pointiertesten sind dessen Aussagen im sog. Frühwerk; in seinem Hauptwerk, der Kapitaltheorie, verschwindet das Geschlechter- vollständig hinter dem Klassenverhältnis. 3. Zwischen Marx' und Engels' Auffassungen von Geschlechterbeziehungen bestehen erhebliche Differenzen. Engels' ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Gegenstandsbereich enthält keine begrifflichen Verbindungsglieder zur Kapitaltheorie, sie beruft sich vielmehr auf Positionen des Marxschen Frühwerks.
Mit diesen vorgängigen Kriterien lassen sich in politisch-ökonomischen Untersuchungen der Frauenforschung folgende systematische Problematiken identifizieren:
- Überdehnung des marxistischen Produktionsbegriffs in Verbindung mit einer ahistorischen Betrachtungsweise;
- Auflösung originär analytischer in moralisierende Kritik kapitalistischer Produktion(sverhältnisse);
- Verschmelzung der Abstraktionsebenen in Verbindung mit einer Vermischung der Gegenstandsbezüge;
- Auflösung von Verhältnisbestimmungen in umgangssprachliche Terminologien;
- Dualistische Interpretationen von 'Kapitalismus' und 'Patriarchalismus' im Rahmen von Produktionsanalogien.
Durchgängig unter Berufung auf den emphatischen Produktionsbegriff des Marxschen Frühwerks - "Nationalökonomie und Philosophie" (1844) - und die dort entwickelte Konzeption eines menschlichen Gattungswesens werden weibliche Produktivität bzw. Produktionen im Geschlechterverhältnis in Kontrast oder in Ergänzung zu Produktionen im Lohnarbeitsverhältnis zu bestimmen versucht. Diese Vorgehensweise birgt die Gefahr einer ahistorischen Betrachtungsweise, indem die anthropologische Grundausstattung der Geschlechter zu einem Wesensmerkmal ihres jeweiligen Gegenstandbezugs ('Aneignung der Natur durch Arbeit') über allen geschichtlichen Wandel hinweg erklärt wird: das Marxsche 'Wesen des Menschen' wird unversehens zu einem 'Wesen' der Frau, des Mannes. Mit dem Verkennen der analytischen Relevanz der Ahistorizität des Marxschen Gattungsbegriffs für die eigene Theoriearbeit wird die Möglichkeit verspielt, das Verhältnis der Geschlechter in seiner historischen Dynamik zu begreifen (vgl. Mies 1980, 1988). Eine zweite Variante der Überdehnung des Marxschen Produktionsbegriffs bezieht sich auf die Begrifflichkeiten der Marxschen Ausführungen in "Die Deutsche Ideologie" (1845/46). Häufig wird in diesem Fall die Gebärtätigkeit von Frauen dem Produktionsbegriff subsumiert, wobei 'Produktion' in der Bedeutung einer gegenständlichen Tätigkeit mit 'Produktion im Sinne sexueller bzw. generativer Betätigung verschmelzen, so etwa im Terminus 'Beziehungsarbeit' (Kontos/Walser 1979), weitaus häufiger allerdings in dem der 'Hausarbeit' (Werlhof 1978). Eine zweite Ahistorizität der Vorgehensweise im Zusammenhang von Produktionsanalogien resultiert unabsichtlich aus der Vernachlässigung der Berücksichtigung werkgeschichtlicher Zäsuren im Werk von Marx und Engels. Der emphatische Produktionsbegriff des Frühwerks wird mit einer werttheoretischen Argumentation des Haupt- und Spätwerks zu verknüpfen versucht; die Produktionsbegriffe des Früh- und Spätwerks sind jedoch nicht miteinander kompatibel. Letzteres schließt 'Produktionen im Geschlechterverhältnis' dezidiert aus, wie sie noch aus dem Frühwerk, insbesondere in "Die Deutsche Ideologie", herausgelesen werden können. Der Versuch einer Verknüpfung von (weiblicher) gegenständlicher Tätigkeit mit sexueller und generativer Betätigung, beide als Objekt eines gesellschaftlichen Ausbeutungsverhältnisses gesehen, muß allein schon aus innertheoretischen Gründen zu Aporien führen. Sie verstärken sich noch, wenn die obige Verknüpfung beider Sachverhalte in einem werttheoretischen Bezugsrahmen gelöst werden soll [17] Die in der Marxschen Darstellung angelegte Kritik eines gesellschaftlichen Sachverhaltes erhält häufig eine ungewollte Positivierung durch das Verkennen der systematischen Bedeutung des Zusammenhangs von Darstellung und Kritik.
Der Absicht nach politischökonomische Argumente erfuhren hierdurch eine spezifische Verflachung ihres analytischen Gehalts, besonders deutlich erkennbar bei Versuchen einer werttheoretischen Bestimmung von Hausarbeit. Daß Hausarbeit 'Wert' besitzt, wird von keiner Forschungsrichtung bestritten. Unklarheit besteht allerdings über den Wertbegriff, auf den jeweils Bezug genommen wird. In der marxistischen Forschung hebt dieser Wertbegriff eindeutig auf 'Mehrwertproduktion' ab; ihrer Logik zufolge besitzt die außerhalb marktvermittelter Produktionsprozesse geleistete Hausarbeit keinen solchen 'Wert', weil sie nicht monetarisierbar ist: Der Wertbegriff steht in einem inneren Zusammenhang mit 'Warentausch'. Die von der marxistischen Forschung diagnostizierte und letztlich monetäre 'Wertlosigkeit' der Hausarbeit wird von der Frauenforschung häufig mit dem Argument angegriffen, hier schlage sich ein männliches Vorurteil gegenüber Frauenarbeit nieder; diese Arbeit habe sehr wohl einen hohen - gesellschaftlichen - 'Wert'. Der in Anspruch genommene Wertbegriff enthält wiederum zwei Elemente, erstens eine normative Wertbestimmung, zweitens einen fiktiven Wertbegriff (Schattenpreis), der dem marktüblichen Lohn für vergleichbare Arbeiten entspricht, wenn sie in einem Lohnarbeitsverhältnis erbracht werden. Das Argument lautet dann, daß dieser 'Wert', in Form von 'Geld', der Hausfrau vorenthalten werde.
Hier wird unter anderem die Neoklassik gegen den Marxismus mobilisiert, ohne daß das Verfahren als solches durchsichtig wird. Diese Vorgehensweise ist nur dann nachvollziehbar und verständlich, wenn der kritisierte Wertbegriff (oder Begriff der Wertlosigkeit) erstens als quantitative (und nicht als qualitative) Größe verstanden wird und wenn zweitens die im Begriff angelegte Gesellschaftskritik als Affirmation gelesen wird (vgl. Beer 1985a). Der spezifische Ökonomismus dieser Argumentation liegt auf einem noch anderen Gebiet. Weil systematisch an der originären Bestimmung des 'Werts von Arbeitskraft' festgehalten wird, Bestandteil der Verhältnisbestimmung von Lohnarbeit und Kapital, bietet sich quasi von selbst die Bezugsgröße 'Hausarbeit' an, um eine Wertbestimmung unentgeltlicher Familienarbeit zu leisten und um die marxistische Forschung für deren Vernachlässigung zu kritisieren. Dem Terminus 'Hausarbeit' werden auf diese Weise sämtliche weibliche familiale Leistungen zugeschlagen, handle es sich um die Kindererziehung, die 'Beziehungsarbeit' gegenüber anderen Familienmitgliedern oder gar die ehelichen Intimbeziehungen. Die Möglichkeit der Bestimmung des sozialen Verhältnisses, in dem Hausarbeit erbracht wird, verflacht zu einem strikten Gegenstandsbezug (Hausarbeit), wird mit psychischen Reproduktionsleistungen verschmolzen und verkennt gleichzeitig den reziproken Charakter von familialen und insbesondere von ehelich-intimen Beziehungen, selbst wenn sie hierarchisch strukturiert sind (vgl. Kontos/Walser 1979, kritisch: Hornung 1987).
Mutterschaft und Gattenbeziehung werden auf diese Weise zu einem Element von 'Hausarbeit' deklariert und gehen in einer ökonomischen Kategorie auf, die letztlich eine des Lohnarbeitsverhältnisses ist. Die durchgängig in der Frauenforschung, so sie politisch ökonomisch orientiert ist, beobachtbare Folge: Der Begründungszusammenhang stellt eine unmittelbare Verbindung zwischen der 'Hausfrau' auf der einen, dem 'Kapitalisten' auf der anderen Seite her. Auch der vierte Argumentationstypus betrifft in der Regel arbeitswerttheoretische Interpretationen. Deren Grundgedanke besagt, daß der Lohnarbeiter von seinem Arbeitsprodukt nur so viel an Gegenwert (in Form des Lohnes) zurückerhält, daß er sich und eine Familie unterhalten kann. Der andere Teil des Ertrages aus seiner Arbeit verbleibt beim Kapitalisten in Form des Mehrwerts. Systematisch ist an dieser Beweisführung bedeutsam, daß dieser Lohnarbeiter nicht als individueller Ehemann oder Familienvater figuriert, sondern als 'Personifikation' oder 'Träger' des Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapital. Er personifiziert als Individuum ein gesellschaftliches Verhältnis, das reguliert, wovon und wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Die feministische Forschung - und nicht nur sie verkennt die systematische Bedeutung dieser Verhältnisbestimmung, in deren Kontext erst von einer 'Reproduktion der Arbeitskraft' die Rede sein kann. Eine Verhältnisbestimmung kann nichts darüber aussagen, wie sich ein von diesem Verhältnis betroffenes oder auch in es eingebundenes Individuum tatsächlich verhält. Wird dies verkannt, dann vermischen sich Aussagen über ein 'objektives' Verhältnis mit solchen über 'subjektives' Handeln.
Die Folge: die Verhältnisbestimmung verflacht und wird zu einer Aussage über die Beziehungen von Individuen zueinander. Der Lohnarbeiter wird zum 'Ausbeuter' der Arbeitskraft einer Hausfrau und des Sexualvermögens einer Ehefrau deklariert, der in dieser Eigenschaft 'dem Kapital' oder dem individuellen Kapitalisten Zuliefererdienste leistet. Wie immer die inhaltliche Seite des Arguments zu beurteilen sein mag, von Bedeutung ist hier lediglich der systematische Kurzschluß dieser Sichtweise. Er hält sich seit fünfzehn Jahren in der Frauenforschung durch (vgl. Dalla Costa 1973, Folbre 1982). Damit wird aber auch die Ebene des Geschlechterverhältnisses systematisch verfehlt, nicht lediglich das Aggregationsniveau der marxistischen Theorie. Diese Abstraktionsebene erlaubt wiederum noch keine subjekttheoretischen Bezüge, die wiederum die feministische Interpretation der Werttheorie anspricht. Das Verkennen der Abstraktionsebene, auf der die werttheoretische 'Reproduktion von Arbeitskraft' angesiedelt ist, zieht einen weiteren Kurzschluß nach sich, wiederum keineswegs ein Privileg feministischer Forschung. Er bezieht sich auf die Feststellung, mit der Heraufkunft der kapitalistischen Produktionsweise habe eine Trennung zwischen Erwerb und Familie stattgefunden. Hält die marxistische Forschung wenn schon nicht deskriptiv, so doch begrifflich-analytisch an der Auffassung fest, diese Trennung habe eine Spaltung von Produktion und Konsumtion, von 'Arbeit' und 'Leben' nach sich gezogen, lautet die feministische Position, die kapitalistische Produktionsweise habe zu einer Ausdifferenzierung zweier Arbeitsbereiche geführt.
Diese Auffassung wird auch in der vorliegenden Arbeit vertreten. Trotz dieses Unterschieds stimmt die feministische mit der marxistischen Forschung darin überein, daß der Begriff 'Familie' das analytisch angemessene Pendant zum Begriff des 'Erwerbs' darstellt, wobei in letzterem immer 'Lohnarbeitsverhältnis' mitgedacht ist, so daß der Verweis auf die Familie im Grunde genommen das Geschlechterverhältnis in einer Komplementärbeziehung meint. Die Familie wird zwar durchgängig als eine historisch-besondere Einrichtung begriffen, die in ihrer bürgerlichen Ausprägung erst die Hausfrau und damit Hausarbeit in der heutigen Bedeutung hervorgebracht hat (vgl. Bock/Duden 1977, Rosenbaum 1982). Dieser Familienbegriff ist allerdings wenig spezifiziert und scheint Anleihen bei beliebigen familiensoziologischen Interpretationen zu erlauben (vgl. auch Tyrell 1976 [18]). Die feministische Forschung, seit ihren Anfängen voller Mißtrauen gegenüber der weitgehend struktur-funktionalistisch orientierten Familiensoziologie und deren meist affirmativem Frauenbild, befindet sich hier offensichtlich in einer analytischen Verlegenheit. Einerseits unterscheidet sie sich dezidiert von der gängigen Familientheorie und deren mikrosoziologischer Perspektive [19], indem sie durchgängig auf eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung der Familie (oder genauer: des weiblichen Lebenszusammenhangs) abhebt. Andererseits verfehlt sie die systematische Ebene von makrosoziologischen Verhältnisbestimmungen: nicht von der 'Familie', sondern vom 'Geschlechterverhältnis' müßte die Rede sein, um überhaupt begrifflich kompatibel mit der Marxschen Theorie argumentieren zu können. Besonders in der anglo-amerikanischen Literatur fällt in diesem Zusammenhang eine Verlegenheitslösung auf - der Rückgriff auf Systemterminologien (family system, sex and gender system), die wiederum mit marxistischer Begrifflichkeit versetzt verwandt werden (vgl. etwa Ferguson 1983).
Ein deutsches Pendant dürfte in der Verwendung des Terminus 'Sphäre' vorliegen: Familiensphäre, Erwerbssphäre. Diese Terminologien suggerieren die Lösung von theoretischen Vermittlungsproblemen auf dem Level von Klassen- und Geschlechterverhältnis, die so nicht existiert. Sind die bisher erörterten systematischen Kurzschlüsse noch kaum auf ihre Relevanz für die Aussagekraft von feministischer Theoriebildung überprüft worden, gilt diese Feststellung nicht für 'dual systems theories'. Vielleicht deshalb, weil sie so offensichtlich den neuralgischen Punkt der feministischen Forschung tangieren - Kapitalismus und/oder Patriarchat? - hatte die Frauenforschung von Anfang an einen sehr wachen Blick für mögliche Dualismen in der Theoriebildung (kritisch: Young 1981, Werlhof 1977). Ein solcher Dualismus schlägt sich auch in der Unterscheidung zwischen 'Erwerb' und 'Familie' nieder. Diese Variante der feministischen Theoriebildung greift auf den marxistischen Begriff der Produktionsweise zurück, um mit ihm die jeweiligen Vergesellschaftungen von Arbeit analytisch zu erfassen. Die kapitalistische Produktionsweise wird, wie bisher schon, gleichgesetzt mit der Vergesellschaftung von Arbeit im Erwerbsbereich, im Lohnarbeitsverhältnis; ihr wird eine patriarchalische oder häusliche Produktionsweise zur Seite gestellt, gleichgesetzt mit der Vergesellschaftung von Arbeit in der Familie. Der Dualismus, der hier zum Tragen kommt, ist wiederum ein doppelter. Kapitalismus und Patriarchat werden als zwei getrennte Produktionsweisen der bürgerlichen Gesellschaft verstanden, die mit der Trennung von Familie und Erwerb korrespondieren. Diesem Verständnis liegt eine Interpretation des Geschlechterverhältnisses auf der Grundlage des Modells der 'Hausfrauenehe' zugrunde: der Mann zuständig für den Erwerb, die Frau verantwortlich für den Haushalt, wobei letztere einem Patriarchalismus in der familialen Vernutzung ihrer Arbeitskraft unterliegt (vgl. die einflußreichen Arbeiten von Delphy, hier: 1985).
Offen bleibt bei dieser Sichtweise, welche Verbindung zwischen der patriarchal-häuslichen und der kapitalistischen Produktionsweise besteht und vor allem, wie sich die eine zur anderen vermittelt. Die oben aufgeführten systematischen Kurzschlüsse, die ja einen Bereich von Gesellschaft betreffen, den die marxistische Forschung noch immer aus ihren Untersuchungen und Theorien ausspart oder mit teils übereinstimmenden, teils systematisch anders gelagerten Fehlschlüssen analysiert, wirkten sich bisher in dem Sinne als Erkenntnissperren aus, daß der Frauenforschung eine schlüssige theoretische Verbindung von 'geschlechtlicher Arbeitsteilung' mit 'Arbeitsteilung im Klassenverhältnis' nicht gelang. Insofern ist sie erst ansatzweise in den Bereich strukturierender Prinzipien von Gesellschaft vorgedrungen. Auf politisch-ökonomischer Ebene zeigt sich das bei Betrachtung der Art und Weise, wie Hausarbeit mit Erwerbs- bzw. Lohnarbeit theoretisch vermittelt wird.
Entweder erfolgt ein Rückgriff auf vorliegende Arbeitsmarkttheorien (Willms-Herget 1985) oder auf das marxistische Theorem der industriellen Reservearmee (Schunter-Kleemann 1985), um die doppelte Eingebundenheit von Frauen in gesellschaftliche Arbeit untersuchen zu können. In diesem Fall wird der familiale Arbeitsbereich deskriptiv unter Hinweis auf die Existenz einer geschlechtlichen Arbeitsteilung in die Analyse einbezogen; oder - seltener übrigens Theorien der geschlechtlichen Arbeitsteilung bilden den Ausgangspunkt der Untersuchung. Sie beziehen sich dann in der Regel ohne Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Stand der Arbeitsmarktforschung auf den Erwerbssektor und nehmen auch für diesen Bereich eine Geltung der Theorie geschlechtlicher Arbeitsteilung an, in deren Mittelpunkt wiederum Hausarbeit bzw. 'Subsistenzproduktion' steht (vgl. Bennholdt-Thomsen 1983).
Die politisch-ökonomische Theoriebildung der Frauenforschung umkreist auch heute noch, zwanzig Jahre nach ihren ersten Anfängen, die theoretische Schnittstelle zwischen Klassen- und Geschlechterverhältnis; sie hat sie noch nicht gefunden. Diese Schnittstelle läßt sich bereits jetzt schon eindeutiger markieren, als das nach der obigen Analyse der Fall zu sein scheint - nämlich dann, wenn die potentiellen Fallen systematisch-logischer Kurzschlüsse vermieden werden. In dieser Feststellung artikuliert sich ein erstes und resümierendes Ergebnis der Untersuchung. Dieser 'Markierungspunkt' wird im Verlauf des Fazits aus diesem Kapitel im nächsten Abschnitt präzisiert.
1.4 Chiffren als Ausdrucksformen des Unsichtbaren
Chiffren als Ausdrucksformen des Geschlechterverhältnisses tauchen in der marxistischen und feministischen Forschung auf. Für die neoklassischen New Home Economics wäre eine solche Feststellung demgegenüber irreführend. Die mit Smith' "Der Wohlstand der Nationen" (1789) in Gang gekommene Konfrontation zwischen objektiver und subjektiver Wertlehre, deren Ausläufer im 19. Jahrhundert die Soziologie erreichten, findet ebenfalls in modernen ökonomischen und soziologischen Theoriekonzeptionen ihren Niederschlag.
Anhand der Vorannahmen des neoklassischen Modells der New Home Economics wurde aufgezeigt, daß dessen elaborierte Formalisierung eine Vorstellung vom Geschlechterverhältnis verdeckt, die sich fast schon naiv auf die 'natürlichen' Geschlechterunterschied beruft, um Ungleichheit als Gleichheit auszugeben. Das Modell enthält sicher Elemente, die bedenkenswert sind. Das gilt etwa für die Idee der Substituierbarkeit von Zeit für Geld. Als rheorie geschlechtlicher Arbeitsteilung stellt es jedoch keine Anknüpfungspunkte zur Verfügung, die geeignet wären, empirisch überprüfbare Aussagen über die strukturelle Verankerung des Geschlechterverhältnisses und seiner Arbeitsteilungen zu formulieren. Das Modell kann das auch gar nicht leisten aufgrund der ihm zugrundeliegenden Methodologie. Vielmehr legitimiert der Theorietypus das Geschlechterverhältnis in einer Gestalt, die mittlerweile historisch, weitgehend aber auch normativ überholt ist: als 'Hausfrauenehe'. Für den historisch-materialistischen Theorietyp gilt ebenfalls, zumindest auf den ersten Blick, eine Verortung des Geschlechterverhältnisses in der 'Hausfrauenehe'. Er bleibt merkwürdig ambivalent im Hinblick darauf, ob er Ungleichheit im Geschlechterverhältnis mit dem Rekurs auf die 'Hausfrauenehe' legitimieren, sie als 'natürliche' Ausprägung dieses Verhältnisses verstanden wissen will, oder ob er sie in die Kritik an der kapitalistischen Vergesellschaftung von Arbeitskraft einbezieht. Von der systematischen Anlage der Argumentation kann sie gleichwohl als Kritik in der Darstellung gelesen werden.
Das gilt selbst für die logische Beweisführung der 'Wertlosigkeit' von Hausarbeit bzw. von Hausarbeitskraft. Marx stellt arbeitswerttheoretische Anhaltspunkte für die Gründe der Nichtmonetarisierbarkeit einer gesellschaftlich notwendigen Arbeit bzw. für die 'Wertlosigkeit' der sie leistenden Arbeitskraft zur Verfügung. Diese Möglichkeit besteht mit der - vorläufigen - Übernahme der werttheoretischen Position Marx'. Sie kann deshalb nur im Sinne eines Arbeitsbegriffs übernommen werden, weil die krisentheoretischen Probleme, die sich um sie zentrieren, offen bleiben. Und diese Möglichkeit setzt die Akzeptanz einer Vorgehensweise voraus, die aus der Innensicht des Produktionsprozesses von Waren auf die außerhalb dieses Bereichs geleistete Reproduktion von Arbeitskraft fällt und sich die Selbstbeschränkung auferlegt, keine analytisch begründeten Aussagen darüber treffen zu wollen, wie sich diese Reproduktion vollzieht. Gegenstand der Betrachtung ist ausschließlich der Warentausch über das Medium 'Geld'. Die Marxsche Arbeitswerttheorie erhellt nach der hier vertretenen Auffassung einen bestimmten Ausschnitt des Geschlechterverhältnisses in den Termini der Reproduktion von Arbeitskraft. Vom erwirtschafteten Produkt erhält die Arbeitskraft im Tausch so viel in Gestalt von Lohneinkommen zurück, daß damit, historisch und kulturell variabel, die Lebenshaltungskosten einer Arbeitskraft und ihrer Familie abgedeckt werden können, wenn diese Arbeitskraft entsprechend ihrem 'Wert' entgolten wird. In diesen Wertbegriff gehen unter anderem folgende Annahmen ein: 1. daß sich die Lohnarbeiterschaft in gleichbleibendem Umfang reproduziert, d.h., in anderer Terminologie, daß ihre Nettoreproduktionsrate 1.0 beträgt. Sinkt die Geburtenrate unter diese Marke, ist der Bestandserhalt der Klasse nicht mehr gewährleistet. 2. Sinkt der Wert von Arbeitskraft dann, wenn Ehefrauen und Kinder erwerbstätig sind und Lohnarbeit ausüben. In diesem Fall verteilt sich der Wert der Arbeitskraft auf die gesamte - erwerbstätige - Familie, weil sie gemeinsam die Kosten zur Deckung des Lebensunterhalts aus ihrem Lohneinkommen trägt. Systematisch liegt dieser Annahme das Modell der 'Hausfrauenehe' als Normalfall zugrunde, in der allein der Ehemann und Vater den Familienunterhalt qua i Erwerbsarbeit sichert. Wird eine Ehefrau erwerbstätig und trägt selbst zum Familienunterhalt ('Reproduktion der Arbeitskraft') bei, sinkt der 'Wert' der Arbeitskraft des Mannes, weil er nicht mehr 'Alleinverdiener' ist. Eine 3. Annahme lautet, daß Arbeitskraft in "normaler Güte" (Marx) reproduziert wird, d.h., die Reproduktionskosten der Arbeitskraft, sollen sie ein Äquivalent für deren 'Wert' darstellen, müssen eventuelle Gesundheitsschäden abdecken und auffangen können. Ist das nicht der Fall, wird sie selbst bei hoher Bezahlung nicht entsprechend ihrem 'Wert' entgolten.
Über den 'Wert' der nicht-erwerbstätigen Hausfrau in ihrer Eigenschaft als familiale Arbeitskraft bzw. über den 'Wert' der von ihr erbrachten Familienarbeit trifft die Arbeitswerttheorie keine Aussagen. Ihre Logik läßt sich jedoch auf diese Sachverhalte ausdehnen: Indem sie davon ausgeht, die Lohnarbeitskraft verfüge über eine Familie bzw. sei 'Familienhaupt', deren Unterhaltskosten das 'volle' Äquivalent für die Vernutzung dieser Arbeitskraft darstellen, nimmt sie zugleich an, sie seien auch für den Unterhalt einer nichterwerbstätigen Hausfrau und für Kinder bestimmt. Die familiale Arbeitskraft der Haus- bzw. Ehefrau wird infolgedessen mit dem Lohneinkommen eines Mannes reproduziert, allerdings nicht entgolten bzw. 'bezahlt'. Aus dieser Logik läßt sich weiterhin eine Aussage hinsichtlich des 'Werts' von Hausarbeit erschließen: Arbeit besitzt der Theorie zufolge niemals 'Wert', sondern lediglich ein Arbeitsprodukt, deshalb kann auch Hausarbeit keinen 'Wert' besitzen. Wird im Familienverhältnis ein Arbeitsprodukt erzeugt, das sich vermarkten läßt, etwa in einem handwerklichen oder bäuerlichen Familienbetrieb, ließe sich zwar sagen, hier werde ein Wert geschaffen, dessen 'Mehrwert' sich der Eigentümer des Betriebs und Familienvorstand 'aneignet', in seiner Eigenschaft als Familienhaupt und Ehemann oder Vater wäre er jedoch nicht verpflichtet, der familialen Arbeitskraft hierfür ein Entgelt zu zahlen. Er ist demgegenüber dazu verpflichtet, sie aus dem Erlös des Produkts zu unterhalten.
Arbeit für sich besitzt keinen 'Wert', wohl aber Arbeitskraft und Arbeitsprodukte. Das zeigt sich auch an einer anderen Argumentationsfigur: Dieselbe Arbeit, die eine Hausfrau und Mutter ausübt - Kochen, Hausreinigung, Kindererziehung - wird für sie 'wertvoll', wenn sie diese Tätigkeiten als Köchin, Putzfrau oder Erzieherin in einem Lohnarbeitsverhältnis ausübt; ihre Arbeitskraft wird dann nach dem Modell entsprechend ihrem 'Wert' bezahlt. Für die Wertbestimmung dieser Arbeitskraft gelten dann dieselben Bedingungen wie oben skizziert.
Analytisch können diese Aussagen als plausible Sicht auf ein normatives - nicht unbedingt empirisch in 'reiner' Gestalt vorfindliches Modell des ehelich-familialen Geschlechterverhältnisses aus der Sicht kapitalistischer Vergesellschaftung interpretiert werden. Sind Abweichungen vom Modell empirisch feststellbar, besagen sie in den hier aufgeführten Fällen lediglich, daß Arbeitskraft unter ihrem Wert entgolten wird nämlich dann, wenn Ehefrauen erwerbstätig werden, wenn lohnabhängige Familien nicht mindestens zwei Kinder unterschiedlichen Geschlechts aufziehen, wenn Arbeitskraft Gesundheitsschäden erleidet, wenn Reallohnsenkungen den Unterhalt einer Familie nicht mehr sichern, gleichgültig, wieviele Familienmitglieder an seinem Erwerb beteiligt sind. Daß zur täglichen und generativen Reproduktion einer solchen Familie unentgeltliche Arbeitsleistungen erforderlich sind, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil allein die geldwerten und entgoltenen Leistungen zum Familienunterhalt in den Produktionsprozeß von Waren hineinreichen. Aus dessen Sicht stellt das Lohneinkommen der Arbeitskraft (Revenue) variables Kapital dar, das dem Kapitalverwertungsprozeß dauerhaft entzogen wird, sofern es nicht in Gestalt von Spareinlagen wieder in ihn zurückfließt.
Der rationale Kern dieser Argumentation besteht sicherlich in systematischen Aussagen darüber, unter welchen Bedingungen lohnabhängiger Arbeitskraft in einer warenproduzierenden Gesellschaft qua Geldmechanismus die Reproduktion gewährleistet sein sollte. Daß in dieses Modell unter der Hand Annahmen über die Ungleichheit der Geschlechter einfließen, diskreditiert es nicht von vornherein. Der verborgene Hinweis auf die Existenz von Patriarchalismen in Familie und Erwerbsleben, wie er sich in der Übernahme des normativen ständischen und frühbürgerlichen Familienmodells ausdrückt, läßt sich durchaus kritisch wenden: als theoretischer Vorgriff auf die Transformation dieses Patriarchalismus unter warenproduzierenden Bedingungen.
Er wird der werttheoretischen Argumentation zufolge nicht länger über Eigentum an Grund und Boden abgesichert, sondern über den Zugang zu Geldmitteln qua Verwertung formal freier Arbeitskraft. Er soll vor allem dem Familienhaupt reserviert sein; der Wert von dessen Arbeitskraft repräsentiert zugleich die Gesamtheit der familialen Arbeitskraft. Die feministische Hausarbeitsdebatte verkannte den kritischen Impetus der Marxschen Methodologie und gab unabsichtlich einer vermutlich ambivalenten Argumentation des Autors eine endgültig affirmative Wendung. Deren wissenschaftstheoretische Abstinenz trug ein Übriges dazu bei, daß sich in einer Reihe von Theorieentwürfen eine ahistorische Betrachtungsweise einschlich, die den Absichten der Frauenforschung entschieden zuwiderlief. Hervorgerufen wurde sie vor allem dadurch, daß von der systematischen Anlage her sehr differente Argumentationsstränge der Bezugstheorie miteinander verknüpft wurden. Das Geschlechterverhältnis tauchte in der feministischen Forschung der 70er Jahre mit dieser Bezeichnung nicht auf. Es figurierte unter Chiffren wie 'Hausarbeit', 'weiblicher Lebenszusammenhang', 'Familie' und 'Reproduktion'. Der Begriff war noch nicht benennbar und damit auch nicht antizipierbar. Das hat sich mittlerweile geändert. Auf chiffrierte Weise ist vom Geschlechterverhältnis aber auch in der marxistischen Forschung die Rede. Dem Verdeckten gilt jedoch keine begriffliche Anstrengung. Revolutions-, subjekt- und handlungstheoretischen Entwürfen müßte eigentlich in den Blick kommen, daß mit dem methodischen Aufbau einer Verhältnisbestimmung, die dazu eine des Klassenverhältnisses ist, noch keine theoretisch angeleiteten Schlußfolgerungen im Hinblick auf Subjektpotentiale der diesen Verhältnissen unterworfenen, sie aber auch generierenden Individuen möglich sind. In der von der Frauenforschung thematisierten Ausprägung wird das Geschlechterverhältnis wohl angesprochen, allerdings durchgängig in funktionaler Abhängigkeit vom Lohnarbeitsverhältnis interpretiert.
Systematischbegrifflich implizieren die vorgestellten Sichtweisen, daß die Geschlechtlichkeit und Geschlechtszugehörigkeit von Individuen theoretisch und praktisch irrelevant sind und daß das Geschlechterverhältnis infolgedessen einen nachrangigen Status in Relation zum Lohnarbeitsverhältnis besitzt. Der Mensch ist noch immer erst dann 'wirklich', wenn er Lohnarbeitskraft geworden ist. Hier schlägt sich im übrigen eine eigentümliche Positivierung der Marxschen Theorie nieder, die ja gesellschaftliche Verhältnisse in ihren warenförmigen Verkehrungen zum Gegenstand hatte. Daß die Familie in einer funktionalen Abhängigkeit vom Lohnarbeitsverhältnis existiert, ist gewiß richtig. Was sonst stellte Lohnabhängigen die Subsistenzmittel zur familialen und individuellen Reproduktion zur Verfügung? Eine positivierende Wendung erhält die Analyse solcher funktionalen Bezüge allerdings dann, wenn die Verwendung des Marxschen Begriffsapparats die durch die Existenz einer Warenökonomie hervorgebrachten Verkehrungen sozialer Beziehungen nicht mehr reflektiert. Allerdings wäre auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die von der Marxschen Theorie postulierten und in ihrem Kategoriensystem aufbereiteten 'Verkehrungen' nicht den Status der Erkenntnis eines empirischen Phänomens beanspruchen können, sondern auf einem analytischen Fehlschluß beruhen. Individuen - Frauen, Männer, Kinder - führen im Marxschen Erklärungsmodell lediglich eine Existenz als Lohnarbeitskraft, faktisch und potentiell. Die Geschlechtszugehörigkeit der "Ware Arbeitskraft" ist in ihm von untergeordneter Bedeutung. Wird diese Sichtweise in den familialen Bereich fortgeschrieben sämtliche der hier skizzierten Ansätze verfahren auf diese Weise -, dann besagt die Analyse nicht mehr und nicht weniger, daß Lohnarbeitskräfte wiederum Lohnarbeitskräfte zeugen, empfangen und gebären, daß menschliche Subjektkonstitution ausschließlich eine solche von Lohnarbeitskraft ist. Das Geschlechterverhältnis prägt auch der neueren marxistischen Theorie zufolge in keiner Weise die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft, der ihr zugrundeliegenden kapitalistischen Produktionsweise. Frauen bzw. die Frauenbewegung können nicht 'Subjekt' von Gesellschaftsveränderung in dieser Eigenschaft sein, weil deren Unterdrückung in einem patriarchalischen Geschlechterverhältnis als eine aus dem Lohnarbeitsverhältnis abgeleitete und demzufolge nachrangige verstanden wird. Zum handlungsfähigen und handelnden Subjekt konstituieren sich Frauen, der Theorie zufolge, erst als Lohnarbeiterinnen und auch das auf eigentümlich gebrochene Weise. Sind sie nicht erwerbstätig und üben unentgeltliche Familienarbeit aus, stehen sie in einem nicht näher ausgewiesenen Verhältnis zur Kapitalverwertung. Gebären sie Kinder und ziehen diese auf, darin begrifflich-kategorial als Lohnarbeitskraft: Die Geschlechtlichkeit von Individuen, das Geschlechterverhältnis selber, sind sekundäres Merkmal der Mitglieder und der Sozialstruktur dieser Gesellschaft.
Die in diesem ersten Abschnitt der Untersuchung analysierten Forschungsergebnisse stellen noch keine Anhaltspunkte dafür zur Verfügung, wie Individuen in ihrer Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit auf einen materialistischen Begriff gebracht werden können, eine zentrale Voraussetzung dafür, das Verhältnis der Geschlechter analytisch erfassen zu können. Demgegenüber läßt der Nachweis bestimmter Fehlinterpretationen der Arbeitswerttheorie hinsichtlich der analytischen Verortung von 'Hausarbeit' die Vermutung zu, daß an sie angeknüpft werden könnte - nämlich dann, wenn sie als Innensicht des Produktionsprozesses von Waren auf ein soziales Verhältnis gelesen wird, dem eine eigenständige Vergesellschaftungslogik zugrundeliegt, die wiederum mit dieser 'Innensicht' verknüpft ist. Es käme infolgedessen darauf an, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie ein theoretisches Konzept aussehen müßte, das seinerseits einen 'Blick' auf den Produktions - und Verwertungsprozeß von Waren 'wirft'. Voraussetzung hierfür wäre wiederum die Aufbereitung eines Strukturbegriffs, der mehr umfaßt als den Produktionsprozeß von Waren.
Die Auseinandersetzung mit traditionell - marxistischen Strukturkonzeptionen ist zugleich die Vorbedingung für die Überprüfung der theoretischen Aussagekraft einer bereits vorliegenden Formbestimmung des Geschlechterverhältnisses, wie von Hildegard Heise (1986, 1989) entwickelt.
Diese Autorin bewegt sich innerhalb der geläufigen begrifflich kategorialen Annahmen der Marxschen Theorie, sucht aber dennoch den latenten Funktionalismus und Ökonomismus in Theorien des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft zu durchbrechen. Sie leistet insofern einen Beitrag zu einer Problemstellung, die an dieser Stelle noch aus einem anderen Grund nicht erörtert werden kann: weil die theoretische Verortung der Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit von Individuen an diesem Punkt der Untersuchung noch nicht möglich ist. Sie wird dezidiert angesprochen mit dem feministischen Materialismus -Postulat; diese wissenschaftstheoretisch zu erörternde Problemstellung ist im Zusammenhang einer Strukturkonzeption Gegenstand der folgenden Überlegungen.