Das Persönliche ist politisch — Geschichte eines Postulats
Der Slogan »Das Persönliche ist politisch« hat nach Barbara Ehrenreich (1977) einen Ursprung in einer historischen Enttäuschung. Die Frauenkämpfe im 19. Jahrhundert zentrierten sich um gleiche Rechte (Eigentum, Recht auf Scheidung und Wahlrecht) und um die Eingliederung in die Produktion. Ihre Errungenschaft stand für Frauenbefreiung. Im 20. Jahrhundert sind wir diesem Ziel ein großes Stück näher — vor allem in den sozialistischen Ländern gibt es ein verzweigtes Gesetzesnetz, durch das den Frauen mehr Möglichkeiten, gesellschaftlich einzugreifen, gegeben ist. Die Geschlechterunterdrückung ist damit jedoch nicht »hinweggefegt«, sie ist offensichtlich erstens in einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der geringeren Entlohnung von Frauen und zweitens in einer herrschaftsträchtigen Objektivierung in der Kultur: Frauen brauchen und erhalten kulturelle Erzeugnisse, die sie jung, fragil, sexuell verfügbar machen (Kleider, Kosmetik usw.). Schließlich findet sich die Unterdrückung drittens in einer fast durchgängigen Abwesenheit von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungsgremien. Amerikanische Feministinnen nahmen Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre eine »Problemverschiebung« vor: Wenn die Frauenunterdrückung nicht wesentlich im ökonomischen gesellschaftlichen Bereich ihren Hauptkampfplatz hat, muß sie auf dem Feld des Privaten gesucht werden. So fand die neue Losung »ihren empirischen Ursprung in der als "Selbsterfahrung" bekannten Praxis: also der Gewohnheit, die unter den Mädchen der amerikanischen 'neuen Linken' entstanden ist und sich schnell verbreitet hat, untereinander die Schwierigkeiten in den Beziehungen mit den Genossen zu diskutieren« (Ravaioli, 1977, 59). Die Einsicht, daß das Verhalten untereinander zu einem Politikum wird, wenn eine Über- und Unterordnung vorhanden ist, war praktisch universell bedeutsam: Die Geschlechter treffen in allen Lebensbereichen aufeinander. Einige Feministinnen wiesen auf das Problem hin, daß in die Weise und Form, wie und worin sich die Befreiungsbewegungen konstituieren, Herrschaftselemente eingebaut sind, die sie als allgemeinmenschliche Bewegungen in Frage stellen. Praktisch bedeutete dies die Ausleuchtung der Arbeitsteilung in »Denker« und »Flugblätter tippende Frauen«, »Sprecher« und »Zuhörerinnen« usw. »Ohne ständige Verpflichtung an das feministische Prinzip, daß das Persönliche (die Art, wie wir uns verhalten und andere behandeln auf der individuellen Ebene) politisch ist, gibt es wenig Hoffnung, eine sozialistische Bewegung zu bauen, die die auseinanderstrebenden und oftmals antagonistischen sozialen Gruppierungen ... umfaßt.« (Ehrenreich 1977, 17) Konkurrenzförmige Diskussionen, entziffert als Verhinderung von Politik in sozialistischer Perspektive, schwächte auch den Klassenkampf.
Sexismus — analog zu dem Begriff »Rassismus« gebildet — erhielt als ein universales und alle Frauen betreffendes Phänomen zentralen Stellenwert in den Aktionen von Feministinnen und Frauenrechtlerinnen (vgl. auch Millet 1971). Die Beziehung zwischen Mann und Frau, unter diesem Aspekt betrachtet, wurde als »Herrschafts-Ausbeutungs- und antagonistisches Verhältnis« aufgedeckt (s.o. und Paramio 1982). Die Frau als »Objekt männlich sexueller Begierde« zu erkennen, war Anlaß, über Warenästhetik, Vermarktung des weiblichen Körpers, sexuelle Praxen, Homo-und Hetero-Sexualität empirisches Material zu sammeln, um die umfassende Unterdrückung der Frauen, ihr Ausgeschlossensein aus allen Machtsphären zu belegen. Die Frauenbewegung Anfang der siebziger Jahre stand vor dem Problem, daß sie neue Formen und Austragungsorte für die Geschlechterkämpfe schaffen mußte. Die Klassenkämpfe fanden in den Fabriken und im Staat statt, mit eigenen Organisationen, Verbänden und entsprechenden Lobbys; die Schwarzen formierten sich zu einer Bewegung, die auch herkömmliche Politikformen in Anspruch nehmen konnte — ihr Problem war ganz offensichtlich in die kapitalistischen Verhältnisse eingeschrieben; ihre Armut bewegte auch die Weißen; daß sie als Menschen die Menschenrechte für sich beanspruchen, konnten auch liberale Bürger einsehen. Die Frauen hingegen — die häufig aus den Mittelschichten kamen — mußten ihr Problem, ihren Interessengegensatz erst noch vermitteln, mußten »Betroffenheit« herstellen. Sexismus war so selbstverständlich wie die gottgewollte Ehe; daß die Frauen zu Hause bei den Kindern blieben, bildete sich für die (Ehe-)Männer als Errungenschaft ab, war Teil ihres Status (vgl. Stewart 1901). Die Verknüpfung von Sex und Werbung brachte Profit. Sexualisierte Beziehungen zwischen den Geschlechtern, ob in den Arbeitsverhältnissen oder zu Hause, waren gebilligt als »zusätzliche Freude«; sie in Frage zu stellen, bedeutete besonders für die Männer Bedrohung von sinnstiftenden Vergnügungen. Nach zehn Jahren — im November 1980 — verbuchten die Frauen in den USA juridisch einen Erfolg: Die staatliche Kommission für Chancengleichheit am Arbeitsplatz (Equal Employment Opportunity Commission) bestätigte, daß sexuelle Belästigung einer Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht und Religion gleichzusetzen sei und gegen das Bürgerrechtsgesetz von 1964 verstoße (vgl. Spiegel 1983, Nr. 33).
In der »Zweiten Kultur« (zu dem Begriff vgl. Gulliver Bd. 9,1981) ist es der Frauenbewegung gelungen, das Geschlechterverhältnis in fast alle Diskussionen einzubringen. In der herrschenden Kultur und Politik »entdeckten« die Parteien die Frauen als besondere Wähler, die eine »eigene« Anrufung brauchen. Sexismus im Parlament zu behandeln, wie es die Partei der Grünen 1983 in der BRD versuchte, erzeugt hingegen (noch) Gelächter. Alltägliche sexistische Handlungen, die zum Politikum von eben dieser Partei gemacht wurden, werden weniger unter Menschenrechtsaspekten denn unter moralischen und sittlichen Aspekten diskutiert. Erfahrungen wie diese verschieben das alte Postulat — das Persönliche ist politisch — zu der Frage: Wie kann das Persönliche ins Politische gebracht werden?
Die ausführliche phänomenologische, auch analytische Beschreibung der strukturellen und persönlichen Unterdrückungsweisen der Frauen war aufklärerisch und schloß die Frauen zusammen, war zugleich aber wesentlich Opfer-Diskurs. Kapital, Männer, Strukturen galten als Täter, Frauen waren immer bloß Opfer der Verhältnisse, der männlichen Gewalt, der patriarchalischen Strukturen. Die bis ins Unendliche weiterführbaren Entzifferungen weiblichen Leidens ermöglichten den Frauen zwei für das Politikmachen unabdingbare Voraussetzungen: den Austritt aus der Vereinzelung und die Verallgemeinerung der eigenen Praxen und individuellen Lebensweisen. Mit Schwestern, Freundinnen und Genossinnen konnte so über mögliche Austragungsorte für die Geschlechterkämpfe nachgedacht werden, die den engen Rahmen einer Ehe, Familie, einer Liebesbeziehung sprengten. Radikale Forderungen, massenweise die Familie zu verlassen und mit Frauen zu leben und zu arbeiten, waren allerdings für viele unaushaltbar; schlechtes Gewissen, Zuneigung, die stützende Struktur der Familie, Handlungsunfähigkeiten in fast allen gesellschaftlichen Aufgaben hielten sie im Alten. Anfang der 80er Jahre verschob sich der Slogan »das Persönliche ist politisch« in die frauenspezifisch verstandene Frage »Wie reproduzieren wir mit unserem persönlichen Alltag die politischen Verhältnisse?«
In Frankreich wurde die Diskussion unter dem Schlagwort der »Komplizenschaft« geführt (vgl. Marxisme/Feminisme 1981) und als »Verantwortung für die bestehende Unterdrückung« (ebd., Prost). In der BRD dauert die Debatte unter dem Stichwort »Frauen: Opfer oder Täter« noch an (vgl. Haug 1980, 1981, 1983b). Die Marxsche Erkenntnis, daß die Menschen ihre Verhältnisse selber produzieren, wurde, als sie für die Frauen explizit gemacht wurde, vielleicht deshalb als so explosiv empfunden, weil sie in der Arbeiterbewegung bisher nicht individuell verstanden wurde, nicht als Herausforderung an eine marxistische Persönlichkeitstheorie. Das Selbermachen der Verhältnisse beinhaltet revolutionspolitisch auch die Aneignung der Fähigkeiten zur Selbstregierung.
In der Arbeiterbewegung ist das Selbermachen der Verhältnisse in seinen fortschrittlichen Möglichkeiten quasi »delegiert« an die Organisationen. Sie stellen die »Verdichtung« der Fähigkeiten dar; das Postulat der Frauen, nun in »Verantwortung« und »Anspruch«, in die Verhältnisse eingreifen zu wollen — und zwar verändernd vom feministischen Standpunkt aus —, mußte nicht nur auf Organisationen der Arbeiterbewegung, sondern auch auf die links organisierten Frauen provozierend wirken. Die Frauenbewegung hat keine Organisation im üblichen Sinne, und so war diese Forderung des massenhaften Kompetentmachens in gesellschaftlichen — d.h. allgemeinen — Dingen eine objektive Kollision mit bisherigen politiktheoretischen Überlegungen (vgl. exemplarisch die Kritik von Rudolf und van Haren 1982). Und ein weiteres Spannungsfeld wurde so sichtbar, das Verhältnis von Selbstveränderung und Gesellschaftsveränderung. Meint Selbstveränderung auch Gesellschaftsveränderung? Hier gewannen die Fragen um ideologische Vergesellschaftung, staatsförmiges Denken, Primat des Politischen und kulturelle Revolution neue Bedeutung (s.u.). Wenn das Persönliche tatsächlich die Herrschaftsstrukturen trägt, Kitt ist in Sozialbeziehungen, Ausgangspunkt und Resultat von Veränderungen, braucht es die Veränderung im Hier und Jetzt (Immanenz) statt nur in später Zukunft »für« eine andere Gesellschaftsformation (Transzendenz) (Pasquinelli 1982). Jetzt galt es, so etwas wie die »permanente Revolution im Persönlichen« herzustellen. — Auf der Suche danach, in welcher Form dies geschehen könnte, befinden sich die Frauenbewegungen heute.
Die Frauenfrage
Aus den USA, aber auch aus Frankreich kommen entmutigende Gerüchte: Die Frauenbewegung ist wenn nicht gar tot, so doch wenigstens in der Krise. Konkret: Der Rückzug der Linken, etwa ablesbar auch an dem vielfachen Bankrott linker Verlage, dem Einstellen vieler Zeitschriften, ist auch an der Frauenbewegung nicht spurlos vorübergegangen. Der Markt ist übersatt mit Frauenliteratur. Theorie wird schon gar nicht nachgefragt, die nachrückende Generation wächst in die von der Bewegung erstrittenen Freiräume hinein, ohne sich für die Frauenfrage zu interessieren. Die Probleme, die in der Bundesrepublik Frauenzeitschriften mit sinkenden Auflagen haben (Courage verkauft fast nur noch die Hälfte von dem, was sie vor fünf Jahren absetzte — jetzt etwa eine Auflage von 20000), sind für Frankreich Utopie. Die allerdings »nur theoretischen« Zeitschriften (Elles voient rouge, La revue d'enface; Nouvelles questions feministes) diskutieren teilweise über Einstellung der Produktion und haben nach eigenen Angaben Auflagen, die 500 Exemplare nicht überschreiten. Insbesondere
die marxistischen oder sozialistischen Feministinnen verdoppeln in dieser Situation vielfältiger Resignation ihre Bemühungen, eine gemeinsame politische Strategie für die Frauenbewegung zu finden, eine Form, die die bloße Punktualität der Aktivitäten, das Im-Sande-Verlaufen verhindert und die Stärke der Bewegung als Macht konstituiert. In Paris veranstalteten die um die Zeitschrift Elles voient rouge versammelten ehemaligen und aktuellen feministischen Kommunistinnen Ende 1980 eine Tagung, auf der Vertreterinnen aus der autonomen Frauenbewegung mit Frauen aus den verschiedenen Organisationen politisch-strategisch diskutierten; es ging um die Frage einer eigenen revolutionären Frauenpartei (vgl. dazu weiter unten). Die unter dem Titel marxisme/feminisme veröffentlichte Diskussion (Paris 1981, vgl. dazu unsere Rezension in Das Argument, Beiheft 83) machte unter anderem eines sehr deutlich: Die Frage einer gemeinsamen Politik hängt entscheidend ab von einem gemeinsamen Verständnis dessen, was eigentlich die Frauenfrage ist. Was ist allen Frauen
gemein, daß es Ausgangspunkt für eine gemeinsame Befreiungsstrategie sein kann? Sind Frauen alle Schwestern? Sind sie eine eigene Klasse? Sind alle Frauen Hausfrauen? Ist die Hausarbeit also angemessener Ausgangspunkt für Befreiungsüberlegungen, oder ist es die Familie? Ist das Kapital Frauenunterdrücker Nummer 1 oder ist es der Mann? Besteht Frauenunterdrückung hauptsächlich in der Lohndiskriminierung oder in sexueller Ausbeutung? Sind Frauen eher als Ehefrauen oder als Mütter unterdrückt, oder wird ihre Arbeitskraft von Männern und Kapital angeeignet? Das »mehr« und »hauptsächlich« drückt die Verlegenheit aus — alle genannten Momente haben eine eigene Überzeugungskraft und praktische Erfahrung als bestätigende Zeugen. Beim Versuch, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen, verwirrt sich unser Verstand — weiter und weiter rückt die vordem so sicher gewußte Frauenfrage in den Nebel des Unbegriffenen. Fast scheint es einfacher, zu glauben, daß es gar keine Frauenfrage gibt — nichts als Hirngespinste —, und sich der scheinbar konkreten Klassenfrage zuzuwenden. Aber wäre dann nicht die Bewegung verloren? Eben diese Verlustangst scheint es zu sein, die uns vor der Formulierung einer politischen Strategie ebenso bewahrte wie vor der Artikulation der Gemeinsamkeit der Frauen. Da alle bisher aufgezählten Momente als gelebte Frauenunterdrückung existieren, konnte es nur stärkend sein, wenn überall Arbeitsgruppen zu den einzelnen Punkten Material zusammentrugen, die Geschichte der Frauenunterdrückung in allen Punkten öffentlich machten. Eine Hierarchie der Probleme, ein Begründungszusammenhang, eine Anordnung hätten da nur gestört, hätten durch ihre Bewertung von wichtig und nicht so wichtig die Vielfältigkeit der Bewegung zerstören müssen. Die Stärke, die so gewonnen wurde, die tendenziell alle Frauen an allen Punkten einzuschließen erlaubte, ließ unsere Kenntnis über die Frauenunterdrückung ungeheuer wachsen, nicht aber zugleich unser strategisches Wissen, wie dagegen zu kämpfen sei. Der Versuch, jetzt eine Strategie zu formulieren, muß sich so nicht nur mit vorhandenen Politikmodellen experimentierend auseinandersetzen und gegebenenfalls neue entwickeln; er kämpft auch mit dem Problem, daß eine eingreifende Anordnung der Frauenfrage, die Suche nach der Gemeinsamkeit für gemeinsames Handeln unter Umständen einige oder viele Frauen und Frauengruppen ausgrenzt, verliert. So muß z.B. die auf der Frauentagung des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen in der Bundesrepublik (Ende 1982) und überhaupt in den westdeutschen Arbeiterorganisationen vertretene Auffassung zur Frauenpolitik, daß das Kapital mit seinem Profithunger für die Frauenunterdrückung verantwortlich sei, die nicht lohnarbeitenden oder die Frauen, die nur durch Heirat mit einem Lohnarbeiter zur selben Klasse gezählt werden, als von Unterdrückung nicht unmittelbar Betroffene empfinden. Besteht die Frauenunterdrückung auf dem Fundament der Hausarbeit, der unbezahlten, schwindet das Interesse der Nicht-Hausfrauen, die gerade einen großen Teil der Bewegung ausmachen. Sind Frauen schließlich ausschließlich als Mütter oder als Ehefrauen unterdrückt, muß die Bewegung vermutlich fast auf die Hälfte derjenigen, die sich dazugehörig fühlen, verzichten, weil sie so nicht unmittelbar betroffen sind.
Der Versuch, politisches Subjekt zu werden, verlangt so nicht nur politische Phantasie und Geschick, zugleich müssen wir aus allen Disziplinen alle unsere Kräfte zusammenfassen und das Ensemble der Frauenfragen in eine wissenschaftlich und daher politisch tragfähige Anordnung bringen.
Der Wunsch, tendenziell alle Frauen zu gewinnen, kompliziert das Problem, gemessen an unseren in einfachen Freund-Feind-Bildern geschulten Köpfen, er wird uns zugleich zwingen, uns diesem komplizierten Problem zu stellen.
Marxismus-Feminismus, Trennungen und Zusammenhänge
Gemessen an der schwachen marxistischen Diskussion in der Bundesrepublik, die auch von der feministischen Forschung nicht stark belebt wird (eine Ausnahme bilden hier die auch bei uns geführten Debatten um das Wertgesetz und die Hausarbeit, vgl. Pohl 1983, Werlhoff 1978 und die Zeitschriften Feministische Beiträge und Das Argument), scheint die marxistisch-feministische Diskussion in anderen Ländern ein geradezu blühendes Leben zu führen. Marxistisch-feministisch: das ist zunächst ein Unbegriff. Er fügt Unzusammengehöriges zusammen, zwängt in ein Wort, was einander aufzuheben scheint. Begreift man »marxistisch« als ein Wort für Methoden, Gesellschaft zu begreifen, und als einen Vorschlag, wissenschaftlich in befreiender Absicht zu forschen, in sozialistischer Perspektive, so kann mit dem Attribut marxistisch nicht eine Teilerkenntnis, eine Teilmethode, eine Teilanalyse gemeint sein. Insofern kann es keine feministische Ergänzung oder Zuspitzung geben — im Gegenteil. Gerade diese Parteinahme für einen zusätzlichen Frauenstandpunkt scheint entweder eine partielle und separatistische Analyse vorzuschlagen, die mit dem Marxismus unvereinbar wäre, oder umgekehrt so grundsätzliche Kritik anzumelden an der bisherigen Allgemeinheit marxistischer Analysen, daß eher an deren Umwälzung denn an bloße Ergänzung gedacht werden müßte. Und was wären feministische Marxistinnen? Frauen, die marxistische Studien betreiben und dabei explizit Frauenfragen bearbeiten? Das angedeutete Spektrum der Probleme findet sich wieder im Umgang mit Marx. Unter dem Begriffsetikett »materialistische Feministinnen« finden sich Frauen, die auf materialistische Analyse nicht verzichten wollen, aber der Auffassung sind, Marx habe für die Frauenfrage gar nichts gebracht. In der Tat findet man bei ihm belegende Zitate, die den männlichen Standpunkt umstandslos als allgemeinen setzen, zuhauf (vgl. dazu exemplarisch »Das Kommunistische Manifest«, MEW 4, 468ff.). Umgekehrt wird im Aktionsprogramm der studentischen marxistischen Organisation, die am engsten mit der Kommunistischen Partei der Bundesrepublik Deutschland verbunden ist, die Auffassung vertreten, Marx habe alles Nötige zur Frauenfrage ausgeführt, Grundlage, Theorie und Strategie der Frauenbefreiung ausformuliert. Was ist das für ein Marxismus, der so entgegengesetzte Auffassungen über sich möglich macht, und was ist das für eine Frauenfrage, die sich so in Beziehung setzen läßt? Kein Zweifel, der Begriff marxistisch-feministisch ist eine Kampfansage gegen das umstandslose Einverständnis mit dem verbreiteten Gedanken, im tradierten Marxismus sei die Frauenfrage schon ausreichend aufgehoben und behandelt. Zugleich gibt er den Marxismus nicht preis wie die oben angeführte Position, die mit Marx nichts mehr anzufangen weiß. In der Zusammenziehung der beiden Begriffe marxistisch und feministisch äußert sich ein Programm: Marxistisch soll die Frauenfrage bearbeitet werden und für diesen Zweck der herkömmliche Marxismus umgebaut, erweitert, kritisch genutzt. Er hat nicht bereits »Theorie«, »Grundlage« und »Schlüssel« für die Frauenfrage geliefert, aber wir wollen von ihm lernen, um eben diese Lieferung nachzuholen.
Innerhalb der Frauenbewegung ist, soweit dort marxistisch gearbeitet wird, der Rückgriff auf Marx ganz verschieden. Aus Frankreich, Jugoslawien und Indien kommt der Vorschlag, noch einmal die Frühschriften zu studieren, die Philosophisch-ökonomischen Manuskripte, in denen Marx das Geschlechterverhältnis und die Frage der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung verband mit der Teilung der Arbeit in Kopf- und Handarbeit und der Trennung von Stadt und Land. Diese Entwicklungen der verschiedenen Trennungen zu verfolgen, ihr Ineinanderverschränktsein und ihre wechselseitige Bedingtheit ist ein Forschungsvorschlag an Anthropologie und Geschichte (vgl. dazu Ivecovic 1984, Dietrich 1984; Marxisme et Feminisme 1981). Dunayevskaja (aus den USA, vgl. unsere Rezension in Das Argument, Beiheft 83) empfiehlt nicht nur, die Deutsche Ideologie zum Ausgangspunkt feministischer Überlegungen zu nehmen, in der Marx praktisch vorschlage, die Geschlechterverhältnisse als Teil der Produktionsverhältnisse in ihrer Vermittlung durch Familien- und Heiratsformen zu untersuchen, sondern vor allem die erst jetzt zugänglichen ethnologischen Notizbücher zu studieren (Krader, 1983), in denen Marx die Permanenz der kulturellen Revolution begründe, die Notwendigkeit einer ständigen Neukonstruktion von gesellschaftlichen Beziehungen, die für die Frauenfrage unerläßlich sei. Aus England schließlich liest man im Beitrag zum 100. Todestag von Marx (Barrett 1983) nicht nur noch einmal die Belege, die es wenig nützlich erscheinen lassen, eine Lösung für die Frauenfrage aus den Äußerungen von Marx herauszulesen, die sich unmittelbar zu den Frauen verhalten; zudem wird empfohlen, Marx' Schrift zur Judenfrage für eine Frauenbefreiungsstrategie neu zu lesen. Nicht vom Marxismus weg, sondern ein fruchtbares Neudenken des Marxismus, nicht in Marx, sondern mit Marx die Frauenfrage bearbeiten, so und ähnlich diskutierten Frauen auf einer Marxismus-Feminismus-Tagung in Paris (1981). »Es scheint mir, als ob der Feminismus die einzige Theorie und Praxis hat, die vom marxistischen Standpunkt aus beide zugleich fruchtbar sind.« (Thevenin 1981, 6).
Ein intensives Studium der Marxschen Schriften in kritischer Absicht wird zweifellos die Kräfte der Frauenbewegung stärken können; zugleich werden wir wohl unsere Fragen, unsere Geschichte selbständig bearbeiten müssen. In den berühmten Feuerbach-Thesen schreibt Marx, der Hauptmangel allen bisherigen Materialismus sei, »daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird, nicht aber als sinnlich-menschliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv«. Er schlägt vor, »die sinnliche Welt als die gesamte lebendige sinnliche Tätigkeit der sie ausmachenden Individuen aufzufassen« (MEW 3, 45). Darin steckt die Aufforderung, sich nicht mit der Anschauung der fertigen Formen zu begnügen, sondern zu studieren, wie die Menschen praktisch vorgehen und ihre Tätigkeiten und Praxen als Wirklichkeit zu fassen. Wir lesen dies als ein Programm, einen Vorschlag zur Forschung. Marx selber analysierte im Hauptwerk »Das Kapital« die politische Ökonomie, schrieb ihre Kritik. Er untersuchte die Formen, in denen die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, wie sie durch Austausch ihre Existenz regulieren. Seine Forschungsgegenstände waren also Formen und die in ihnen steckenden Triebkräfte, Widersprüche und Ansatzpunkte für Entwicklung, Anknüpfungspunkte für revolutionäre Umschwünge. Er untersuchte, wie die Menschen sich in der Verfolgung der Organisation ihres Lebens in Widersprüche verwickeln, die sie notwendig lösen müssen, sei es durch revolutionäre Kämpfe für eine menschliche Gesellschaft oder bewußtlos durch Chaos und Krieg. Von daher erschien ihm das Proletariat als die praktisch tätige Menschengruppe, die keine Privilegien, Zunftvorteile, ständische Fesseln am Bestehenden hält. Ihre Praxis, die Arbeit als Beschaffung der gemeinsamen Lebensmittel, war verallgemeinerbar. Zugleich sind die Arbeiter die Klasse, die keine Klasse mehr unter sich hat — im Unterschied zu den Bürgern oder Feudalherren — und die daher ihre Befreiung als Befreiung aller vorantreiben müssen. Das heißt keineswegs, daß die konkreten Arbeitergruppen dies auch tun und daß von daher zu jedem historischen Zeitpunkt Forderungen und Taten wirklicher Arbeiter in den Auseinandersetzungen mit dem Kapital denen der Frauen etwas Befreiendes oder Revolutionäres voraushätten.
Denkt man die Frauenfrage in einem so vorgestellten Spannungsfeld von Lohnarbeit auf der einen, Kapital auf der anderen Seite, bleiben als Frauenfrage und spezifische Frauenunterdrückung die Lohnungleichheit und der Status als besondere Reservearmee. Allein schon auf der Ebene des betrieblichen Klassenkampfes läßt sich herausarbeiten, daß die Frauenfrage vom bloßen Klassenstandpunkt aus nicht wiedergebbar ist. Sonderregelungen dort — wie Mutterschutz — sorgen dafür, daß Frauen weniger gut ausbeutbar sind, und führen uns von der direkten Klassenszene in den weniger gradlinig strukturierten Staatsraum. Hier finden wir noch eine große Anzahl schützender Regelungen für Frauen und die meisten Objekte traditioneller Frauenpolitik — wie Kindergärten, Sozialdienste usw. Formuliert man die Frauenfrage so im Spannungsverhältnis von Lohnarbeit und Kapital und stellt die Mängel zugleich im Staatsraum fest, ohne sich deswegen weiter zu beunruhigen, so ist implizit eine Staatsauffassung festgeschrieben, die zumindest expliziert gehört, um diskutierbar zu sein. Der Staat erscheint als bloßes Instrument in den Händen der herrschenden Klasse bzw. identisch mit ihr. Zugleich scheint der Klassenwiderspruch alle Lebensbereiche durchgängig zu bestimmen. Unter solchen Voraussetzungen wird allerdings traditionelle Frauenpolitik bzw. ihre theoretische Begründung zirkulär. Ausgangspunkt und Resultat der Analyse ist die Auffassung, daß das Kapital die Frauen unterdrücke, und untersucht werden nur Bereiche, in denen es dieses auch tut. Marx so zu verstehen, tut ihm ebenso Unrecht wie der Frauenfrage. Begreifen wir Marx als Aufforderung, von den Praxen der Menschen auszugehen und die Formen zu studieren, in denen sie ihr Leben organisieren, so scheinen alle Feministinnen von Marx mehr begriffen zu haben als traditionelle sich auf Marx berufende Frauenpolitik. Sie gehen nämlich in allen ihren Aktionen von den Erfahrungen der Frauen aus: Gesundheitsgruppen, Körpergruppen, Selbsterfahrungsgruppen, praktische Angriffe auf die herkömmliche Kleiderordnung, Vorschläge für eine menschlichere Sprache — dies alles sind Eingriffe in sinnliche Aktivitäten. Die Vielfalt sagt nicht, daß es bereits genug sei. Zunächst bewegen sich alle diese Aktivitäten noch in den Strukturen, denken, handeln widerständig in ihnen gefangen, nicht über sie. Es fehlt vor allem das Studium der Formen, in denen die Menschen ihr Leben produzieren, die sie wiederherstellen, fertig vorfinden und in denen sie sich entwickeln, die ihre Kämpfe mitbestimmen.
Von daher heißt marxistisch-feministisch forschen, Praxen und Erfahrungen in ihren Formierungen begreifen, um zu Vorschlägen zu kommen, die über die fesselnden Formen hinausweisen. Es gilt, die Lücke zu schließen, die zwischen den sich gegenüberstehenden Politikformen klafft: der Erforschung verinnerlichter kapitalistisch-patriarchalischer Strukturen und ihrer Effekte (die Betroffenheit erzeugen) und der Politik im unmittelbar staatlich-parlamentarischen Raum. Ein Ziel muß sein, die Erfahrungen in die politische Artikulation so zu übersetzen, daß sie als allgemeine Widerstände ihre Wirkung entfalten können.
Die Bestimmungen der Frauenfrage - Auf der Suche nach Einheit
Entstanden in einer politischen Landschaft, in der genau angebbare Ursachen von Unterdrückung — Profitgier und Eigentum an Produktionsmitteln — das Befreiungsziel und den Weg dorthin wenigstens in Umrissen vorgaben, war die neue Frauenbewegung von Anfang an ein Paradox. Im Abschwung der Studentenbewegung verkündeten die Frauen den Entschluß zu eigenem Kampf, autonomen Gruppen, Recht auf den eigenen Körper, Protest gegen den Abtreibungsparagraphen, riefen zu Selbsterfahrungsgruppen auf usw. — die Geschichte der Anfänge ist vielfach dokumentiert (vgl. u.a. Jelpcke 1981, Menschik 1977; Linnhoff 1974).
Und von Anfang an fanden sich diese Aktivitäten vor dem Richterstuhl sozialistischer Politik, vor der als Gewißheit propagierten Behauptung, Frauenunterdrückung habe schließlich mit Kapitalprofit und ungenügender Erwerbstätigkeit zu tun (die magische Zahl von ca. 30 bis maximal 40 Prozent weiblicher Erwerbstätigkeit wird nur in wenigen kapitalistischen Ländern überschritten: den skandinavischen und Finnland). Diese Sicherheit über die zwei logisch nicht einmal aufeinander beziehbaren Grundlagen der Frauenunterdrückung, die zumindest in der Bundesrepublik Deutschland in den Arbeiterorganisationen unermüdlich wiederholt werden, grenzte die schnell anwachsende Frauenbewegung einerseits als kleinbürgerliches Grüppchenwesen aus der ernstzunehmenden sozialistischen Politik aus und prägte zugleich als eine Art theoretischer Handlungs- und Denkdruck von Anfang an die Diskussion um die theoretische Grundlegung der Bewegung, die Ausarbeitung feministischer Theorie. Schließlich gehörten der neuen Bewegung auch langjährige Sozialistinnen und Marxistinnen an, die gleichsam unter Rechtfertigungsdruck versuchten, für die buntscheckige Vielfalt der Praxen in der Bewegung eine einheitliche Grundlage, eine Verursachung als Ausgangspunkt für Frauenunterdrückung zu finden, von der alles übrige abgeleitet werden könne. Dabei wollten sie das Ungenügen an der bisherigen Formel — Frauen seien unterdrückt wegen des kapitalistischen Extraprofits und ihrer Funktion als Reservearmee — so überwinden, daß eine Frauenbewegung zusätzlich zur Arbeiterbewegung, ja sogar in Konflikt mit ihr, in einem gemeinsamen sozialistischen Projekt theoretisch begründet werden könne.
Im folgenden sollen die Diskussionen um die wichtigsten Bestimmungen auf internationalem Maßstab vorgestellt werden. Es ist unübersehbar, daß marxistisches Denken und Vokabular die Debatten bestimmte und daß diese von vornherein international ähnlich geführt wurden.
Am Anfang steht als eine Art Opposition zur theoretischen Dominanz, die die Kapitalherrschaft in den bisherigen Befreiungstheorien hat, der Patriarchatsbegriff. Er soll eine alternative, eine zusätzliche Kraft formulieren, die bisherige Herrschaftstheorie herausfordert. In seinem Gefolge werden wiederum vielfältige, die Frauenunterdrückung anders begründende Faktoren herausgearbeitet: Grundlegend sei die Aneignung weiblicher Arbeitskraft durch Männer; Frauen seien eine eigene Klasse; die Aneignung und Ausbeutung der weiblichen Körper als Produzentinnen von Kindern sei Grundlage und insofern sexuelle Ausbeutung Fundament der Frauenunterdrückung; die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bestimme die Frauenfrage; die Heiratsform sei Basis und mit ihr der Arbeitsvertrag zwischen Mann und Frau; die Familienform sei grundlegend für die Unterwerfung der Frau; mit dem Begriff Schwesterlichkeit soll eine gemeinsame Politik angezielt werden.
Am bekanntesten wurde die Debatte über die Hausarbeit. Sie soll eine eigene, bisher theoretisch vernachlässigte Produktionsweise bestimmen, die zudem in ihrer faktischen Bedeutung für die industrielle Produktion bislang unterschätzt wurde. Notwendig wäre die Umformulierung des Wertgesetzes, um Frauenunterdrückung in ihrem globalen Zusammenhang mit der imperialistischen Ausbeutung der Dritten Welt zu begreifen. Schließlich resultiert diese Debatte bei einigen Frauengruppen in der Forderung nach Lohn für Hausarbeit, bis diese von den bundesrepublikanischen christdemokratischen Parteien ebenfalls aufgegriffen wurde. Die einzelnen Argumentationslinien widersprechen und durchkreuzen einander, sind teils Ausarbeitungen, teils Spezifizierungen oder Ergänzungen von Grundannahmen. Eine systematische Vorstellung der einzelnen theoretischen Annahmen gibt unvermeidlich den falschen Anschein, es herrsche eine ähnliche Systematik in der Frauenbewegung selbst. Das ist nicht der Fall.
Die Debatte um die Hausarbeit
In den verschiedenen westeuropäischen Ländern führten die Aktionen um den Abtreibungsparagraphen, die der neuen Frauenbewegung zu ihrer Größe und Popularität verholfen hatten, zu unterschiedlichen Kompromißlösungen und kamen damit zu einem vorläufigen Ende. Mit dem Verlust dieses Kampfpunktes habe die Frauenbewegung ihre Einheit und damit ihre Kraft verloren, konstatierte Simone de Beauvoir in Le Monde (März 1983) und fuhr fort: »wenn wir nicht untergehen wollen, brauchen wir eine neue Gemeinsamkeit«. Dafür schlug sie die Hausarbeit vor, »weil schließlich alle Frauen Hausfrauen sind, unabhängig von Klasse und Schicht, Status usw.«, wie auch alle Frauen vom Abtreibungsparagraphen irgendwann in ihrem Leben betroffen waren. Die Einfachheit, mit der hier aus strategischen Gründen eine Einheit vorgeschlagen wird, verdeckt die Umkämpftheit der Bestimmung. Schon im engeren Kreis der theoretisch-feministischen Zeitschriften Frankreichs gibt es mindestens zwei konträre Positionen zu diesem Thema, die kurz in ihren politischen Konsequenzen skizziert seien:
- Hausfrauenarbeit ist unproduktiv, weil sie keinen Mehrwert schafft und nicht direkt unter dem Kommando des Kapitals geschieht. Gerade weil sie in ihrer Zurückgebliebenheit gleichwohl für den kapitalistischen Produktionsprozeß sozialisiert, gehört sie abgeschafft, vergesellschaftet. Eine politische Strategie muß ausgearbeitet werden, die das patriarchalische Unterdrückungssystem mit seiner Basis, der Familie, analysiert, mit dem Ziel, die Familie abzuschaffen. Die Vertreterinnen dieser Position berufen sich weitgehend auf Marx und Engels, auch Lenin (vgl. dazu Thevenin und die Zeitschriften La revue d'enface; L'Insoumise; Mignonnes u.a.). Die Position findet sich in Frankreich in Opposition zur offiziellen Politik der Kommunistischen Partei, wiewohl sie von Frauen aus der Partei vertreten wird. In den Richtlinien der französischen kommunistischen Partei wird die Hausfrauenarbeit in ihrer privaten Form nicht prinzipiell in Frage gestellt, sondern für gleichmäßige Verteilung plädiert und für technische Erleichterung, damit für die Frauen Berufstätigkeit und Mutterschaft vereinbar sind. Damit wird der schon bei Marx und Engels herausgearbeitete Zusammenhang von Arbeitsinhalt und Arbeitsform zerrissen und die Familie und ihre Stellung im Gesamt der Produktionsverhältnisse naturalisiert — (dies wird von Leger 1982 ausgezeichnet herausgearbeitet). In gleicher Weise argumentieren die kommunistischen und sozialistischen Parteien in allen westlichen Industrieländern, auf jeden Fall in der Bundesrepublik Deutschland.
- Die zweite Position geht davon aus, daß Hausarbeit produktiv sei, weil sie in der Form von persönlichen Dienstleistungen die Arbeitskraft als Ware produziere und damit hinter dem Rücken der industriellen Produktion für die Vergrößerung der Mehrwertproduktion sorge. Die Rolle der Frau sei durch die Familienproduktionsweise unsichtbar gemacht. Indem sich die Verfechterinnen dieses Theorems auf Maria Rosa dalla Costa (1972) berufen, formulieren sie Familie und Frauenunterdrückung als eine von der Klasse und dem kapitalistischen System abhängige Beziehung und fordern Lohn für die Hausarbeit. Die gleiche Forderung kann sich auch aus der Behauptung ergeben, Hausarbeit sei eine nicht durch das kapitalistische System bestimmte eigene Produktionsweise mit eigenen Gesetzen und eigener Logik. Umgekehrt kann wiederum diese Auffassung zur Ablehnung der Forderung nach Lohn für Hausarbeit führen und statt dessen eine Politik der Verallgemeinerung und Aufwertung des Haussektors verfolgen (vgl. dazu die oben genannten Zeitschriften und ferner die in Frankreich einflußreiche belgische feministische Zeitschrift Cahier de Grif). Ferner ist dieser Gedanke, daß Hausarbeit eine eigne Produktionsweise sei, ebenso Resultat von Überlegungen, die von der Unproduktivität von Hausarbeit ausgehen. Delphi (1982) etwa vertritt die Auffassung, daß die Tatsache, daß Frauen keinen Mehrwert produzieren, nicht bedeute, daß sie aus der Ökonomie im ganzen ausgeschlossen seien, sondern nur besage, daß sie ihre Arbeitskraft nicht ohne Umstände auf den Arbeitsmarkt bringen und ebensowenig ihre Arbeitsprodukte verkaufen könnten. Dies heiße nichts anderes, als daß sie nicht frei seien im Sinne der Freiheit der Lohnarbeiter, also ihre eigne Arbeitskraft nicht besäßen. Die Familie als Ort patriarchalischer Ausbeutung sei unabhängig vom kapitalistischen System, sie sei eine eigene Produktionsweise, die lediglich Beziehungen mit dem Kapital unterhalte. Von daher folgert sie, daß alle Frauen (als eigene Klasse) gegen alle Männer zu mobilisieren seien. — Eine andere Diskussion tendiert dahin, die Lohndiskriminierung der Frauen damit zu erklären, daß sie real weniger Wert schüfen, eben weil ein Teil ihrer Arbeit — die Reproduktion der Ware Arbeitskraft — im Extramehrwert unsichtbar sei. Da Frauen nur Männer sozusagen zusätzlich reproduzierten, ihre eigene Reproduktion aber von ihren Kräften abzuziehen sei, besaßen sie eine faktisch geringere Werthaftigkeit für die Unternehmer. Diese Argumentation (vgl. Pohl 1983) kommt dabei nicht zu dem Ergebnis, Lohn für die Hausarbeit zu fordern, sondern plädiert für die Abschaffung dieser Sphäre des Extraprofits, die das kapitalistische System über die Zeit am Leben erhalte und Frauenlohndiskriminierung verewige.
Die Debatten sind nicht nur vielfältig, sondern auch verwirrend. Gleichwohl haben sie eine große Bedeutung für die Frauenbewegung überhaupt als auch für die Aufmerksamkeit, die dem Hausarbeitssektor insgesamt in den Gesellschaften geschenkt wurde. Dies gilt insbesondere für die zunächst spektakuläre Forderung nach Lohn für die Hausarbeit. Diese ist zwar theoretisch umstritten, hat jedoch nicht nur die Sphäre der Hausarbeit überhaupt auf die Tagesordnung politischer Überlegungen gebracht, sondern auch die Notwendigkeit, den Zusammenhang von politischen Praxen und theoretischen Überlegungen neu zu durchdenken. Wenn Hausarbeit die Domäne der Frauenunterdrückung ist, sollte sie nicht entlohnt werden, wird argumentiert, weil damit die Frauen noch stärker in den Familienrahmen eingebunden würden, ihre Stellung dort naturalisiert und verewigt würde und die Entlohnung zudem eine Möglichkeit zusätzlicher Kontrolle böte. So richtig solche Überlegungen wohl sind, belehrt uns doch die Politik der Frauen, die diesen Hausfrauenlohn fordern, mehr als alle richtige Theorie zuvor, daß das patriarchalische System in seiner Verschränkung mit dem kapitalistischen in seinen sozialen, ökonomischen, politischen und ideologischen Dimensionen Gegenstand marxistisch-feministischer Analyse sein muß und Lösungen noch einen weiten Weg brauchen.
Die Debatte um die Hausarbeit, um Produktion und Reproduktion, um öffentlich und privat, Familie und Staat ist dabei noch weit vielfältiger. Sie zur Kenntnis zu nehmen, scheint uns für die weitere Ausarbeitung marxistisch-feministischer Theorie unerläßlich. Einen sehr argumentativen Überblick schickte uns Gabriele Dietrich aus Madurai (»uns« heißt in diesem Kontext die »autonome Frauenredaktion« des Argument). Wir denken, daß dies auch eine neuartige und experimentell auszuprobierende kollektive Produktionsweise ist, diesen Beitrag aus einem Land der Dritten Welt in einem Auszug in unseren Aufsatz aufzunehmen.
Die unvollendete Aufgabe einer marxistischen Fassung der Frauenfrage*
*Auszug (aus dem Englischen übersetzt von Frigga Haug)
Hausarbeit und Werttheorie
Versuche, Hausarbeit werttheoretisch zu analysieren, begannen vor zehn Jahren, als Maria Rosa dalla Costa und Selma James die Behauptung aufstellten, daß Hausarbeit die Arbeitskraft produziere, Arbeitskraft nicht gemäß der in ihrer Erschaffung verbrauchten Zeit bezahlt werde und die unbezahlte Hausarbeit der Frauen als Quelle von Mehrwert zu sehen sei. Hausarbeit wird so als produktive Arbeit betrachtet und die Familie im Kapitalismus als ein Zentrum gesellschaftlicher Produktion. Wally Seccombe (1974) modifizierte diese Position folgendermaßen: Obwohl Hausarbeit keinen Mehrwert schaffe, schaffe sie dennoch Wert, indem sie nämlich vom Arbeiterlohn gekaufte Waren in Arbeitskraft verwandle. So trage die Hausfrau zum Wert der Ware Arbeitskraft bei, die im Produktionsprozeß ausgetauscht werde. Seccombe behauptet, daß »alle Arbeit Wert schafft, die irgendeine Art von Ware produziert, die auf dem Markt in Äquivalenz zu anderen Waren tritt« (Seccombe 1974, 9). Diese Position wurde von Paul Smith mit dem Argument zurückgewiesen, daß »nicht 'alle Arbeit' Wert produziert, sondern nur die Arbeit, die innerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse der Warenproduktion vollführt wird und die Form der gesellschaftlich notwendigen, abstrakten und gesellschaftlichen Arbeit annimmt, und man muß prüfen, in welchem Ausmaß Hausarbeit in den von der kapitalistischen Produktionsweise beherrschten Gesellschaftsformationen dem entspricht.« (Smith 1978, 198-219) Smith schlägt zwei mögliche Sichtweisen für die Hausarbeit vor: als Produzentin von Gebrauchswerten, als konkrete Arbeit, die Gebrauchswerte für die Konsumtion und nicht für den Austausch produziere; oder als Produzentin von Arbeitskraft, die in den Austausch auf dem Markt eingehe. An dieser Stelle ist Seccombes Position unklar. Auf der einen Seite besteht er darauf, daß Hausarbeit Wert schaffe, auf der anderen setzt er sie mit unproduktiver Arbeit gleich (z.B. wenn er darauf verweist, daß jede Arbeit, die Dienstleistung gegen Subsistenzmittel austausche, keinen Wert schaffe). Auf diesen Widerspruch geht Smith nicht weiter ein; er empfiehlt vielmehr, keine Analogie herzustellen »zwischen der Hausfrau und dem unproduktiven Arbeiter, der aus Revenuequellen angeheuert ist, sondern zu der einfachen Warenproduktion unabhängiger Handwerker oder Bauern, die keine Arbeiter beschäftigen und uns als Verkäufer von Waren, nicht als Verkäufer von Arbeit begegnen und daß dieses Verhältnis deshalb nichts zu tun hat mit der Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit.« (Smith 1978, 202) Smith räumt ein: Wenn die Hausarbeit konkret und privat gefaßt wird, müsse die Argumentation lauten, daß sie die Ware Arbeitskraft außerhalb der kapitalistischen Produktionsweise produziere. Dann würde die Ware Arbeitskraft ausgetauscht wie jedes andere Produkt (vgl. auch Bennholdt-Thomsen in Young 1981, 16-29). Doch er weist auch diese Position aus folgenden Gründen zurück: 1. Hausarbeit kann nicht unter Warenproduktion subsumiert werden, weil Fluktuationen im Preis der Arbeit die Leistung der Hausarbeit nicht angreifen, d.h. die Ware Arbeitskraft wird kontinuierlich produziert, selbst wenn sie relativ überschüssig ist. Sie ist von daher nicht gleich und austauschbar mit anderer konkreter Arbeit und ist so nicht abstrakte (wertschaffende) Arbeit. 2. Hausarbeit, die anderen Arbeitsformen nicht qualitativ gleichwertig ist, kann auch quantitativ nicht gleichwertig werden, da es keine Konkurrenz zwischen Haushalten gibt, ihre Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren: Uneffektive Haushalte können ihre Ware auch verkaufen.
Während dieses Argument in formalem Sinn korrekt ist, verdient es doch genauere Untersuchung. Es ist z.B. nicht wahr, daß Fluktuationen im Preis der Arbeit die Leistung der Hausarbeit nicht angreifen. Wenn die Löhne sinken, verlängert sich der Arbeitstag der Hausfrau. Jean Gardiner (1975, 47) hat gezeigt, daß die Hausfrau die Funktion eines »Stoßdämpfers« zwischen Arbeit und Kapital in Zeiten ökonomischer Krise hat: Usha Menon hat diesen Aspekt ins Lächerliche gezogen durch die Behauptung, daß die Frau in Krisenzeiten kaum zu Hause sitzen und Pullover stricken dürfe, sondern sich in die Lohnarbeit ebenso einreihen würde. Sie zieht nicht in Betracht, daß Frauen in Krisenzeiten die ersten sind, die entlassen werden (Menon 1982, 34). Neben der Verlängerung des Arbeitstages können gesenkte Löhne Kindersterblichkeit und Fehlgeburten usw. erhöhen, was wiederum die Produktion der Arbeitskraft negativ beeinflussen würde. Wenn Frauen dennoch genügend Kinder gebären, um die Arbeitskraft in gleicher Zahl wiederherzustellen, heißt dies, daß sie extreme Selbstausbeutung betreiben, um für ihr Alter ein Minimum an Sicherheit zu erringen, in diesem Prozeß aber zur Kapitalakkumulation beitragen, indem sie den Preis der Arbeit niedrig halten. — Es ist auch nicht wahr, daß Haushalte gänzlich aus der Konkurrenz ausgenommen sind. Einer der wichtigsten Heiratsgründe für Männer ist die Aussicht, »hausgemachtes Essen« zu bekommen. Die Attraktion des Selbstgekochten liegt in der besseren Qualität, dem besseren Geschmack und der besseren Ernährungsweise und im, verglichen zum kommerziell produzierten, billigeren Preis, sei es im Vergleich zu Kantinen, Gaststätten oder Hotels. Natürlich hört ein ineffektiver Haushalt nicht auf zu funktionieren, aber eine ineffiziente Hausfrau wird schnell durch außerökonomische Mittel gezwungen, bestimmte Standards einzuhalten — z.B. wird sie geschlagen, wenn sie nichts leistet. Wir würden von daher aufrechterhalten, daß Hausarbeit in der Tat die Ware Arbeitskraft produziert und dies durch private und konkrete Arbeit, deren Bedingungen jedoch bis zu einem gewissen Punkt durch den Preis der Arbeit und die Marktkonkurrenz beeinflußt werden.
Um diesen Transformationsprozeß der Produktion von Gebrauchswerten in die Ware Arbeitskraft genauer einzuordnen, brauchten wir detailliertere Untersuchungen über Arbeitstage von Hausfrauen, als derzeit vorliegen.
Wenngleich die Position in Hinblick auf die Zeitbestimmung vage bleibt, möchte ich Bennholdt-Thomsen folgen, die die Auffassung vertritt, daß die im Haushalt produzierten Gebrauchswerte Tauschwerte werden, wenn die im Haushalt produzierte und reproduzierte Arbeitskraft verkauft wird (Bennholdt-Thomsen 1981, 20); Usha Menon weist diese Position wegen der angenommenen Zeitverzögerung zurück (Menon 1982, 34) und folgt im ganzen Smith, der argumentiert, daß Hausarbeit nicht als abstrakt und gesellschaftlich notwendig charakterisiert werden könne.
Hausarbeit und Konsumtion
In ihrem Aufsatz über Hausarbeit bejaht Usha Menon, daß diese als Produktion betrachtet werden kann, wenn man vom Standpunkt des bloßen Arbeitsprozesses, der Produktion von Gebrauchswerten, spricht (Menon 1982, 35). Unter kapitalistischen Bedingungen bezeichnet sie Hausarbeit als ganz der Konsumtion zugehörig. Sie möchte Hausarbeit im historischen Rahmen des Kapitalismus analysieren. Während Kochen und Waschen, abstrakt gesprochen, als Produktion betrachtet werden können,
- »sind alle diese Tätigkeiten in der kapitalistischen Gesellschaftsformation nur Aspekte individueller, nicht produktiver Konsumtion, weil die Tätigkeit im Haushalt nicht die Produktion von Mehrwert anzielt, sondern die Produktion von Arbeitskraft. Vom Standpunkt der kapitalistischen Gesellschaft bringt die Tätigkeit im Haushalt nichts als den menschlichen Faktor im Produktionsprozeß oder ist nichts anderes als der Konsumtionsprozeß, in dem das menschliche Wesen reproduziert wird.« (Menon 1982, 36)
Aber sie vernachlässigt die Tatsache, daß diese Konsumtion nicht nur ein unverzichtbarer Teil des Produktionsprozesses ist, sondern auch eine notwendige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals. Marx faßt diese Verbindung folgendermaßen:
- »Die individuelle Konsumtion des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und Reproduktion des Kapitals, ob sie innerhalb oder außerhalb des Arbeitsprozesses vorgeht, ganz wie die Reinigung der Maschine, ob sie während des Arbeitsprozesses oder bestimmter Pausen desselben geschieht. Es tut nichts zur Sache, daß der Arbeiter seine individuelle Konsumtion sich selbst und nicht dem Kapitalisten zulieb vollzieht.« (MEW 23, 597)
Eben die Ausbeutung in der kapitalistischen Produktion macht, daß die menschliche Komponente und die Arbeit, die in sie hineingeht, als nicht wesentlich für die Akkumulation von Kapital erscheint. Neben der Notwendigkeit, die Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft als integralen Bestandteil des Prozesses kapitalistischer Produktion anzuerkennen, gibt es andere entscheidende Mängel in der Charakterisierung der Hausarbeit als Konsumtion. Man muß nicht nur eine Begrifflichkeit entwickeln, die zwischen solch ermüdenden Prozessen, wie es das Reinigen, Zerstampfen und Mahlen von Reis, das Zubereiten von Gemüse und das Kochen sind, und dem Akt des Essens der fertigen Speise unterscheidet; sonst würde unsere Analyse des Arbeitstages einer Hausfrau nicht schärfer, sondern dunkler und stumpfer werden; darüber hinaus müssen wir sehen, daß Hausfrauen in der Regel die Mitglieder des Haushalts sind, die die wenigsten Gebrauchswerte konsumieren, während sie die meisten produzieren. Ein Teil der weiblichen Unterernährung und Sterblichkeit in Indien verdankt sich der Tatsache, daß Frauen die Überbleibsel der Mahlzeit essen und fast keine Erholung oder medizinische Beratung bekommen. Die wirkliche Situation wird nicht sichtbar, wenn Usha Menon behauptet, daß
- »die Produktion von Kindern begrifflich in die Sphäre individueller Konsumtion gehört, da Kinder als Ausdehnung des Selbst betrachtet werden müssen. Es ist eine Tätigkeit ähnlich der Selbstproduktion.« (Menon 1982, 36)
Es ist Teil des Bewußtwerdungsprozesses in der Frauenbewegung, aufgezeigt zu haben, daß die Bedürfnisse und Möglichkeiten einer Frau nicht identisch sind mit jenen ihrer Kinder.
Ein anderes wichtiges Argument ist das oben bei Paul Smith referierte, daß die Parallele zur Hausarbeit die einfache Warenproduktion durch unabhängige Handwerker oder Bauern ist. Bennholdt-Thomsen zieht diese Parallele und bestimmt Hausarbeit als Subsistenzproduktion. Andere Autorinnen wie Maria Mies und Chhaya Datar benutzten auch den Begriff »Lebensproduktion«. Ich werde im nächsten Abschnitt auf die Schwierigkeiten mit dieser Begriffsbildung eingehen. Der Begriff »Lebensproduktion« ist tatsächlich sehr verschwommen und macht es schwierig, in der häuslichen Sphäre zwischen Produktions- und Konsumtionsprozesses zu unterscheiden. — Der Begriff Subsistenzproduktion ist in diesem Kontext sinnvoll, weil eine Menge der in der häuslichen Sphäre verausgabten Arbeit nicht Waren bewegt, sondern Tätigkeiten beinhaltet, die Gebrauchswerte für die direkte Konsumtion durch direkte Interaktion mit der Natur, ähnlich der Sammlerstufe, liefern. Dies geschieht jedoch im kapitalistischen System, wo die Ressourcen der Natur selbst für kapitalistische Akkumulation und Produktion von Mehrwert benutzt werden. Zwei erhellende Beispiele sind das Sammeln von Brennstoff (d.h. Brennholz oder Kuhfladen für die Produktion von Kuhfladenbriketts) und das Wasserholen, beides Prozesse, die unter den gegenwärtigen indischen Bedingungen mehr und mehr Zeit verzehren, für die Schaffung und das Überleben der Arbeitskraft jedoch absolut wesentlich sind (vgl. z.B. den Überblick über die Verlängerung des Arbeitstages, die den negativen Effekten der »sozialen Wald«-Politik geschuldet ist, in D. Nagbrahman Shreekant Sambrani 1983, 33-38). Sie können offensichtlich nicht als Konsumtion im kapitalistischen Sinn begriffen werden, wie sie Marx in der Einleitung zu den Grundrissen herausarbeitet. Subsistenzproduktion scheint für diesen Arbeitsprozeß eine passende Charakterisierung zu sein.
Subsistenzproduktion und Kapitalakkumulation
Die Verbindung zwischen Subsistenzproduktion und Kapitalakkumulation wurde von Veronika Bennholdt-Thomsen, Claudia von Werlhoff und verschiedenen anderen Autorinnen herausgearbeitet. Sowohl Bennholdt-Thomsen als auch von Werlhoff verstehen unter Subsistenzproduktion: Hausarbeit, sei es in den Metropolen oder an der Peripherie (die in der Hauptsache von Frauen geleistet werde), und die Subsistenzproduktion von Bauern (Männern und Frauen) in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern. Sie gestehen Klassen und soziale Differenzen zwischen diesen Kategorien zu, sehen aber das Gemeinsame in ihrer Produktion für die Konsumtion unter Bedingungen allgemeiner Warenproduktion. Beide betrachten Subsistenzproduktion als integralen Teil des Kapitalismus, selbst wenn die Produktion von Gebrauchswerten
- »auf den ersten Blick nicht in die allgemeinen Tauschbeziehungen integriert scheint. Es würde ebenso falsch sein, sie als andere Produktionsweise, verknüpft mit der kapitalistischen, zu sehen, weil sie ein integraler Teil des Kapitalismus ist. Kapital kann nicht ohne Subsistenzproduktion operieren, weil erweiterte Reproduktion auf Subsistenzproduktion basiert; Produkte der letzteren sind für die erstere wesentlich. Unter kapitalistischen Bedingungen hat Gebrauchswert immer sein Gegenteil, den Tauschwert, sie sind zwei Seiten einer Münze. Der Tauschwert der Subsistenzproduktion ist jedoch nicht immer unmittelbar sichtbar.« (Bennholdt-Thomsen 1981, 19f.)
Außer ihrem allgemeinen Argument, daß Hausarbeit Tauschwert in der Form der Arbeitskraft mit einer Zeitverzögerung produziere, indem sie Gebrauchswerte produziere, gelingt es Bennholdt-Thomsen nicht, diesen Prozeß sichtbar zu machen. Sie wendet sich einem historischen Argument zu über das Verhältnis zwischen Subsistenzproduktion und erweiterter Reproduktion. In vorkapitalistischen Produktionsweisen war Subsistenzproduktion auch gesellschaftliche Produktion und umgekehrt.
- »Subsistenzproduktion wird erst dann an einen Bereich delegiert, der entweder als nicht rein gesellschaftlich oder sogar außerhalb gesellschaftlicher Arbeit erachtet wird, wenn Warenaustausch und gesellschaftlich bestimmte Lohnarbeit allgemein werden.« (Ebd., 22)
Sie wirft dann dem Marxismus vor, »die Erscheinung der Trennung sogenannter gesellschaftlicher Produktion von der Subsistenzproduktion als etwas Reales aufzufassen und damit die Basis für Entfremdung mit zu akzeptieren.« (Ebd., 23) Diese Anschuldigung scheint auf einem Mißverständnis zu beruhen. Bennholdt-Thomsen rückt Probleme des Austausches in den Mittelpunkt und nimmt diese als Kriterium, um die Rolle der Subsistenzproduktion im Kapitalismus auszudrücken (wenn es ihr auch nicht gelingt, diesen Austausch ganz zu klären). Daß Subsistenzproduktion außerhalb des Kapitalismus plaziert wird, beruht jedoch auf den Bedingungen einer Produktionsweise, die — wie oben gezeigt wurde — Schwierigkeiten aufwirft, Hausarbeit als abstrakte Arbeit oder gesellschaftliche Produktion zu charakterisieren. Man muß hier mit Paul Smith sagen: »Nicht Marx' Werttheorie marginalisiert Hausarbeit, sondern die kapitalistische Produktionsweise.« (Smith 1978/79, 212; Menon 1982, 39) Smith und Menon lösen dieses Problem beide dadurch, daß sie Hausarbeit außerhalb der kapitalistischen Produktionsweise sehen, sie aber als Teil der kapitalistischen Gesellschaftsformation und notwendige Vorbedingung für kapitalistische Produktion begreifen.
Das Problem, das Bennholdt-Thomsen und von Werlhoff in der Tat vorantreiben wollen, ist, daß Kapitalismus Subsistenzproduktion notwendig zu brauchen scheint, um erweiterte Reproduktion zu erreichen, und daß dies ein kontinuierlicher Prozeß ist. Das ist wie ein fortwährender Prozeß »formeller Subsumtion« von Nicht-Lohnarbeit unter Kapital, ohne jedoch die »reelle Subsumtion« zur Folge zu haben, was den Produktionsprozeß gänzlich verändern würde. (Zur Unterscheidung von formeller und reeller Subsumtion vgl. MEW 23, 349ff.) Bennholdt-Thomsen prägt in diesem Zusammenhang die Kategorie der marginalen Subsumtion. Bennholdt-Thomsen und von Werlhoff berufen sich auf Rosa Luxemburgs »Die Akkumulation von Kapital«. Dort sagt diese: »Für seine Existenz und zukünftige Entwicklung braucht der Kapitalismus nicht-kapitalistische Formen der Produktion als seine Umgebung.« (Luxemburg 1951, 289). Da Luxemburg die Marxsche Theorie einer tendenziellen Verallgemeinerung der Lohnarbeit für richtig hielt, nahm sie an, daß sich der Kapitalismus von daher selbst zerstören müsse, eine Auffassung, deretwegen sie heftig kritisiert wurde. Bennholdt-Thomsen und von Werlhoff bezweifeln diese Tendenz. Bennholdt-Thomsen bemerkt:
- »Es gibt heute kein Land, in dem Lohnarbeit nicht das bestimmende gesellschaftliche Verhältnis geworden ist, selbst dort, wo sie nicht quantitativ vorherrscht (d.h. wo mehr bäuerliche Produzenten sind als Lohnarbeiter). Gleichzeitig können wir unsere Augen nicht dem Umstand verschließen, daß die Umwandlung aller Arbeit in Lohnarbeit nicht stattfindet. Weltweit gibt es mehr unbezahlte Subsistenzproduktion als Lohnarbeiter. Von daher kommen wir zu dem Schluß (um mit Luxemburg zu sprechen), daß das Kapital selbst seine nichtkapitalistische Umgebung reproduziert, dies sowohl in den imperialistischen wie in den abhängigen Ländern.« (Bennholdt-Thomsen 1981, 24)
Wie Daniel Thorner zeigte, wurde das Problem des Fortdauerns von Subsistenzproduktion in Familieneinheiten nicht nur von Luxemburg aufgeworfen, sondern auch von dem russischen Ökonomen A.V. Chayanov (Thorner 1980, 325-338). Nach der Proletarisierung der Hausfrau findet eine erneute »Hausfrauisierung« statt (der Begriff Hausfrauisierung stammt von Maria Mies). Dennoch bleibt die Frage, welche Funktion die kontinuierliche Reproduktion nicht-kapitalistischer Umgebungen für den Kapitalismus hat. Bennholdt-Thomsen und von Werlhoff geben unterschiedliche Antworten. Die Funktion der Reproduktion der Subsistenzproduktion in der kapitalistischen Produktionsweise wäre die Schaffung einer riesigen Reservearmee, die jedoch vom Kapital nicht wirklich für Lohnarbeit gebraucht werde. Da jedoch die »marginale Masse« ums bloße Überleben kämpft und keinen höheren Lebensstandard erhofft, hält ihre bloße Existenz die Löhne niedrig. Daneben betont Bennholdt-Thomsen noch:
- »Wichtig ist, daß die marginale Masse für ihre eigene Reproduktion sorgt und ständig verfügbar ihre eigene Arbeitskraft billiger für das Kapital herstellt (direkt und indirekt). Diesen Punkt möchte ich in meiner Analyse betonen. Wenn ein Teil der Bevölkerung für seine eigene notwendige Subsistenzarbeit verantwortlich ist, wächst die Aneignung von Mehrarbeit für das Kapital enorm.« (Bennholdt-Thomsen 1981, 27)
Natürlich bedarf diese Auffassung umfassender Forschung darüber, wie »marginale Subsumtion« wirklich vor sich geht, und die Klassenunterschiede innerhalb dieses weiten Begriffs der Subsistenzproduktion müßten sorgfältig ausgearbeitet werden. Jedoch sollte das Bemühen, Subsistenzproduktion und erweiterte Reproduktion ins Verhältnis zu setzen, fortgeführt werden.
Werlhoff geht einen Schritt weiter. Sie behauptet, daß Subsistenzproduktion Teil eines Prozesses kontinuierlicher »ursprünglicher« Akkumulation von Kapital und eine Vorbedingung für erweiterte oder einfache Reproduktion ist. Das Problem ist, daß sie diesen Begriff einer fortwährenden ursprünglichen Akkumulation mit der größten Leichtigkeit und ohne weitere Erklärung in ihrer Luxemburg-Diskussion einführt. Doch gibt es hier einen fundamentalen Widerspruch. Nach Marx meint ursprüngliche Akkumulation die Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln (MEW 23, Kap. 24). Luxemburg teilte diese Auffassung, die sie zur Theorie von der Selbstzerstörung des Kapitals brachte. Wenn sie beschreibt, wie Kapitalismus — in einem Prozeß, den man in der Tat als fortwährende ursprüngliche Akkumulation begreifen könnte — immer wieder nicht-kapitalistische Formen der Produktion subsumiert, bedeutet dies, daß dies notwendig zur Selbstzerstörungstheorie führt. Wenn, wie viele verschiedene Autoren gezeigt haben, Subsistenzproduktion nicht zu existieren aufhört und die Subsistenzproduzenten nicht ihrer Produktionsmittel beraubt werden, wie tragen sie dann genau zur ursprünglichen Kapitalakkumulation bei und schaffen so die Basis für einfache oder erweiterte Reproduktion? Diese Frage wird weder von von Werlhoff noch von Chhaya Datar berührt, die diese Auffassung übernimmt. Vermutlich würde die einfache Antwort lauten, daß Subsistenzproduktion notwendig ist, um die Produktion von Mehrwert zu ermöglichen. Das klingt ein bißchen wie: Hinter der Arbeit eines jeden Mannes gibt es eine Frau, die sie ermöglicht. Doch bedarf folgende Frage einer Antwort: Was sind (neben dem Körper der Frau, den sie für das Gebären braucht) in der Hausarbeit die Produktionsmittel? In welcher Hinsicht sind diese Produktionsmittel (Körper oder sonstige) ihr genommen? Von Werlhoff diskutiert nicht, wie der Beitrag kontinuierlicher ursprünglicher Akkumulation im Verhältnis zur erweiterten Reproduktion gemessen werden soll. Aber sie behauptet, daß diese Beziehung zwischen andauernder ursprünglicher Akkumulation und erweiterter Reproduktion auf der Makroebene zwischen Zentrum und Peripherie und auf der Mikroebene in jedem Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau innerhalb oder außerhalb des Haushalts verfolgt werden könne. Diese Behauptung müßte wesentlich untermauert und gefüllt werden, um zu überzeugen.
Ein alltägliches Beispiel, das mir einfällt, in dem weibliche Subsistenzproduktion indirekt erweiterte Reproduktion von Kapital möglich macht, ist wieder die Produktion von Kuhfladenbriketts und das Sammeln von Brennholz. Die Politik des »sozialen Waldes«, die sehr stark an industriellen Bedürfnissen ausgerichtet ist, dehnt den Arbeitstag von Frauen ungeheuer aus, weil die Vorsorge, die sie für das Kochen brauchen, sehr viel schwieriger wird. Dennoch verrichten Frauen diese Arbeit geduldig und klaglos, nehmen sie selbstverständlich hin, kochen wie immer und stellen so die Arbeitskraft wieder her, während sich die Kapitalisten der höheren Profite dieser neuen Regierungspolitik erfreuen.
Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung —Hausarbeit und Frauenlohnarbeit
Sowohl die Trennung der Hausarbeit von der gesellschaftlichen Produktion als auch der Einschluß der Frauen in die Lohnarbeit sind neue Phänomene in der kapitalistischen Produktionsweise. Sie haben Frauen mit der »Doppellast« von Lohn- und Hausarbeit konfrontiert und führten zur »doppelten Fetischisierung von Frauen als Mütter und als Arbeiter«, wie Joan Smith (1978/79, 38-50) dies genannt hat. Es gelingt ihr gleichwohl nicht, eine Verbindung zwischen den beiden zu begründen, und sie läßt die Rolle der Gewalt und des sexuellen Zwangs aus, bei der Unterordnung der Frau ebenso wie in der Lohnarbeit. — Datar stellt das Problem wie folgt:
- »... Frauenarbeit scheint bestimmte Merkmale zu haben, die für die Aneignung der Charakteristiken der Lohnarbeit Probleme schaffen — d.h. Arbeit im öffentlichen Produktionssystem —, und selbst wenn Frauen an diesem teilhaben, wird ihre Arbeit anders behandelt und durch ein von dem der Männer verschiedenes Arbeitskontrollsystem kontrolliert.« (Datar 1973, 65)
McDonough und Harrison (1978, 11-41) haben herausgearbeitet, daß Produktionsverhältnisse nicht nur Klassenverhältnisse sind, sondern zur gleichen Zeit durch das, was Feministinnen das Patriarchat nennen, geformt sind, so daß das Patriarchat so nicht nur den Reproduktionsprozeß dominiert, sondern auch die Klassenverhältnisse und den Produktionsprozeß durchwandert. Sie zeigen auf, daß das Patriarchat die Kontrolle weiblicher Arbeitskraft impliziert (sowohl im Haushalt wie in der Lohnarbeit) und daß diese Kontrolle eng und entscheidend verbunden ist mit der Kontrolle über ihre Sexualität und ihre Fruchtbarkeit. Sie gehen so weit über Engels' Analyse hinaus, daß Patriarchat und monogame Ehe in der Klassengesellschaft notwendig sind, um das Erbe zu sichern, und folgen daher Engels' Annahme nicht, daß es in der proletarischen Familie im Kapitalismus keine materielle Basis für das Patriarchat gibt und nur einige Überreste kultureller oder ideologischer Unterdrückung gefunden werden können (vgl. dazu Dietrich 1983, 55-63). Marx bestätigt in einem anderen Kontext, daß der Arbeiter immer noch Frauen und Kinder besitzt und die Macht hat, als Sklavenhalter ihre Arbeitskraft zu verkaufen (MEW 23, Kap. 13). Von Werlhoff hat die Frage der Frau als Eigentum des Mannes durch verschiedene Produktionsweisen verfolgt und daraus den Gedanken einer »kombinierten Klassenposition« der Frau entwickelt, den ich jedoch im Rahmen dieses Textes nicht genauer vorführen kann.
Da die geschlechtliche Arbeitsteilung und der männliche Besitz von Frauen dem Kapitalismus vorhergehen, ist es wichtig, aufzuzeigen, wie diese Faktoren unter den Kapitalismus subsumiert wurden. Es ist von daher notwendig, das Patriarchat unter dem Kapitalismus sowohl unter den Bedingungen gesellschaftlicher Produktion als auch im Feld sogenannter menschlicher Reproduktion, die von vielen Feministinnen als auch von Marx selber als »Produktion des Lebens« begriffen wird, zu verfolgen (vgl. Marx, MEW 3, die detaillierte Diskussion bei Maria Mies und Datars Dissertation).
Marx faßte den Einschluß von Frauen in die Lohnarbeit als relativen Fortschritt in dem Sinne, als sie Frauen aus dem häuslichen Bereich entfernte, wo sie Hausarbeit ebenso wie andere produktive Arbeit verrichteten (z.B. in bäuerlichen und handwerklichen Familien) unter direkter patriarchalischer Kontrolle ihres Ehemannes. Es ist von daher ein verwirrender Faktor, der sorgfältig analysiert werden muß, daß, obwohl die Bereiche von Haushalt und Fabrik jetzt getrennt sind, gleichwohl das Patriarchat in die Verhältnisse der Produktion übertragen worden ist. Auf der Grundlage einiger Fallstudien stellt Datar folgende Charakteristiken für weibliche Arbeit vor:
- Die Billigkeit weiblicher Arbeit, die durch folgende Elemente konstituiert ist: geringe Lohnkosten, geringe Reproduktionskosten (d.h. die Frau leistet die eigne Subsistenzarbeit, der Mann hält sich dafür eine Frau); ihre Rolle als Zuverdienerin, gegründet auf das Konzept des Familienlohns und des »Ernährers«; ihre Zugehörigkeit zur Reservearmee.
- Ihre Unterwürfigkeit bei der Arbeit (unter anderem ihrer Rolle als Reservearmee geschuldet).
- Die Reproduktion der Unterordnung am Arbeitsplatz (z.B. die Anwendung sexuellen Drucks durch männliche Aufseher).
- Zusammenspiel von Kapital und Patriarchat (d.h. Lohnarbeit erscheint als Flucht vor der strikten patriarchalischen Kontrolle zu Hause).
- Vergeschlechtlichung von Fähigkeiten (z.B. beruht als ungelernt ka-tegorisierte Arbeit tatsächlich häufig auf sehr verzwickten Fähigkeiten, die in der Hausarbeit erworben werden).
- Neue Kampfformen (z.B. können Frauen bei Schwierigkeiten, sich zusammenzuschließen, andere Kampfweisen entwickeln: von Geistern besessen werden oder andere unorthodoxe Weisen finden, den Produktionsprozeß zu boykottieren (Datar 1982, 72ff.).
Ein anderer Aspekt, den Datar in anderem Kontext diskutiert, ist die Tendenz, Frauenlohnarbeit zurück ins Haus zu verlagern, wo die Frauen isoliert unter patriarchalischen Bedingungen produzieren, was gewöhnlich auch die Aneignung fast ihres ganzen Lohnes für die Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder nach sich zieht, während zur gleichen Zeit das nationale und internationale Kapital den Mehrwert ihres Produkts aneignet. Dieser Mechanismus entwickelt sich nicht nur dort, wo Firmen privat in ländliche Hausproduktion eindringen, sondern entsteht auch als Resultat der Bemühungen von Selbsthilfeorganisationen oder der Entwicklungsprogramme der Weltbank, der Ford-Foundation usw. (vgl. Datars Artikel über Bidi Workers of Nipani oder Maria Mies' Studie über die Dynamik geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und Kapitalakkumulation: Weibliche Spitzenklöpplerinnen in Narsapur, 1981, und Devai Jain, 1980). In diesem bestimmten Lohnarbeitstyp, den Maria Mies »Hausfrauisierung« genannt hat, wird das direkte Bindeglied zwischen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in der Subsistenzarbeit im Haushalt und Lohnarbeit besonders sichtbar. Diese patriarchalische Komponente in der Arbeitsteilung spaltet die Arbeiterklasse, und daher muß der Kampf dagegen auch in den Klassenkampf integriert werden (was vielerorts schon geschieht). Der Widerstand, der überwunden werden muß, ist das materielle Interesse des männlichen Arbeiters, die geschlechtliche Arbeitsteilung zu Hause und am Arbeitsplatz so zu lassen, wie sie ist, zumindest solange er die Bedingungen und Verhältnisse, die kapitalistisch bestimmt sind, für selbstverständlich hält. — Ein Aspekt geschlechtlicher Arbeitsteilung, der noch nicht genügend untersucht wurde, ist die Tendenz des Patriarchats, die Trennung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit den Geschlechtslinien folgen zu lassen: Zum Beispiel gibt es innerhalb der Familie und auch in der Klasse eine Tendenz, Bildung und ihre Artikulation den Frauen vorzuenthalten (nicht nur formal, sondern jede Form geistiger Entwicklung), eine Tendenz, die in der Folge existierende geschlechtliche Arbeitsteilung verstärkt. Dieser Punkt muß dringend ausgearbeitet werden, da Marx ihn nur indirekt behandelt. Nachdem er die »spontane« oder natürliche Teilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern in der Deutschen Ideologie behandelt hat, sieht Marx als wirkliche Arbeitsteilung die zwischen geistiger und körperlicher Arbeit. Er erklärt dann, daß die Familie der erste Ort des Eigentums ist, wo Frauen und Kinder Sklaven des Mannes sind, und fährt dann fort, daß Arbeitsteilung und Eigentum tatsächlich identische Ausdrücke sind. Dies impliziert, daß die Teilung zwischen körperlicher und geistiger Arbeit ganz eindeutig von patriarchalischen Beziehungen durchzogen ist, da sie auf der Aneignung der Familienmitglieder und ihrer Arbeit durch den Patriarchen beruht. Das ist wichtig, weil dieses Eigentumsverhältnis trotz seiner legalen Vernichtung unter dem Kapitalismus in einer großen Zahl von Fällen nicht aufgehört hat, ökonomisch und sozial zu existieren. Selbst gebildete Frauen werden immer noch als Eigentum ihrer Männer behandelt, aber der formale Zugang zur Bildung hat dazu verholfen, daß ein Teil der Frauen öffentlich gegen dieses Eigentumsverhältnis protestiert, das heutzutage häufig in Gewalt und »Mitgifttod« sich äußert, wo die Frau eine entbehrliche Zugabe für die Hauptsache, die Eigentumsübergabe in Form der Mitgift, wird. Da Mitgift und Mitgifttode schnell in die Arbeiterklasse eindringen, ist solcher Protest über die Klassengrenzen hinweg wichtig.
Zusammenfassend können wir sagen, daß sich die doppelte Ausbeutbarkeit der Frauen im Kapitalismus in den Bereichen Arbeit, Sexualität und Fruchtbarkeit der Wirkung des Patriarchats auf die geschlechtliche Arbeitsteilung innerhalb und außerhalb des Hauses, in der Hausarbeit und anderer Subsistenzproduktion und in der gesellschaftlichen Produktion verdankt. Die Gebrauchswerte, die eine Frau produziert, gelten zu einem großen Teil Ehemann und Kindern, ihr Lohn wird zu einem weit größeren Teil für die Subsistenzbedürfnisse der Familie benutzt als der ihres Mannes (vgl. Gulati 1981, Mencher und Saradomani 1982). Daneben sind Frauen häufig in Hilfsjobs beschäftigt und zu einem den Familienlohn »ergänzenden« Lohn, sie sind häufig mehr als Männer ausgebeutet und erleiden in größerem Ausmaß das Schicksal, Reservearmee zu sein, und haben wegen ihrer Doppelrolle einen längeren Arbeitstag.
Weibliche Sexualität wird im Kapitalismus auf dreifache Weise angeeignet: durch den Mann (Schweden ist eines der wenigen Ausnahmen, in dem ein Gesetz existiert, das eheliche Vergewaltigung als Verbrechen und nicht bloß als Beleidigung, wie in den meisten anderen Ländern, verfolgt wird), in vielen Fällen am Arbeitsplatz und auch durch die Medien und die Werbung, wo Frauenkörper direkt genutzt werden, um Marktprofite zu erzielen. Dies hat die unvermittelte Vermarktung von Frauenkörpern zur Folge: in der Prostitution, in der Pornographie, in peep shows usw. Der Satz des Ex-Pornostars Linda Lovelace, jetzt rehabilitiert als Linda Matchiano, daß binnen kurzem Frauenhäute in den Straßen verkauft würden, ist von daher nicht so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick scheint (vgl. Spare Rib, April 1981, 6). Die Fruchtbarkeit der Frauen wird durch ihre Männer kontrolliert, durch die Pillenindustrie, die Propaganda der religiösen Institutionen, durch den Staat in Form von Familienplanungsprogrammen und Abtreibungsgesetzen und durch die Bedingungen, die Institutionen auferlegen, wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, Ford Foundation usw. Da die Kontrolle von Sexualität und Fruchtbarkeit entscheidend ist, um die geschlechtliche Arbeitsteilung in der Subsistenzproduktion des Haushalts und in der Lohnarbeit aufrechtzuerhalten, können Aktionen von Frauen, die auf die eigene Kontrolle ihrer Körper gerichtet sind, nicht als außerökonomisch gesehen werden, sondern haben einen direkten Bezug zu den Produktionsverhältnissen. Die Bedeutung solcher von Frauengruppen begonnenen Aktionen muß daher verstanden werden, und solche Fragen sollten ebenso in den Klassenkampf aufgenommen werden. Eine Demonstration der Demokratischen Frauenförderation in Madras verband kürzlich Fragen der Subsistenzproduktion (wie Wasserknappheit, Lebensmittelrationierung usw.) mit der Forderung nach Untersuchung jedes vorzeitigen weiblichen Todesfalles im Zeitraum von fünf Jahren nach der Eheschließung — was gesetzlich garantiert ist, aber gewöhnlich nicht durchgeführt wird (Indian Express Madurai Edition v. 16.3.1983).
Die materielle und gesellschaftliche Basis der Frauenunterdrückung:
Gegen Biologismus
Die meisten Diskussionen über die Frauenunterdrückung beginnen mit der Passage aus der Deutschen Ideologie, in der Marx die drei Hauptbestimmungen des historischen Prozesses konstatiert, nämlich: zuallererst die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Wohnen, Kleiden und verschiedene andere Dinge, mit anderen Worten die Produktion des materiellen Lebens selbst.
- »Das Zweite ist, daß das befriedigte erste Bedürfnis selbst, die Aktion der Befriedigung und das schon erworbne Instrument der Befriedigung zu neuen Bedürfnissen führt — und diese Erzeugung neuer Bedürfnisse ist die erste geschichtliche Tat.« (MEW 3, 28)
Die dritte grundlegende Voraussetzung ist die Fortpflanzung der Art, die ein Verhältnis zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern schafft, die Familie. Diese drei Aspekte sind Momente, die immer gleichzeitig existiert haben. Marx fügt folgende wichtige Spezifizierung hinzu:
- »Die Produktion des Lebens, sowohl des eignen in der Arbeit wie des fremden in der Zeugung, erscheint nun schon sogleich als ein doppeltes Verhältnis — einerseits als natürliches, andrerseits als gesellschaftliches Verhältnis —, gesellschaftlich in dem Sinne, als hierunter das Zusammenwirken mehrerer Individuen, gleichviel unter welchen Bedingungen, auf welche Weise und zu welchem Zweck, verstanden wird. Hieraus geht hervor, daß eine bestimmte Produktionsweise oder industrielle Stufe stets mit einer bestimmten Weise des Zusammenwirkens oder gesellschaftlichen Stufe vereinigt ist, und diese Weise des Zusammenwirkens ist selbst eine «Produktivkraft» ...« (MEW 3, 29f.)
Wichtig ist hier, daß Produktion des Lebens beides umfaßt, die Subsistenzproduktion für die eigenen Bedürfnisse und die Fortpflanzung, und daß die Arbeitsteilung in jeder Produktionsweise (einschließlich der Fortpflanzung der Art) eine Produktivkraft ist. In welchem Ausmaß Arbeitsteilung in der Familie und in der gesellschaftlichen Produktion als »natürlich« oder in welchem Ausmaß als »sozial« charakterisiert werden muß, ist umstritten. In der Tendenz wurde Marx vorgeworfen, er habe die Arbeitsteilung in der Familie vorwiegend als natürlich betrachtet (so z.B. Roisin McDonough und Rachel Harrison, ebenso Bennholdt-Thomsen; vgl. auch Chhaya Datars Zusammenfassung dieser Debatte). Marx erwähnt jedoch in diesem Abschnitt in der Deutschen Ideologie als »natürlich« oder spontan nur Faktoren wie körperliche Kraft, Bedürfnisse und fährt damit fort, die Frage des Bewußtseins und das Auftreten der Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit zu durchdenken. Diese Teilung der Arbeit, die gleichzeitig Ausdruck einer ungleichen Verteilung von Eigentum ist, zieht auch den Besitz von Frau und Kindern durch den Mann nach sich, was mit anderen Worten kein natürlicher, sondern ein bewußter sozialer Prozeß ist. Doch ist es richtig, daß Marx weder analysiert, wie die Unterwerfung der Frau vollbracht wurde, noch, warum dies geschah. Das gleiche gilt für die viel ausführlichere Analyse von Engels über den Ursprung der Familie, wo er einen Zusammenhang aufweist zwischen dem Auftreten der monogamen patriarchalischen Familie, dem Privateigentum und der Klassengesellschaft. Ich stimme Chhaya Datar darin zu, daß
- »... er nur die Frage beantwortete, «wann» es geschah, aber nicht zu beantworten versuchte, «wie» es geschah und «warum» Frauen durch Männer beherrscht wurden und nicht umgekehrt« (Datar 1982, 12).
In den »orthodoxeren« marxistischen Aussagen zu dieser Frage gibt es tatsächlich eine gewisse Neigung zum Biologismus. Usha Menon z.B. formuliert allgemein, daß
- »der Beitrag der Frauen zur gesellschaftlichen Produktion wegen ihrer biologischen Rolle als Mutter im allgemeinen in allen Produktionsweisen der Klassengesellschaften geringer gewesen ist als der der Männer« (Menon 1982, 39).
Zwei Irrtümer machen diese Aussage meines Erachtens unhaltbar: Menon projiziert die strenge Teilung zwischen gesellschaftlicher Produktion und dem, was unter Reproduktionsprozeß verstanden wird, zurück in die Geschichte, während sie tatsächlich ein grundlegend kapitalistisches Phänomen ist. Dann schreibt sie ihr biologische Gründe zu. In Wirklichkeit ist es nicht das Problem, daß Frauen weniger produziert haben (was nicht zutrifft, wenn man die Produktion des Lebens in die Analyse einschließt), sondern daß ihre Arbeit, ihre Sexualität und ihre Fruchtbarkeit seit der Existenz der Klassengesellschaft von Männern angeeignet wurden. Für die Unterordnung der Frauen im Kapitalismus äußert Menon eine ähnliche Auffassung:
- »Solange Arbeitskraft als Ware produziert wird, ist es für den Kapitalisten notwendig, daß eine «Reservearmee» existiert, damit der Preis der Arbeit niedrig sein kann. Für diese Reservearmee bilden Frauen einen sehr willkommenen Teil. Dies, weil ihre biologische Rolle als Mutter — soweit ausgedehnt, daß sie als einzige für die Kinder zuständig ist, verstärkt durch das Dogma, daß der Platz der Frau zu Hause ist — es ermöglicht, sie mit dem geringsten Widerstand und den wenigsten politischen Folgen aus der Arbeitskraft auszustoßen« (Menon 1982, 39).
Sie räumt dann ein, daß diese Rolle der Reservearmee unter außergewöhnlichen Umständen auch von anderen Gruppen, z.B. ausländischen Arbeitern, übernommen werden könne. Doch enthüllt sie nicht vollständig, daß die meisten Annahmen über die biologische Rolle der Frau eine Ideologie sind, die dem Zweck dient, Frauen in erster Linie mit der Subsistenzproduktion beschäftigt zu halten (d.h. Aufzucht und Produktion von Gebrauchswerten zur Erhaltung der Art), während es gleichzeitig zweckmäßig sein kann, ihre Arbeitskraft für andere Produktionszwecke zu gebrauchen. Ich stimme Menon darin zu, daß
- »die objektiven Bedingungen für die Aufhebung der Unterdrückung der Frauen mit der Entwicklung der Produktivkräfte und der Möglichkeit der Verkürzung des Arbeitstages wachsen. Mit der Verkürzung des Arbeitstages für Männer und Frauen wird es für Frauen möglich, eine gleichberechtigte Rolle in der gesellschaftlichen Produktion einzunehmen, indem sie die Arbeit der Mutterschaft damit verbinden kann, und für Männer wird es möglich, daß sie sich an der Arbeit der Kinderaufzucht beteiligen« (Menon 1982, 39).
Doch bringt die Entwicklung der Produktivkräfte nicht automatisch die Verkürzung des Arbeitstages, und diese wiederum bringt nicht automatisch die Teilung der Hausarbeit. Was tatsächlich im Kampf gegen den Kapitalismus überwunden werden muß, ist nicht nur der Klassenantagonismus im Produktionsprozeß und in den Besitzverhältnissen, sondern auch die geschlechtliche Arbeitsteilung innerhalb und außerhalb des Hauses (was abgesehen von Schwangerschaft und Geburt möglich ist, und selbst dort können, wenn Frauen dies wünschen, Männer in größerem Ausmaß teilhaben, als bislang für möglich gehalten wurde). Erkennen wir an, daß die Produktion des Lebens eine unverzichtbare Bedingung für jeden weiteren Produktionsprozeß ist, muß die Priorität der Warenproduktion angezweifelt werden, und für die Perspektive der neuen Gesellschaft bleibt uns nicht nur das Problem, wie wir die Assoziation der freien Produzenten erreichen sollen, sondern auch, wie wir das, was »Reproduktion« genannt wurde, für den Verein freier Menschen gestalten wollen. Die letzte Frage scheint mir bedeutsamer als die bloße Auslöschung des Begriffs Reproduktion, wie dies von verschiedenen Feministinnen gefordert wurde.
Immer noch brauchen wir eine Erklärung für das »warum« und »wie« der Frauenunterdrückung (im folgenden beziehe ich mich hauptsächlich auf Maria Mies und Chhaya Datar). In der Urgesellschaft mußten Frauen sowohl für ihre eigenen Bedürfnisse als auch für die ihrer Kinder produzieren, da die Vaterschaft erst in einem späteren Stadium menschlicher Geschichte identifizierbar und erst mit dem Patriarchat vollständig etabliert wurde. Maria Mies behauptet, daß Frauen ihren ganzen Körper erfuhren, nicht nur Kopf und Hand. Ihr Verständnis ihrer generativen Kräfte entsprach ihrem Wissenserwerb über die generativen Kräfte der äußeren Natur, über Pflanzen, Wasser, Luft, Tiere. Viele Anthropologen behaupten heute, daß Frauen frühe Agrikultur erfanden und als erste Fähigkeiten wie Weben, Töpfern und Wissen über die Heilkraft der Pflanzen entwickelten. Mies vertritt die Auffassung, daß das Verhältnis der Frauen zur Natur nicht auf Aneignung und Beherrschung beruhte, während Männer als Jäger die Natur ausbeuteten. Dies mag eine ein wenig idealistische Auffassung sein in dem Sinn, daß sie Idealtypen konstruiert, die in dieser Form nicht existiert haben müssen; anders gesprochen: es gibt keinen Grund, anzunehmen, daß Männer nicht am Ackerbau beteiligt waren, wenn Frauen ihn entdeckten, oder daß Frauen kein kleines Wild jagten. Tatsächlich aber gibt es einen Unterschied in der Art und Weise, wie Männer und Frauen sich auf Natur beziehen. Es ist auch nicht richtig, daß Produktivsein für einen Mann notwendig weit mehr mit Werkzeugen verbunden ist als für Frauen. Mies schreibt die Werkzeuge des Pflegens den Frauen zu, die des Jagens den Männern. Voll entwickelte patriarchalische Beziehungen entstanden wahrscheinlich erst mit den nomadisierenden Hirten, die Vieh und Frauen domestizierten, in Ackerbaugemeinschaften einbrachen und unbewaffnete Männer und Frauen unterwarfen, was auch eine Grundlage für Sklaverei schuf. Viehzucht setzte übrigens die Entdeckung der Vaterschaft voraus und machte die Ausdehnung des Eigentums relativ leicht. Waffen werden entscheidend, um den »Überschuß« von anderen Gemeinschaften zu erhalten, und auch die von Frauen vollbrachte Produktion (Mies verweist darauf, daß Überschuß oder Mehrwert nicht heißt: Produktion, die über die grundlegenden Bedürfnisse hinausgeht, sondern daß gewaltsame Aneignung der Produktion von anderen von Anfang an der Inhalt dieses Begriffs war). In dieser Weise sind sowohl Klassenverhältnisse wie patriarchalische Verhältnisse von Anfang an ausbeuterisch. Der spezifische Charakter der Frauenausbeutung liegt darin, daß Frauen nicht nur als Produzentinnen produktiv sind, sondern auch als Gebärende. Forschungen über das Sammeln und Jagen haben gezeigt, daß Frauen bis zu 60% der Subsistenzmittel lieferten, weil Jagen eine weitläufigere Tätigkeit ist. Das Problem liegt darin, daß es durch die gesamte Geschichte hindurch die Tendenz gab, Frauen auf die Subsistenzproduktion zu beschränken, um Männer dazu zu befähigen, die wirkliche Akkumulation zu erzielen. Datar liefert daher einen wichtigen Einwand, wenn sie Engels andersherum liest. Während Engels behauptet, daß die Unterdrückung der Frauen auf ihrem Ausschluß aus der öffentlichen Produktion beruhe, behauptet Datar, daß die Subsistenzproduktivität der Frauen für Männer so wichtig war, daß sie die Frauen zwangen, dabei zu bleiben und den Besitz von Frauen und ihrer Produktion erreichten und sie aus dem öffentlichen Leben ausschlössen (Datar 1982, 131). Im Kapitalismus traten die Frauen in die öffentliche Produktion ein, weil die neue Weise der Mehrwertproduktion und -aneignung eine größere Arbeitskraft erforderte, aber das Patriarchat durchzog die Produktionsverhältnisse nach wie vor.
Es scheint sehr wichtig zu sein, diese Analyse von Mies und Datar in historischer und nicht-biologistischer Weise zu lesen, weil man ansonsten leicht dahinkommt, die Welt in Gute (Frauen) und Schlechte (Männer) aufzuteilen, die auf der einen Seite mit der Produktion des Lebens beschäftigt sind (Frauen), auf der anderen Seite mit Ausbeutung, Zerstörung, Ausnutzung (Männer), und all dies aus natürlicher Neigung. Es ist von daher wichtig, zu betonen, daß Männer und Frauen den größten Teil ihrer geschlechtsspezifischen sozialen Eigenschaften im historischen Prozeß gewonnen haben. Es ist auch wichtig, zu sehen, daß die Entwicklung der Produktivkräfte durch die Beherrschung von Natur und von Menschen ermöglicht wurde und für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft entscheidend war. Daneben konnten sich auch Frauen in Ausbeuter verwandeln, wo sie Zugang zu Besitz und politischer Macht erhielten. Männer konnten auf der anderen Seite hegende und pflegende Fähigkeiten entwickeln. Mit diesen Spezifizierungen im Hinterkopf müssen wir erkennen, daß wir einen Punkt in der Geschichte erreicht haben, an dem ein eingreifendes Neudenken und eine ebensolche Umstrukturierung der menschlichen Zivilisation als ganzer notwendig wird. Dies muß nicht nur die Eigentums- und Produktionsverhältnisse umfassen, sondern auch eine Umstrukturierung der menschlichen Produktion (sowohl der öffentlichen als auch der Fortpflanzung) im Ganzen. Subsistenzproduktion wurde unter der kapitalistischen Produktionsweise immer randständiger und nebensächlicher. Dies hat zu einer Situation geführt, in der die menschliche Subsistenz und Existenz — nicht nur von Indidivuen, sondern der Menschheit als ganzer — in Frage steht. Eben die Tatsache, daß Subsistenz »privat« und gleichsam »außerhalb der kapitalistischen Produktionsweise« erledigt wurde, hat zu einer Situation geführt, in der die menschlichen Wesen durch chips-Technologie bis zu einem Ausmaß von 80% der Arbeitskräfte überschüssig gemacht wurden oder ein »begrenzter Atomkrieg« riskiert wird. Die Ausbeutung der Natur hat einen Punkt erreicht, an dem es die Kapitalisten nicht mehr kümmert, ob für die kommenden Generationen noch irgendwelche Ressourcen übrigbleiben. Es kann daher nicht darum gehen, um der Frauenbefreiung willen »die Subsistenzproduktion zu stärken«, wie einige Feministinnen fordern (was immer sie damit meinen), sondern die menschliche Subsistenz zum zentralen Gegenstand von Öffentlichkeit zu machen. Dies würde z.B. eine Waldpolitik bedeuten, in der die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen nicht industriellem Bedarf untergeordnet werden, in der subsistenzorientierte Wasser- und Grundversorgung, präventive und ganzheitliche Krankheitsversorgung nicht zugunsten hochspezialisierter Medizin vernachlässigt werden usw. Es würde ohne Zweifel radikale Abrüstung bedeuten. Natürlich ist der Kampf gegen den Kapitalismus entscheidend, um gegen die Bedrohung menschlichen Überlebens zu kämpfen, aber in Konkurrenz zum Kapitalismus, einschließlich des Rüstungswettlaufs, ist der Sozialismus bisher nicht in der Lage gewesen, sich zu entfalten. Von daher sind die Bewegungen, die für die Subsistenz (den Erhalt) der Menschheit kämpfen, wie die Friedensbewegung und die Frauenbewegung, von großer Bedeutung, und ihre Einsichten und Fragen müssen sowohl in den Klassenkampf als auch in die Gesellschaftstheorie innerhalb des real existierenden Sozialismus aufgenommen werden.
Perspektiven der Frauenbefreiung und Klassenkampf
Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, daß ein Antagonismus zwischen Frauenbefreiung und Klassenkampf künstlich und unglücklich ist. Die Frauenfrage kann nicht innerhalb des Kapitalismus gelöst werden, und deshalb muß sich die Frauenbewegung mit dem Klassenkampf verbünden. Gleichzeitig kann der Sozialismus die Frauenfrage nicht automatisch lösen. Ohne die Existenz einer autonomen Frauenbewegung wären viele Analysen niemals erstellt worden und viele Frauen, die inzwischen eine antikapitalistische Perspektive entwickelten, wären niemals in einen Kampf gezogen worden, wären nicht die Frauenfragen gewesen, wie Abtreibung, Gesundheitswesen, Gewalt oder Mitgiftmord. Auf der anderen Seite verloren die kommunistischen Frauenorganisationen, die während der Unabhängigkeitskämpfe eine große Anzahl von Frauen organisieren konnten, viele von ihnen vermutlich deswegen wieder, weil sie nicht in der Lage waren, Frauenfragen aufzugreifen (vgl. dazu R. Chakravarthy 1980 und Bhattacharya 1982, 20-22). Wie Frauenbefreiung und Klassenkampf erfolgreich integriert werden können, ist eine Frage, die unter sehr verschiedenen lokalen Bedingungen praktisch gelöst und auch theoretisch tiefer ausgearbeitet werden muß. Sicher müssen Klassenunterschiede innerhalb der autonomen Frauenbewegung ebenso erkannt werden wie patriarchalische Trennungen in der Linken. Es geht nicht darum, das eine dem anderen unterzuordnen oder das eine Problem in der Vorstellung, daß das andere automatisch folgen wird, zuerst zu lösen.
Das Problem, das sich uns stellt, ist Teil und Stück der Frage revolutionärer Organisation als ganzer, d.h. es umgreift auf der einen Seite den Aspekt des Verhältnisses von Partei und Massenorganisation, umfaßt auf der anderen Seite aber auch die größere Frage, wie die Arbeiterbewegung wirksam Fragen aufnehmen kann, die über ihre eigenen Klasseninteressen hinausgehen. Ich folge der in der westeuropäischen Linken modischen Tendenz nicht, den Klassenkampf oder die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse fallenzulassen, aber ich werfe die Frage auf, wie die Hegemonie der Arbeiterklasse in einer Massenbewegung linker und demokratischer Kräfte für das Überleben der Menschheit und so notwendig gegen den Kapitalismus erreicht werden kann. Nur in diesem weiteren Kontext kann die Frage der »Autonomie« als unterschieden von »Separatheit« ausgearbeitet werden und nur hier auch eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Arbeiterklassenorganisationen und Frauenorganisationen verschiedener Art erfolgen. Ein Gegenstand in diesem Prozeß wird natürlich auch die Losung der Frage einer linken Einheit sein müssen.